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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188808104
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880810
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880810
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-08
- Tag1888-08-10
- Monat1888-08
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1888
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«Vrfrhetnl täglich früh S»/, Uhr. Lkdaclion und Lrprditiou Joha»»eSgaffe 8. Sprrchkundrn der UedarNo«: vormittag» 10—IS Uhr. Nachmittags b—6 Uhr. s»r SteWva,«»« ,„>-»ta»d«kr Mamilcrwt« »»cht sich du Nedncii«» nicht »erduauch. v»««tz»r der für dir «ichsts»I,e»d« N»«»er »rftimMten Inser,te >» tS»che«t>gr« 8i» 8 Uhr N«ch«Ma,», »«G»nn- ««»Aefttagen früh dt»V,8 Uhr. 3« den Filialen fnr 3ns.-Annah«e: Ott« Rlrmm, Universität»straßt 1. Louis Löscht. Katharinenstr. 23 pari. u. Königsplatz 7. nur bis '/,S Uhr. WWM.TagMM Anzeiger. Organ str Politik. Localgeschichte, Kandels- und Geschäftsverkehr. MboMNOMONtsPtOl« vierteljährlich 4V, Mk. iucl. Bringerlohn 5 Mk., durch die Post bezöge» 6 Mk. Jede ei»z«l»e Nummer 4l) Pj Gebühre Belegrrrmplar 10 Ps. u für Ext, rabeilage» (in Tageblatt-Format geh ohne Postbesördcrung 60 ml» Postbesörderuog 70 Mk. ü' Inserate Sgespaltene Petitzeile 80 Pf. Größere «Schriften laut »ns. Preisverzeichnis;, Tabellarischer «. Zifserusah »ach hohen» Tarif. Ueclamen m,ter dem Redacti onSstrich die «gespalt. Zeile bOPf., vor denFa Milieu »achrichtr» die kgespeiltene Zeile 40 Pf. 3»serate sind stet» an die Expeditt«« z» seuden. — Rabatt wird »icht gegeben. Zahlung prneoamsrnnäo oder durch Post, aachuahme. 223. Freitag den 10. August 1888. 82. Jahrgang. Amtlicher Theil. Veklmntmlnhung. Der am I. August diese- Jahre- fällige zweite Termin der EtaatSgruudsteuer ist nach dem Gesetze vom 9. September 1843 in Verbindung mit der durch das Gesetz vom 3. Juli 1878 getroffenen Aenderung nach Zwei Pfennigen von jeder Steuereinheit z« entrichten. Die Steuerpflichtigen werbe» deshalb hierdurch ausgefordert, ihre Steuerbeikräge von genanntem Tage ab bi- spätestens 14 Tage nach demselben an unsere Slabtsteuer« Einnahme, Stadthaus, Obstmarkl 3, Erdgeschoß reckt-, Zimmer 59, abzusühren, da nach Ablauf dieser Frist die gesetzlichen Maßnahme» gegen die Säumigen einlreten müssen. Leipzig, am 27. Zuii 1888. Der Stath der Stadt Leipzig. vr. Trönblin. Koch. Bekanntmachung. Der zweite Termin der städtischen Grundsteuer ist am 1. August diese- Jahre- nach Ein- vom Tausend de- im Kataster eingestellten Grund- wrrtheS nebst der Kirchenanlage für die evan gelisch-lutherische» Kirchen vom Grundbesitz nach Hhhe von fünfzehn Pfennigen auf eine Einheit (- 1««» Mark) fällig. Diejenigen Grundstücksbesitzer, welche Mitglieder eiorr anderen mit eigenem GolteShause am Orte bestehenden an erkannten Religionö- ober Conscssionsgemeinschast sind, haben nur den drillen Tbeil de- sonst auf ihren Grundbesitz beziehentlich Anlheil haftenden Beitrages zu den Parochiai- anlagen zu entrichten. Die Steuerpflichtigen werden deshalb ausgefordert, ihre Steuerbeträge von dem Termine ab bi- spätesten- 14 Tage nach demselben an unsere Stavlsieuer- Einnahnie, Stadthaus, Obstmarkl 3. Erdgeschoß rechts, Zimmer 59, zu entrichten, widrigenfalls nach Ablaus dieser Frist gegen die Restanten das Beitreibung-verfahren cin- grleitet werden wird. Leipzig, den 27. Juli 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. Dr. Tröndlin. Koch. Bekanntmachung. Bon Sonnabend, den 11. d. M., ab wird der in der Verlängerung der Kaiserin-Angusta-Slraße angelegte, in die Zwenkauer Ehaussee emmünvende Fahrweg durch da- Eonnewitzer Holz einschließlich des am Ausgange der oben genannten Straße über die Leipzig - Connewitz - Piagwitzer Verbindungsbahn führenden Rampenwegs anch dem Fährverkehr eröffnet. Lastfuhrwerk, gleichviel ob beladen oder unbeladcn, bleibt vo» de», Verkehr ausgeschlossen, wie überhaupt dieser Weg nicht als ComniuiucalionSweg zu betrachten ist. Leipzig, den 8. August 1888. kb 3377 Der Rath der Stadt Leipzig. 1110 vr. Georgi. Hcimig. Wohuungs-Vermiethung. Die nördliche Hälfte de- ehemal. HoSpitallhorhauses, HoSpitalstraße Nr. 34, Parterre und 1. Etage, bestehend aus 4 Stuben. 3 Kammern, Küche und sonstigem Zubehör nebst Garten, soll vom 1. Oclober VS. Js. an gegen «nhalbjährliche Kündigung DienStag, den 21. dies. Mo»., Vormittag- 11 Uhr aus dem Rathbause. 1. Etage, Zimmer Nr. 16» an den Meistbietenden vermiethel werden, jedoch unter ausdrücklichem Ausschluß der Benutzung zum Restaurationsbetrieb. Ebendaselbst aus dem großen Saale bei den diensthabenden RathSdienern liegen die Vermiclbungs- und BersteigerungS- bedingungea schon vor dem Termine zur Einsichtnahme aus. Leipzig, am 7. August 1888. I» 4762 Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Wagner. Bekanntmachung. Nachdem die Leichenwäscherin des V. Bezirk-, Frau Bergmann hier, Körnerstraße 3, sich wieder gesund ge meldet hat, so erledigt sich die für sie angeordnete Stellver tretung, waS wir hierdurch zur öffentlichen Kcnntniß bringen. Leipzig, am 6. August 1888. Der Rath der Stadt Leipzig. Dr. Kretz VW. 1549. vr. Georgi. kretzschmar. Bo» der am 14. Junl 1867 zu Tornau geborenen ledigen Berit» Pfeifer ist hierjelbst der Verlust des thr am 3. December 1881 vom Gemeindevorstand zu Kleingörschen ausgestellte» Dienst- bucheS astgezeigt worden. Mr bitten, letztere» im Ausfindungssalle an un» abzuliesern. Leipzig, am 6. August 1888. II 5711. Das Poltzeiamt der Stadt Leipzig. I. v- Juuck, Pol.-Rath. Dch. SWestld. Snbmisti-il. KLLL.kL Jahre di« Leipziger Strafte, ungefähr in der Richtung de« jetzigen StadtsnßwegeS, bi» zur Ueberbrückung deS Sammelbahnhose?, fort- zusührcu. Die Lieserung der hierzu erforderlichen Maierialieu, alS: 11 ca. 12-- edm Packlagerftetne, 2) 125V edm Steinknack, gut geschlagen und in blauer Qualität. S) eo. 75« Iftz. w 5« vw wette glasirte «»ffent-au- ratzre. soll im Wege des öffentlichen Angebots vergeben werde». Die Angebote sind verichiossen und poriosrei, mit entsprechender Auiichrist versehen, bis ,u« 17. tztefe» Pianat». Nachmittag» 5 Uhr, anher einzureichen. Die Auswahl »uter de» Bewerber», sowie die Ablehnung aller tüigebot» wird Vorbehalte,. Gchöaefeltz, aw 8, An»,st 18-8. See Uewetaderattz »dis»» Nichtamtlicher Theil. Die Anruhen in Frankreich. Wenn man den Regierungsnachrichten folgte und danach die Lage in Frankreich benrtheilen wollte, wurde man eine völlig unrichtige Vorstellung von dem wahren Sachverhalt bekommen, man muß Meldungen von privater Seite zu Hilfe nehmen, um ein klares Bild der Wirklichkeit zu gewinnen. Im amtlichen Bericht erscheint beispielsweise da- Leichen- bcgängniß des Communegenerals Eudes als eine reine Trauer- kundgebung von regelmäßigem Verlause, dagegen lehren Privat nachrichten. daß wegen der im Zuge befindlichen rothen Fahnen eine wabce «Schlacht zwischen den Abtheilungen, welche den Fahnen folgten und der Polizei geschlagen worden ist, und daß in diesem Kampfe etwa 50 Personen verwundet wurden. Die Regierung Halle umfassende Vorsichtsmaßregeln getroffen, die ganze Garnison war in den Kasernen marsch bereit, uni im Nolhfall sogleich zur Verfügung zu stehen. General Saussicr, der Gouverneur von Paris, hatte den Polizeipräsecten veranlaßt, 800 Polizisten in Civil in dem Leicbenzuge zu vertheilen, dazu war die ganze Polizeimacht, Uber welche Paris gebietet, an den gefährdeten Puncten ver theilt. In den Straßen, welche der Zug berührte, waren sämmtliche Läden geschloffen und in ganz Paris herrschte die größte Aufregung und Besorgniß. Ueber den Streik lauten die amtlichen Nachrichten eben falls harmlos; ein Telegramm vom 8. August besagt, daß der Abend deS 7. August ohne größere Kundgebungen verlies, allerdings folgte alsbald eine weitere Meldung, nach welcher - - V - wei Kaffeehäuser geplündert wurden und Verwundungen »wohl auf Seiten der Streikenden als der Polizisten vor- gesallen sind. AuS Privatmeldungen erhellt außerdem, daß die streikenden Kellner die Plünderung der Bank von Frank reich beschlossen hatten und daß die Aussiibrnng dieses Be- schluffes nur durch die Anwesenheit starker Polizciabtheilungen verhindert worden ist. Was die französische Regierung durch ibr BertusckungSsystem bezweckt, ist nicht cinzusehen, die Wahrheit kommt doch an den Tag und ernste Ereignisse sinken dadurch nicht zur Bedeutungslosigkeit herab, «solche kleinlich»» Maßnahmen verrathen nur die Schwäche und Furcht der Regierung vor dem Eintritt einer vcrhängniß vollen Wendung, und wenn sich ergicbt, daß die von der Regierung verbreiteten Nachrichten der Zuverlässigkeit ent behren, bann kommt als Kehrseite deS Systems der Ver- mlichung der Wahrheit die Uebertreibung des wirklich scbehenen zum Vorschein, wodurch die Verwirrung ver mehrt wird, statt die besonnenen Elemente der Bevölkerung zu stärken. Die Nachrichten auS der Provinz sind gleichfalls nickt un bedenklich, der Streik in Amiens dauert fort und am 7. August fanden neue Ruhestörungen statt, welche unter dem Rufe „Hoch Boulanger!" verübt wurden. In Lyon ist für Sonn abend eine Arbeitseinstellung der Glasarbeiter beabsichtigt. Die Summe aller dieser Begebnisse ist das WachSthum der Bewegung und daS stets gesteigerte Hervortreten deS rcvolu- tionairen Charakter- derselben. Bezeichnend ist, daß sich der Leichenzug des Communegenerals Eudes unter Hochrufen auf die Commune entfaltete. Ein Telegramm vom 8. August Nachmittags schließt mit den tröstlichen Worten: „Die Ord nung scheint jetzt wieder hergestellt zu sein". Man könnte daraus schließen, daß nun der "Streik mit allem, waS damit in Zusammenhang steht, beendet sei, das wäre aber eine schlimme Selbsttäuschung, denn allem Anscheine nach hat die Bewegung noch nicht ihren Höhepunkt erreicht, und es b caucken nur zufällige Umstände hinzuzukommen, welche die Leidenschaften erregen, um die schlimmsten Dinge zu Tage zu fördern. Ausfallen muß es, daß der sonst unter derartigen Ber hältniffcn stet« bereite Ruf nach Einberufung der Kammern noch nicht gehört worden ist. Die Regierung hat allerdings den erforderlichen Grad von Energie gezeigt, um Herrin der Lage zu bleiben, aber daS Pflegt die Parteiführer in der Kammer wenig zu kümmern, ihnen ist cs nickt um zweck mäßige Maßregeln zur Wiederherstellung der gestörten Ord nung. sondern im Geqentbeil um Vergrößerung der Schwie rigkeiten zu thun. In diesem Falle scheinen aber selbst die Vertreter der äußersten Linken nickt gemeinschaftliche Sache mit den Ruhestörern machen zu wollen, weil die Gefahren, welche die Bewegung nach allen Seiten hin erregt, zu augen scheinlich sind, als daß sie vertuscht oder beschönigt werden könnten. Wenn die gesammte Gesckäststhätigkeit zum Still stand kommt, wenn die öffentliche Sicherheit aus das Schwerste gefährdet ist und kein Vorwand mehr bereit ist, hinter welchem sich der revolutionaire Charakter der Bewegung verbergen läßt, dann haben selbst die Unversöhnlichen keinen Anlaß, die Regierung zu tadeln, welche Ruhe und Ordnung wiederher stellen will, sondern sie müssen cingestehc», daß die Unruhen die Früchte ihrer Anstrengungen sind und daß sie von der Mehrheit der Volksvertretung dafür verantwortlich gemacht werden können. Trotzdem ist anzunebmen, daß, wenn die Bewegung sortbauert, sich dennoch irgend ein schwacher Punct darbieten wird, an welchem der Hebel angeseyt werden kann, um die Regierung für das Geschebene zur Rechenschaft zu ziehen. Die Ausstellungsarbciten sind bisher noch nicht unter brochen worden, aber sie konnten nur unter dem Schutze von Polizeimannschasten und Truppen dem Einfluß der Streik bewegung entzogen werden. Ob das in Zukunft möglich sein wird, stcyl dahin, denn die Zahl der Streikenden wächst in großem Umsange und die Wiederaufnahme der Arbeit seiten« der Erdarbeiter ändert daran wenig, falls sie nach den, Schiedsspruch des Stadtrathes erfolgt. Die würdige Vorbereitung der Ausstellung bildet einen Haupt- programmpunct der Regierung, Carnot hat sein Amt als Präsident unter dieser Devise ebenso angetretcn, wie cs da« Ministerium Floguet gethan. DaS genügt aber den weiter vorgeschrittenen Republikanern nicht, deren Programm ist die Zerstörung der gemäßigten und selbst der radicalen Republik, sie wollen die sociale gemeinde- weise organisirte Republik an ihre Stelle setzen und die Erreichung dieses Zieles erscheint ihnen als die beste Ccntcniiarscier der Erstürmung der Bastille. Dazu bedarf eS freilich keiner Ausstellung, die Hauptstadt de« Landes wird dann über ihre Angelegenheiten selbstsländig und unab hängig vo» der Regierung des Gesammtstaate« Entscheidung treffen. So sehr dieses Unternehmen auch in der Lust schwebt, so haben die Vertreter des Communegedanken» doch niemal« aus di« Verwirklichung ihre« Ideal« verricht geleistet, und die Anarchisten haben ihnen dazu, wenn auch nur be dingungsweise, Hilfe geleistet. WaS beiden Gruppen, den Communisten und Anarchisten, an der gegenwärtigen Staats form Frankreichs besonders mißfällt, ist die Centralisation, " suchen die politische Freiheit in der Decentralisation, in der Auslösung des staatlichen Zusammenhanges und in der Sondcrverwaltnng aller städtischen Gemeinwesen. Auch den Communisten schwebt die Nvthwendigkeit einer Centralleitung vor, aber diese soll auf die auswärtige Politik und aus die Miliz beschränkt sein, welche an die Stelle des stehenden peereS tritt. Wie unklar auch alle diese Vorstellungen vom ranzösischen Zukunftsstaat sein mögen, sie werden gehegt und ie sind seit 17 Jahre» theoretisch weiter entwickelt worden, ob»r darum lebensfähig oder ausführbar geworden zu sein. Vorläufig hat die französische Republik' in ihrer jetzigen Gestalt noch Aussicht aus tangeren Fortbestand, aber eS wird an ihren Grundlagen fortgesetzt so energisch gerüttelt, daß es früher oder später doch wohl gelingen wird, sie zu Falle zu bringen. * * ck * P * Zu den letzten Vorgängen liegen noch folgende er gänzende Mitlkeilungen vor: * Paris, 8. August. („Kölnische Zeitung".) DaS Wetter ist schön. Seit 8 Uhr früh ist eine starke Menschenmenge vor dem Hause Eudes in der Reaumurstraße versammelt. Alle Läden in den Straßen, durch welche der Zug geht, sind geschloffen. Vo» 9 Uhr versammeln sich verschiedene Gesellschaften und Ausständige vor dem Hause. Sie halten Kränze mit meist rothen Schleifen. Bei Ankunft CorbillardS um 10 Uhr 15 Min. ruft die ganze Menge: Es lebe die Commune!" Um 10 Uhr 45 Min. setzt sich der Zug unter demselben Ruf in Bewegung. Corbillard geht dem Zug voran. Ausständige Erdarbeiter öffnen ihm den Weg und gegen vor ihm. Sie werden vielsach mit den, Ruf: „ES lebe der AuS- stand!' begrüßt. Aste Mitglieder der früher» Commune gingen an der Spitze des Zuges. Der ganze Auszug verlies bis zum Republik-Platze völlig ruhig, obschon eine ungeheure Menschen menge zusanimengestaut war. Als der Zug zum Boulevard Voliaire einbog, wurden drei roihe Banner entfaltet. Die Polizei wollte dieselben an sich nehmen, eS wurde ihr aber Widerstand geleistet und man warf nach ihr mi! Steinen. Die Un. orknung war sehr stark. Polizei-Commiffar Clement erhielt zwei Stockhiebe, ein Gendarm ist schwer verwundet. In dem ohnehin großen Wirrwarr hörte man plötzlich einen Revolverschuß. Ec war in ein Ladensenster abgegeben worden, deffea Scheibe zerbrach. Es erhob sich ein großer Schrecken und die Menge floh auseinander. Endlich bemächtigt sich die Polizei der rothen Jahnen und nach zehn Minulen ordnet sich der Zug wieder und setzt den Weg nach dem Pere Lachaise fort. Bis zum Voltaire-Platz ereignete sich kein Zwischeusall. Bei der Mairie des 11. Bezirks warf man die roihe Laterne des Polize.postens ein und schrie: „Nieder mü den Mörder» l" Es entstand abermals eine neue Unordnung. Die Polizei zog vom Leder und gab das Commando ,,Feuer!" Biele Verwundungen haben flatigcsunden und viel Blut ist geflossen. Man spricht von etwa 100 Becwundeten, unter denen sich viele Polizisten befinden sollen. Der ganze Wirrwarr dauerte eine Viertelstunde, woraus der Zug weiter ging. * Paris, 8. August. (W. T.-B.) An der Beerdigung EudeS' nahmen etwa 15 000 Personen Theil, welche Immortellen-BouquetS und roihe Blumen im Knopfloch trugen. Der Zug setzte sich unter den Rusen: „Es lebe die Commune!" um 11 Uhr in Bewegung. Die streikenden Eidarbeiter, Kellner und Friseurgehilfen »ahmen an dem Zuge Theil. Der Zwischeusall a» der Ecke des Boulevard Voltaire verursachte ein lebhaftes Handgemenge. Aus den Pollzei- Commissar, welcher eine der rolhen Fahnen wegnebmen wollte, wurde ein Revolverschuß abgegeben, der jedoch fchlging. Ein anderer Commissar erhielt einen Schlag mit einem Stock. Da die Polizeibcamlen nicht in genügender Stärke zur Stelle waren, so eilte die vor der Prinz Eugen-Kaserne zusammengezogeiie Gendarmerie herbei, griff die Menge niit den« Kolben an und schafile der Polizei Luft. Ein weiteres Handgemenge entstand, als der Zug vor der Mairie des 11. Arron dissements anlangte. Hier wurde ein Revolverschuß abgegeben und eine Bombe nach einem Polizeiposten geschleudert, die nicht cxplodirte. Die in dem Polizeiposten in Reserve gehaltenen Städte gardisten griffen die Menge mit blankem Säbel an. Es fanden mehrere Verwundungen statt und wurden zablreiche Verhaltungen vorgenommen. Der Zug setzte sich sodann wieder in Bewegung, jedoch weniger zahlreich, da sich viele Theilnebmer zerstreut hatten Aus dem Friedhöfe ertönien vielsach die Ruse: „Es lebe die Commune, es lebe die Revolution!" Die Polizei widersetzte sich hier der Eni- saltung rolher Fahnen nicht. An dem Grabe wurden viele Reden gehalten. — Die Thcilnehmer a» dem Zuge verließen den Fried hof, ohne daß es dabei zu einem ernsteren Zwischenfalle gekommen wäre. — Nach den Blättern sind etwa 50 Perionen, darunter mehrere Gendarmen und Stadtgardisten, verwundet und etwa 25 Personen verhaftet worden. Rochesorl wurde nach der Beerdigung von einer revolutionairen Gruppe ausgepfiffen, welche ries: ».Nieder mit Rochesorl, nieder mit Boulanger I" Die Ordnung scheint jetzt wicderhcrgesteüt zu sein. * Brüssel, 8. August. („Post") Nach Berichten aus Paris ist die französische Regierung in großer Unruhe. General Saussier (Eommanvant von Paris) hat unbeschränkte Bollmachten erballen. Er hat de» Polizeipräsecten angewiesen, 800 Polizisten in Civil sich in den Leicheuzug de» Generals Eudes mengen zu lasten; sämmtliche Polizei-Agenteu, die ganze Stadtwache wird zur Aus rechterhaltung der Ordnung bei dem Zuge ausgeboten. 2400 Schutz leuie niit sämmtliche,, Oificieren der Schiitzmaunschast haben Dienst. Zwei Schwadronen der Stadtwachc zu Pterde stehen aus der Place de la Republique, zwei Schwadronen in der Cour Roqueite. Die ganze Garnison ist consignirt. Saussier hat sämmtliche Osficiere der Girnilon zusanimknberusei, und gemessene Befehle gegeben: „Be, der ersten Ruhestörung lassen Sie sofort die Menge mit dem Bajonnet oder dem blanken Säbel attackireu. Keine Philanthropie!" Jede Siockung soll sojvrl bcseitigt werden. Rothe oder schwarze Fahnen dürfen erst aus dem Friedbvse selbst entfaltet werden. Wer nicht gehorcht, wird s. stgeiioiiinic», Ausländer, die sestgenommen sind, werden ausgewiesen. D>e Schutzleute sollen, wenn sie umringt oder von einer überlegenen Menge gedrängt werden, sofort blank ziehen. Wo die Polizei nichts au-richien kann, soll sogleich Lavallerie die Straße fegen — Da» RkvolutioiiS-Coniitü hat seine Anhänger angewiesen, die größte Orb- nuiig zu bewahren. — Tie streikenden Erdarbeiter haben den Schieds spruch des Siavtralh« angenommen. Wen» die Arbeitgeber an nehmen, wird der Streik beendet sein. — Die Aufregung in Paris ist groß. Leipzig, 10. August. * Die bereiiS telegraphisch signalisirte osficiöse AuS laffung der .Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", das Verhältniß Frankreichs zu Italien betreffend, hat folgenden Wortlaut: Der „Nord" Hot in seiner letzien Nummer eine» Leitartikel über den französisch.italienischen Lonslict wegen Maf ia nah gebracht, in dem Eingangs gesagt ist, die Thalsache, daß Herr Lrispi den Mächte» nunmehr die italienische Besitznahme von Massauah notificirt habe, sei schon ein Beweis für d,e Legi timität der sranzösischeu Weigerung, die den Fremden in Massauah auserleaten Taxen zu eulrichten; Herr Lrispi möge seinem Unwillen gegen Frankreich noch so energischen Ausdruck verleihen, die» würde doch die Thatloch« »icht beseitigen können, daß Italien erst jetzt Maßregel» »rtrofse, Hab«. welch« «hm da« «echt verliehen, Hs, Fremden in Maffaoah zu besteuern. Bi« »um Eiugange jener Notifikation sei Frankreich vollständig berechtigt gewesen, sich der Besteuerung der Fremden von Maffauah als einer eigenmächligen italienischen Anmaßung zu widersetzen. — Im weiteren verlaus seiner Ausführungen kommt der „Nord" auch auf einen Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeiiung" über den franzöfisch-italieui- schen Lonslict zu sprechen und sagt bei der Gelegenheit, daß wir durchaus im Unrechte seien, wenn wir Frankreich und besten Eifer- sucht aus Italien für da« ausgebrochene Zerwürfniß zwischen den beiden Ländern verantwortlich machen wollten; Italien Hab« an demselben seinen großen Theil, und man solle sich von beide» Seiten bestreben, die früheren herzlichen Beziehungen wiederherznstellen. Die Frage, ob die« möglich sei, glaubt da« russisch« Organ bejahen zu können. Wir würden un« mit dem „Nord" frrnen, wrun dem so wäre; in jedem Falle möchten wir ihn ober darauf ausmerksam machen, daß bei der rechtlich sehr complicirten Frage, die juristisch gar nicht zu lösen, sondern nur politisch zu behandeln ist, die Initiative sür die Slöruug des Einvernehmens zwischen Italien und Frank reich aus sranzösiicher Seite allein gesucht werden muß, so daß die „Norddeulsche Allgemeine Zeitung" also doch wohl im Rechte war. wenn sie Frankreich für den Ausbruch d«< Zerwürfnisse« ver- anirvorllich machte. DaS hat auch der „Nord" in keiner Weise zu widerlegen versucht. Der überzeugendste Beweis für die Berechtigung unserer Behauptung liegt schon darin, daß Frankreich nicht das mindeste eigene Interesse weder an der Sendung eines Consuts nach Massauah, noch an den« Proteste gegen da-Vorgehen Italien» hatte. Frankreich hat nämlich so gut wie gar keine Handelsiatereflen in Maffauah zu vertreten — e» leben dort nur zwei Franzosen, kleine Leute, sür die allein unter gewöhnlichen Verhältnissen sicherlich kein Consul eingesetzt worden wäre —, und indem Frankreich die in Massauah ansässigen Griechen unter sriucn Lonsularschutz nahm und zum Protest gegen die Besteuerung bewog, that es Etwas, wofür gar kein anderer Grund erfindbar ist, als der Wunsch, sich an Italien zu reiben. Der französische Streitvorwand ist offenbar ein ge- slichier und weit hergeholter, und der ganze Borgang führt somit zu dem «Schlüsse, daß Frankreich diejenige unter den Mächten ist, die den geringsten Werth aus die Erhaltung deS europäischen Friedens legt und im Gegentheil mit unverkennbarem Eifer keine geeignet scheinende Gelegenheit vorüber gehen läßt, um deu- selben zu beunruhigen. * Die Verehrer de-Herrn Eugen Richter, deS leitenden Staatsmannes" der „deutsch"-freisinnigen Partei, in dessen Wahlkreis Hagen haben sich bei Gelegenheit der Feier aus Anlaß der Vollendung des 50. Lebensjahres des großen „Volkstribuns" nicht allein mit den Gesängen begnügt, die von Albert Traeger, dem TvrtäuS deS FortschrittSrinaeS. und anderen politische» Sangesbrüder» herrührcu, sie Häven auch in große» Reden sich und ihren Helden gefeiert. Diese Reden sind als Gesinnuiigsäußerungen des engeren Anhangs des Herrn Richter ebenso bemerkenswertb, wie eS die Festreime waren. Dem ersten Redner war vom Comitü die Aufgabe übertragen worden, „jener welterschütternden Ereignisse Er wähnung zu thun, welche die erste Halste deS IayreS 1888 für alle Zeiten in der Weltgeschichte kennzeichnen werden". Dieser Aufgabe wurde der Redner u. A. in folgendem Satze gerecht: Die Proclamativn des Kaisers Friedrich lll. „war der Flügclschlag einer neue» Zeit, das Volk horchte hoch auf, daS war Geist von seinen, Geiste, und hoffnungS- sreudig sab cs nach einer schweren Zeit der Reaction einer freieren Zeitrichtung entgegen". Demiiach ist die glorreiche Regierunaozeit unseres herrlichen Kaiser« Wilhelm „eine schwere Zeit der Reaction" gewesen. ES ist ein Glück für Deutschland, daß sich die Partei deS Herrn Richter wahrend derselben zur Bekämpfung dieser Reaction mit den Ultrainontanen, den Kämpfer» für Freiheit und Recht, so innig verbunden und daS schöne Beispiel von Toleranz m dem Abstrich der für die Altkatholiken geforderten Staatszuwen dung gegeben hat. Ein anderer Redner beschäftigte sich mit der bekannten Scene, welche Herr Richter im Abgeordneten haus« zu spielen sür richtig erachtete. „Diese gewaltige Rede Ricbter'S", so sagte der Redner, „kam auch zur Kenntniß Sr. Majestät Kaiser Friedrich's III., der sie, wie allgemein be kannt, „ein wahres Wort zur reckten Zeit" genannt hat. Der Erfolg der Rede ist nicht auSgeblieben, der Schöpfer der Wahlniisöre und Polizeimacht mußte seinen Abschied nehmen, dem Volke sollte seine Freiheit und sein Recht wiedergegeben werden. Speeiell an u»S ist eS nun, die Erinnerung an die Regierung Friedrich'« III. wachzuhalten." Also zu lesen in dem Festbcricht der „Hagener Zeitung", dem bestrichtcrischen Blatt in Westfalen, und der diese Worte gesprochen, ist der Herr Landtagöabgcordncte Springorum anS Schwelm. Daß Kaiser Friedrich niemals ein solches Urtheil über die freche, nichtsnutzige und lügenhafte Rede deS Abgeordneten Richter gefällt hat, sollte Herr Springorum doch wissen. Welch ein Geist muß m dieser Versammlung geherrscht haben! Und solche Männer wollen berufen sein, das Andenken an einen der edelsten und besten Fürsten, die je den preußischen Thron bestiegen, vorzugsweise wachzuhalten! * I» der deut sch-freisinnigen Presse läßt sich neuerdings gegenüber den sck»lpolitlschen Forderungen der Ultraniontanen mitunter ein sehr entschiedener Ton der Abwebr vernehmen. So lese» wir in der »Bossischcn Zeitung": „Die Geschickte aller Zeile» hat nur zu deutlich gezeigt, daß die ultraiiiontane Partei die Freibeit »ur liebt als Mittel zu ihren licktfemblicke» Zwecken. Uebcrall, wo diese Partei herrscht, ist von Freiheit nicht mehr die Rede. Eine Partei, welcke der Wissenschaft und dem Genie verbietet, über daS Meßbuch liinaiiSzugehcn und den Gedanken in die Kloster zelle deS Dogmas sperrt, kann in Fragen des Unterrichls nicmals eine Gemeinschaft mit dem Liberalismus haben. Jever Eingriff der Kirche in die Schule wird von unS alle Zeit als verderblichste Maßregel, welche der Staat zulasten könnte, cmpsundcn und bekämpft werden. Wir sind gewiß, daß das Centn»» ohne Weiteres alle politischen und wirth- schastlicheii Frage» opfern würde, wenn eS die Macht über die Schule eingeräumt erhielte." — Wenn daS den Deutsch- freisinnigen nur nicht ein Dutzend Mandate kostet! * ES ist seiner Zeit von einer Erklärung die Rede ge wesen, welche von Professoren der Universität Heidelberg zu Gunsten der humanistischen Bildung unserer Gymnasien erlassen sei. Die „Tägliche Rund schau" theilt jetzt den Wortlaut der Erklärung mit: Die fortgesetzten Angrifse, welche seit einiger Zeit gegen da» humanistische Gymnasium in Deullchland gerichtet werden und mit denen der Rns nach völliger Umgestaltung desselben verbunden ist, veranlassen die Unterzeichneten zu folgender Erklärung: Wir behauvten nicht die Vollkommenheit der gymnasialen Einrichtungen in unserem Vaterland, die ja im Enzelncn keineswegs überall die gleichen sind, und ebenso wenig die Fehlerlosigkeit der praktischen AliSsühruug. Das traurige Gesammtbild aber, welches mau von Uutrrrich« und Erziehung ,, dev bomanlstllche» Lehraostalte», vo» Verstandes,»«Wickel,,»». GewüthSvrrsaff»»» »»» Körperzustaid thn>
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