Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880731
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880731
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-31
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.07.1888
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Erste Beilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^ 213. Dienstag den 31. Juli 1888. 82. Jahrgang. Ein Tag in König Milan's HauMadt. Boa Jenny Norder-Ney. Nachdruck Verbote». Der Oriental-Expreßzug hielt jäh an. Die Moroniotive pfiff in ihren unheimlichsten Tönen. Ein Unglück mußte ge schehe» sein. Die Reisenden stürzten an die Fenster, doch sie gewahrten nur eine vom MonteSglanz wunderbar beleuchtete Ebene, durch welche die Donau majestätisch dahinströmte. Schwere Barken und hocbmastige Schisse schwammen aus ihren Fluthen, und der leichte Rauch der Postdampser kräuselte sich in der Hellen Lust. Die Sterne spiegelten sich im Master und daS Cchils rauschte seine ties melancholischen Weise» dazu. Am Rande des dichten Laubwaldes zur rechten Seite blübten duftende Sumpsblumen, um die Nachtfalter gaukelten und Leuchtkäfer schwirrten. Eine hohe weiße Mauer lag linkS; Grabdenkmäler ragten darüber fort. Eine Reihe niedriger Häuser dehnte sich hinter denselben auS. -ein Licht schimmerte aus ihnen entgegen. Die Signalstange aus der Strecke erschien mit ihre» roth und grünen Laternen wie ein Pbarns am Meer. Man hörte nur daS Summen der Tele» graphcndräbte.... WaS war gescheben? Ich trat besorgt auf die balconartige Rampe de- Wagens. Ge» Süden erbeb sich ans hohem FelSborde eine feste Burg. Kircklhürme und MinaretS, von denen der Halbmond schim merte, stachen grell vom Nachthimmet ab. Die hölzernen, etagenwcise bintereinandcr emporsteigendcn Häuser hatten eine fremdartige Form. Die glänzenden Kuppeln der Moscheen, die gruppenweise zusanimcnslchenden schlanken Säulengestaiten, sie subren in eine andere Welt: Träumerische Vorstellungen von eigentliümlichem Leben umtanzcn bei diesem Anblick die Phantasie wie Sylphen und Elsen. — Hier liegt die Grenze dcS Abendlandes, dort ist die Pforte des Ostens! Da- alte Europa bat sich schon in ..Halbasien" verabschiedet, jetzt bei 'Semlin grüßt der Orient selbst! ,.Ki eo n'ost I'Asio, c'ost Wut nutrmt!" erklärte mir ein Mitreisender Diplomat. (Wenn eö nicht Asien ist, so doch gerade so viel!) Die Schaffner verlangen hier die Billcte nach Belgrad. Dies ist der Grund des Anscnthalts. Ter Zug fährt eine Viertelstunde später in die weile Halle dcS prunkvollen Stations gebäudes von König Milan's Hauptstadt. Kofserträger, Hoteldieucr, Führer und Kutscher rufen die Reisenden i» französischer Sprache an. Die einzelnen THUren zeige» französische Aufschriften. Die Uniform der Bahn- und Zollbeamte» gleicht der französischen. Die Steuercontroleure sprechen sraiizösiich. Sie sind nur viel höflicher, wie die Franzose» selbst. Jbre dienstliche» Obliegenheiten waren daher mit unglaublicher Geschwindigkeit erledigt. Ich mußte gestehen, so „anheimelnd" hatte ich mir, von Paris kommend, de» Orient nicht gedacht. Die Fahrt »ach dem „Hotel de France" war nicht lang. Dasselbe war glänzend erleuchtet; tropische Gewächse standen im Vorhof; schwere Teppiche lagen aus de» Treppen Eni geräumiges Vorzimmer, in dem das Gepäck unter gebracht wird, führt zu Zedern „Salon". BemaltcS, hölzernes G lafel mit altfränkischer Leistenvcrgoldung umgiebt ihn. Die Ecke gegenüber der Tbür ist angesüllt mit griechischen Heiligenbilder», dem Weihwasterkestel und der ewigen Lampe. DaS Mobiliar ist im Rococostil, reich bronzirt. Der vor dem Kamin stehende Divan mit großblumigem Plüschbezug erinnert allein an den Oste». Das breite Bett, zu Häupten ein Crncifix. sicht in einem Alkoven, durch seidene Gardine» den Blicken entzogen. Ein Ankleidezimmer mit Badeeinrich tung liegt daneben, Lurch eine Tapetenthür verbunden. Von der Decke desselben hängt eine Ampel, der beständig Räucher werk entströmt — um die vielen Fliegen und sonstiges Un geziefer fern zu halten. Die Nachtruhe ist in Belgrad nicht von langer Dauer. Trupps von Gelagen Heimkehrender durchziehen bis zum Morgengrauen laut lärmend die Straßen. Der Wasser- Verkäufer erscheint alSdann. Die eiscnbeschlagenen Thore der Häuser öffnen sich mit vielem Geräusch und verschlafene Dienst boten holen ihren Tagesbedarf an Trinkwasser. Die Schar- wacke zieht jetzt unter klingendem Spie! zum Schlosse. Gleich daraus wird von den Moscheen auS der Morgen angesungen. Die Glocken der christlichen Kirchen fallen ein. Die Gläubigen g-b » zur Frühmesse. Die Marklleute strömen in die Stadt. Es wird überall lebendig. Ich konnte daher nichts Besseres thun, als gleichfalls aus die Straße zu gebe». DaS Bild. daS sich dort darbietet, ist ein höchst mannigfaltige-. Die Gassen sind zum Theil eng und winkelig, »»gepflastert, mit schmutzigen, einstöckige» Häuschen und offenen Kaufbuden zu ebener Erde: den Bazaren. Alles, was man sich nur denken kann, wird darin feilgeboten. Die Verkäufer rufen nicht nur die Vor übergehenden an, sondern drängen sich bis mitten aus der Sliaße an sie heran. Diejenigen, die sie für Ausländer halten, fassen sie am Arm und suchen sie zu ihren Auslagen zu jübren, indem sie ibnen in einem Gemisch von Serbisch, Kroatisch, Ungarisch, Italienisch und Französisch die Vorthekle der Maaren ausreibcn. Die Inden, in schmierigem Kaftan, die Lammsellmütze auf dem langen, ungekämmten Haar, be- uebme» sich besonders frech. Sie beschränken sich nicht nur aus de» Handel, sondern tragen auch allerlei Vermittlungs geschäfte an, die ein grelle» Licht auf die herrschende Sitten losigkeit wersen. Polizei ist nirgends zu sehen. Dazwischen ist aber ein bunte- Gewimmel von Menschen aller Balkanrassen. Arabern und russischen Popen, Italienern und Unterlhaiien der österreichisch-ungarischen Krone in ihren verschiedenfarbigen malerischen Landestrachten. Sie machen sich mehr durch Gesticulationen und heiseres Geschrei als durch zusammenhängende Worte verständlich. Einzelne Reiter, mit Mauleseln bespannte, zweirädrige Karren, Bärenführer, die schwerfälligen Thiere an der Leine haltend, und polternde Postwagen suchen unter Fluchen, Drohungen und Peitschen hieben durch daS Gedränge zn kommen. Ich war glücklich, diesim Gewirr endlich entrinnen zu können, und gelangte nun nach de» „LionS", einem großen Platz, aus dem ein paar Moscheen, einige hohe Privatgebäude, hinter finstcrm Ge- mäu.-r versteckt, und der jetzt verlassene Palast de- türkischen Pascha- liegen. Man übersieht von hier auS die Tbeilung der Stadt in vier Sektionen: die Festung aus der Zinne de» Felsen- mit dem königlichen Schloß; die Wasserst« dt, die den niedrig sten schmalen Rand de- FlnßnserS einnimmt, längs dem die Boulevard- liegen mit ibren reichen, europäischen Läden, den W ener Cafe«. französischen Ebantants und dem Theater Zwischen diesen beiden Stadtvierteln erheben sich tcrrassen- söiinig übereinander die Raizcnstadt und die Palanka Dieselben machen einen sehr unfertigen Eindruck. Die alten Straßen sind abgebrochen und die neuen noch nicht vollendet. Man stößt bei jedem Schritt auf Baumaterialien oder Schutt haufen. Ewige der letztere» sollen zwar von den vierzig Belagerungen herrühren, die Belgrad seit dem Passowitzer Frieden ausgehalten. Diese Spuren früherer Verwüstungen werden zur heilsamen Lehre der Nachwelt pietätvoll avs- bewahrt. AIS eine der Hauptinerkwürdiakeiten zeigt man die Wohnung von George Czerny, lei den Türken Cara Borgbi (der „schwarze Georg") g-na»nl. de- ruhmreichen BefieierS Serbiens unk SlainmvalerS de- der beiitiee» König-dynastie feindlichen Geschlechts der Knrageorgjewi lseb. Dis Hau- — ein roher Backsteinbau — ist förmlich mit Kugeln jeden Kaliber- gespickt und wird nur durch Stütze» künstlich ausrecht erhalten. Ein Gleiche- geschieht mit dem berühmten .Bollwerk de» Prinzen Eugen" auf der Citadelle und mit der Schanze de- FeldniarschallS Laudon aus der Landstraße »ach Raimanika. Ein über hundert Jahre alte- WirthShauS, ein „Han", steht daneben. Ich trat an- N »gierde rin. Es enthält nur einen niedrigen Raum, der durch Lattenwerk pserchähulich getrennt ist. Belurbante Türken kauerten aus schmutzigen Polster». Kassie schlürfend und den Ticbibnk rau chend. Fuhrleute lagen aus Matte» und würfelten. Eine Bäuerin ging in einer Abtheilung, ihr schreiende- Jüngste- in den Armen wiegend, leise singend aus und ab. Ei» älter Bettelmönch sortirte seine im Lause de- Morgen- erhaltenen Gaben. Ei» Pferdehändler — die richtige magyarische Noß- täuscherphysiognoinie — stritt sich mit einem Oisicier herum. Ei» paar Handel-weiber, die nach der Stadt wollten, machten ganz ungenirt Toilette. Haussier drängten sich dabei jeden Augenblick zwischen die Gäste. WaS die nicht Alle« scilbotcn! Von den kleinen aus den „Ruine»" gepflückten GraSsträußchen, Karten, Kindersvielzeug, Gebetbücher und politische» Broschüren, Nähutensilien, Tabak, Bethel, Streichhölzer, Kämme, Bürsten rc. bis auf Gemälde, Schmncksache» und Schönheitsmittel. W»nd- älben und „Kngelsegen", H.-iltränk- und Pulver, Waffen und Zaumzeug! Eö soll oft gestohlenes G»l darunter sein und halten sich die Gendarmen viel in der Nähe aus. Eine andere Landplage aller Touristen: die Engländer, fehlten auch nicht. Eine mit Töchter» reich gesegnete Familie au- Manchester suchte eS sich, so gut eS ging, ans den Polstern „comsortable" zu machen. Die „Misses" fanden zwar die Sitzart anfangs „sliolcing", begnemlen sich später doch dazu. Sie verlangten natüilich Thee und „lllouttcrn- süops". Sie erhielten es auch — in serbischer ll eber setz u na. Der „Hcbaü" — i» Branntwein gekuckter Thee, dessen Blätter anmulbig herunischwiinmen, wird mit wildem Honig versüßt, ist aber doch nicht für jeden Gaumen berechnet. Ebensowenig kam mir der „livsolnvei" genießbar vor. ES ist dicS in der Sonne gedörrtes Hainmelfl-isch. das in einen Teig von Neismchl und geschmolzenem Ep ck gewellt, mit Paprika bestreut, und auf eine Gabel gespießt, bei offenem Feuer ganz schwarz geröstet ist. Ich aß nur einige Früchte und suchte eine civilis,rtere VerpslegungSstation auf. Die Austcrkeller der inneren Stadt sind berühmt. Sie nehmen meistens die Souterrains der seinen Kaffeehäuser und EiscremcsalonS (Eonditoreien) ein. Sie entfalten ibren größten Glanz deS Abends, wenn sic von Hunderten von Gasflamme» erleuchtet sind. Sie sind dann wirklich schimmernde TrinikatuS- tempel des Luxus, der Lust und deS Genusses! Von der letzte» Stufe einer breite» Marmortreppe tritt man durch eine Pforte von vergoldete» Säulen in einen wahre» Feensaal. Eine lange Reihe von Arkaden, mit Draperien vo» Gold- und Silberstosscn und zahllosen Spiegel» versehe», gewährt einen prächtigen Anblick. Sie sind mit Malereien und Schnitzwerk verziert, mit seidene» Gardinen verhängt und in den Eassitle» der Decke» mit Krystallglas ausgelcgt. Jede der Arkaden bildet eine Anzahl durch Marmorsäulen und Vorhänge getrennte Kämmerchc», vo» gefärbte» Lampe» in H'lbdunkel gehüllt und in denen das kostbarste Mobiliar cwsgespeichcrt ist. Da ist kein leereö Plätzchen, aus dem daS Auge auSruhen, der Gedanke sich sammeln könnte. Jedes Winkelche» ist Verziert mit reizenden Gegenständen Ein Amor zielt von einem rola Marinorpostauient über dem schwellende» Divan; eine VenuS steht unter Palmen, die ihren Name» tragen aus einer Muschel, die mit EiS gefüllt ist und als Champagner- kühler dient; ein lebensgroßer Ganymed auS Alabaster trägt die seltensten Früchte; aus dein Sckenklisch strablt eine funkelnde Flaschenpyramide; cS glitzert das Silbergeschirr, eS duften die Krystall- und Porpbyrvascn mit Blume», und einladend vor den geschliffenen Karaffen und Gläsern blicken die grünbekränzten Schüsseln mit den auserlesenste» Lecker bissen den Beschauer an. Diese unterirdischen Lichtpalaste erfreuen sich trotzdem keines zu guten RuscS. Die elegante Gauncrschast wartet hier aus de» Neuling, der gar leicht de» Veteranen des falsche» Spiels und der Ausschweifung zum Opfer fällt. Die Hintere» Gemächer, durch deren hcrabgelassene Jalousien matter Kerzen schein zittert, sind die Tempel de- Gottes „Jeu", deren Pforte» sich nur aus die Parole des Eingeweihte» erschließen. Hier klappert die Roulette, hier rolle» die Goldstücke im gewagten Pharao, hier hört man nur die Zahlen: „Tranto- et-guarauto —" und „Onro-ot-ckonue"; hier gilt die Losung: „Roth oder Sckwarz" und „vaocarrn^ — „blalcao" klingt als Triumphgeschrei. Man muß einmal selbst in solch einem ParadieSgarten deS Teufels gestanden und die Aufregungen deS „VL-danguo!" durchgeniachl haben, um den dänionischen Zauber des „Hazard" zu begreifen und — zu entschuldigen Alle slawischen Völker sind geborene Spieler. Die Serben mache» keine Ausnahme. Jhie hoben Würdenträger sind am „grünen Tisch" der Croupiers häufiger als a» bei» dcS MinistcrrathS zu finden. Sie sind daher fortwährend i» Geldverlegenheit, und nicht sehr wählerisch i» den Mitteln sich daraus zu befreien. Sic vertreten die Interessen Derer, die sür sie zahlen. Die Münzsorte tbut nichts: ob Piaster. Rubel, Guinee oder Gulden! Franc- und Lire sind gleich falls hoch willkommen. Man kann sich also nicht über die schwankende, auswärtige Politik und den ununterbrochenen, inner» Versassungskrieg wundern. Tie Karten, mehr »och als die andern „süßen Sünden", werden cS mache», daß Serbien von der Landkarte verschwindet oder wenigstens einem andern Staat-Wesen einverleibt wird. Wie allen Balkan- ländern, wäre ihm eine gesundere Regierung zu wünschen. Mit solch trüben Gedanken kam ick von meinem Rund gonge in da- Hotel zurück. Eine Ucberraschung wartete meiner in Gestalt eines königlichen Hofbeamten. Derselbe überbrachte mir eine Einladung zum Diner im Schloß. Au meine verwunderte Frage, wie ick zu der hoben Ehre käme, wurde mir die Antwort, daß Se. Majestät, ui» die Ein tönigkeit zu unterbrechen die Fremdenlisten prüfe, und wer ihm anscheinend Passe, zu sich befehle. Indem ick meinen Dank au-sprack, erkundigte ick mich nach den Einzelheiten de- Ccremcniel-, denn mein Koffer war wohl sür eine „Audienz", aber nicht sür eine Hostafel gepackt worden. Der „Oonsoillor intime" war liebenswürdig genug, mir eine erfahrene Persönlichkeit zu senden, die mir in dieser schwierigen „SlaatSsrage" hilfreich zur Seite stand. Sie war eine fesche Wienerin, die nur Piinzessinnen (vom Theater?) gedient haben wollte. Sie verstand aber ihr Hand werk. Die Schleppe de« hellseidenen Kleide« gerafft, daß sie nur halb nachschleift, die Taille vorschriftsmäßig ausgeschnitten den „Kokoschnin" mit langem Schleier im Haar, Fächer, Taschentuch und Flacon an der Gnrtelkclte, mit langen finger lose» Handschuhen und großem Blnmenbouquet, so erschienen in Belgrad die Damen bei Hose, wenn kein besonderer Empfang angesagt ist. Ein Hofwagen brachte mich nach dem „Konak". — Im Vorzimmer waren bereits viele Personen versammelt; mehrere erfreuten sich auch ihrer ersten Einladung. Sie wurden von dem dienstthnenden Kammerherrn in einen angrenzenden Salon geführt. Um K Uhr. mit dem Glockenschlage, wnrden die Portieren von zwei Dienern auseinandergeschoben und ein mittelgroßer, starker Herr in C vilkleidun^ mit Band und Stern de- Takowavrden- erschien: Se Majestät König Milan von Serbien. Er dankte freundlich sür unsere ehre'bi-tigen Grüße, schritt aus jeden Einzelnen zu und srug noch ! Heir,atb.DauerdeSAusenthalt«,ZweckderReiser» s w. Erschloß ! mit dem Wunsche, baß eS un» in seinem Lande gefallen > möchte. Da trat der Ceremonienmeistcr herzu und stattete eine Meldung ab Der König winkte, die Portiören öffneten sich wieder, mehrere höhere Hoschargen und Osficiere er- chienen, die den Damen den Arm boten und sie zu ihren Plätzen geleiteten. Wir durchschritten drei größere EmpsanaS- äle. Die Tafel war im vierten gedeckt. Es war sehr be haglich darin. Kerzen bildeten die Beleuchtung und daS Kaminscuer trug da- Seinige zur Erhöhung der Gemülhlich- keit bei. Die Fenster waren weit geöffnet, so daß trotz der chweren Vorhänge die balsamische Lust hereinströmcn konnte. Eine Blüthenguirlande zog sich ringS um da- Tischtuch, Krystallschalen voll frischer Blumen standen in der Mitte. Die Tafel schien unter der Last der Gerichte bald zusainmen- ziibrcch?». Die an-erlesensten Weinniarkcn harrten aus Credcnztiscben der Prüfung. Der König setzte sich in der Mitte der Tafel auf einen von der Krone überragten Lehn stuhl. Zwei Serben, schlanke Gestalten, im malerischen Nationalcostüm, Revolver »nd Dolchmesser im Gurt, standen dahinter, jede- Winke» de- GebieterS gewärtig. Ich batte Gelegenheit, den König im Stillen zu betrachte». Seine Gesichtszüge sind höchst sympathisch; trotz der an scheinenden Heiterkeit lagert eine gewisse Scbwcrmntb aus denselben; er ist mehr enttäuscht als blasirt. Der Teint ist stark gebräunt; Haar und Schnurrbart sind leicht gewellt unv ties schwarz. Die Lippen zeigen ein kräf tiges Rotb. Eine seltene Energie liegt um seinen Mund. Er hat die Augen meisten- verschleiert, wie Napoleon III, aber wenn er sie aushebt, so haben sie einen phospborescirende» Glanz, der zeigt, daß ibr Besitzer mit ihnen jede Lcidenschast auSzndrückcn fähig ,st: Zärtlichkeit und Graulamkeit. Ter König aß wenig und langsam. Er trank aber sehr hastig und plauderte lebhaft mit den „Fremden". Die Unter haltung war natürlich französisch. Sie Lrehke sich damals uni die Möglichkeit eines russisch-englische» Krieg S. Man gab der Hoffnung Ansbrnck, daß eS England gelingen werde, die Türkei zn einem Büntniß gegen Rußland zu gewinne». „Dann müßte sich Bulgarien ans Seiten Rußlands stellen »nd mit de» Russen gegen Konstantinopel und l» Macedonien operire». Nach dem Frieden würbe eS dafür, wenn eS allein der Bnndesgenosi.- Rußlands gewesen, noch mehr eihalte», als ihm im Flicken von Sa» Stefano zugedacbl war. Ta wäre eS denn d>e Ausgabe Serbien-, seine Rechte aus Mace donien, so weit es von Serben bewohnt ist, wenn »ölhig, mit den Waffen z» wahren, eventuell mit Rußland zu gehe», um nickt den Bulgare» alle Erbschaft der Türkei in Europa zusalle» zu lassen, und ick bcsfe, daß einer derartigen Politik Serbiens, der Wahrung seiner Neckte unv Interessen in Macedonien, Oesterreich-Ungar» und daö deutsche Reich neutral »nd wohlioollend zur Seite sieben werde». Ich gebe Liese Erklärung deshalb an dieser Stelle, weil ich alle wider sprechenden Gerückte beseitigt sehen will." Der König hob nach dieser Rede die Tafel aus und begab sich in de» Kass.-esalon. Hier standen DivanS mit persischen Bezügen längs den Wänden und kleine Tische ans Rosenholz davor. In einem Schaiikelstnbl am off neu Fenster saß der König. Er winkte mich heran n»d deutele aus den gegenübersteliendcn Fauteuil. „Ich hörte. Sie wollten mich besonders spreche», eh dien! inteiviever-moi!" (Nun, fragen Sie mich!) „Majestät, die Sätze sind Waffe», nicht Armeen; sie folge» daher nicht iminer dem hoben Befehl" (los plirases 8vnt «los armes, non ckes armöes —). König Milan lachte herzlich. „Ich wünschte, Meine Serbe» wären auch so schlagfertig." „Ick zweifle nickt daran, Majestät. WaS ich bi« jetzt von Ihrem Land gesehen. . ." „Eie haben einen guten Eindruck gewonnen?" „ES erinnert mich auf mancher Stelle lebhaft an Pari-, die Boulevards. . . ." „Aber Wir werde» nie eine ruo cke la?aix haben. Wir sind zu nabe der Kriegsstraße" (route cke In guerre). „Also glauben Majestät wirklich, baß der Krieg unver meidlich ist?" „Ab voilü! ... Warm» fragen Sie, WaS Ich glaube?" ..Weil König Milan orthodox ist!" (rechtgläubig). Der König sah mich voll, forschend an. Er zögerte mit der Antwort; dann lächelte er und reichte mir eine Cigarette. Er gab mir die seine zum AnzUndcn. „Hat die« eine indianische Bedeutung?" (signitication inckionue*) fragte ich im Zur>ickerstatte». König Milan erwiderte: „Die Kaiserin von Indien hat nichts damit z» thu» — aber ihre Minister suchen Mir das Garn z» verwirren." Der König lieh bierauf seiner Antipathie gegen England und Rußland laute Worte und sprach voll hoher Bewunde rung von dem deutschen Kaiser und dem Fürsten BiSmarck. „Ab qnols hommes!" ries er wiederholt aus, „daS sind Halbgötter!" Er erzählte mir dabei, daß er sich „ihretwegen" Mühe mit der deutschen Sprache gebe und Gauthier'S „Reise nach Konstantinopel" inS Deutsche übersetzt habe. „Wollen Sie cS sehen? Es macht Mir Vergnügen, cS Ihnen zu zeigen." Damit führte mich Se. Majestät selbst durch niehrere höchst g-schuiackvoll, nicht überladen eingerichtete Gemächer i» sein Studirzimmer. Hobe Bücherregale bedeckten die Wände. Wo man hinsah, fiel da« Auge aus Broschüren, Z itnngen und Zeitschriften. Verschiedene Manuskripte lagen auf dem Schreibtisch. Ans der grünen Sainmetchaifelongue vor de», Kamin war ein dentsch-sranzösischeS Wörterbuch hin- aeworsen, da- Spuren fleißigen Gebrauche- zeigte. Ein Notiztäselchen und ei» mächtig langer Bleistift ruhten da neben. Der König machte mich daraus aufmerksam. „Scheu Sie, dieser Crayon ist a»S Berlin. Der große Kanzler benutzt immer die Sorte." Auf dem KaminsimS stand auch eine Büste de- Fürsten Bismarck neben der Sluhnbr und einer Photographie der Königin Natalie. Ein lebensgroße- Brustbild der hohe» Frau hing zwischen den Fenster». Bei unserem Eintritt Hub ein aus seinem Ständer, gegenüber dem Schreibtisch, unruhig flatternder Papagei an, die „Marseillaise" zu pfeifen. Ich sah den König erstaunt an. „Kann ich liberaler sein?" fragte er heiter. „Ich dulde diese Musik in nieinem eigenen Zimmer, den ganzen Tag über." „bi'interromper pan Magnat!" („Unterbrechen Sie nicht Jaqnot!") schrie daS Thier. „Da- hat er von mir gelernt", erklärte sein erlauchter Herr. „Ich mußte e« zu oft den Herren meine- Hofe» sagen. Ich habe ihn noch auS Pari- mitgebracht" „Majestät behalten eS also in guter Erinnerung?" „O, e« lebt sich nirgends so schön wie da!! E» wurde Mir sehr schwer, e« zu verlassen, w-nn Ich auch ganz gern die Regierung meine- Lande- angetreten habe, denn die Krone hat Mich gleich am ersten Tage vor dem —Nachsitzen bewahrt. Ich hatte nämlich wieder einmal nickt M inen LiviuS gelernt und der Professor schalt tüchtig aus den faulen Schüler — al» der Direktor in die Classe trat und Mir die Ermordung Meine« Vetter- Michael, mithin meine Thronbesteigung meldete. ... Ich habe Mich mit allen Schulkameraden ver tragen. nur nicht mit den Rumänen — und die sind Mir noch heute ihre« hochmüth-g-n, zä kikcb'n W-On- halber verhaßt. Sie bilden sich ein, von den R sin»rn a>r»llaminen und sind doch nur Skythen, außerdem ein ?"-k--r>n!k!" Damit Frieden-Pfeife — Frleb-n. kam der König aus seine Vorliebe sür die „Geschickte Juliu- Cäsar'-" in Napoleon'-) III. Bearbeitung zu spreche». Bei einer Aeußerung über die Klugheit der Königin, welche gerade in Baden bei Wien weilte, nieinlc Se. Majestät plötzlich heftig: „OI>, je suppollorais die» ses ruses, sielles soraiont inoins russes!" („Ich würde gut ihre „Schlauheiten" ertragen, wenn sie weniger russisch wären.") Doch schilderte er mit lebhaften Worten die Schönheit und die edlen Cbaraktereigcnschasten seiner Gemahlin, besondcr- ihre Frömmigkeit, um mit dem hoffnungslose» Ausruf zu schließen: „Wir waren glücklich!" Die Zuneigung sür den jungen Thronfolger scheint keine Grenzen zu haben. Sie leuchtet aus jeder väterliche» Be merkung hervor. Mit diesem Eindruck schied ich von dem König. Ich habe die feste tteberzeugung. daß ohne die »»selige Sucht der Königin Natalie. eS in Allem der Kaiserin Eugenie von Frankreich »achzuthun. besonders in der Politik, die königliche Ehe eine glückliche geblieben wäre. Ich wnrte in lies r Ansicht noch durch mehrere hervorragende Staatsmänner und Depntirte bestärkt, die ich im Lause des nächst n Tage- aussuchte. ES war spät, als ich in mein Hotel zurückkebrle. Ich mußte mich mit dem Toilettenwecbscl beeilen, denn General Horvatov-ch, mein Tischuachbar vom Hesdiner, bolle mich zum Theater ab. Als wir cintraten, war der zweite Act bereits angesangen. Man spielte eine „Revue", halb Ballet, halb Operette, ein bodenloser Unsinn: „I.o souper ckes Xntinns" (DaS Nachtmahl der Völker), bei dem England als Beefsteak- und Pinni- pndding essendes Individuum, Frankreich durch ein ivein- trinkendes Paar und Deutschland durch einen Kürassier kar- gestellt wnrde, der einen Kessel mit Sauerkraut und Brat würsten 'rng. aber stets den Andern ihre Speisen sorlznttehmen suckle. Er war von einer flotte» „Schützenlir'c" begleitet, die sehr geschickt in> Jodeln und Schuliplatllianz war. ohne den Inhalt der vollen Maßkrügc zu verschütten. Die zündenden französischen Couplets wurden in störender Weise vom Publi cum begleitet. Der Refrain deS einen: „Ob nn-n cai.iiajlw „O mein Haiiptniann Lnir r cluu» votre «loinaii»-" Trete» sie em m Ilir Reich!" sogar allgemein uachgepsisjcn. Ci» toller Cancan beendete daö Ganze. Wir würden eS Dingel Tangel nennen; hier heißt cS Hoslheater. „Ja. wenn Sie eine Oper hören wollen, müssen Sie in ei» „Case-Concerl" gehen", meinte der General — die verkehrte Well! Wir besuchten ein solches, in welchem eine italienische Gesellschaft den . Troubadour" gab. aber in so verstümmelter Weise, daß wir eS vorzogc», den Schluß nicht abzuwarlcn. Beim Nachhausegeben klagte General Horvatovich — der fünf Monate später am Dragoman-Paß siegen — und ge schlagen werden sollte — über die Schwierigkeit, unter den serbische» Ossiciercn die Mannszucht aufrecht zu erhalten. „Sie werde» unsere Truppen morgen Vormittag bei der Parade sebc»! ES ist nichts an ihnen auszusetzeii. Sie sind die würdige» Söhne ihrer Vorfahren, die jede Stelle dieses Landes mit ihrem Blute tränkten. Ter Ruhm ihrer Tapfer keit und ihrer Kühnheit besteht feit Jahrhunderte», aber ihre Führer sind „vercivilisirl". Zwei Civilisationen strömen hier zusammen und lassen ihre» Schlamm zurück. Die von Westen bringt daS Roulette, de» Turf und den Champagner, die von Oste» die Weiber und daS Opium." „Wie, General, giebt cs Opiumrauchcr in Europa?" „Ja, ganz hier in der Nähe. Dort in dem dichten Garten, von Weinlaub umrankl, steht ein kleines HauS, dessen Fensterläden fest geschlossen sind und auS dem kein Lichtstrahl oder Laut in- Freie dringt. Nur eine gelbe Papierlaternc hängt am Zaun. DaS ist daS ErkennungSzcichen einer „fumoric'' (Oplumraucherei). Ich hielt eS anfangs sür eine „suiuistorie^ (dummen Scherz) meiner Leute, doch ich habe mich vom Gegentheil überzeugt. Die strengste» Strafe», die ich verhänge, sind nvck iinmcr nicht abschreckend genug... Ich begreife die Liebhaberei nickt. Dies ist der schinntzigste Ort, der wohl in Belgrad existirt. Ein widerlicher Chinese — der Teufel weiß, wie der hierher verschlagen! — nimmt auS einer halb zerbrochenen Schüssel eine schleimige, übelriechende Masse, die er sich mit Silber auswiegen läßt. Sie füllen damit ihre BambuSrohrpfeisen und begeben sich in ein Gewölbe, wo sie aus halb verfaulten Malten niedersinke», ihre Träume erwartend .... Heute genügt ihnen sür einen halben Piaster Opium; den Tag daraus bedürfen sie schon mehr, und so fort, bi- sie finanziell und physisch gebrochen sind . . . . Wein eS da drinnen gefällt, der wird nie ein Held fein!" Er seufzte tief aus bei diesen Worte». Er mußte schon einen hohen Prcccntsatz der unglücklichen Manie versalle» wissen — und dies — vielleicht am Vor abend eines Krieges. Die Balkanhalbinsel ist ja ein Herd, aus dem das Schlachtcnseuer stets glimmt! Schürt eS doch in jedem Ländchcn die Eifersucht der Großmächte, der Nach barstaaten, der vielen Parteien und in den eigenen Herrscher- samilien l Die politischen Aussichten in der Hauptstadt König Milan's von Serbien sind auch unsichere. TieS Gefühl nahm ich mit, alS ich vierundzwanzig Stunden später Belgrad verließ, um meine Forschungsreise bi- »ach Konstantinopel auSzudehnen. Altes Theater. Leipzig. 30. Juli. Aus „Romeo und Julia", die Tragödie der Liebe, folgte gestern Abend im alten Hause „Othello", die Tragödie der Eifersucht. Herr Adalbert MatkowSky errang mit seinem „Othello" einen großen Erfolg und die Kritik bat keine Veranlassung, ihm seinen Lorbeer zu zerpflücke». Sein „Othello" entsprach vollkommen dem Bilde de- Dichter-, der die unheilvolle» Wirkungen de- „grüngeäugtcn Scheusals" Eifersucht in diesem Mohrensürsten verkörpert hat. Othello ist, wie Laube richtig bemerkt, im letzten Grunde ein Liebhaber, und viele Charakterdarsteller, die den Liebhaberton nicht finden können, tragen ein fremde- Element in diese Rolle hinein. Laube rügt da- an Dawison, der au- dem „Löwen" Othello einen Tiger gemacht habe. In diesem Ausspruch liegt zugleich eine treffende Charakteristik der Othello-Natur. Othello'- Vaterland ist da« de» Löwen, und er selbst wird zum Löwen, al« da« ein- geflöste Gisl der Eifersucht seine Leidenschaft entfesselt und der Naturwildheit zum Sieg verhilft. In diesen Scencn, wo seine tief verwundete Seele ausschäumt oder in qualvollem Ringen zusa»imenschaudert, muß dem Mohren noch rin großer, edler Zug bleiben, an dem man fühlt, „daß er ein ebrenvoller Mörder ist, daß er nicht- that au» Haß, sür Ehre alles". Diese Forderung hat MatkowSky trefflich erfüllt. Sein „Othello" behütet den erhabenen Zug auch La. wo er der höchsten Leidenschaft die Zügel schießen läßt. Man weiß, daß der berühmte Othello-Darstellcr, der Neger Jra Aldribge. der in den sechziger Jahren in Deutsch land rauschende Triumphe feierte, aus die Bestialität dc- Otbello da« Hauptgewicht legte und seine ganze Kraft ein setzte, mit größtem Realismus den Wilden hervorzukchren. Ta tst falsch »nd entspricht nicht den Intentionen Shakespeare'-, der auch in dem Othello zunächst etwa» allgemein Mensch liche- und erst in zweiter Linie den Sohn de- Süden- sah. Auch in dieser Hinsicht müssen wir da- Spiel MatkowSky'- anerkennen. So gewaltig sein Othello in der großen Scene m-f J-iao an'lchännite. so erschütternd da-Wuthgeschret auch erklang, kr« Tlner-kche wurde nicht geflissentlich in den vorder»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder