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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188808080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880808
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880808
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-08
- Tag1888-08-08
- Monat1888-08
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1888
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rri. v-— — > . Lein Geld. V. Au» dem r«»eb«che de» Referendar» Schtliu». Bon Georg Hossmanu. AachdriNk »ertotrn. 7. August. Aber einerlei! Hedwig ist und bleibt doch ein charmante- Mädchen. DaS muß ihr der Neid lasten. Die kleinen Koketterien und Extravaganzen in ihrer Toilette Pasten ganz reizend zu ihrem lebhaften Wesen. Wie aller liebst sich heute ihre Wangen färbten nach den paar Gläsern Bowle! Und wie die braunen Augen wohlgefällig auf den tändelnden Füßchen ruhten, aus den eleganten glacöledernen Stieselchen und den mattrosa Strümpfen, und aus der sein gestickten, blendend weißen Borde — eS ist doch nett, wenn ein junge-, hübsches Mädchen nicht gar zu prüde ist. Wie wußte sie die Mundwinkel zu verziehen, al» von Fräulein Delwi die Rede war! Aber was soll daS auch? den ganzen Nachmittag philisterhaft mit der Mutter am Strande zu sitze»! — Geärgert hat mich blo- dieser Doctor Wangenheil»; er sucht den angenehmen Schwerenölher herauSzukehrcn, und da» gelingt ihm leider zu gut. Die Damen und besonder» Hedwig, der er die Cour wirklich etwa- pur toroo schneidet, stießen fast nur mit ihm an. Dabei habe ich doch beinah« den doppelten Beitrag zur Bestreitung der Kosten unserer heutigen Ausfahrt geleistet» trotz der bedenklichen Ebbe in meiner Börse. Diese Ebbe! — ES ist nur gut. daß ich rechtzeitig um frische Sendung geschrieben habe. Morgen wird da» Geld ja eintrefsen; eS wäre wenigsten» sehr beruhigend. Wer hätte auch gedacht, daß man i» diesem elenden Fischcrnest mit seinen zweihundert Badegästen soviel Geld loSwcrden kau»? Dreihundert Mark in noch nicht drei Wochen! Kaum daß ich am Sonnabend unseren Wirth für diese Woche bezahle» kann. Und daS im Grunde Alle» nur um des ewig Weib lichen willen. Ja, Hedwig, charmant bist Du, aber auch thcucr. 8. August. ES wäre Alle» recht schön, wenn nur der Postbote nicht mit leeren Händen gekommen wäre. Am 14. habe ich geschrieben, am 15. Abends hat Onkel den Brief gehabt; am 16. wird er daS Geld abgeschickt haben, also müßte eS heute hier gewesen sein. Allerdings bekommt man ja die Post — o sancta simplicitas! — hier nur einmal täglich und —richtig! —die Sendungen, die heute auf der Station ankoinmen, werden erst morgen ausgelragen. Für einen Badeort allerdings eine unangenehme Einrichtung. Nun, denn also morgen. Sonst wird'S unangenehm. Die dreißig Mark, die ich eigentlich übermorgen an den Wirth bezahlen soll, habe ich trotz meiner Sparsamkeit heute auf der Tour nach dem Leuchtthurm angreifen müssen. Man will doch auch nicht gern ganz absalle», wenn ein Wangenheim den Großen spielt. Namentlich i» Gesellschaft einer Hedwig, die, entschieden an wohlhabende Verhältnisse gewöhnt, — ihre Eltern sollen ja sehr reich sein —, etwas auf Äußerlichkeiten giebt. Ich glaube, weiß Gott I sie hat schon etwas gemerkt, daß ich nicht recht bei Casse bin. Welch' sonderbaren, halb ungeduldigen, halb maliliösen Blick bekam ich, als ich anfangs die Blumen händlerin zu übersehen schien. Und dabei hat sie nachher meinen Strauß doch auf dem Thurm vergessen. Fräulein Delwi hatte heute Urlaub bekommen; sie ist rweifello» ein gute- und kluges Mädchen; und meinen Blumenstrauß hat sie auch besser gewürdigt, aber — ich weiß nicht, was Hedwig so cinziggeartet macht. Auf daS Picknick morgen freue ich mich; ich werde schon nicht hinter Wangenhcim Zurückbleiben. Und dann erst das Strandfest am Sonntag! Mein Feuerwerk wird Effect machen. Wenn c» nur rechtzeitig anlangt! Und doch auch wieder — vor dem Gclde darf es nicht kommen. Fünfzig Mark Nach nahme? — eS wäre höchst fatal. — 9. August. Wieder nicht! Onkel ist doch sonst so präcise. Gleich einem Räuber im Hinterhalt, habe ich heute den Post boten erwartet. Schon von Weitem sah ich, daß er eine Kiste mit sich führte. Das mußte mein Feuerwerk sein. Aber wenn er nun da» Geld nicht hatte? Welche Blamage! — Ei» paar peinliche Minuten. — Gott sei Dank! er gab sein Colli an den Kellner ab: es war nicht für mich. Wie ein Luchs War ich bei ihni. Richtig! er zog die angenehme, rothe Karte hervor. Ein Stein siel mir vom Herzen. — „Herr Doctor Wangenheim?" fragte er lakonisch. — Dieser Aerger! Diese Tücke dcS Schicksals! Dieses mitleidige Lächeln des Post boten! Er mußte ja meine Hast bemerkt haben. Wie ein begossener Pudel mußte ich abziehen. Kaum, daß ich daran dachte, ihm eine Depesche an Onkel mitzugeben. Die Folge von dem abermaligen Ausbleiben des Geldes war, daß ich auf die Theilnahme am heutigen Picknick ver zichten mußte. Ich würde sonst für die Scgelpartie morgen kaum genug übrig behalten haben, von der ich mich unmög lich ausschließen kann, da ich die Idee selbst angeregt habe. Und von dem letzten Groschen mag man sich doch auch nicht entblößen. Die Tour wird morgen so ziemlich den ganzen Tag in Anspruch nehmen; der Briefträger trifft mich nicht daheim; folglich muß der Wirth mit meiner Zahlung bis übermorgen warten. DaS ist an sich ja nicht so schlimm; aber ein unangenehmes Gefühl ist'ü doch, unregelmäßig sein zu müssen; und dann die FenerwerkSkörpcr! — Weiß der Kuckuck! seit meiner Studentenzeit habe ich die Unbehaglichkeit der Geldklemme nicht wieder so empfunden wie jetzt! AlS Entschuldigung für mein Zurückbleiben vom Picknick schützte ich eine körperliche Indisposition vor; ich dockte eigent lich, Hedwig hätte mich ermuntern sollen, die Partie gleich wohl mitzumachen; aber nein! — nicht ein Wort des Be dauerns. So reizend sie sein kann, etwa» oberflächlich ist sie doch. Wie wohl Wangenheim in ihrer Gunst geschwelgt hat Indcß ich mit Mutter und Tochter Delwi ehrwürdig am Strande gesissen. Ob ich den Verzicht aus- Picknick wirklich bereue? ich weiß eigentlich selbst nicht. Minna Delwi weiß interessant zu unterhalten; sie ist auch keineswegs häßlich; — allerdings blond — blaue Augen — so ganz ander» wie Hedwig. — In einem aber haben wir un» sehr getäuscht. Wir glaubten, die beiden Damen zögen sich au» finanziellen Rücksichten von allen Unterhaltungen zurück. Aber nein Frau Delwi erzählte, daß sie sonst in der Regel allfommer» lich einige Wochen in Ostende gelebt hätten; ihr Zustand bedürfe aber der unbedingten Ruhe; daher ihre Wahl diese- kleinen Orte». Sie selbst verzichtet auch morgen auf die Theilnabme an der Seetour; Fräulein Minna hingegen hat mir versprochen — ja, ja! ich Hab« sie ja wohl wirklich etwa- darum gequält. 10. August. Hab« mich königlich amüsirt! Herrliche» Wetter! Kräftige Brise! Die Fahrt lohnt« sich der Mühe. Allein diesen Kampf mit der Seekrankheit zu beobachten' Wie batte Hedwig Fräulein Delwi, die ihr ohnehin in der Gesell schaft etwa» im Weg- sieht, geneckt und ihr die Leiden dcS nahenden Uebcl» in Aussicht gestellt. Und wie ward er? Ach Gott! arme Hedwig! Immer noch eia paar Tropfen Cognac, ein wenig frische- Wasser. Alle» umsonst; Hedwig war die erste, von der Neptun unbarmherzig seinen Tribut verlangte. Und Wangenbein:? — Wie bleich und einsilbig stand er da, ein aalgenhiimoristischeS Lächeln um die Weiße Rasenspitze; vermittelst abwechselnder Kuiebeuaungen sich den Schwan kungen de» Schiffes accommodirend I Da» sei da» beste Mittel. Wollte er sagen, denn sagen konnte er'» au» guten Gründen Mittwoch den 8. August 1888. nicht mehr. Bor der Rückfahrt beim Diner aus der Insel hatte er, um die zweite Auslage des mal äv mor zu verduseln, eine Flasche mehr getrunken al» sonst. Aber e- hals nicht»; er lag. da» personisicirte Elend, aus Deck an der Steuer- bordseite. den Kops auf den Ellenbogen gestützt, und fluchte in Dur; und auf der Bank an der Backbordseite lag al» Pendant Hedwig und seufzte in Moll. Die schlaff herab hänge,idcn Füßchen in Glacüleder und mattrosa Strümpfen machten keinen Eindruck aus ihren Ritter. Nach unserer Heimkehr wollte Wangenheim ihr den Arm bieten; Hedwig ober schalt mit ihm wegen seiner Gleichgültigkeit und Rück sichtslosigkeit gegen sie und ging schmollend Von dannen. Minna und ich saßen während der Fahrt hinten am Steuer und amüsirten uns. Und dann erzählte sie mir von ihren Reisen nach Norwegen und England zu ihren Brüdern. WaS für Besitzungen müssen sie doch habe»? Ich hätte nie geglaubt, daß Minna so munter sein könne. Die blauen Augen bekamen ordentlich Feuer. Das Mädchen kam mir gar nicht mehr so nüchtern blond vor; und als sie Abends brr,» Thee ihrer Mutter von allen den Seekranken erzählte, da spielte um ihre Lippen ein malitiöseS Lächeln, dessen sich selbst eine Hedwig nicht zu schämen gebraucht hätte. Der Postbote hat heute »ach mir gefragt. ES ist aber auch höchste Zeit; meine Casse ist heute bedenklich zusammen- gesckmolzen. Eine Kiste, sagt der Kellner, habe der Jünger Stephans auch für mich gehabt; man habe jedoch nicht gewußt, ob ich mit der Zahlung von fünfzig Mark Nach nahme einverstanden gewesen fei. Ich hatte mich eigentlich daraus verlassen, daß unser Wirth die Auslage machen würde. Ter Mann scheint äußerst vorsichtig; und dabei hat er heute sein Geld nicht erhalte». Gott sei Dank! Morgen hat die Plage ein Ende. 11. August. So! nun haben wir die Bescherung. Ich habe gar nicht daran gedacht, daß der Postbote am Sonntag nicht geht. Kein Geld! kein Feuerwerk! Und heule Abend ist Strandsest mit Ball hinterher; und ich. der Haupt- matador, der ich mit meinem pyrotechnischen Genüsse geprahlt habe, sitze da mit 4 Mark 45 Pfennigen. Welche Blamage! Wenn ich nur einen acceptablcn Grund wüßte, mich zu ent schuldigen. So rosig einem daS Dasein auch leuchte» möchte, immer kommt diese infame Geltcalamität in die Quere. Heute Vormittag gingen Frau und Fräulein Delwi an meinem Fenster vorbei; ich sah deutlich, daß Minna unter dem Sonnenschirm herausschielte. Ich schnell Hut und Stock ge nommen und aus dem Zimmer gelaufen, die beiden cinzn- holen. Als ich aber aus der Treppe bi», höre ich unsere» Wirth unten aus dem Flur mit Wangenheim reden. Wegen der rückständigen Pension mochte ich nicht vorüber, ohne mich zu entschuldigen. Letzteres ging aber Wangenbein,'» wegen nicht. Wie würde er wohl mit Hedwig darüber sveclakelt haben! Statt daher in Minna'S Gesellschaft am Strande zu promeniren, mußte ich wie ein Block,rter oben aus der Treppe stehen und mich über meine Lage und Wangenheim ärger», der immer von Neuem zu raisonnirc» begann. Welch unsicheres Gesühl man doch in solcher Verlegenheit bekommt! daS Auge jedes Kellners, jedes Domestiken glaubt man ans sich geheftet. Beim Essen genirte ich mich ordentlich, »ach den besseren Stücke» zu greise»; ich glaubte mich nicht be rechtigt dazu und fühlte mein Gewissen ordentlich erleichtert, als ich auf das Dessert verzichtete. Thorhcit ist'S freilich; denn der Wirth bekommt ja morgen sein Geld. Die Depesche von gestern meldet mir ja die erfolgte Absendung. Minna gegenüber habe ich mein Engagement für die erste Frantzaise und zu Tische heute Abend zurücknehmen müsse». Sie bat mich zwar sehr um mein Erscheinen und murniclle etwas davon, dann habe sie auch keine Lust. Da der Ball in unserem Hotel staltsindet und ich eventuell Speise» und Getränke aus Rechnung nehmen könnte, so würde meine Casse, drei Mark für Musik gerechnet, eben reiche». Aber wer giebt gern den letzten Groschen au»? Und dann vor allen Dingen diese Blamage mit dem Feuerwerk. Jeder wird gespannt warten; und dann aus die Enttäuschung daS allgemeine Ge lächter! Nein, es geht nicht! Ich habe eS den Damen auch frei heraus gesagt, daß ich gestern den Postboten mit Kiste und Gold verpaßt habe. Wie niedergeschlagen Minna doch war! 12. August. Daß ich nicht vor Wuth aus der Haut gefahren bin, liegt jckcnsalls an der verrückten Stimmung, i» der ich mich seit gestern Abend befinde. Der Postbote hatte allerdings eine aus 300 Mark lautende Postanweisung, aber ohne die 300 Mark selbst. Die Casse der kleine» Post agentur sei augenblicklich völlig erschöpft; eS komme daS bis weilen während der hiesigen Badcsaison vor;, man sei nicht aus so viele baare Geldauözahlungen eingerichtet, wie sie in den iehten Tagen stattgesunde» häkle». llcbrigenS sei bereits telegraphier; morgen sei daS Gelb bestimmt da. Statt zu rasen, fand ich die Sache sehr natürlich und lachte über diese eigenthümliche Ungunst meines Schicksals. Sehr zu statten kam mir d>e Gegenwart unseres WirlhS bei der Verhandlung mit Stephans Diener; ich hatte die günstigste Gelegenheit, wich zu entschuldigen. Er war denn auch sehr zuvorkommend und meinte, ich solle mir darum keine grauen Haare wachsen lassen. Daran denke ich »un nach dem gestrigen Abend auch keines wegs. Ich habe daS Fest mitgemacht, auch ohne jegliche Blamage. Denn als ich gestern Nachmittag nach Ansfertigung nleineS Tagebuchs verdrießlich auf dem Sopha lag, kam plötz lich der Kellner mit meiner FeucrwerkSkiste herbeigeächzt. Die Damen von Nr. 16 hätten» holen lassen; er solle eS hier abgeben. Ick weiß nicht, ein unbestimmtes Etwas sagte mir, daß ich nicht nöthig habe, meinem peinlichen Gefühl Raum zu geben. Der Abend verlief glänzend; geschmacklos war nur der Sect-Applomb, mit dem Wangenheim'» und Hedwig'» Ver lobung bei Tische proclamirt wurde. WaS ging eine doch nur zufällig zusammengrschneite Gesellschaft diese Privat angelegenheit an. Mit meiner intimsten Herzensangelegenheit würde ich etwas delicater Vorgehen. Gleichwohl bot mir die allgemeine Erhebung mit Ah! und Oh! den Bortheil, daß ich ohne Aussehen mit dem Kellner verhandeln konnte, der da» Geld für Souper und Wein einfammelte. Wangenheim erklärte mir übrigen» heute, eS sei ein Vcr- lbbniß au» reiner Neigung; Hedwigs» disponible» Vermöge» bestehe nur in einer AuSsteucr-VersicherungS-Police von 10,000 .ckl Ich antwortete nur: „Na, na!" und dachte an die Geschichte von den sauren Trauben. Minna sah gestern reizend au»; ich konnte eS nicht lassen, ich mußte sie auch zum Cotillon haben; sie tanzt wie eine Puppe. Heute ist mir ganz confu» zu Sin»; eine Mark in der Tasche und dabei glücklich wie ein König. Wa» da» wohl für ein Ende nimmt? Soviel weiß ich; daß mein Geld mangel mich neulich an der Theilnahme beim Picknick ver hinderte, bereue ich nie. IS. August. Minna erwartet mich. Ich soll ihr di« Rose bringen, die ich für meine letzten zwanzig Pfennige ge kauft Hab«. Ich hätte heute freilich «ein Geld haben können, und vernünftiger wär» gewesen; ich hätte für Minna hüb schere Blumen laufen können. Aber wenn man zum ersten Mal« mit der Braut unten in der Laube fitzt, und da fährt so ein Kellner herein und meldet, der Postbote wünsch« mich iw fvrechen ich habe ihn zum Trufel gejagt. Der Postbote kommt morge» wohl wieder. ZUM 8. August IM. * De» Sachsenkönig- Bruder, Prinz Georg, königliche Hoheit, vollendet am diesjährigen 8. August sein 56. Le bensjahr. Der hohe Herr feiert sein Wiegenfest zum erste» Male als Generalinspecteur der 2. deutschen Armee-Inspcction, zu welcher gehören da- V., VI. und XII. ArmeecorpS, sowie al» Generalseldmarsckall. welche höchste militairische Würde ihm gelegentlich der letzten Anwesenheit der sächsischen Maje stäten in Berlin durch den deutschen Kaiser Wilhelm II. im Einvcrsländniß mit König Albert nnd mittelst Patent vom 15. Juni 1888 verliehen worden ist. DaS köuigl. sächsische (XU.) ArmeecorpS ist daS einzige im deutschen Reich-Heere, welche» von einem Feldmarschall befehligt wird und der heutige Gedenktag bietet gewiß eine geeignete Gelegenheit, dem ZcitungSlcscr in kurzen Zügen ein Bild ausruroUen von der langen und ruhmvollen militairifchen Lausvahn de- Prinzen Georg, Herzogs zu Sachse». Gleichwie der verewigte König Johann, so wendete Prinz Georg in früheren Jahren seine Vorliebe in erster Linie Wissen schaften und Künsten, sowie sächsisch-vaterländische» Bestrebungen zu. wie er denn auch noch heutigen Tage? als Protcctor an der Spitze de» Vereins für sächsische Geschichte, dcS sächsischen Fischerei-VereinS. deS Verein» Erzgebirgcr »nd anderer Ver einigungen steht, deren Grundlage vaterländische Gesinnungen bildet. Die Zeitläufte habe» eS mit sich gebracht, daß Prinz Georg de» größten Theil seine» Lebens, seine besten Kräfte in den Dienst der Armee zu stellen hatte, und er that die» in Gemäßheit seiner ernste» Auffassung der irdischen Laufbahn mit aller ihm in so hohem Grade innewohnenden Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit, baß der Erfolg gar nicht ausbleiben konnte, sowohl im Felde und Schlachtenwctter, wie in fried lichen Zeiten. Prinz Georg gehört der sächsische» Armee schon länger als ei» halbes Jahrhundert a» und zwar seit 9. Juni 1836, unter welchen. Tage er zum Chef dcS damalige» 3. Liuien- Insanterie-Regiments ernannt wurde, welches heute die Nr. 106 führt und zur Garnison von Leipzig gehört. Den praktischen Dienst mit der Waffe lernte der hohe Herr kennen 1846 erst im 2. Insanterie-Regiment „Prinz Max" (heute führt eS die Nr. 104) und später 1847 iui Garbereiter-Regiinent. 1850 gehörte er dem General- stabe an und wurde 1851 zur Fuß-, 1852 aber zur reitenden Artillerie versetzt; bei den Herdslübungen ge nannte» IahrcS befehligte der Prinz als Hauptmann eine Batterie. Nach seiner Beförderung zum Major, 1853, trat er im folgenden Jahre beim 3. Iägerbataillon als 2. StabS- ossicier ein, dessen Commando er Ende September 1854 übernahm. Drei Jahre später kam der Prinz als 2. Stads- ossicier zum Gardcrciter-Regimeiit, daS er später befehligte, wurde Anfang März 1858 Oberst und Ende Oktober 1861 Generalmajor. Als solckier fand er zunächst Verwendung im Commando der Reiter-Division und sodann a'S Führer der 1. Reiter-Brigade. An ihrer Spitze stand Prinz Georg auch 1866 im böh mischen Feldzüge und führte sie nach der Schlacht bei Kvnig- grätz durch die kleine» Karpathen. Am 14. Deccmber 1866 erfolgte die Beförderung deS Prinzen zum Gencrallicutenant und erhielt er fortan da» Commando erst der 2. dann der 1. Infanterie-Division der rcorganisirtcn sächsischen Truppen. Letztere befehligte Prinz Georg auch uoch im Beginn de» Kriege» gegeu Frankreich Anno 1870 und bildete dieselbe in der heißen Schlackt bei St. Privat, la Montagne am 18. August da» I. Treffen. Nack diesem entscheidenden, für die sächsischen Waffen so ruhmreichen Tage trat der Prinz an Stelle seines Bruders Albert, welcher daS Oberkommando der ncugebildeten MaaSarmee übernahm, an die Spitze deS k. s. (XII.) ArmeccorpS, daS er bis zu Beendigung deS damaligen siegreiche» Feldzugs befehligte und sich, sowie den sächsische» Fahnen unverwclklichen Lorbeer brach: bei Nouart, Beaumont. Sedan und namentlich vor Paris in der blutigen Schlacht bei Villier-Bry am 30. November und 2. Teceinher. Erst am Tage deS Truppeneinzugs in Dresden, 16. Juli 1871, legte Prinz Georg den Oberbefehl der Sachsen in die Hände des Kronprinzen Albert zurück, bei welcher Gelegenheit er folgenden Armeebefehl erließ: „Im Augenblicke, Ivo ich »ach zehnmonatlicher Führung das Commando deS Armcccorps wieder abgebe, drängt eö mich, Euch zu danken für Alle-, WaS Ihr in diesem Feldzüge mit Gottes Hilfe vollbracht. Es wird für immer mein größter Stolz sein, daß eS mir vergönnt war, das ArmeecorpS bei Sedan und Paris zu befehligen, den hohen Ruhm aber, de» daS ArmeecorpS sich vor Freund und Feind erworben hat, dankt eS lediglich sich selbst. ES war die geschickte und umsichtige Leitung der Führer, verbun den mit der Tapferkeit der Truppe, daS glückliche Ineinandcr- grcisen aller Theile, verbunden mit einer nie versiegende» Pflicht treue, welche dem alten sächsischen Ehrenkranze neue frische Zweige bcigesügt hat, möge Gott diesen herrlichen Geist in unserem ArmeecorpS zum Wohle Deutschland» und zum unvergäng lichen Ruhme unseres thcurcn Sachse» immer erhallen." Hohe KriegSorden schmückten de» Prinzen Brust bei der Heim kehr au» dem Felde: da» Ccmthurkreuz 1. Classe deS sächsischen St. HeinrichsordenS, daS eiserne Kreuz 2. und 1. Classe. der Orden pour le mLrito und daS Großkreuz de» militairische» Verdienstordens von Württemberg; 1866 aber ward Prinz Georg dccorirt mit dem Ritterkreuz deS HcinrichSordcns und dem österreichischen Militairverdienstkrcuz. Seit 1871, und zwar seit den Tagen deS Truppeneinzuas in Berlin und Dresden, ist der hohe Herr auch Ches des sächsische» Schühen- (Füsilier-) Regiments Nr. 108 »nd deS allmärkischen Ulanen- Regiments Nr. 16; die Stadt Dresden aber beschenkte damals den siegreich heimkehrenbe» KönigSsohn mit einer silbernen Germania und die Stände des Meißner Kreises mit einem Ebrensäbel. Seit der Thronbesteigung deS König» Albert. Ende October 1873, seit welcher Zeit Piinz Georg auch Ches be ll. österreichischen Insanterie-Regiments ist, befehligt der Prinz wieder da» XII. ArmeecorpS, und in diesen fünf zehn Jahren haben viele und große Veränderungen bei den sächsischen Truppen stattgefunden, sowohl bezüglich der Be waffnung und Unisormirung, al» auch hinsichtlich der Stärke und taktischen Gliederung derselben. Der mustergiltige Zustand, die hervorragende Leistungs fähigkeit de» sächsischen ArmeecorpS, welche gelegentlich der letzten sächsischen Kaisertage 1882 durch da» bekannte mittelst Armeebefehl» bekannt gegebene schmeichelhafte Handschreiben de» Kaiser» Wilhelm I. an König Albert ausdrücklich aner kannt, nicht minder durch die letzthin von Kaiser Wilhelm II. verfügte Ernennung de» Prinzen Georg zum Generalinspecteur und Generalseldmarschall erneut aller Welt kund gemacht worden ist, wurde erreicht unter dem Oberkommando de» Prinzen und ist in erster Linie sein Verdienst, die Frucht seine» unablässigen ernsten Streben». Die Armee weiß die» nur zu aut und hat dafür dem Prinz«» auch schon ein» sichtbaren Beweis gegeben. Die» geschah am 15. September 1884 im großen Kirchsaale der AlbrechtSburg zu Meißen. Dort wurde ihm ein von den Officieren de» XII. ArmeecorpS gestiftete» Armeeaeschenk über reicht in Form eine» großen Gemälde» de» Schlachtenmaler» v. Gvtz: »Rach der Parade", mit Bildnissen derFamitiengliedcr de» Prinzen Georg und der hervorragendsten sächsischen Truppenführer. Jene« Gemälde batte bereit» im Mai ge nannten Jahre» übergeben werden sollen, in welchem Monat« der Prior mit seiner Gemahlin di« silberne Hochzeit gefeiert haben würde, allein im vorhergehenden Februar riß der Tod 82. Jahrgang. die edle Fürstin au» dem Kreise der Ihren und zerstörte damit ein selten reine» und schöne- Familienalück. Prinz Georg bat keine zweite Gemahlin hciingesührt und lebt nur feinen Kin dern, seinen militairischen Pflichten und vaterländische» Be strebungen. Die dem hohen Herrn vor Kurzem zu Theil gewordene höchste militairische Auszeichnung wird den Ossicieren de» XII. ArmeccorpS gewiß Veranlassung gebe», ihrem hoch verehrten Führer früher oder später daS äußere Zeichen seiner Würde, einen Marschallstab zu widmen, wie ja auch die Osficiere der MaaSarmee dem König Albert das gleiche Ge schenk zu Füßen legten nach Beendigung deS dcuisch-sranzö- sischen Krieges. Die vorstehenden Zeilen aber bezwecke», aus die Verdienste dcS Prinzen Georg ui» Vervollkommnung der sächsischen Streitkräfte auch weitere Kreise ausmerlsai» zu machen, wozu der 8. August 1888 ganz brsouderS ausforderte. Die Lritzanten-Affaire iu Sellova. * Die Briganten-Assaire von Bcllova hat zu einem diplomatischen Zwischenfall geführt. Der vom italienischen Consul mit einem Geleitschein der bul garischen Regierung nach Basardschik entsendete italienisch« Capitain Cugia wollte die dortige Umgegend bereisen und Sendlinge an die Briganten ausschicken. Ter dortige Prä- sect, welcher in diesem Vorgehen eine Einmengung in seine Angelegenheit erblickte, weigerte sich, ohne Ordre seiner Ne gierung den Wünschen Cugia'S zu entsprechen. Hieraus ent spann sich eine sehr lebhafte Auseinandersetzung im Präscctur- aebäude, welche sich aus die Straße sortpflauzte. Infolge dessen wurde der bulgarischen Regierung eine identische Note überreicht, welche von allen Consuln, mit Ausnahme jener Frankreichs und Deutschlands, unterzeichnet war. Eine zweite, von mehreren Consuln Unterzeichnete Note wicS aus den ossiciellen Charakter der Mission Cugia'S hin. Beide Noten sollen sehr energisch abgesaßt sei». Die bulgarische Regierung erwiderte die zweite Note dahin, daß sie auf Verlangen mehrerer diplomatischer Agenten die Truppen zurückgezogen habe, daher sei die Gebirgsgegend offen, die Wälder seien nicht mehr überwacht und somit nicht sicher. Die Regierung wolle für die unter solchen Ver hältnissen unternommene Reife Cugia'S die Verantwortlichkeit nicht übernehmen. In der Note wird die Erörterung der die Mission Cugia'S betreffenden Frage Vorbehalte». — Zu diesen Vorgängen schreibt die Wiener .^Presse": „In dieser Angelegenheit Kat sich die bulgarische Regierung über alle Begriffe kopslos uud widersinnig benommen Nachdem die bedauernswerthe» Opser deS Briganten-Ueberfallcs von den Räubern in ihre Schlupfwinkel geschleppt worden, wurde eine militairische Verfolgung der Räuber ungeordnet, obwohl jeder mit den Bräuchen des Brigantaggio und de» ortsüblichen Ueberlieserungen der iu Menfchenfang arbeitenden Buschklepper Vertraute wissen mußte, daß dadurch daS Leben der armen Opfer gefährdet werde. Aus die dringendsten Vorstellungen der Freunde der Gefangenen und de« griechischen und österreichischen Consulatcs, aus deren Schutz die zwei gefangenen Oesterreich» und der gesangeue Grieche selbstverständlich Anspruch habe», wurde endlich die Verfolgung eingestellt und einem griechische» Notable» zugestanden, mit den Räubern wegen Erlags dcS Lüscgeldes zu verhandeln. Kaum hatte dieser die betreffenden Negociolione» so weit geführt. daß dieselben einen glücklichen Abschluß versprachen, wurde dieser von bulgarischer Seite ver eitelt und der griechische Unterhändler der schmutzigsten Machen- schaste« verdächtigt. ES kam zu bitteren Auseinandersetzungen zwischen dem Ministerium und dem griechischen Bertreter, Herrn Rhaagabe, in Folge welcher sich die bulgarischen Machthaber zu einer formellen obbiltendeir Entschuldigung entschließen mußten. Mittlerweile wurden wieder Truppest gegen die Räuber in Be- wegung gesetzt und diese drohten mit der Niedennetzelung ihrer Gefangenen im Falle eines Angriffes. Nun interveuirte daS ge lammte ConsulaccorpS und verlangte, daß ein Vertrauensmann aus seiner Mitte, der italienische Militair-Attachä Eapiiain Luzia, die Unterhandlungen mit den Räubern weitcrführe und sie ab schließe. Die Regierung mußte sich hiermit einverstanden erklären, da sie selbst außer Stande war. die fatale Angelegenheit in glück- lichcr Weise zum AuStrage zu bringen. DaS verlangte Löie- geld lag bereit und Lapitain Lugia begab sich nach Basardschik, um mit den Räubern in Verbindung zn treten. In Basardschik angekomme», würbe er aber von dem dortigen Präsecteu an jider Aclion verhindert. In Folge dessen überreichte da- LonsularcorpS zwei geharnischte identische Noten, in welchen gegen daS unquali- ficnbare Verfahr,-» des Präsecteu von Basardschik, der erklärte, nicht ohne ausdrückliche Weisung der Regierung Cugia gewähre, lasse» zu können, aus daS Nachdrücklichste Protest erhoben und der ojsicicllc Charakter der Sendung Cugia'S constatirt wurde. Die bulgarischen Minister erwiderten aus diese Noten mit der Aus flucht. sie sürchieicn für die Sicherheit Lngia'S, da die ganze Gegend in Folge der Forderungen der Consuln vo» Truppen entblößt sei. Bezüglich deS Charakters der Mission Cugia'S behält sich die Note eine weitere Erörterung vor. Die Machthaber in Sofia gedenken demnach die Angelegenheit »och weiter zu verschleppen. Ob hierbei bewußter böserWille oder blos die kopflokesteUngeschick- lichkeit von Seilen der bulgarischen Minister in- Spiel kommt, wollen wir nicht entscheiden. Immerhin müssen wir aber eines seinerzeit ousgelauchten Gerüchtes gedenk,», laut welchem die Räuber im Austrage der bulgarischen Regierung gehandelt hätten, um einen handgreiflichen Beweis für die Gründe zu erbringen, mit welchen die bulgarische Regierung die Beschlagnahme der Eisenbahnlinie motiviren wollte, indem sie aus die Unsicherheit der Gegend hinwieS. Thalsache ist es, daß die unglückliche» Opfer deS Handstreich« von Bellova sich schon seit Längerem wieder aus freiem Fuß befinde» würden, wenn die Regierung vo» Sofia sich gar nicht in die Sache gemischt, sonder» de» privaten Verhandlungen ihren Lauf gelassen hätte, wie dies dort Brauch ist, wo die SlaalSgewalt sich nicht im Stande fühlt, die persönliche Sicherheit nach jeder Richtung hi» zu gewährleisten." ' Lestimmmlg -es Wochentags. Die kürzlich von einem Berliner Blatte veröffentlichte Bestimmung deS Wochentag» eine- beliebigen Datum ist eine vollkommen nnbrauchbare, denn sie giebt in sehr viele, Fällen ein unrichtiges Resultat. Für den 1. Januar 1888 z. B. findet dieselbe Montag, statt Sonntag; für den 1. Fe bruar 2000 DienStag, statt Mittwoch; für den 1. März 1600 Donnerstag, statt Mittwoch; für den 21. März 1848 (Ab dankung Ludwig'« I.) Mittwoch, statt DienSlaa u. s. w. Offenbar ist dieselbe eine falsche Auffassung der schon längst bekannten richtigen Berechnung-weise, bei welcher man nicht die Jahreszahl de» gegebenen Jahre», sondern de» voraus» gehenden Jahre» zum Grunde legen muß. Der Unterzeichnete giebt nun nachstehend nicht dies« letztere BerechiiungSweise, sondern eine neue, bisher noch nicht ver öffentlichte, da diese vor allen anderen entschiedene Vorzüge hat, denn 1) braucht man bei derselben nicht zu wissen, ob da» Jahr ein Schaltjahr oder ein gemeines Jahr ist, während die» bei den früher«, richtigen Berechnung-weisen gerade Hauptsache ist. Die Regeln für die gemeinen und Schaltjahre sind aber durchaus nicht genügend bekannt und Mancher wird da» Jahr 1900 irrthümlich für ein Schaltjahr halte»; 2) wird bei der neuen Berechnung-weise da» Rechnen mit größer» (vierstelligen) Zahlen vermieden, überhaupt immer nur mit sehr kleinen Zahlen gerechnet; 3) gehen die früher» Berechnung-weisen bei jedem Datum von der Jahreszahl de» voran-gebenden Jahre» au», die neue nur bei einem in den Januar und Februar fallenden Datum: 4) wirb bei der neuen Berechnung-weise nur addirt, nicht auch snbtrahirt. Die neue Berechnungsweise verlangt zunächst die leicht zu behaltende Bildung der folgende» sechs Zahlen:
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