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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880712
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880712
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-12
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.07.1888
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Zweite Geilage M Leipziger Tageblatt mb Anzeiger. M. Donnerstag den 12. Juli 1888. 82. Jahrgang, (Fortsetzung au« der Erstm Beilage.) wie iu dieser Frage, so wurde säst iu allen die gemein« same ärztliche Beschlußfassung dadurch erschwert, daß, ehe noch der Gegenstand der Berathung unter den Aerzlen er ledigt, oft sogar, ehe er dorgetrageu war. den Hohen Ange hörigen, sowie dem Hohen Kranken selbst schon die bestimmte und durch die Berufung aus feine großartige Erfahrung auch annehmbar gemachte Ansicht Mackenzie'« bekannt gegeben worden war. Nicht minder litt die gemeinsame ärztliche Be handlung dadurch, daß Mackenzie zwar Bramann und mir die chirurgische Nachbehandlung der Tracheotomiewunde überlasten, nicht aber anerkennen wollte, daß wir auch hin sichtlich aller etwa ihm wünschen-werth erscheinenden Vor nahme» am Kehlkopfe gefragt werden müßten. Mackenzie hielt daran fest, daß der Kehlkopf de« Hohen Patienten da» Object seiner au-schließlichru Thätigkeit bleiben müsse. Den schärfsten Ausdruck fand diese seine Auffassung bei der späteren Eonsultatiou de» Professor« Kuß maul, die er ohne Widerspruch, ja. wie e» schien, gern acceptirt hatte. Er schrieb damals: „Daß ich nur verlangt habe die Zustimmung für Professor Kußmanl'S Unter suchung der Lungen. Ich bin bereit, zuzugeben, daß Professor Kußmaul ein besserer AuScultator sein mag, als ich bin. Ich werde mich freuen, seine Meinung kennen zu lernen über den Zustand der Lungen, aber ich kann nicht zu» geben, daß er «in Laryngoskopist von derselben Höhe wie ich ist.« Da« war die Motivirung für sein Fortbleiben vom ersten Besuche Kußmaul'«. ES bedurfte wiederholter Vorstellungen und der huldvollst gewährten Vermittelung der Frau Kron prinzessin. um Mackenzie da- zugestehen zu lasten, was daS bi« zetzt unbestrittene Recht jedes zu einer Consultation hinzu- aezogenen Arzte» ist: die vollständige Untersuchung des Kranken. Zur zweiten Visite Kuß maul'S erschien er und assistirte dessen laryngoskopischer Untersuchung. Wir hatten damals un» in einer Consultationsstunde dabin geeinigt, wegen inter kurrenter Diarrhöen einige Tropfen Opiumtinctur nehmen zu lasten. AIS ich bald daraus in» Krankenzimmer trat, sah ich. Wie der Kammerdiener dem Hohen Patienten einen Eßlöffel einer anderen Mixtur (Hämatoxylinlösung) eingoß. Ans meine Frage, warum nicht Opiumtropscn. erfuhr ich, vr. Mackenzie habe daS soeben anders bestimmt, s einmal in diesen Verordnungen war der College im Stande, sich für gebunden an die Abmachungen de» Consilium» zu halten. Die Menge de» AuSwurfS wechselte außerordentlich. Eine hinreichende Quantität dieses AuswurfeS, die wir unS am 1b. Februar ausgesangen hatten, benutzten wir zu einer ein gehenden mikroskopischen Untersuchung. Am 12. Februar hatte Sir Morell Mackenzie in Nummer 8 der „Berliner klinischen Wochenschrift" geschrieben: „Nach meiner Ansicht waren die ltinischen Symptome immer durchaus vereinbar mit einer nicht bösartigen Erkrankung und die mikroskopische Untersuchung befand sich in Uebcreinstimmung mit dieser Ansicht", und weiter: „in diesem Augenblicke ge stattet die medicinische Wissenschaft eS mir nicht zü behaupten daß irgend eine andere Krankheit vorhanden ist. als eine chronische Entzündung des Kehlkopfes, verbunden mit Perichon- driti«." Noch ehe der Setzer in Berlin diese Worte druckte, war der vollwichtige, wissenschaftliche Gegen beweis für diese Dkackenzie-Ansicht von demselben Chiurgen erbracht worden, dessen bestimmte klinische Diagnose im Sommer vorher so lange in Zweifel gezogen war. Am 18. Februar, al« wir bereits über eine ausreichende Zahl beweisender Präparate verfügten, lud ich zuerst vr. Krause und durch ihn die beiden englischen Collegcn ein. sich von den Ergebnissen unserer mikroskopischen Unter suchung zu überzeugen. Krause erklärte sich, gegenüber einer eoen vorbereiteten andersartigen Kundgebung für über zeugt. Mackenzie aber ließ unS durch ihn melden, daß er sich nicht für kompetent hielte, mikroskopische Dinge richtig zu beurtheilen. Denn in England hielte man eS für unerläßlich, in solchen Sachen lediglich den Anatomen reden zu lassen. Wir hatten den Anatomen nicht nöthig. Für unS war aber hiermit auch derjenige Beweis für die Bösartigkeit der KehlkopsSerkrankung erbracht, den allein noch Mackenzie gesorvcrt batte, der anatomische. Mitten zwischen Bündeln elastischer Fasern und in Schollen von Muskelnbrillen steckten die KrebSnester, mithin stammten sie au- der Tiefe, nicht von der Oberfläche. Die Entwickelung und der Verlauf, sowie die klinische Erscheinung der Neubildung, zugleich mit der Möglich, keit, alle» Andere, was ähnlich sich darstellen und einer Ver wechselung mit einem Kehlkopfkrebse unterliegen konnte, aus- zuschließen, war un» Beweis genug für die Richtigkeit unserer Diagnose gewesen. Wir hatten niemals den Stand- punct eine« Arzte» versieben können, der seiner Diagnose nur dann ein Neckt zur Bestimmung seine- Handeln- einräuml. wenn sie da» Messer des Anatomen verisicirt hat, ein Stand punkt. der in seiner äußersten Consequenz den Arzt erst hinter den SeclionStisch verwiese! Allein selbst diese excentrische Forderung war nun erfüllt worden. Zeder Tag lieferte unS neue Präparate, jeder Tag bestätigte uns damit zweierlei: 1. die Krebsdiagnose und 2. die Thatsache de- Zerfalls der Neubildung. Mackenzie aber blieb dabei, daß nur meine Canüle all diese Störungen verschulde, er beklagte sich bei den Hohen Angehörigen de- Kranken, daß ich ihm widerstrebe, ja er be- zeicknete den Gebrauch meiner, gegen den Kehlkopf abge schlossenen Canüle als ein Hinderniß für die weitere Be handlung der Kehlkopfaffection selbst. Unter diesen Umständen schlug ich selbst Mackenzie vor, einen Versuch mit seiner Canüle zu machen. Am Abende drS 20. Februar wurde sie eiugeführt. Di« Nacht nach der Ein führung war eine bessere al» die vorhergegangene. Es wurde weniger blutige Materie au»gchustet. So erklärt es sich, daß am Morgen de» 21. die Zeitungen, deren Correspondenten, wie amtlich festgestellt ist, unmittelbar nach der gemeinsamen Morgeuvisite von Mackenzie im Hotel Victoria empfangen wurden, überall hin telegraphirten. der Hustenreiz und der blutige AuSworf hätten seit Einführung der Mackenzie schen Canüle ausgehört. Der gute» Nacht vom 20. aus den 21. folgte ein weniger guter Tag. Nachmittags wurde viel gehustet, ebenso au den nächsten Tagen und Nächten. Ich meine, weil die gleichzeitig aufgrnommenen Einblasungen von Llsmutb. uitrio , Tannin und Morphiumpulver reizten. Der AuSwurf blieb bräunlich und reichlich, ja zeigte mitunter mehr frisches Blut als früher. Gelegentlich einer genauen Besichtigung der Wunde be hauptete Hovell, die Trachealwunde entspräche nicht der Mittellinie, daher müsse die Canüle drücken und reizen, der schiefe OperationSschnitt trüge die Schuld an der auch bei der englischen Canüle fortbestehcnden Reizung. Sofort stand diese Behauptung in einer Reihe englischer und deutscher Zeitungen. Die Nacht vom 22 aus den 23. Februar war besonder- schlimm gewesen. Da« Quantum beigemischtea Blute» war auffallend groß geworden. Hatte e» mir doch den Gedanken an eine Lungrnblutung, au» einem etwa erweichten, sekun dären Carcinomknoten diese« Organe« nahe gelegt. Da in dieser Nacht Oberstabsarzt vr. Schräder gewacht hatte, wagte Sir Morell zu behaupten, dessen ungeschickte Hände hätten beim Wechseln der inneren Canüle dir Verschlimmerung verursacht. Buch diese Episode fand im „Standard" und auderen Zeitungen ihren Nachhall Mackenzie forderte, daß' ih» und HovelN allem die Wach« übertragen würde. dann würde die neue Canüle sich schon bewähren. Seinem Wunsche wurde entsprochen, allein der AuSwurf war wieder reichlicher und die Blutbeimengung auffälliger geworden. Mackenzie gab da» selbst zu. als er in der Morgen- Visite vom 24. sich bei Schräder entschuldigte und mir, in Gegenwart der andere» Collegen, sagte, er habe sich über zeugt. daß seine Canüle nickt weniger als die ineinige reize. Er wolle an ihr nock Abänderungen anbringrn, um sie besser den gegebenen Berhältniffeu anzupaffen, bis dahin möge ich mein Instrument wieder einfübren. Der Zustand deS Hoben Kranken änderte sich nicht, ob- > gleick die verschiedensten Pulver von der Wunde auS oder ' durch die Oeffnung in der oberen Wand der Canüle in den Kehlkopf geblasen wurden. ES gab dazwischen stunden langen Scklas und leidliche Tage, an denen Seine kaiserliche Hoheit Spaziergänge im Garten machte oder aus dem Balkon saß. Wie vaS gute Allgemeinbefinden selten nur durch etwa» höhere Abendtemperaturen und Kopssckmerzen gestört wurde, war auck der Appetit befriedigend. Hin und wieder störten ihn die Schmerzen beim Schlucken, welche in die linke Schläfe und Ohrengegend auSstrahltcn. Der reicklicke AuSwurf veranlaßte mich, so wenig ich auch bei der Percussion und AuScultation hatte finden können, an die Möglichkeit einer Lungenafseclion zu denken. War mein Verbackt begründet, so mußte auch eine schnelle Wendung zum Schlimmeren besorgt werden, eine Besorgniß, die mich den Wunsch nach der Herbeiziebung eines inneren Kliniker» auSsprecken ließ. Dazu kam, daß meiner Ueberzeugung nach mit der Feststellung der Diagnose eine- ulcerativ zerfallenden CarcinomS der Spccialist für Kchlkopskrankheiten nicht mehr an seiner Stelle war, vielmehr jetzt, wo die Krankbeit allge meine Wirkungen zu entfalten drohte, der innere Kliniker mit der Leitung der Behandlung betraut werden sollte. Die Berufung Kußmanl'S wurde einstimmig empfohlen und auch sofort gutgebeißen Am 25. Februar traf Geheim rath vr. Kußmaul ein. Derselbe constatirt in seinem Be richt. daß der AuSwurf nickt auS den Lungen oder Bronchien stammte, sondern auS dem Kehlkopfe, und daß die Geschwulst im Keblkopfe eine bösartige sei. Mackenzie bestritt die Möglichkeit dieser Annahme nicht, gestand jedoch die Volle Sicherheit dieser Diagnose nicht zu. Die lctzterwäbnten Auseinandersetzungen Kußmaul'« mit Mackenzie — so fährt von Bergmann in seiner Dar stellung fort — hatten wieder gezeigt, daß der Letztere bei seiner Meinung von der nickt carcinomatösen Natur der Neubildung beharrte. Aber er hatte erklärt, daß. wenn eine Autorität, wie Birchow» die Beweiskraft der von Berg mann und Bramann demonstrirtcn Präparate aner kenne, dann er sich für überzeugt halten würde. Birchow befand sich damals in Egypten, war also nickt zu er reichen. Ich machte mich daher anheischig, bei meiner bevor lehcnden Rückkehr nach Berlin die conservirten Präparate mitzunchmen und dort sie Professor Waldeyer, als einer in der EntwickelungSgeschickte deS Krebses allgemein aner kannten Autorität, zu unterbreiten. Mackenzie war damit einverstanden und versprach, sich dem Urtheile Waldeyer'S zu fügen. Am Morgen deS 23. Februar wurde ich von den Höchsten Herrschaften aus daS Allergnädigste entlassen und war im Begriffe, meine Rückreise anzutreten, als ein telegraphischer Befehl deS Kaisers mich in San Remo zurückhielt. Seine Majestät wünschten, daß ich bis zur Ankunst deS Prinzen Wilhelm, die am Morgen deS 2. März stattfinden sollte, noch bliebe, und ein bindendes Versprechen hinsicht lich einer baldigen Rückkehr deS Hohen Kranken nach Berlin durchzusetzen suchte. Um diesen so bestimmt ausgesprochenen Wunsch Sr. Maje stät zu erfüllen, sah ich nur ein Mittel: Mackenzie von der Nichtigkeit der KrebSviagnose zu überzeugen. Ich glaubte, er würde dann seinen Widerstand gegen die Heimreise, die ja nicht gleich nach Berlin, sondern zunächst »ach Baden-Baden, oder Wiesbaden gerichtet werden könnte, ausgeben. Ich er suchte also Waldeyer. nach San Remo zu kommen. Der selbe traf am Abende deS 3. März ein und widmete den Tag daraus den eingehendsten Untersuchungen, deren Resultat die vollste Bestätigung unserer Auffassung der mikroskopisch unter suchten Massen war. Da- bisher geheim gehaltene Gutachten Waldeyer'S gipfelt in folgenden Sätzen: 1) Die in den mikroskopischen Präparaten gefundenen con- centrischen Körper (Zwiebeln, Perlen oder Zapfen) sind un- zweiselhast sogenannte .Kankroidkörper" und stammen au» ciner krebsigen Neubildung. 2) Die krebs,ge Neubildung muß — vorausgesetzt, daß die Luftweg« nicht mit einem anderSwo sitzenden krebsigen Herbe communiciren — in den Luftwege» befindlich sein. 3) Dieselbe bat wahrscheinlich ihren Sitz oberhalb der ein- gesührten Canüle. im Keblkopfe. 4) ES muß ein ausgedehnter ulceratlver und nekrotischer ZersallSpreceß a» der krebsigen Neubildung vorbanden sein; dieser Proceß hat auch bereit- da« befallene Organ, de» Kehlkopf, ergriffen. Professor von Bergmann fährt fort: Ich brachte Mackenzie zu Waldeyer, der ihm in ausführlicher Weise die Bedeutung der mikroskopischen Funde für die Krebs- diagnose auseinandcrsetzte und am Präparate demonstrirte. Mackenzie erklärte ebenso wieder, wie am 9. November, daß er jetzt keinen Zweifel mehr am Vorhandensein eines Krebse» habe. Nun drang ick wegen der Rückreise in ihn und war so glücklich, auch hierin von ihm nachstehende schriftliche Zusicherung zu erhalten: „Ich Endesunterzeichneter verpflichte mich hiermit, bei Eintreten schwerer Symptome in der Krankheit Seiner kaiser- licken und königlichen Hoheit aus dessen schleunige Rückkehr nach Deutschland zu dringen, welche ich bei Eintritt der wärmeren Jahreszeit in jedem Falle befürworten werde. Morell Mackenzie." I» der daraus folgenden ärztlichen Berathung thcilt« ich da» Ergcbuiß der Waldeyer'schen Untersuchung und die Anerkennung derselben durch Mackenzie mit. Da jetzt hinsichtlich der Diagnose unter den Aerzlen völlige Ueberein- stimmung herrschte, suchte ich sie auch in dcu wichtigsten Fragen der Behandlung zu erzielen. Da» Ergcbniß unserer letzten Consultation war die Ab sassung des fo verschieden gedeuteten Bulletin- vom 8. März. „Die Unterzeichneten erklären,daß hinsichtlich der Natur und Beurtheilung der Krankheit Seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit eine Meinungsverschiedenheit unter ihnen nickt besteht, ebenso wenig ist von ihnen die Nähe einer gefährlichen Wendung behauptet worden. Die einheitliche ver antwortliche Leitung der Behandlung befindet sich, wie vor der Operation, in den Händen de» mitunterzeichneten Sir Morell Mackenzie." Mein Vorschlag war e» gewesen, jetzt, nachdem so oft dem Hoben Patienten versichert worben mar, daß die Aerzte am 9. November sich geirrt und blo» eine durch Tracheotomie zu heilende Kchlkoptkrankheit vorläge, den Inhalt de» Waldeyer'scken Gutachten« geheim zu halten, und Mackenzie hatte mir dafür gedankt. E» ist bekannt, welche folgenschweren Ereignisse sich in deu Tagen nach dem 8. März vollzogen. Am Morgen be ll). März trat Kaiser Friedrich lll. seine Rückreise an und traf am Abend de» 11. im Schloff« zu Charlotten- bürg «in. Acht Tage nach der Rückkehr de« Kaiser» wurde ich durch ein Schreiben de« Leibärzte» vr. Wegner zur Untersuchung und Betheiligung an der Behandlung Sr. Majestät ein geladen, nachdem durch eine kaiserliche Verfügung aus schließlich vr. Mackenzie die verantwortliche Leitung der letzteren übertragen worden war. Meine ersten Besuche sielen aus den 18. und 25. März. Der AuSwurf und die Hustenansälle waren genau dieselben wie in San Remo. Am 29 wurde ein größere- Knorpclstück und einige Tage daraus mehrere nekrotische GcwebSsetzen au-geworse». E» gab das den unmittelbar im Charlottenburger Schloß mit Nachrichten versehenen Reportern Veranlassung, von einer wohlthätigcn Krisis im Verlause der Krank heit ru schreiben. Da- nekrotische Knorpelstück wurde al- Beweis für daS Vorhandensein einer PerichondritiS angesehen und wieder der Versuch einer Rückkehr zu der so oft schon ausgegebenen Diagnose derselben gemacht. Immer häufiger berichten in dieser und den folgenden Wochen die Auszeichnungen von Wegner'S über Kopfschmerzen, gegen die, wie in Sa» Nemo, Crotonchloral und Morphium an gewandt wurden. Acht Tage später, am Ostersonntage, sühlte ich auch unter der Canüle einen deutlichen Knollen und eine Zunahme der seitlich vo» ihr unter der Haut gelegenen Ver härtungen. Links zogen sich diese bis in die obere Clavicular« grübe, während etwa unter der Mitte deS KopfnickcrS harte, geschwollene Lymphdrüse» zu fühlen waren, so kam eS, daß die ganze Gegend eine Borragung bildete, ans deren Höhe daS Schild der Canüle saß. Die Granulationen, welche »ach Entfernung der Canüle die Wandungen de- WundcanalS bildeten, saben, namentlich im oberen Theile der Wunde, sehr unregelmäßig auS, schmutzig grau, durchsetzt von gruben- sörmigen Vertiefungen, iu denen hanskorngrnße und noch größere Coagula steckten. Ueberall gelbe Punele und Fetzen, deren einen ich mit der Kornzange herau-zichen konnte. Ein Hustenansall, den ich milir.acbte, verhielt fick genau so wie in San Nemo, zum Schlüsse desselben wurden mit einem Male etwa 5 com bräunlicher Jauche auSgeworsen. Ich nahm die selben mit und untersuchte sie gemeinsam mit Professor Waldeyer. Sie verhielten sich genau wie die gleichen Massen in San Remo. indem jede- mikroskopische Präparat eine Menge von Cancroidperlen zeigte. Der Proceß deS Zerfall- war offenbar im Zunehmen. Ueber die vielerörterte Affaire mit dem Kranken wärter und die daraus folgenden Ereignisse berichtet Prof von Bergmann: Am Morgen des 12. April suchte mich der Krankenwärter, den ich neck in San Remo zur Pflege de- hohen Patienten installirt halte, auf und meldete mir, daß die eben vergangene Nacht eine sehr schlechte gewesen fei. Die Einführung der inneren Canüle glücke nicht und da» Athmen des Kaisers sei außerordentlich erschwert. Ich theilte das meinem Assistenten vr. Bramann mit und ersuchte ihn. AllcS für die Even ualität größerer Schwierigkeiten im Einfuhren der Canüle, wie ich sie Sonntag vorausgcsehen, bereit zu halten. In der Thal schon gegen 3 Uhr Nachmittag erhielt ich durch einen königlichen Depeschenrciter, der mich nicht zu Hause, sondern bei einer Consultation in einem Hotel der Stadt traf, nachstehenden Brics Mackenzie'S: „vear keolsssor von Lergnumu. Kurs cliffieultios vilü tüo canula Lnä 3 «Kall de gluck ik >ou vill sec tko Lwporor vitk me as son ns possibls. Vour trulz, üilorell Llucüenirio." „Wir haben Schwierigkeiten mit der Canüle, ich bitte Sie daher, mit mir den Kaiser zu sehen und zwar fo schnell als möglich." Die letzten vier Worte waren unterstrichen. Ich brach sofort mit vr. Bramann aus, zu Hause nur ansahrend, um einige Instrumente eiiiznflecken. Hier war vom königlichen Schlosse mein Diener durch daS Telephon befragt worden, ob ich vom Dcpcschenreitcr gesunden sei, ich soll eilen. Kaum war ich fortgesahrcn, so ersolgte noch ein mal die telcpbonische Frage, ob ich schon unterwegs sei. Ich wurde vom Generalarzte Wegner empfangen unv erfuhr von ihm, was er in sein Journal geschrieben hatte. „Die Nacht war unruhig. Morgen- Brustbeklemmung. Beim Herausnehmen der Canüle wurde die Athmung leichter, auch nachdem eine andere, kürzere Canüle eingcfübrt worden ist. Bon ein Uhr Nachts an und im Laufe deS TageS Athemnoth. Die einliegende Canüle ragte zum Theil hervor, waS der Wärter Beerbaum schon in der Nacht bemerkt hatte. Da» Athmen war stark behindert." ES ist gewiß von Vielen noch nicht vergessen, vaß Mackenzie m seinen Entgegnungen an die Adresse der »Kölnischen Zeitung", hinsichtlich ihrer Darstellung der Vorgänge de» 12. April, behauptete, die am Morgen diese» TageS zur Consultalion gegenwärtigen deutschen Aerzte hätten ebensowenig wie er eine NlhmungSstörung bemerkt und seien bereit, ihm solche« zu bezeugen. Nun, hier liegt ein der eit» «ine St nn de daraus schriftlich abgegebenes Zeugniß vor, aber r» lautet nicht zu Gunsten Mackenzie'S. Sofort zu Mackenzie hinausgeleitet, fand ich ihn im Vorzimmer deS Kaiser» mit einem Arbeiter deS Instrumenten machers Win dl er beschäftigt, ein Bleirohr so zu krümmen, daß e» ties in die Trachea eingesübrt werden konnte. So meinte er schnell eine passende Canüle sich schafsei» zu können. Ich zeigte ihm, daß ich eine der Hahn'jchcn Schwammcanülen, welche genau die jetzt auch von ihm sür passend erkannte Krümmung besäßen, zur Stelle hätte, und »ahm sofort den Schwamm von derselben. Mit dem Versuche, diese einzu- sührcn, war Mackenzie einverstanden und eilte mit mir zum Kaiser. Ich war erschreckt, als ich den hohen Patienten, aus einem Stuhle sitzend, im Ersticken fand. Die Wangen und Lippe» blau, ein Stridor bei der Inspiration, den man im Neben zimmer hörte, im höchsten Grade mühsames Iuspirium mit Anspannung aller MuSkcln und bei dem geöffneten Rocke veutlich sichtbare Einziehung de- ScrobicutuS. Mir schien e», al» ob iu wenig Minuten der Erstickungstod ein treten würde. Ich glaubte keine Zeit verlieren zu dürfen, trug einem Diener auf, nachdem ich Mackenzie um seine Zu stimmung gebeten und diese sofort erhalten hatte, meinen Assistenten vr. Bramann hereinzurusen. und machte mich an die Untersuchung der Wunde. NingS um die Canüle waren die mittlerweile viel höher und breiter gewordenen Wucherungen, IheilS in größeren, theil- kleineren Stücken, gangränös und überall hatte in der Tiefe die Härte sich ausgedehnt, so daß die Gegend de» Halses, in welcher die Canüle lag, wie ein abgestnmpster kurzer Kegel vorragte. In dem Wundcanale steckte bloS die äußere Canüle. Aus meine Frage, seit wann daS innere, gegliederte Nobr nicht mehr eingesührt worden sei, antwortete einer der Diener, seit dem frühen Morgen nicht mehr. Mackenzie fügte hinzu, daß mehrfache Versuche gemacht worden seien, sie wieder einzusühren, aber ver geblich. Während noch am Sonntage, also vor nur 4 Tagen, ick in der Tiefe der Wunde die Hintere Wand der Trachea erblicken konnte, sah ich dieses Mal vo» derselben nichts. Gewisse kugelige, rothe Wucherungen drängten sich au» der Tiefe und von den Seiten in da» Lumen de» Wund canalS und verlegten vollkommen den Weg zur Tracheal- öffnung. Da» äußere Nobr war nur bi» an, nicht di» in d:c Luftröhre geführt worden. Ich setzte Mackenzie aus einander, wie schnelle Hits« jetzt Noth lhue. Wenn e» nicht gelänge, di« hierzu von un» eben bestimmte Canüle einzusühren. so mllßtr mit großen Wundhaken die Wunde auseinander« gehalten werden, um die Oeffnung in der Trachealwand zu erreiche», und fall» auch da» nicht ginge, blutig, mit dem Knopsmeffer »ach unten vilatirt werden. Mackenzie war mit Allem einverstanden und lobte noch besonder» die von mir mitgebrachten langen stumpfen Wundhake». Er stellte sich sogleich hinter den Hohen Patienten, den Kops desselben haltend, eine Position, die in der Thal mich gar nicht an seine Absicht, selbst die Canüle einzusühren, hat denken lasten können. Ich Ver suchte die Einführung der Canüle. aber sie gelang mir nicht. Die Erfüllung de» ganzen Canal» mit den erwähnten Weit »nd stark sich vordrängenven Granulationen hinderte mich. Ich legte die Canüle zunächst fort und nahm die Wundhaken in die Hand. Mittlerweile war Bramann eingelreten und übernahm da» Halten der Haken; auch jetzt kam ich mit der Canüle nicht vorwärts, während die Athemnoth deS Hohen Patienten immer größer und bedenklicher wurde. Deswegen suckle ich mit dem Finger, nachdem ich selbstverständlich meine Hände in der mit Carbolwasser ge stillten, neben mir stehenden Schale gleich ansang» deSinficirt hatte, die im Wege stehenden Fungositäten sortzuräumen und die Trachealöffnuiig zu erreichen, um hier einen Wundhaken einzusetzen. Nachdem ich da» gethaa und deu Haken in der Hand behalten hatte, führte Bramann ein« etwa» weniger gekrümmte Canüle, und zwar genau dieselbe, welche er bei seiner Operation am 9. Februar benutzt hatte, in da» Lumen der Luströhre ein. Sofort athmete der Kaifer leicht und frei, VaS auch unS mit sreudiger Handbewegung und dankendem Händedrucke anzeigend. Allerdings bat e» üei meinen Manipulationen geblutet, aber nur mäßig. Gewiß ist auch von diesem Blutes sowie den zertrümmerten Geweben, wie beständig von der au» dem Kehlkops hiuabrinnenden Jauche etwas in die Trachea hinabqesloffen, aber e« wurde sofort wieder herau-gehustet. Mit dem Einsiihren der Canüle hörte da» HerauSsickern de» Blute- aus und al» ich mit Wegner und Bramann nach einer halben Stunde das Krankenzimmer verließ, zeigten die Sputa bereit» wieder ihre frühere braunrothe Farbe. Die ganze Procedur der Dilatation unv Einsührung der gekrümmten Canüle hatte nur wenig« Minuten gedauert. Es ist vo» Hovell sowohl al» Mackenzie diesem Vor gänge eine ganz andere Darstellung gegeben worden. Mackenzie Kälte mich nur auS Höflichkeit gerufen, ich hätte mich zur Einsührung der Canüle gedrängt, diese sei nicht mir, sondern erst meinem Assistenten gelungen u. f. w. Einzelne englische Zeitungen und ihnen nach Berliner Blätter hänsle» eine Fülle von Verleumdungen auf mich, alles daS gegenüber der Thatsache. daß der Kaiser vor meiner Ankunft im Ersticken war. wenige Minuten nach derselben aber wieder frei athmen konnte. Ich »nd mein Assistent sind eS nickt allein gewesen, welche den Kaiser ini Eistickcn fanden. An demselben Tczge machte Allerhöchstdcrselbe dem KricgSminister General Bron- sart von Schellendorfs, der ibn zwischen 12 und l Uhr sah, den Eindruck eines nach Luft Ringenden und nur müh sam noch Albmenden. Zwei Stunden später glaubte General von Albedyll, der zum Vortrage bei Sr. Majestät be stellt war. daß während eine« HustenansalleS der Kaiser er sticken würde und ries nach ärztlicher Hilfe. Die selbe Furcht vor einem nahen Erstickungstod« theilte auch der General-Adjutant von Winterseld, der um 3 Uhr in den Leibarzt Vr. von Wegner drang» er möchte die Herbeirusung deS Professors von Bergmann beschleunigen. Sämmlliche Kammerdiener deS Kaiser» er- klärlen, sie hätte» von Stunde zu Stunde seit dem Morgen in beängstigender Weise die Alhemnoth ihre» hohen Herrn wachsen sehe». Ja. als der Kaiser erfahren, ick sei herbeigeruscn worden, hat er aus de» Hof geschickt, um »achsehen zu lassen, ob ich nicht endlich käme! Ich glaube, daß selbst diejenigen, die in mir nur den unhöslichcn Mann sehen, der sich gegen den Willen de» leitenden Arzte» zu einer Handlung vordrängt, die dann so roh und ungeschickt, als nur möglich auSgesührt wurde, sich den eben genannten Zeugnissen über die ErssickungSgefahr nicht verschließen und eS auerkennen werden, daß diese von mir beseitigt wurde, nachdem sie 15 Stunden unbeseitigt, wie dar den Acten dcS HauSministeriumS einverleibte Kranken journal beweist, bestanden batte. Dem Urtheile meiner Fachcollegcn kann ich eS überlasten, sestzustellen, ob die mecha nische Beseitigung vorwuchernder KrebSmassen je die Bedeutung gewinnen kann, die in seinen letzken Mittheilungen an daS .Holländische Dagblad" und den .Secolo" Mackenzie ihr zuschiebe,i möchte: eine Verkürzung deS Leben« um sechs Monate! Die moderne Chirurgie denkt über viel großartigere AuSräumungc» von Krebsen i» canalsörmigen Organe» gerade das Entgegengesetzte. Sie hält sie für einen wohlthätigcn, das Leben verlängernden Act! Offenbar hatte der Zerfall der Krebsknoten in letzterer Zeit nickt nur schnellere Fortschritte gemacht, sondern war aus den Theil der Wucherungen, welche über die Haut im Umsange der Canüle berauSgewachsen waren, übergegangcn, denn am Abende de« 12. April, den ich sowie die folgende Nacht i» Charlottenburg verbrachte, erfuhr ich. daß der Kaiser schon seit seckSTagen fiebere. Zuerst am Freitag de» 6. April war, nachdem der Hobe Kranke sich besonders malt und angegriffen gefühlt hatte, in Wegner'S Journal am Abend eine Temperatur von 38,4 notirt worden. Diese abendlichen Tcmpcratursteigcrungen nebst Frösteln blieben auch au vc» folgenden Tagen, sie betrugen nach Wegner'S Auf zeichnungen Sonnabend den 7. April 38,2. Die Umgebung der Trachealwunde ist stärker geschwollen, geröthet unv em pfindlich. Nachmittag« nach einer Ausfahrt bei nur 5 Grad Ndaumur Fröste. Montag den 9. April Tem peratur 38,4, DienSlag den 10. Morgen» 38.2 — Abends 38,6 u. s. w. Trotzdem auch am Morgen des 13. nach einer guten Nack t — der Kaiser schrieb, daß die Nacht die beste der letzten Wockc gewesen sei — eine höhere Temperatur, 38,2, vorhanden war. ist an diesem Tage, an welchem ich um 10 Uhr vormittag» da» Schloß verließ, der Hohe Kranke noch iu Begleitung Mackenzie'S nach Berlin gefahren. Ich hatte dringend gerathen, vo» der Fahrt Abstand zu nehmen und vorgeschlagen, mittelst eincS Bulletins einfach von dem gelungenen Canüleu» Wechsel Bericht zu erstatten. Aber Mackenzie wollte kein Bulletin, er meinte, «S sei bester, VaS Publicum dadurch zu beruhigen. Laß man den Kaiser in Berlin zeige. Die Ausfahrt bekam dem Hohen Kranken schlecht, am Abende stellte sich wieder Frösteln ei», desgleichen am Sonnabend den 14.. Sonntag Len 15. war schon Morgens die Temperatur aus 39,4 gestiegen. Ein noch vor meiner Ankunft in Charlotten burg hcrauSgegebeneS Bulletin leitete da» Fieber von einer hinzugetretencu Bronchitis ab. Da Fieber. Athen, frequenz unv die Mattigkeit deS Hohen Kranken zunahmen, wurde Montag zunächst Professor Senator hinzugezogen. Die von ihm verorbnete Antipyringabe ließ nm Morgen de« 17. die Temperatur aus 38,5 sinken. Zugleich war der AuSwurf reichlicher geworden. Mit de» Hustenstößen entleerte sich ost aus einmal ein ganzer Eßlöffel einer mit viel Eiter gemischten braunen Flüssigkeit. Ich nahm noch am Montag eine Portion derselben mit. In dem Eiter waren keine außergewöhnlichen Bestandtheile. aber in den braunen, ans den Vcrbandstückcn liegende» kleinen Fetzen ausnahmslos Cancroidperlen „ud zusammenhängende Lager von Pflasterepitelien nachzuweisen. An demselben Montage war auch Pros. Leydea zur
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