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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-20
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1888
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Erste Geilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^ Lvr. Freitaft den 20. Juli 1888. 82. Jchrgair, von der Ostsee. Eine Sage von Jenny Norder-Ney. Nachdruck »nbolin. ES ist Dämmerungsstunde. Ein Tag im Zeitmaß der Ewigkeit ist nahezu vollendet, denn daS Jahrhundert wird bald abzelausen Zein. Bei seinein Ausgange leuchtete ein viel Warme verheißen de- Morgcnroth. um Mittag ward eS aber schwül und drückend. Die Sonne konnte mit ihren Strahlen nicht durch dringen und eS bedurste eine- heftigen Gewitters, die Luft »u reinigen. AIS sich der Sturm gelegt, wehten srische, bai- fainiscbe Düste, die Natur schien noch einmal so gabeureich, lenzuinfangcn. Herze und Sinne erfreuend wie je zu sein. Da stiegen wieder neue Wolken am Horizont aus und drohten sich jeden Augenblick zu entladen, schon wetterleuchtete eS an verschiedenen Seiten, so daß beim Sinken des TageögestirnS der Himmel halb grau, halb roth gefärbt war und eine eisige Atmosphäre den zarten Blüthcnhauch zerstörte. Unheimlich rauscht eS nun über den schneeigen Firnen der Gletscher, die höchsten Fclsenspitzeu erbeben und von Grat zu Grat steigt eS nieder taucht in den auSgeglühte» Kratern erkalteter Vulkane aus, ruht in den Krone» der die Hügel bedeckende» Baumriesen, versenkt sich in die geheiinnißvvllcn Bergsccn. schwebt über den gefährlichste» Klüjlen, breitet sich in den Schluchten auS und stürzt sich mit den donnernden Wasserfällen herab- legt sich aus aste Quellen, die eS in die Thälcr trage» inüffen, über Steingeröll nuv MovSgrund. wo eS die Bäche, Flüsse und Ströme ausnehnien. Sie führen eS weiter durch sruchtreichc Marschen und ödeS Haidcland, durch Dörfer und Städte, Fluren, Wiesen und Wälder, vorbei an Hütten und Palästen, Ruinen und Neubauten, Kasernen und Fabriken, Kirchen und Schulen, bis anSMeer, dessen vorwärts eilende Wogen eS bis zum unermeßliche» Ocean geleiten. Niemand hat eS gesehen, aber jeder seine Nähe gesuhlt, denn eS ist nicht ein einzelne-, greifbare- Wesen, sondern daS allgewaltige, unfaßbare, unaufhaltsame, nicht zu verscheuchende V c r h ä n g n i ß. Wenn über dem Zenith da- Licht voll und ungetrübt er glänzt, dann schlummert eS in einer Solsatarcnhöhle. unter einer Tropssleiugrotte, ans dem Grunde deS trügerischen Moores oder im wildesten Strudel, bi- ihm die Winde oder von ferne kreisende Wellen Kunde bringen von seinem Sohn, dem Größenwahn, der es irgendwo herausbeschwört. Mit dem ersten Menschen war er geboren und halte sich noch im Paradiese der Zwietracht vermählt. Zwei Söhne und zwei Töchter waren dieser Verbindung entsprungen, der Neid und der Krieg, die Mißgunst und die Selbstsucht. AlS sich die Pforten EdcnS für immer schlossen, waren auch sie vertrieben und hatte sic der schwerste Fluch getroffen. Unslät ziehen sie seitdem mit ihrem grausigen Gefolge über die ganze Erde. Sie bereiten nur Elend und Qualen den Sterblichen, die ihrer Macht verfallen, säen Angst, Nolh und Schrecken längs ihren Wegen und laste» ein reiche- Feld für alle Verbrechen, die Verzweiflung und den Tod hinter sich. ES ist Dämmerstunde. Von Norden zieht dunklcS Sturmgewölk heraus, die Vor boten eineö tosenden Orkan-, In den Wipfeln der Maleichen raunt eS befremdlich und die schwarzen Föhren schütteln Unheil ahnend die ehrwürdigen Häupter. Wild rollt die Sec und nur grau-weißer Schaum wird von den Bernstein sperr denden Fluthen aus den gelben Sand getragen. Selbst der braune Tang strebt wieder zurück inS feuchte, sichere Bett. In langem Zuge streifen die Möven über den brausenden Gischt und mische» ihr heiseres Geschrei mit dem hehlen Ge krächze rnhloS flatternder Raben. Kein Stern zeigt sich am Firmanicnt. Es wird finsterer und finsterer. Der Tag hat sich geneigt, eS wist Abend werden. Eui Stcinblvck steht dort am User, dicht beim Waldes saum, inmitten einer lehmigen, auSgesahrcnen Landstraße, ein unheimliches Wahrzeichen in dieser unfreundlichen Stunde. Noch ist er weiß — noch — Wie leicht kann er nicht, ehe eS vollständig dunkel ge worden, mit Blut befleckt werden, wie leicht kann nicht daS Leben Tausender um ihn in der Nacht verlöschen, wie leicht nicht daS Glück von Millionen vor dem Anbruch des nächsten Morgens seinetwegen zertreten sein? Tenn hinter ihm hört man, wie das Stampfen von Kosakcnpscrdcn. Es ist die Grenze. Ei» müder Greis lehnt an der Marke zweier Länder und starrt aus den sich zu seinen Füßen kräuselnden Sand. Er zählt die Körner und wägt sie in den Händen. Bald wird er genug haben. Seine Gefährten sammeln zu beiden Seiten Reisig, um ein gutes Feuer anzuziinden, wenn er den Befehl dazu crtheilt. Schon glimmt die neben ihm ruhende Fackel, aber noch ist er unschlüssig, ob er weiter nach Osten gehen, umkehren oder überhaupt noch warten soll. Hier wartet er schon sehr lange; eS sind l8 Jahre her, daß er nicht die Fahnen dieses Reiches entfaltet gesehen hat. Am Arme seines ältesten Sohne-, seines Sonuenkiiidcs, deS RuhmeS, ist er damals über den Rhein gekommen, daS Verderben ließ er in den Mauern einer Weltstadt zurück, die er vor Hunderten von Jahren selbst erbaut, die nur durch ihn Ansehen und Macht erlangt hatte. Er war dann suchend weiter gepilgert. In den Pässen deS Balkan-, beim Delta deS Rothen Flusses, an der Mündung deö Jrawadty. aus dem Hochplateau von Herat und unter der Glulhhitze Afrikas hatte er seine Stärke bewiesen. Nun spähte er nach neuen Bahnen aus. An verschiedenen Stellen klopfte er bereits an und — jetzt — ist er hier. DaS Auge deS Greises schließt sich matt. Er wünscht sehnlichst daS Nahen deS Endes. „Nur noch eine That — und nachher ewige Ruhe!" DaS Plätschern der Wellen, daS Säuseln der Lust geben ihm Antwort. Sie kennen auch keine Rast. „Aber Jkr thatct nicht. waS ich! Von Euerm Wirken sind wenig Spuren", ruft er auS, „hingegen von meinem. Vor seinen Blicken ziehen vörüber all die Throne, die er zertrümmert, all die Reiche, die er gegründet und vernichtet hat, all die Meere, die er durchzogen, die Wüsten, die er durchwandert, die Berge, die er erklommen, die Feuer, die ihm geleuchtet, die Bache, die ihm gerauscht: Die Ströme Blutes, die Lcichenhügel, die vernichteten Saatfelder, die Brandstätten und die Millionen, Millionen Thränenü Ihm graust eS selbst und er neigt daS Haupt. Er murmelt dumpf und wiegt den Sand: „Soll sich da- Gemälde gleich wiederholen?" Er schüttelt langsam die Locken. Ec ist eingeschlummert. Wage eS Niemand, den Krieg zu wecken! Sein Schlaf kostet schon genug.... Die stolzesten Fürsten müssen bei jedem Schritt Selbst Überwindung üb-n. Sie unternehmen Reisen und machen freundschaftliche Besuche, wo sie nur al» Sieger den Frieden dictircn möchten. Sie schließen Bündnisse ab. von denen ihr Herz nicht- weiß. DaS Lcbensglück ihrer Kinder und Ge schwister. Freiheit und Wohlstand der eigenen Unterthanen Werden geopfert. Die gesunde StaatSentwickelung ist gehemmt und die Wünsche der Einzelnen beugen sich vor dem Macht- aebot der Nothwendigk.it. Jeder fühlt sich bedroht. Der Friede wird nur durch große Heere gesichert, die kampfbereit «n den Grenzen stehen. Anstatt kühnen VorwärtSschreitenS in Handel und Gewerbe, ängstlicher Stillstand; anstatt Ge borgenheit und Ruhe, banger Zweifel und drückende Sorge al- Beherrscherin der Gcmütber. . . Das ist. wa- dem Scheintod deS Kriege- abgerungen werden kann.... Er schlummert indessen nur.... und träumt weiter, im Dünensand an der deutschen Ost grenze Er träumt. — träumt von uralten Zeiten. Er hat schon hier geweilt, als die klagenden Wogen der baltischen Sec noch nicht seinen Trübsinn weckten: al- ein gesegnete- Land an Stelle des heutigen Meere» zu finden war. Meilenlangc Wälder, voll von Bären. Auerochsen, Elen- lhieren und anderem Wild, geheimnißvoll versteckte Sümpfe und Seen bedeckten Pruteno'S weiter Königreich: Litthauen. ES war zahlreich bevölkert. Die Bewohner lebten in Höhlen oder in kunstlos a»S Holz gebauten Häusern. DaS Heiligthum deS Landes bestand in einem mächtigen FelSblock bei Romowe, aus dem die Qberpriestcr den Göttern PerkunoS. PikkolloS und PotrimpoS opferten. Als der Krieg zum ersten Mal diese Stätte betrat, wurde Waidewut, der Sohn Pruteno'S, zum „Kriwe", eisten Führer, gewählt. Er hatte sich sehr beim Bärenkamps ausgezeichnet und sei» Vater war alt und schwach. Die Littbiner meinten, daß sie in dem jungen, schönen König einen besseren Regenten haben würden al- in dem kränklichen Greis. Wie derselbe die- hörte, erhob er sich von seinem Lager, samrnclle seine Mannen um sich und ries den Donnerer an. — Ter schickte ihm den Krieg. ES war ein entsetzliches Morden, wie cS die alten Wälder nock nie gesehen. Die Klagen der Witlivcn und Waisen und die Verwünschungen der Erschlagenen drangen bis zu dem Thron der Götter. Sie rührten daS Herz Ballika'S, der schönen Tochter deö PerkunoS. Die göttliche Jungfrau mit ihren Begleiterinnen flog aus feurigem Rosse durch die Luft zur Erde und befahl rem Kriege zurückznweichen. Ec folgte nur unwillig ihrem Gebot und ist seitdem in der Nähe ge blieben; er wußte, er werde bier noch viel Arbeit finden. Waibewnt war im Kampfe verwundet worden. Er hatte sich an einen Sec geflüchtet, um seine Wunden zu verbinde», als ihm Ballika plötzlich erschien. Sie war von übermensch licher Größe, doch prachtvollem Ebenmaß deS Körperbaues. Ihr goldig schimmerndeö Haar floß bis aus die Füße herab. Ihr Gesicht hatte eine seltene Weiße und ein Paar tief- schwarzer Augen leuchteten darin. Ein perlenübersäeteS Gewand hüllle sie ein. Sie stand in einer blumenbekrättztcn Muschel und neigte sich mit lieblichem Lächeln zu Waidewnt. Ihre zarte Hand legte sich dabei auf sein verletztes Haupt. DaS Blut hörte sosort zu fließen ans und der litlhauische KönigSsohn fühlte sich wundersam geheilt. Er wars sich anbetend zu Füßen der Tochter deS mächtigen Donnergottes nieder. Sie aber blickte ihn tiesschnierzlich an. „Mein Großvater entsagte von selbst der Herrschaft, als er sich alt und schwach fühlte. Warum that eS mein Vater nicht auch?" .Sohn Pruteno'S". sagte sie milde, „ich wollte Dir zeigen, daß Deine Wunden nur eine väterliche Züchtigung waren für Deinen srevclhasten Ehrgeiz und Deinen Ungehorsam. Solche Strafe hinterläßt keine sichtbaren Spuren. Dein Vater ist auch verwundet. Er leidet jedoch mehr, wie Du gelitten hast, denn die Hand seines eigenen Kindes bat den Schmerz über ihn gebracht. Nur Deine tiefe, aufrichtige Reue kann ibn genesen lasten." Waidewut vcrtheidigte sich: „Mein Vater hat zuerst das Schwert gegen mich gezogen. Ick habe mich nicht empört, weil mich mein Volk freiwillig erwäblte." „Weil er sich eben noch stark genug dünkte." Sie stritten so geraume Zeit mit einander, bis sich Ballika'S schöne Angen mit Thränen füllten. Ein srühcr unbckannteS Gefühl zog bei diesem Anblick in Waidewut'S Brust ein. Er sprang leidenschaftlich aus, schüttelte die blonden Locken auS der Stirn und richtete seine kräftige Gestalt zu ihrer ganzen Höhe auf. Die gefalteten Hände zu Ballika erhoben, ries er leidenschaftlich auS: „Du verlangst es? Gut! Ich will Dir folgen und mich mit meinem Vater versöhnen!" König Pruteno lag dem Verscheiden nahe in seiner Höhle, doch der seelische Schmerz nagte mehr als der körperliche an seinem Leben. Er sehnte sich nach seinem Sohn und eine», Wort der Liebe von ihm. Sein Her; hatte längst verziehen. Er war daher freudig überrascht beim Nahen Waidewnt's, der schon von Weitem die Bitte um Frieden hören ließ Er breitete beide Arme auS und preßte seinen Erben innig an die Brust. Während Vater und Sohn sich wieder eng umschlungen hielten, zog ein glänzendes Licht mit leichtem Rauschen durch den Hain. Es war der Schatten Ballika'S. Beide bemerkten cs. DeS JünglingS Gesicht nahm einen verklärten Ansdruck an und schaute nur in die Höhe. Waidewut hatte kein Ohr mehr sür die Ermahnungen und Nalhschläge deS sterbenden VaterS. Derselbe war jeder seiner Bewegungen mit gespannter Ansmerksaiiikeit gefolgt und fragte traurig: „WaS zieht Dich von der Erde ab, mein Sohn? Ich habe Dir noch Manches zu sagen: wie Du am Besten sür Deines Volkes Wohl sorgen kannst." „Ich bedarf Eurer Rede nicht, Vater. Ich folge der Tochter PerkunoS, die mir eben ihren leuchtenden Gruß sendet. Sie allein wird mich ferner leiten, wie sic cS bisher gelhan hat!" „Vermessener! Wagst Du Deine Augen bis zur Gottheit empor zu heben und läßt die Ehrfurcht außer Acht, die Tu meinem Alter und meiner königlichen Würde schuldig bist!" „Euer Alter achte ich hoch, doch die königliche Würde ist mein, laut dem Spruch der Priester von Nomomc", brauste Waidewut aus. „So bist Du nicht an- eigenem Antriebe gekommen, meine Gnade zu erbitten? Die Reue wurzelte nicht in Deinem Herze»? Sie mußte erst hineingelegt werden?" . .. „Ich bitte Niemanden um Gnade. Der König von Litthauen empfängt seine Weisungen nur von den Göttern. .. . Auf einen solchen Befehl hin versöhnte ich mich mit Euch." Die Züge Pruteno'S umdüsterten sich. Er riß die Binde von der klaffenden HalSwunde; daS Blut spritzte hoch aus bis in daS Gesicht deS Sohne-. Ein wilder, schauerlicher Fluch dröhnte durch den Wald. PckkolloS selbst hätte nicht entsetz sicher verdamme» können .. .. Damit verschied der König .. Niemand tastete nunmehr die Regierung Waidewut'S an. Er hatte aber keine Freude an seinem Thron. Eine innere Unruhe trieb ihn von Ort zu Ort. Er suchte sich durch die Jagd zu betäuben und galt bald sür den streitbarsten Mann de- Lande-, Seine äußere Schönheit nahm dabei immer mehr zu. Die Weiber blickten voll Wohlgefallen aus ihn und ließen e- ihm merken, daß Jede glücklich wäre, seine Königin zu heißen Er wollle jedoch von Keiner etwa- wissen, nicht einmal von der zärtlichen Lachalla, mit der er von Kindesbeinen an ver sprochen war. Seine Gedanken weilten einzig bei Ballika. Die Tochter de- Donnergottes hatte ihn auch nicht ver gessen. Sie stieg, so oft sie konnte, jur Erde nieder nnd hiebt sich in Waidewut'S Nähe auf. Eine mädchenhafte Scheu hielt sic aber immer ab, sich von ihm finden zu lassen. Eine- Tage- kündigt« ihr Perkuno« an, dag sie nicht «ehr den Göttersitz verlassen dürfe. Sie gestand ihm darauf ihre Liebe zum jchöucn König von Litthauen. Der „Donnerer" stvurde wild bei dem Gedanken, daß seine Tochter sich zu dem mit dem Vaterfluch Betroffenen wenden könnte. Jede irdische Jungsrau müßte znrückbeben, wenn sie die Verwünschungen kennen würde, die künstighin aus dem Geschlechts Waidewut'S ruhe» Sie, Ballika, die Göttliche, wage eS. an ihn zu denken! Sie solle sich zur Strafe sofort dem PikkolloS vermählen, dem Gott der Unterwelt, damit ihr Vater auch Macht über die Geister der Abgestorbenen gewinne. ..Wenn alle Menschen ihn verlassen, und die Götter un versöhnlich sind, dann soll er noch eine Heinistätle finden in der treue» Liebe seines WeibeS.... Wozu bin ich die Tvcbtcr deS obersten GoktcS, wenn ich nicht beglücken darf? ... Nur selbst unglücklich werden soll?" DaS waren ihr« steten Ant worten ans die Einsprache ihres VaterS. Die Liebe war zu gewaltig in ihr erwacht. Sie konnte ihr nicht mehr wider stehen. Ballika verließ darum heimlich ihre» Göltcrsitz. A» dem See. an dessen sunipsizein User sie Waidewut zum ersten Male erblickt, tras sie wieder mit ihm zu sammen. Sie sagte ihm, daß sie seinetivcgen den Himmel aufgegeben habe und ihm den Fluch tragen Helsen wolle. Wenn auch der Göttlichkeit entkleidet, so besitze sie doch mehr Macht wie die Irdischen: sie könne ihm wieder den innere» Frieden verleihen. Taö Volk dürfe jedoch nie ihre göttliche Abstammung erfahren. DaS Geheimniß darüber bewahre sie allein vor dem Zorne PerkunoS! Große- Ungemach würde sonst über dicö Geschlecht und Land hereinbrcchen. Waidewut versprach eS voll stolzer Zuversicht. — Und so verbanden sic sich sür immer. Der König von Litthauen wurde seit seiner Vermählung ein viel milderer Regent wie bisher. Ballika schenkte ihm blühende Kinder und war daS Glück ihrer Unterthanen Sie fühlten trotzdem, daß kein dauernder Segen aus ihrem Bunte ruhte. Ter Krieg hetzte aus Beseht deS PerkunoS einen Theil deS Volke- gegen die Königin aus. Sie solle ihre Hcrkunst bekennen und beweisen, daß nicht die Künste der „JbliS", der bösen Geister, im Spiel waren, als sie, die so wenig natürlich dreinschauende Fremde, von Pruteno'S Sohn allen Töchtern deS Landes vorgezogcn wurde. Die Meuterer umzingelten den Wald, in dem die könig liche Familie hauste, und zündete» ihn an allen Seiten a». AlS daS Feuer schon lichterloh brannte, ging Ballika mitte» durch die Glnth und die Flammen erloschen sofort. „Wahrlich! diese» Zauber kann »ur PerkunoS übe»! Man sieht, daß Du aus sciner Sippe bist!" ries unbedacht Waidewut. DaS erste Erstaunen über diesen AuSrus batte sich »och nicht bei de» Uinstehcnde» gelegt, so verfinsterte sich der Himmel, die Erde bebte, die Kionen der Bäume neigten sich biS zum Boden und alle Thiere des Waldes Huben ein äugst liches Klagegeschrei an. Ten Menschen versagte die Kraft zum Alhmen; sie standen starr: denn der „Donnerer" schleuderte seine Blitze aus den König von Lillhaue». Der aber blieb unbeweglich und zitterte nicht; seine blauen Augen senkte» sich nickt einmal vor dem Strahl ans der Höhe. Er hob sogar drohend die Faust und ries: ,.Kommt. Pertunos und PikkolloS! Ich will mit Euch um Ball ka kämpsen!' Uebelriechcndc Dämpfe stiegen gelblich-roth aus dem Sumpf aus und der Gott der Unterwelt trat ans ihnen hervor. PerknuoS fuhr i» wild brausendem Sturm herab. Ballika war hastig vorgctretcn und halte sich mit auS- gebreiteten Armen vor de» Gatte» gestellt. Sie richtete die Augen flehend aus de» Vater. Er wurde durch diesen An blick verwirrt, und sein Speer traf den Stamm der Fichte anstatt daS Herz Waideivul'S Wen aber der Speer de- obersten der Göller verfehlt hat, der ist unverletzlich. DaS Volk, welches die vorherige» Wunder schon voll Staunen und Granen gesehen hatte, siel entsetzt und anbetend aus die Knie nieder, denn nun nahte sich PikkolloS, der finstere Höllengott. Er versuchte keinen Kampf, denn er wußte, daß derselbe nutzlos sei, aber er schwur, die Feinde Ballika'S zu schütze». Sie winkle mit hoheitsvoller Gebcrde. Da durchbrach die Sonne wieder daS zitternde Gewölk und die Litlbauer jubel ten ihrem muthigen Könige zu. der sogar im Streite mit Göttern nicht unterlegen war. Sie huldigten auch der Königin als Tochter deS PerkunoS. In diesem Augenblick trat die von Waidewut verschmähte Lallacha hervor. Sie ries mit kreischender Stimme, indem sie wild an ihren braunen Flechten zerrte nnd die Felle, die ihre Kleidung auSmachten, zerriß, ob LaS Volk vergessen hätte, daß der König ei» Vater mörder wäre, und daß Vaterfluch aus seinen Nachkommen laste? Sic hob gleichzeitig einen spitzen Stein aus und schlcu dcrle ihn dem Sohne Pruteno'S inS Gesicht. Er tras gerade die Stelle, wohin des verstorbenen Königs Blut gespritzt war. Die hatte kein Gott unverletzlich machen können — Waitc- wut sank zu Boden. Er war todt. Ballika wars sich weinend und klagend über die theuere Leiche. Ihr Schmerz war so groß, daß sie sogar das Rache- gelübde vergaß. Sic hörte keinen tröstliche» Zuspruch an, sprach nicht einmal zu ihren Kindern. So erschien ihr wieder ihr Vater. Ihr Leiden halte ihn tief bewegt. Er forderte sie aus, zu ihm zurückzukebren. Sic weigerte sich, denn nun sielen ihr ihre Söhne ein. Sie müsse das Land sür Waidewut'S Erben ungeschmälert erhalte»; sie könne sie nicht verlasse». Sie werden cS nie erhallen!" klang eS drohend zurück und PerkunoS war verschwunden — unversöhnt. Ballika »ahm nun ihren Mantel, tauchte ihn in da- Blut deS Gatten und ließ den Körper bei Nomowe verbrennen. Mit der Asche bestreute sie ihr Haar. — Sie hatte aber nicht lange Zeit zum müßigen Trauern. Der Krieg hatte, wie ihm PerkunoS geheißen, wilde Völker- slälnme auS dem Osten hcrbeigerusen, die in Litthauen ver heerend elnsielen. Wo sich die schöne Königin in flammender Rüstung aus ihrem feurigen Roß zeigte, war der Sieg sür sie entschieden. Der Feind war rasch über die Grenze zurück- geworscn. Ballika konnte leider nicht überall zugleich sein. Während um sie her daS Getümmel der Schlacht wüthcte, wurden Kundschafter von Lallacha zur Höble geleitet, in der die Kinder Waidewut'S versteckt waren. Die Asiaten raubten dieselben und führten sie weit fort. Jammern und Weberufe begrüßten Ballika bei ihrer Heimkehr. Man batte ihre Söhne nirgends gesunden. Sie blickte thräncnlecren AugeS aus die verlassene Stätte. Ihre Gestalt schien bis in'S Unendliche zu wachsen und, die Arme aus die Brust gepreßt, sich sie einen Fluch auS, vor besten Schall die Bäume zitterten und die Felsen dröhnten: „Alle Herrscher der frechen Kinderräuber sollten bis in'S hunderttausendste Glied der Verwünschung Wirkungen spüren, selbst wenn sie und die Ihren längst anderen Stämmen an- gehvrten. Mord und Wahnsinn sollten um den Thron lagern und Familienglück ihrer Seele ewig fremd bleiben. Keine Lugenden können sie vor dem Verderben bewahren. Und ihr Volk sollte von anderen Völkern verabscheut werden." — Dann neigte Ballika ihr Haupt; grünliche Flammen schossen au» ihren Lugen. Ihre Blicke trafen Lallacha. Sic sagte kein Wort, sondern schritt langsam aus sie zu. Sic um klammert« «it der linken Hand deren Arme und sah sie rauenerregend-mild au, aber blieb stumm. Die Litthaueri» ' hte nur „Erbarmen." doch Ballika schüttelte den Kopf, daß aidewutS Lsch« au» ihrem Haar aufflog, und ehe die _ . . " , bal PerkunoS mit ihrer rechten Hand erwürgt. Eie wars sich hieraus, „och immer sprachlos, auf ihr Roß und stürmte fort, ihre Kinder zu suchen. Sie „ahm nun den Krieg in ihren Sold. Kein Baum fand bald mehr in den dichten Wälder». Allcö war ver ehrt von den Feuerbrände», die sie hineingeworsen. Ihre llnterthanen trauerte» sämmtlich um den Verlust lieber An gehörige». Die Felder waren verwüstet. Die Sümpfe und Seen ,»it Leichen gefüllt. Aber Ballika'S Kinder waren noch immer nickt gesunden! Sie hatte in ihrer Verzweiflung schon hundert Mal ihren Vater angerusen, ohne erhört zu werde». Da sab sie ein, daß der Wille de- grollenden PerkunoS sie deS Mult.rglück» beraubte. Sie stand gerade vor den« See, an besten User sie Waidewut zuerst gesprochen. Ihre eigene» Worte siele» ihr ei». „Auch ich will bereue», meinen Vater versöhnen — und zu PikkolloS Reich eingehen!" Sie rief cS laut und spreugte in die schwarze Flnlb. Dieselbe breitete sich mehr und mehr a»S, bis sie daS ganze Land überschwemmte. Kein menschlicher Fuß sollte die Stätte weiter betreten, wo die Tochter de- obersten Gotte- glücklich war und glücklich machte, unsäglich litt — und sühnte: Die Ostsee rauscht nun darüber hin. DaS Herz Ballika'S rulit in ihren schäumenden Woge». Es kann nicht zur Ruhe koniine», denn eS sucht noch immer ihre Kinder. Es weiß aber jetzt, wo sie weilen und grüßt sie mit schmeickclndc» Wellentönen. Ihre Thränen falle» als leuchtender Bernstein auf den Strand. Bei besonderen Ereignissen, welche die Geschicke der Ab kömmlinge ihres Volke- berühren, zeigt sich prophetisch die Königin Ballika, besonder- wenn der Regent euicS Landstrichs 'tcrbcn soll. Sie reitet dann ihr feuriges Roß, trägt die flammende Brustwehr und den blutbefleckten Mantel; ihre Haare flattern wild und sind mit Asche bedeckt. Ihr grausiger Fluch schallt weit über daS Wasser nack Osten zu .... Wehe dem Fahr zeuge. da- ihr begegnet! ES ist verloren. Jeder Fischer oder Schisser, beste» Gewissen nicht ganz rein, ist dem Tobe ver fallen. Wer sic einmal so gesehen, hat sprechen und lachen für immer verlernt! Doch sic zeigt sich auch in sternhellen Sommernächten, oder wenn eine besondere Freude den litlhauische» Küste» nabt, in einer Muschel stehend, im Pcrleugcwande. blitzendes G - schmeidc und Blumen im goldenen Haar. Sie lächelt w-ch- ittüthig und klagt nur leise um da- entschwundene Einst. Sie bringt Glück Jedem, der sie so gewahr wird und erfüllt die Wünsche seiner Familie. Sie wird erst ganz verstummen, wenn alle Stämme LltthauenS wieder Vereinigt sind, und die letzten Nachkomme» jener östliche» Völker, die ihre Kinder raubten, der rrackherigen Moskowiter, auS den Ostseeprovinzen verschwunden sein werden. Wenn auch Perkunos längst gestürzt ist, so hält sich der Krieg doch nicht deS Gelübdes der Treue entbunden, daS er Ballika geleistet. ES wartet, cS erfüllen zu können. DaS ist eS. wovon er träumt, wenn er an der deutschen Ostgrenze schlummert. So lautet die Sage von der Entstehung de- baltischen Meeres, wie sie in Litthauen und den russisch-schwedischen Ostsceprovinzen allgemein verbreitet ist. DaS Volk glaubt sehr daran, sieht in manchem traurigen Ereiguiß deS Zaren- Hauses den Fluch Ballika'S und hofft aus eine Versöhnung, erst durch die Vereinigung aller Küstenländer der Ostsee unter einem Sccpter, dem, unter dessen Herrschaft daS alt-heilige Romowe liegt, also Deutschlands. Jetzt, wo der deutsche Kaiser zu einem Friedensbund da» blaue Meer Ballika'S durchzieht, hat diese Mythe gewiß ein Allgcuieinintercffe: zumal sick iu ihr Anklänge an Helden- gesänge anderer Zeiten und Völker finden, von denen man sich frage» muß, wie sie »ach dem Norden, unter die un gebildete Bevölkerung Verschlagen sind. Miitairisches. * In nächster Zeit wird eine Allerhöchste Cabinetsordre über daS Tragen der Achselstücke und EpauletteS der Ossiciere veröffentlicht werden. Die EpauletteS werden (so wird ergänzend gemeldet) in ihrer bisherigen Form, bei behalten, aber nur bei Paraden und festlichen Anlässen, also auch bei großen Gesellschaften, und zwar aus dem Waffenrocke getragen, bei dem also auch die Pa»a»ten bleiben. Für den JnlerimSrock falle» die Passanten fort- die StabSossieiere und Generäle behalten sür denselben die bisherige Form der Achsel stücke, etwa in der Weise, wie sie jetzt die Husarcnosficicre tragen. Ucbcr die Neuausrüstung der österreickischen Infanterie, welche bereits die Allerhöchste Genehmigung erhalten hat, macht daS Wiener „Fremdenblatt" nachstehende Angaben: „Durch die Einführung des RcpetirgewehreS wird der Mann bedeutend mehr belastet sein als bisher, indem er beiläufig doppelt so viel Patronen wird tragen müssen als jetzt. Die neue Ausrüstung hat nun den Zweck, durch anderweitige Erleichterungen und durch praktischere, bequemere Tragart diese Mehrbelastung zu paralysiren. Die Tornister und Kochgeschirre werde» kleiner gemacht. — Da? Spatcnsutieral wird i» der Mitte ausgeschnitten, und eS verbleiben nur die die Ränder deS Spatens vor Abnutzung schützenden Theile des Futterals. Das conipücirte Riemenzeug dc^ Futterals wird Iu . , , abgeschafst und cS geschieht dessen Befestigung am Spaten durch eine am oberen Theile befindliche eiserne Sperre. Ein Fingerdruck beseitigt das Futteral am Spaten, ein zweiter macht den Spaten vom Futterale frei. — Sehr praktisch ist die neue Tragart des Tornisters. Bis jetzt schnitten die von vorne nach rückwärts ge zogenen Riemen die Achselhöhle des Mannes ein und hinderten ihn ost an der willkürlichen Benutzung seiner Arme. Jetzt wird der Tornister durch zwei Riemen vorne und zwei Riemen rückwärts direct am Leibriemen befestigt. Zur Bergung der Patronen werden vorne zwei paarweise zu tragende, am Leibriemen zu befestigende Patronentasche und ein Pationentornjster, der rückwärts unterhalb des Tornisters befestigt wird, dienen. Die Kautschuk-Kapuze, die sich sür den Gebrauch al- nicht geeignet erwiesen hat, wird gänzlich abgeschafft. An Stelle der bisherigen Aermelleibel werden gewirkte Baumwollleibel eingeführt. Eine gründliche Rcorganistrung er- fährt — wie wir bereit- seiner Zeit gemeldet — die Beschuhung. Die probeweise getragenen Hansschuhe haben sich bewährt, in Folge besten werden die Halbstiefel (Röhrenstiesel) ab- geschafft und jeder Mann erhält ein Paar Lederschuhe, sowie ein Paar Hansschuhe nebst einem Paar der wieder neu einzusührenden Gamaschen. Der Mantel wird nicht mehr eu dauäeliLre die Brust beengen und den Mann am freien Athmen behindern, indem er rückwärts um den Tornister geschnallt wird. Diese neue Jnsanterie- Au^rüstung wird successive bei den Regimentern eingeführt, sowie dieselben mit dem Repetirgewehr dl. 1888 ausgerüstet werden." Aegnerin nochmals den Mund geöffnet, batte sie die Tochter Königliches Landgericht. Ferien-Ltraska««er v Aus Grund der 18 bezw. 14 de- Reick-gesetzes vom 30. No vember 1874, betreffend den Musterschutz, war vom Apotheker Herr» R. Brandt gegen Herrn De. M. Strafautrag wegen Verletzung diese- Gesetze- gestellt und der Antrag damit begründet worden, daß Herrn vr M, welcher in seinem Geschälte längere Zeit die „Apotheker R. Brandt'schen Schweizerpillea" geführt, in, vorigen Jahre ein ähnliches, die Bezeichnung Apotheker „«.Brandt s che Schweizers» ill e n" führende-Präparat, da- ihm ongeboteu worden und zu einem billigeren Preise abgegeben werden könnte, ebensalls zum Berkaui übernommen habe. ES war dann weiter die Behauptung aufgestellt worden, daß da- A. Brandt sche
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