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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188807272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-07
- Tag1888-07-27
- Monat1888-07
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1888
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schließen wird, im Gespräch jene alten Neben Erinnerungen! auszufrischen. Lieder zu singen, die damals erklangen, und sich da- Bild recht lebhaft zu vergegenwärtigen, welches die Lindenstadt als gastsreie, liebenswürdige und herzliche Wirtbin der deutschen TurnersÄasl bot. Wo immer baS Gespräch auf jene Tage kommen mag — allgemein ist der Eindruck, daß Leipzig ein solches Fest weder vorher, ncch nachher ge sehen habe und vermulblich auch nie wieder seben werde, un^ der Leipziger Turnverein bat wohl einen richtigen Ge danken gehabt, als er die Beipflichtung empfand, mit seinem Schauturnen eine Art ErinnerungSseier an jene Glanz, und Ehrentage der deutschen und besonders der Leipziger Turnerei zu verbinden. DaS Schauturnen selbst wiro äußerndem hübschen Aufmarsch und den Freiübungen von 1863 ein Ricqenturnen von 25 Riegen, ein Turnen der Vorturner und der l. Elaste an 4 Barren zu gleicher Zeit, sowie ein ge regelte- Kürturnen der Borturnerschast am Reck bieten und ergehen zu demselben Einladungen an die übrigen hiesigen Vereine, an die Vereine deS Schlachtseldgaueü. sowie an die größeren Vereine Sachsens. Jeder Turner hat gegen Vor- weiS seiner Mitgliedskarte freien Zutritt; die Mitglieder entnehmen ihre Eintrittskarten von Montag Abend an in der Erpedition der Turnhalle. Da eine Betbeiligung von auswärts in größerem Maßstabe erfolgen dürste, ist für Empfang der Gäste aus den Bahnhöfen Sorge getragen und alS Sammelort für den Vormittag die Centraihalle bestimmt. Gleichzeitig mit dem Eommers am Abend wird für die jüngere Welt im Tanzsalon des Neuen SchützenhauscS Ball statlsinden. D Leipzig, 26. Juli. Auf einem Dachboden in Schloß Pleißenburg waren gestern Nachmittag mehrere Arbeiter oamit beschäftigt, mittelst einer stehenden Winde mit Hcbe- bäuiuen Schutt in Kübeln herabzulasten. Dabei begingen sie die Unvorsichtigkeit, die Winde loSzulasten, so baß dieselbe mit großer Geschwintigkcit zurückschnellte und zu gleich mit Baum, sogenanntem Leierbalkeu, anS der Welle hcrauSgeschleuvert wurde. Unglücklicherweise traf derselbe «inen in unmittelbarer Nähe arbeitenden Schieserdeckergehilsen, Namen- Gustav ThierS aus Magdeburg, und zwar derart heftig an den Kops, daß derselbe lebensgefährlich ver letzt zu Boden sank und nachmals mittelst KrankentranSport- wagcnS in da- Krankenhaus gebracht werden mußte. Gegen dir fahrlässigen Arbeiter wird die criminelle Untersuchung eingeleitel. — Denselben Nachmittag verunglückte aus einem Neubau in der Sopbienstraße ein 29 Jahr alter Maurerlehrling, NamenS August Werner auS Schön eiche dadurch, d<»ß er, mit nock einigen Arbeitern Läinit beschäftigt, eine Steinplatte im Parterre zu tragen, durch einen Fehltritt einige Meter tief in den Keller stürzte und sich eine Kopfverletzung zuzog. Auch er mußte des halb im Krankenkouse untergebracht werben. — In einen, Grundstück der Zeitzcr-Straße fand um dieselbe Zeit ein kleiner Brand statt, indem glühende Kohlen durch HerauSspringen auS einem Ofen den Brand verursachten und da- Feuer sich einigen Dielen und einer Thürverkleidung »>it- lbcilte. Die Feuerwehr war ausgeboten und wurde der Brand sehr bald unterdrückt und jede weitere Gefahr beseitigt. — Zwei Handarbeiter auS VolksmarSdors und von hier, welche in der Körnerstraße zusammen Wohnung genommen, hatten ihren WirthSleuten eine Partie Wäsche im Werthe von 40 eine Uhr und diverse andere Werthgegenslänkc gestohlen und waren darauf auS ihrer Schlafstelle weggebliebe». ES wurde deshalb polizeilich auf sie gefahndet und beide Diebe am gestrigen Tage beim Herumstreichen aus Großzschocherschem Gebiet angetrofjen und sestgenomme». Die übrigens bereits mehrfach bestraften Diebe wurden nach dem Naschmarkt tranS- porlirt und dort aufs Neue zur Haft gebracht. — In einer hiesigen Buchbinderei gerielb beute Vormittag eine Igjäh- rige Arbeiterin, NamenS Marie Schumann auS Reudnitz, mit der rechten Hand auS eigener Unvorsichtigkeit in eine Heftmaschine, wobei ihr das Fleisch der vorderen Glieder zweier Finger losgequetscht wurde, wcLhalb sie inS Kranken haus gebracht werden mußte. * Leipzig, 26. Juli. Don der Ferien-Straskammcr ä deS hiesigen königl. Landgerichts wurde heute dcr Hand- lungSdicner Eduard Wohl auS Göttingen wegen Betrugs rc. zu 3 Monaten Gesängniß verurlheilt, dahingegen der Maurerpolier August Hermann Oe streich aus Flurstedt von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei- gesprochen. Gegen den Lacksabrikantcn Heinrich Dietz hier, welcher sich einer Beleidigung des hiesigen königl. Schöffengerichts durch eine schriftliche Eingabe schuldig gemacht hatte, wurde aus 60 Geldstrafe erkannt. XX Volkmarsdors, 26. Juli. Anläßlich des bevor stehenden Anschlüsse? auch unserer Gemeinde an Leipzig dürste folgende Zusammenstellung der Activen und Passiven unserer politischen und Schulgemeinde von Interesse sein. Was zu nächst die erstere, die politische Gemeinde, anbetrifst, so be ziffern sich nach neuesten ossiciclle» Angaben die Activen auf rund 210 959 während die Passiven 59 858 betragen, so daß die politische Gemeinde einen Bestand von 151101 aufweist. Die Schulgemeinde hat Activen von rund 237 917 Passiven dagegen in der Höhe von l 16 339 so daß ein Bestand von 121,578 ^ verbleibt. Die Activen beider Gemeinden zusammen belausen sich somit aus 448 876 die Passiven aus l76,193 so daß ein Gesammt-Vermögensbestand beider Gemeinden von 272 678 ^ verbleibt. * Gohlis. 26. Juli. Es ist «in recht erfreuliches Zeichen, daß unsere Schülerwerkstatt auch von auswärts her immer mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung ersäbrt. Gestern wurde ihr die Ehre deS Besuchs einer größere» Anzahl von Mitgliedern deS Handserligkeils - Lehrerseminars (Leipzig) zu Theil. Es waren dies Lehrer aus allen Theilen Deutschlands, die sich in genannter Anstalt mit der Sache vertraut und daher einen CursuS durchmacken. Herr NeichS- gerichtssecretair Witt begrüßte dieselben mit herzlichen Worten, worauf die trotz der Ferien erschienene» Knaben in ihrer Tbätigkcit beobachtet wurden. Herr Lehrer Graiche» und Herr Tischlermeister Grübe gaben in klarer verständ licher Weise Ausschluß über Alles. waS daS besondere Interesse der Besucher erregte. Eine Ausstellung von Lehrer- und Schülerarbeiten, die seit Ostern gefertigt worben sind, fand Len ungetheilten Beifall der Anwesenden. * GohliS, 26. Juli. Gestern früh um 3>/, Uhr stürzte sich der pensionirte Eisenbahnbeamte Güldncr aus dem Fenster seiner im dritten Stockwerke gelegenen Wohnung in den vor dem Haufe befindlichen Vorgarten hinunter und verletzte sich so schwer, daß er infolge der erhaltenen inneren Verletzungen noch im Laufe deS Vormittags verstarb. WaS den BedauernSwerthen zu dieser Thal veranlaßt hat, ist nicht ermittelt. — Im Verein für Naturbeilkunde zu Gohlis (Oberschenke) wird nächsten Sonnabend Abend '/,9 Uhr Herr San-Rath vr. Meyner auS Chemnitz einen Vortrag über die Typhus-Epidemie in Chemnitz halten * Liebertwolkwitz, 26. Juli. Im hiesigen Gcmcinde- rathe war von Herrn Rittergutsbesitzer Li ebner der Antrag gestellt worden, bei der königl. Amtshauptmannschast darum vorstellig zu werden, daß alle öffentliche Tanzmusik während der Zeit vom I. August bis 15. September (also während der Ernlearbciten) möglichst ganz eingeschränkt werde. Dieser Antrag ist jedoch vom Gemeinderath niit 13 gegen 10 Stimmen abgelehnt worden. — Am Sonntag Morgen wurde der Geschirrsührer eines Leipziger Spedi teurs Hierselbst überfahren uud dabei so schwer verletzt, daß er noch am selbigen Tage verstarb. * Werdau, 26. Juli. Wiederum baden wir von einem Falle zu berichten, welcher das Capitel für daS „freche" Aus- iceten mancher Handwerksburschen bereichert. Vor kurzer Zeit AbendS in der S. Stund« sprach ein hier zugereister Hanb- werk-bursch« i» der Lrimmitschauer Straße einen hiesigen Einwohner um eine Gabe von 10 ^ an. Da diesem V«r- langen nicht entsprochen wurde, so erhielt der Angesvrochene ohne Weitere» von dem HandwcrkSburschen eine Ohrfeige verabreicht, woraus derselbe das Weite suchte. Der freche Patron, ein Former aus Hemmlingrn, wurde von der Schutz mannschaft ermittelt und verhaftet. ch Dresden, 26. Juli. In der Nähe der Uebigauer Fähre ist gestern Nachmittag der Leichnam, de» am Sonntag von einen, Kahne in die Elbe gestürzten Arbeiter- an geschwommen und behördlich ausgehodea worden. — Ein Künstler aus dem Anfänge de- 17. Jahrhundert», Daniel Krllerthaler, ein Dresdner Goldschmied und Kupferstecher, hat eine Abbildung der Dresdner Vogelwiese aus dem vom Kur fürsten August im Jahre 1577 hierzu «»gewiesenen bisherigen Weide- platze an ocr großen Zicgelgesft, der bi- vor etwa vierzig Jahren für dieses Volksfest benutzt wurde, hinterlassen. ES stellt das Treiben auf der Vogelwiese im Jahre 1612 dar, und verdient dasselbe wohl eine genauere Schilderung. Ein Bretterverschlag sondert die Schützen vom Publicum, das sich jedoch bestrebt, Alles möglichst genau zu betrachten, weshalb viele Neugierige aus bühncnartigen Erhöhungen und selbst auf den Verdecken von Wagen sitzen. Einige Cavaliere reilcn am Schauplatze stolz an einer Gruppe geschmückter Damen vorüber. Daneben stürzt ein Bretterverschlag unter der Last einer Rotte lustiger Gassenjungen zusammen. Aus einem Gerüste preist ein Quacksalber niit seinem Hanswurste seine Heilmittel an und überall sitzen Weiber mit Näschereien, Eßwaaren und Anderem. Die übrige Darstellung theilt sich in drei Gruppen. Zur ersten, deren Mittelpunkt die Bogclstange ist, gehört ein Häuschen, worin man die Büchscnspanncr mit Armbrüsten beschäftigt sieht. Ein Schütze liegt im Auichlag aus den Vogel, während ein anderer mit gespannter Wehr hinter ihm steht. Der zweite in die Augen fallende Act zeigt eine gewaltige Kletterstange, auf deren belaubter Spitze ein Bierfaß schwebt. Sechs Männer sind daran, sich durch ihre Klctterkünste desselben zu versichern, obgleich man nicht begreift, wie sie dies anfangcn wollen, ohne hcrabzustürzen und sich den Schädel zn zerschmettern, oder den Inhalt des Fasses über die Köpfe zu kriegen. Ein nicht minder saftiges Vergnügen steht der Rciterschaar bevor, die neben der Kletterstange hält. Die Reiter stehen nach vier Säulen ge wendet. Zwischen den beiden ersten schwebt ein großer Vogel an einer Leine, während zwischen den beiden anderen ein Faß ausgehangen ist. Der Vogel erinnert an den beim Fischerstechen zu Leipzig üblichen Brauch, einen am Seile befestigten Aal herabzureißen. Hier gilt cs, daß der zwischen den Säulen dnrchgaloppirende Reiter den Vogel am Halse saßt und herabreißt. Der Vogel ist eine GanS, deshalb nannte man diese in früheren Jahrhunderten sehr beliebte Volks- lustbarkeit „Das Gänscreiten". Hier ist der Reiter vom Pferde ge stürzt und kollert sich auf der Erde. Darüber frenetischer Jubel unter den Zuschauern. Beim schwebenden Fasse geht es ebenfalls lustig zu. Dasselbe ist mit Ruß gefüllt und auch eine Katze hat man hincingcsteckt. Der Deckel ist nur lose aufgelegt. DaS Kunststück war nun, daß der Reiter im Borbeijagen mit seinem Spcere den leicht beweglichen Boden des Fasses ausstieß, ohne von dem Ruß oder von der Katze berührt zu werden. Auch Blut füllte man bis weilen in solch ein Faß. Letzteres Spiel nannte man „den blutigen Mann". So dielet Daniel Kellerthaler noch viele Darstellungen deS Volkslebens auf der Vogelwiese vor beinahe drei Jahrhunderten. Daß bei diesem fröhlichen und sogar ausgelassenen Treiben aus Ord nung gesehen wurde, bezeugen, außer den Schranken, welche den eigentlichen Tummelplatz umziehen, namentlich auch die ausgestellten Hellebardiere. Das Ganze aber trägt das Gepräge heiteren, bchaa- lichcn Lebens und fällt in die glücklichen Jahre, welche dem scheuß lichen, dreißigjährigen Kriege unmittelbar vorangingen. Damals blühte noch der Bürgerstand, welcher es wohl verstand, ln seinen Muscstunden sich aus cigcnthümliche Weise das Leben angenehm zu machen. v er misch tes. ----- Berlin, 25. Juli. Durch die Zeitungen geht äugen- blicklich eine Noliz, nach welcher daS Hinscheiden der beiden Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. dem fürstlichen Hause Thuru und Taxis zwei Millionen Mark gekostet habe, weil der Fürst von Thurn und Taxis vom preußischen Staate die Herrschaft Krotoschin zu Lehen habe und dafür vertragsmäßig beim Tode jedes preußischen Herrscher- an die Krone Preußen den Betrag von einer Million Mark baar zu zahlen habe. — Nur um diese von der „Kölnischen BolkS- Zeitung" zuerst veröffentlichte Millheilung (welche wir mit einem ? versahen) nicht zur Legende werde» zu lasten, macht die „Magoeiurglsche Zeitung" auf die Unrichtigkeit der selben aufmerksam. Sie enthält selbst schon eine» Wider spruch, den» wenn daS Fürstenlhum Krotoschin — so hießen die Besitzungen deS Fürsten von Thurn und Taxis in der Provinz Posen ossiciell — vom Staate zu Lehen gegeben wären, so müßte jene Abgabe auch dem Staate und nicht der Krone zusallen. Die sürstliche Familie von Thurn und Taxis ist mit dem Fürstenthum Krotoschin nicht belehnt worden, wie etwa der Herzog von Braunschweig mit dem Fiirstenthnm OelS belehnt war, sondern hat im Jahre 1819 alS Entschädigung für die Verluste ihrer auS der Be leihung niit dem Neichs-General-Erb-Postmeisteramte stammen den Recht« in denjenigen Gebieten, welche im Jahre 1815 mit Preußen vereinigt wurden, drei in der Provinz Posen belegene Dominialämter erhalten, welche zu einem Fürsten lhum Krotoschin erhoben wurden, ebenso wie sie 1867 für di« lleberlassung ibrer gesammten Postgerechtsame eine Ent schädigung von 3 Millionen Thalern erhielt. Hierau- kann man ermessen, daß die Erzählung der ..Kölnische» VolkS- Zeitung" nicht zulrifst. ---- Nack einer Meldung bat der preußische Finanzminister neuerdings hinsichtlich der Gewerbesteuerpslicht der Vermielher vonZimmern inBrunnen- undBade« orten angrordnet, daß Personen, welche in Bade« und Brnnnenorten drei oder mehr möblirte Zimmer vermiethen und zugleich ihre» Miclhern regelmäßig MittogSlisch oder volle Pension gewähren, zur Gewerbesteuer i» Elaste 6 heran- gezogrn werden. Ferner ist vom Herrn Minister über die Besteuerung der PensioiiSbalter bestimmt worden, daß Inhaber von Pensionaten zur Gewerbesteuer aus Grund des tz. Sd deS Gesetzes vom 30. Mai 1820 in Verbindung mit tz. 16 deS Gesetzes vom 19. Juli 1861 beranzuziehen sind, wenn sie niindestcnS drei möblirte heizbare Zimmer einem oder mehreren Pcnsionaircn überlasten. ---Staßfurt, 26. Juli. In einem Hotel lag dieser Tage Abends ein Reisender, die Zeitung lesend, bereits im Bett, als ihm von ungefäbr einficl, doch einmal unter daS Bett zu leuchte». Hier bemerkte er ein Paar fremde Hände. Sofort sprang unter dem Bett ein Individuum hervor, welches sich dort versteckt gehalten. Zum Glück war aber der Reisende stärker. Den Äcr- an die Gurgel packen und ihn in eine Ecke Niederdrücken war daS Werk eines Augenblicks. Dann aber ertönte sein lauter Hilferuf, und als drei Polizei- beamte nach kaum fünf Minuten erschienen, schleifte der Reisende seinen unheimlichen Schlasgcnossen zur Thür, riegelte auf und lieferte den Eindringling av. Derselbe, ein kleiner, untersetzter Mensch, gab sich als den obdachlosen Paul Schultz aus Berlin aus, war natürlich ohne Papiere und hatte oort unter dem Bett „Arbeit" gesucht. Eine Lcibesuntersuchung aber förderte merkwürdige 4)inge zu Tage: ein Paar eigen artig geformte Holzstückchcn. von denen zwei zusammengelegt den geeignetsten Knebel abgaben. Solch' ein Ding dem Schlafenden in den Mund gestoßen, muß demselben das Schreien allerdings unmöglich machen. Schließlich meinte das Subject sogar, es wäre „nur Spaß" gewesen. — Hamburg. 23. Juli. Ueber «in schwere» Un glück. daS sich gestern in Harburg ereignete, berichten die „Hamburger Nachrichten": „Ein hiesiger Becrdigung-verein halte in Winsen a. L. eine Leiche beizusetzen und pafsirte aus dem Rückwege einen Bahnübergang, Vesten Fallbaum, wie e» beißt, nicht niedergelassen gewesen ist. Kaum war der Leichen wagen aus dcm Bahnkörper angelangt, al» ein Zug heran brau sie und daS Gefährt iiberjagte. DaS Schreckliche. waS nun geschah, spottet jeder Beschreibung. Einem Angestellten deS BeerdignngsvereinS wnrdc» beide Beine abgefahren und den: Kutscher deS Leichenwagen» der Brustkasten säst gänzlich eingedrückt. Eines der Pferde war buchstäblich in Stücke zer rissen, daS andere arg verletzt. Man schickte sofort zu einem Arzt, welcher die unglücklichen Menschen verband und dann ihren Transport in- Hospital anordnet». Nach Aussage eines Augenzeugen de- Unglück» war da- Jammern des über die Beine gefahrenen Mannes ei» herzzerreißendes. Er schrie unaufhörlich: „Bitte, bitte, werft mich in die Elbe, weshalb soll ick noch leben." Da» schwerverletzte Pferd wurde zu einem Thierarzt gebracht. Heute Morgen waren die Ver wundeten noch am Leben, doch ist für sie kaum Hoffnung mehr vorhanden. Beide sind verheirathet und Familienväter. Der Bahnwärter, welcher an der UnglückSställe postirt war, ist, wie e» heißt, bald nach dem Vorfall verschwunden. Die Polizei, sowie ein Untersuchungsrichter waren zum Zweck der Ausnahme deS ThatbestandcS sogleich an Ort und Stelle." — Bei der letzten Sonntag in Hamburg stattgesundenen Nuder-Negatta ist auch der Totalisator zur Ver wendung gekommen. Da die Wiedereinführung desselben seiner Zeit nur im Hinblick daraus, der Hebung der inländischen Pferdezucht neue Hilfsquellen zu beschaffen und so dem Welt- bclriebe einen idealen Zweck zu verleihen, die böhere Ge nehmigung erhielt, ist man in den hippischen Sporlkreisen über die Ausstellung eines Totalisator- bei Ruder-Regatten nicht sehr erbaut, indem sich nicht ersehen läßt, wo bei denselben ein idealer Zweck hcrvortritt, und weil dadurch vielleicht Consequenzen erstehen, deren Grenzen sich nicht über blicken lasten. — Braunschweig. 25. Juli. Ein furchtbares Unglück hat sich hier in voriger Nacht zngctragen. Personen, welche durch die Münzstraße gingen, hörten ein gräßliches Geschrei und sahen in einem Hause ein junges Mädchen in Fla in men stehe». AlS die Thür zerschlagen und Jemand hineingeklettcrt war, wurde die Unglückliche niedergeworsen und die Flamme erstickt. Die Aermste lebt zwar noch, schwebt aber in höchster Lebensgefahr. Sie ist die Dienstmagd deS HauseS. — Münster. 25. Juli. („Kölnische VolkS-Zcitung.") Beim westjälischen Jagdrennen stürzte der Premier- Lieutenant Gras v. Nessel rode. ES wurde ihm die Brust eingedrückt und er blieb todt. --- Gräfenberg, 24. Juli. Der König von Ru mänien trifft Donnerstag oder Freitag mit Gefolge zum Curgebrauck hier ein und wird im „Doctorhause" bei l)r. Schindler Wohnung nehmen. --- Wie der „Figaro" mittheilt, hat der Kriegsminister angrordnet, daß die französischen Osficiere nicht mehr wie bisher durch Ahnehmen der Käppis, sondern durch An legen der Hand an die Kopfbedeckung grüßen. ---- Der „Moniteur Univcrsel" berichtet, daß demnächst die sämintlichcn Werke deS früheren Präsidenten Grövy in zwei starken Bänden erscheinen werde», welche seine parlamentarischen und GerichtSreden, sowie die vom Elysee-Palaste datieren Botschaften enthalten. — Helgoland, 24. Juli. Die Lummenjagd, zu welcher ver Dampfer „Freia" gestern von Wyk und Svlt ncch zahlreiche Schützen hcrbeigesührt batte, wurde heute Morgen um 4 Uhr eröfsnet. Den ersten Schuß hatte der Gouverneur von Helgoland dem österreichischen Freiherrn von Suttner überlassen, aus besten Boot die Gouverncurslagge wehte. Im Halbkreis wurde der Luninienselsen von ca. 25 Booten, von denen einige vier Schützen enthielten, umstellt. Der Herrog von Mecklenburg nahm seine» Stand dicht am Felsen. Die Lummen sind m diesem Jahre hier besonders zahlreich. Auch einige Alks, Vögel, die sich von jene» durch eine weißere Brust und einen breiten und gebogenen Schnabel unter scheiden, nisten seit einigen Jahren zwischen ihnen. Al ber erste Schuß zum jähen Felsen hinausvonnerte, glaubte man einen Schwarm riesiger Bienen über dem Kopse zu haben. Au» sechzig Flinte»röhrcii krachten nun die Schüsse säst gleichzeitig, und zahlreiche Opfer bedeckten schon nach der erste» Salve die tosende See. Trotz de» starken Seegänge» wurde vcrbältiiißmäßig gut geschossen. Bald kamen die ge ängsteten Vögel, durch da» Geschrei der hungrigen Jungen, von denen einige noch nickt flügge waren, herbeigelockt, zurück, und eine neue, reiche Ernte hielt der Tod unter ihnen. Gegen 9 Uhr landeten die ersten Schützenboote. Der glück lichste Jäger Halle 48 dieser sonst nur in höheren Breiten nistenden Vögel an Bord. Herr v. Suttner brachte 40 Beutestücke an Land; der Herzog von Braunschweig, der nur ei» Gewehr an Bord Halle, deren zwanzig. Die meisten Schützen, welche wegen deS hohen Seegänge» sitzend schoflen (der Helgoländer thut die- stet» stehend) und, den pfeil schnellen Flug der Lumme» nicht beachtend, nicht weit genug vor hielten, hatten nur drei b>S fünf Trophäen auszuweisen. Der Erbgroßherzog von Oldenburg, welcher aus eigener Nacht nach Holgolanv gekommen ist und bei PaycnS am Falm wohnt, belheiligte sich nickt an der Jagd, die heute, al» am Eröffnungstage, nur für Badegäste gestattet ist. Die Helgo länder Schützen dürfen erst morgen aus Beute auSgehcn, er legen aber ersahrungSmäßig selbst noch am zweite» Jagd tage mehr (einige über 100 Stück) al» die Fremden am ersten. --- Bei den Frühjahrs- und Sommer-Rennen, welcke in gegenwärtigem Jahre zu LongchampS, Chantilly und Fontainebleau abgehalten wurden und dem Pariser Jockey- Club unterstehen, hat der Totalisator einen Umsatz von nickt weniger als zwanzig Millionen Franc» erzielt, Resultate, wie sie in gleicher Zeit und Hohe in Deutschland wohl kaum jemals erzielt werden dürften. -- Bern, 22. Juli. Der Jagdclub in Christiania verlangt gegen Eintausch von Elchwild und Rennthieren lebende Gemsen, um dieselben in den norwegischen Ge birgsgegenden zu acclimatisireii. Der „Freie Malier" meint, daß die Behörden trotz der Bestimmungen des Jagdgesetzes die Erlaubniß zum Elnianqen lebender Gemsen geben würben. Anderseits glaubt man. daß Klima und Vegetation der Hoch alpen dem Neunthier Zusagen. Die große Hirschart der Elche, welche aus der skandinavischen Halbinsel und in Nordrußland Standwild ist, fand sich noch im Mittelalter auch in der Schweiz und in Deutschland ziemlich zahlreich vor. -- AuS Italien, 19. Juli. Die „Neue Züricher Zeitung" schreibt: Letzten Montag gegen tl Ubr Vormittag» wurde nach dem „Dovere" am Seeufcr zu Locarno eine eigenthümliche Erscheinung beobachtet. In Zwischen räumen von 10 Minuten stieg der See um 15—16 cw. eS war eine eigentliche Flulh und Ebbe, welcke zu den ver schiedensten Vermulhuiigea Anlaß gab. Die Einen sprachen von einer unterseeischen, telluriscken Veränderung, Andere dachten an einen bedeutenden Erdschlipf an irgend einer Stelle de» User». Man hat jedoch von einem solchen bi» jetzt nichts vernommen. BemerkenSwcrth ist, daß der „Secolo" von einer ähnlichen Erscheinung am Comersee berichtet. In gleichen Zwischenräumen drang nm gleichen Tage da» Wasser in den Landungsplatz von Como ein und zwar mit solcher Schnellig keit. daß Personen, welche am User standen, vor dem ein- dringenden Wasser in schnellstem Laufe zurückweichen mußten; dann zog sich der See in seine User zurück, um gleich nachher wieder in den Platz einzubruigeii. Gin gefährlicher Toiletten-Gcgenstand. Zu Nutz uud Frommen für „gepanzerte Frauen". Boa Klara Reichaer. Nachdruck verboten. Da Blicke hinter die Coukissen siet- einen eigenen Reiz besitze», so wird eS ja wobt unter aller Diskretion gestaltet sein, auch einige beickewene Bücke aus die Geheimnisse der Danieil-Toilette vom fernen, erhöhtkn, bistorijche» Standvuncl ans zu werken, um aus dieser Vogel-Persvective DaS ins Auge zu fassen, waS von je ein Greuel für alle Dichter. Denker und Aerzte war, nämlich das fijchdein- geborenc: Corset! Lang, lo»a ists der, seit das Cor et oder Mieder, auch Schnür- brusi oser Lchnürleid genau»:, sich ickon der Frauen Gunst eisreut. Und kein Dundee! s nd dock die Frauen aller Zeiten daraus bedacht geweien, die vorhandenen Reize ibrer Gestalt ins beste Licht zu stellen, die nicht Vorhände»«» aber zu corrigircn oder zu verbergen, und wo» vor ollen Zeiten Sitte — mitunter Unsitte auch — gewest», da< Hst sich bt< aus unstre Zeit erhalten, nur mtt dem Unterschiede, batz die Mittel, dir zam Zweck« führen sollten, sich tm Lause orr Begebenheiten und der Mode änderten. Obwohl freilich die kuaftsinnigea alten Griechen hauptsächlich und in erster Linst durch entsprechend« Lörperübungei» die uatür» lich« SchSaheit ihrer Schönheiten, d. h. also ihrer schönen Mädchen- gestalten, zur vollen Gellnag und Lutsaltuug zu bringen suchte», so verschmähte man auch damit» schon den modernen Wabe- und Wahlsprnch nicht: „Wenn Kunst sich l» Notar verwandelt, Dana hat Notar mit Knast gehandelt!" — Mit anderen Worten: man „verbesserst" die Nalur da, wo sie stiel- mütterliche Launen zeigte, indem man „uachhalj", um die Figur schlank und voll zugleich zn gestalten; matz, und stilvoll schlank den Wuchs und voll die Büste. Zu diesem Zwecke trugen die Mädchen und Frauen Alt-Geftchenlands «nd Rom» eine breite Binde aus dem bloßen Körper um die Rippen gestgt, wie alte Denkmäler bc- künden; — autze:drm aber scheint man in der römischen Kailcrzeit auch bereit» Ankläag« an unsere heutigen Lorstt» — wenn auch in anderer Form — besessen und verwendet zn haben, zu Nutz und Frommen der Toiletten-Kuust und -Künste, — schon damals verstand man sich daraus, durch Anwenduag von Wülsten und anderen kleinen HilsSmütelchen die Fehler, die Mutter Nalur sich hatte zu Schulden kommen lassen, möglichst auSzngleichen, wovon die antiken Dichter Alexis und Tereaz eia Lied zu singen und zu spotten wissen. » Bereit» im Alterthum also finden sich die Herolde deS Ccrsct» und ähnlicher HiisStruppea zur Verschönerung der Gestalt; — jeit wann man aber da» Eorset im Sinne unserer Zeit getragen, dar vermag wohl Niemand ganz genau aus Ebre und Gewissen an- zuaebent Schon aus allen Denkmälern taucht eS freilich aus. vorn aus der Brust geschnürt, als eine ursprünglich in der Polarzonc ent standene Sitte, welche di« Germanen nach dem Süden importirlcu. AnsangS ichwer erkennbar, weil verhüllt durch die wallenden, weilen Irackten. wurde da» Eorset verdeckr durch diese Tracht vom 5. bis 10. Jahrhundert. Doch später änderte sich daS! — Schon daS Contersei der Frau Aebtissin Hrrrod von Landsberg zeigt das deutliche Auslauchen des Corset-, wie e» eng sich an den Köiper schmiegt und seitwärts unter den Armen zageschaürt ist; besonders aber entfaltete es sich mit dem 14. Jahrhundert, im Anschluß an die damalige Mode, die Form der Brust scharf hervortreten zu lassen, und wußte nun sorian sich aus dem Programm zu erhalten, voruder- gehende, kurze Ruhe-Modcpauseu abgerechnet. Aus Spanien war-, von wo über Frankreich lm 16. Jahrhundert eia wahres Monstrum von Eorset nach Denlschlaad kam: die Coillla, bestehend aus einer Lombination von Fischbria und Eisen, eine Art von Panzer. Eorset, gegen da» die Exemplare der Neuzeit wahre Ainderjpielrreien sind. Oben weit, dann sich verengend, umschloß die' Colilla eng die Taille uud wurde rückwärts zugeschnürt; Liese Marterinstrumente spukten »och bi- zu Ansang unsere- Jahrhunderts in den niederen BolkSclasseu umher, nur daß man sich meist, durch Weglassung de- Eilen», mit dem Fischbeia darin begnügte. Mit der Zeit begannen auch die Aerzte schon den mißbilligenden Blick ous die Schnürbrust zu werfen, und zwar war eS zu Anfang de» 17. Jahrhunderts ein grwisser Felix Pluicr, der nun« 1602 ol der Ersten Einer sich Ipecieller mit vielem Thema beschäftigte, und Biele solgten seinen Spuren, bis sich endlich dann ein Mediciner saad, der per Feder dem Eorset den Krieg erklärte; — es geschah die» ous Lateinisch im Jahre 1735, ond der Namen dieses gelehrten Widersachers lautet Johann Zacharia» Plaltner. Aus gut Deutsch deschäsligte sich zuerst Goltlicb OelSner zu BreSlau schriftstellerisch mit dieser kor.-oun inqrnln, in seinem eigen- ihr bedienten Werke: „Vom schädliche» Mißbrauch der Schnürbrust und Plonchelten." Umsonst t — sie kämpften, kämpstea weiter, aber ohne Steg, alle diese Abhandlungen über die Wirkung und Schädlichkeit der Schnür- brust, die nach und nach erschienen, denn wer hätte je erfolgreich schon gekämpft gegen die allezeit allmächtige Mode? — Wohl wurde sie in Oesterreich einst förmlich verboten, wohl machte eia Menschen- sreund und Schriftsteller »ouo 1788 den wohlgemeinten Versuch, an die Vernunft der Frauen zu oppelliren durch zwei PreiSschristen, deren Sujet nichts Geringere» alt das Eorset war, wobt versuchte eia anderer Fachmann in einem »msangreich^elehrtea Werke schon zuvor und dann abermal- im Jahre 1793 in vermehrter Auslage die Schädlichkeit desselben darzuthuu. — umsonst! das Eorset ver schwand erst in dem Augenblicke, al- die Mode wiederum eS so gebot. klebrigen- war da» Lorset der Vergangenheit Insofern von dcm der Gegenwart verschieden, al- ehedem in vergangenen Jahrhun derten man et ähnlich trug, wie wir eS noch jetzt an Bauern-Miedcrn sehen können: außen nämlich, nicht uuterhalb de» Kleide». Es stand mit diesem in Verbindung und wurde meist vorn zugeschnürt, eine Art von Plastik bildend für den Körperbau, and beständig von der Mode gan» besonder» protegirt und unter ihr/ wechselnd, schillernde Fittiche genommen. Nicht müde ward sie e», daran zu ändern und e« mit immer neuen Farben, Stickereien, edel» Metallen und Perlen zn versehen, je nach Zeit und Ort; besonders aber waren e» die höheren Stände, die e» am meisten und liebsten trugen; je vornehmer die Damen, desto dünner die Taille, und desto häufiger die Fälle, in denen krankhafte Zustände die Folge davon waren, ja, oft sogar kam e» vor. daß diese Opser der Eitelkeit mit dem Leben den Preis dafür zahlen mutzten. , Vorn zugeschnürt — wie meist die Mode vorschrieb — und möglichst eng geschnürt, trugen sich auch die Damen der Knut« volös au dem glänzendea Hose de- prachtliebeudea Ludwig XIV. DaS. bi» aus die Hüsleu reichende Eorset gehörte damals mit zur Staats und Galatrachl, uud je länger ilaänwo l» ilcxla die Taillen vor zuschreiben beliebte, desto länger und steifer wurden auch die LorsctS, bis zur Panzerartigkeit. Wie das Lorset de» vorigen Jahrhundert» ungefähr beschaffen war. davon giebt eia Lexikon, 1731 zu Leipzig erschienen, die folgende Auskunft und Belehrung: „Schnürbrust, Schuürleib, Schnürmieder ist rin mit eitel dicht aneiuaudergeschobenen schwachen Jischbein- släblein wohlgesieisleS Bruststück, womit daS Frauenzimmer den Leib zu schnüren und in eine gejchickie Form zu zwingen pflegt; es wird dasselbe aus 4 bis 8, 12 oder 16 Theilen zusammengesetzt, obenaus aus beiden Seiten mit Achselbändcra versehen, unten ober um und um mit vielen abqelheilten langen Schupvcn oder au deren Statt mit sogenannten Schootzlein gemocht. Ordentlich schnürt man das selbe aus dem Rücken mit einem dazu gehörigen Schnürsenkel zu." Bor NuSbruch der großen französischen Revolution gegen Ende deS vorigen Jahrhunderts ging man bei Hose und in yüiiern Kreisen so stark geschnürt, Latz man förmliche Wespentaillen belass, bis dann, al» alles Bestehende über den Hause» geworsen wurde, auch die Mode diesem Vernichtungskrieg sich onpaßte: sie schuf doS griechische Costüm und befahl, daß man sorian den Gürtel dicht unter Schultern und Busen trage. — Kein Lorset, keine Taille mehrl lautet die Losung, und wer lang und schlank war, mutzte eben in Gottes Namen die Kunst zu Hilft rufen und durch sogenannte „kuckn-Kissen" naäihelftn; — auch „Oorxe, po,lieke»", falsche Busen, die man im Alterthume schon gekannt, tauchten wieder auf, die Schnürbrust ober warf man bi» auf Weiteres in die Rumpelkammer, wo sie allerdings nicht lange Zeit zu schlummern brauchte, denn schon mit dem ersten Kaiser- reime kam auch sie auS ihrem dunklen Winkel wiederum hervor, nachdem sie schon 180l hervorgelugt und den guten Vorsatz an den Tag gelegt, fortan den Regeln der Gesundheit sich nach Kräften an- zupossea. Doch o Wehl Bekanntlich ist die Hölle, oder der Weg dahin wenigstens, mit guten Vorsätzen gepflastert, und bereits 1810 beglückte die unerjcköpfliche Mode Frankreich und von dort die Welt mit dem Eorset ü 1» öiiuoo, bei welchem mit dem besten Willen kaum noch etwa- von guten Vorsätzen zu erblicken war. — „DaS Alte stürzt, — r« ändert sich die Zeit, Doch neues Leben blüht au» den Ruinen!" — Da» neue Lorset blühte also an- den Ruinen deS allen u»t erneuter Kraft hervor, wovon am besten — oder schlimmsten — Zeugnitz giebt eine Laricatar der Modejouraale von 1812, dar- stellend eine Dame der Mod« bei ihrer Toilette. Umsonst bemüht sich dos Lorset, die tounenartige Korpulenz zu bewältigen, — erst durch die sinnreiche Anwendung von Winden, durch zwei Personen in Bewegung gesetzt, gelingt e», die Kraft der Echnürbäiider ent sprechend ouszuaützen. Und wirklich schien e< so, al» ob daS Lorset für seine kurze Ver- nacblässigung uu, durch doppelte Mode-Herrschaft sich revanchiren wolle, denn weder der Satyr« noch der Vernunft gelang eS, dasselbe siegreich aut dem Feld zu schlagen oder auch nur zu beschränken; — zn früh halte man darüber schrist- lich qnittirt und «riumphirt: „daß der größere und bessere Theil deS weiblichen Geschlecht» von der Zweckwidrigkeit der Schnürbrust überzeugt und davon zurückgekommea sei, somit die Mahnung also jetzt al- unnölhig zu betrachten wäre, daß jeder mechanische Druck auf den zartcu uud biegsamen Körper des Frauen zimmer» weit heftiger wirft wie ous den mäunlichenl" — Erst unserem Zeitalter der wachsenden Intelligenz blieb e« Vorbehalten, wenigsten« der Uebertreibung möglichst Einhalt zu thu», obwohl ..Paiizer-Corse»»" und zu starke», gesährliche» Schnüren leider noch jetzt nicht tempi pansnti sind, weshalb auch kürzlich wieder ärztliche MarnungSstiMnien sich öffentlich erhoben haben, uni daraus inisnierksam z» machen, Latz tu neuerer Zeit die Fälle von Blutlaiif- und VerdruiiiigSstörungen, Blutandrang gegen den Kopf, Alpdrücken und Angsiq.sübl, sowie Schwindel u. s. w. bei den Frauen und Mädchen in erschreckender Weift sich vermehren; die Schuld daran aber trage da» hochlchnürende Eorset, welche« Eingeweide, Leber, Magen, Herz «nd Lunge in schädlichster weift zusammeu-ressel
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