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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188808310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880831
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880831
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-08
- Tag1888-08-31
- Monat1888-08
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.08.1888
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S25S kaiserlich deutschen Gesandtschaft Kenntniß gegeben, ln welcher die Entfernung der französischen Hoheits zeichen und Inschriften aus den Grenzsteinen zwischen deu dcutschenNeichSlanden und der Sch weiz» sowie der Ersatz derselben durch ein v gewünscht wird. Nach Fertig stellung der Arbeiten soll dann durch Commissare beider Ne gierungen eine Ncvision statlsindcn, um die neue Bezeichnung und die veränderte Lage der Grenzzeichen scstzusteUen. Oer Fall Garnier. * Der Mordversuch, welcher in Pari« am DicnStag von einem gewissen Garnier gegen einen Beamten der deutschen Botschaft in dem Hause derselben unternom men wurde, wird erst in vollständige« Licht treten, wenn über die Persönlichkeit des Verbrechers vollständige Klarheit ge schasst ist. Der erste Eindruck ist leider der, sührt die „National- Zeitmig" sehr treffend aus, daß wir einer noch gesteigerten Entfesselung blinden und leidenschaftlichen Haffes gegenüber stehen. wie er z. B. in den Vorfällen in Nancy und Belsort sich gezeigt hat. Die Franzosen, welche noch Besonnenheit genug besitzen, um den Eindruck zu beurtheilen, den derartige Vorgänge nickt nur in Deutschland, sondern in der gesummten Eulturwelt Hervorrufen, werden sich fragen müssen, ob nickt, ganz abgesehen von dem Falle Garnier, die systematische Auf hetzung der Volkoleidenschastcn, wie sie absichtlich gegen die Ausländer, ob sie nun Deutsche, Italiener, Belgier, sich richten, Frankreich geradezu in eine Ausnahmestellung gegenüber der heutigen Eulturwelt rücken müssen. Geradezu tragikomisch wirkt e«, daß Frankreich die gesammte Welt zu einer Welt ausstellung einlädt, während c« für die aus seinem Boden befindlichen Fremden noch nicht einmal einen genügenden Schutz zu gewähren in der Lage oder nur gewillt ist! Ueber den Mordansall selbst wird weiter berichtet: Die telegraphischen Nachrichten lauten noch ziemlich widerspruchsvoll. Die „Post" berichtet: * Prr > s, 29. August. Gestern Nachmittag gegen 4 Uhr drang ein Indio duum >u die Vorhalle zum Paßbureau im Kanzleigebäude der deutschen Botschaft und feuerte einen Schuß aus einen am Tiick bei der Arbeit sitzenden Kanzleidiener ab. Die Vorhalle war im Nebrigen leer, da das Paßbureau bereits geschlossen war. Der Sttuß ging zwischen den Beinen des KanzleidienerS durch, welcher iiictn p'rleyt wurde, zerriß aber dessen Rock und zerschmetterte einen Tisckiuß. Der fliehende Mörder wurde iosort verfolgt und wenige Echrttie vom Boiictiastshotel durch den Kanzleidiener und den Hos- ralb Hoehne ergriffen, einem Polizisten in der Nähe der Solserino- brücke übergeben und zum Polizeicommissar geführt. Nack Fest' stellung der Identität des Individuums begab sich der Polizei- commissar ans die Botschaft zur Ausnahme des Tdatbestandes. Der Mörder ist ein Mens» von ungesädr sechzig Jahren, mit weißem Haar und stovpligem Bart, mit einer abgetragenen Sammetjacke bekleidet, etwas heruntergekommen, doch kein Strolch; sein Name ist Häßler, wenn wir nicht irren (vergl. die Wolff'sche Depesche); eS scheint jedoch kein Elsässer zu sein, er batte des Morgens seinen Paß zum Visiren deponirt und war im Lause des Nachmittags mehrmals wiedergekommen. In seinen Taschen wurde außer d r Pistole noch ein Zettel gesunden, woraus aus französisch etwa geschrieben stand: „Am 28. August werde ich einen Beamten der deui'chen Aotsckast tödteo, um Deutschland zum Kriege zu reizen." Die Mordwaffe war eine alte Pistole, mit zwei Kugeln und mit Pulver säst bis zum Rand geladen. Beide Kugeln sind ausgesundcn worden. Der Lärm des Schusses glich dem Knall einer explodirendcn Dyaamitbombe. Wenngleich sonach ein vorbedachter Mordversuch vorzuliegen scheint, dürste dennoch der Mörder, der sich ruhig vcr- hasten ließ, vielleicht geistesgestört oder durch die Deutschenhehereien gewissenloser Blätter verrückt gemacht sein. Der glücklicherweise un- verletzte Canzleidicner ist übrigens ein Franzose und nur provisorisch beim Paßbureau beschäftigt. * Paris, 29. August. Der Mörder heißt Garnier, war früher Böttcher und giebt au» er hätte im Kriege Hab und Gut verlor?», sei in das Elend gerathea und habe sich dasür an den Deutschen rächen wollen. Garnier war schon mehrere Tage hinter- einander aus der Botschaft gewesen unter dem Vorwand, Auskunft wegen eines Passes zu verlangen. Er hat selbst keinen Paß depo nirt, ist al'o keineswegs etwa durch Verweigerung des Visums gereizt worden. Direct verrückt scheint daS Individuum nicht, höchstens aus Deutsch nhaß überspannt. Der Name des CanzlcidienerS ist Henri Tourncuer. * Paris, 29. August. Dem Mordanfall in der deutschen Botschaft wird in hiesigen Kreisen nur die Bedeutung eines Symp- tvms beigelegt. Garnier sagt aus, da er seit dem Jahre 1870 im Eiend gelebt, habe er zur Rache einen Deutschen tödteu wollen. Dabei ist der Beamte, ans den er schoß, ein Franzose. Die Zeitungen sind natürlich gleich mit der Erklärung bei der Hand, Garnier sei nicht zurechnungsfähig; das Elend habe ihn um den Verstand gebracht. Doch ist der Mordversuch unzweifelhaft eine Folge des HetzcnS in der Presse. Die „Kölnische Zeitung" enthält folgende Meldungen über den Vorgang: * Paris, 29. August. In der deutschen Botschaft war in den letzten Tagen wiederholt ein Mann erschienen, welcher den Canzteib.auiten Touruouer zu sprechen verlangte. Am Dienstag erschien die fragliche Persönlichkeit abermals in vcr deutschen Bot schaft. drang, obschon abgewiesen, in das Zimmer ein, in welchem sich Touruouer befand, und gab mit den Worten: „Endlich werde ich dock einen getüdtct haben!" einen Pistolenschuß aus Touruouer ob. Die Kugel traf nicht. Der Tbäter wurde unmittelbar nach der Th >t v.rqastet; derselbe nrnnt sich Garnier, ist 66 Jahre alt uud bck. ..v:?t, durch den Krieg von 1870 und jüngst erlittene Unglücks- fälle um Hab und Gut gekommen zu sein. Bcrnard, Procurator der R.pubäk, und Guillot, Untersuchungsrichter, nahmen das erste Verhör ab. Danach heißt der Thäter Henri Garnier, ist 66 Jahre alt und wohnt 69 Rue Mouffetard. Mit dem Schuß aus Touruouer gedachte er einen Deutschen zu treffen und damit seinen Laß zu befriedigen. Nach seiner Erzählung ist Garnier vor dem Kriege Pöttchaz- < ewescn. Er habe seine Pflicht getha» wie andere, habe aber megr unter dem Kriege gelitten als die andern; als er zurückgekommen, sei ihm sein Hab und Gut genommen worden und er sei i::s Elend gekommen. Die Nachforschungen haben ergeben, daß Garnier in der That in den ärmlichsten Verhältnissen lebte; vergeblich wandte er sich an seine in Paris lebenden Kinder, sie unterstützt u ihn nicht nur nickt, sondern beantworteten nicht einmal seine Briese. Seit langer Zeit hatte Garnier keine Arbeit mehr uud gestern wurde er von dem Hauscigentdümer, bei dem er wohnte, aus die Straße gesetzt. Beim Schließer des Hauses ließ Garnier einen Brief zurück, in dem ec demselben seine Möbel verschrieb und ihm für die Aittheilnahme, die er ibm bezeigt, dankte. Seine Kinder, sagte er, seien undankbar und hätte» nichts zu beanspruchen. Vor de», Staatsanwalt erklärte Garnier, seine Absicht sei gewesen, eine» Preußen zu tödtcn und dann sich selbst das Leben zu nehmen. * Paris, 29. August. Betreffend den Vorsall aus der deutschen Botschaft ist hervorzuheben, daß der Attentäter keineswegs mit dem Paßbureau vorher in irgendwelche Beziehungen getreten ist, daß alio der Versuch die Sache so darzustelleu, als ob er durch Verweigerung eines Paffes oder die Hinzögerung gereizt worden sei, ganz hiniällig ist. AuS den bei dem Verhafteten vor- gcsuiidencii Papieren geht hervor, daß der Mann sich fett Tagen mit der Absicht trug, ein Mitglied der Botschaft zu erschießen, um, wie ec sagt, cm seiner Mutter im Jahre l870 zu Orleans zugesügtes Unrecht zu rächen und einen Kriegsfall zwischen Deutschland und Frankreich hervorzuruse». Der beim Paßbureau aiiqeitcllle Hilss- bureailbiencr Touruouer ist tbatsächäch ein Franzose. Allem Anschein nach ist der V rhasieie ein stark überspannter Mensch, Loch bleibt immerhin die D aisachc bestehen, daß die Hetzereien der Chauvinisten- dläiter derartige Leute bis zum Mord aujreizen können. Heute früh fand mit Genehmigung der Botschaft die gerichtliche Aus- al me des Thrubestaiidcs statt. Goblet, der durch die Botschaft vom Geschehenen unlecricyiet wurde, antwortete sogleich, daß er eine Untersuchung eiuleiten und der Botschaft vom Ergebnisse Mitlheilung machen werde, daß aber einstweilige Feststellungen vcrmulhea ließen, man habe mit einem Irrsinnigen zu thun. Militairijches. * Muhren!» die inilttairischen Re sorinbestrebungen der spanischen Regicrupg, soweit die innere Reorganisation des Heeres, die Durchsührnng der Systems der allgemeinen Wehr pflicht rc., in Betracht kommt, mit nicht unerheblichen Schwierigkeiten zu ku.:.pseu haben, wirb aus dem Gebiete der Landesvertheidigung, insbesondere der Befestigung der spanischen Pyrenäen- grenze, seit Jahre» tüchtig und mit Erfolg gearbeitet. Schon der verstorbene König AlsonS Xll. widmete dieser Angelegenheit «in warme? Interesse und inzwischen sind allmäljg nicht weniger als ca. 140 Millionen Mark aus die Errichtung voa Festuugswerkea ia den an das Py^gäenmassiv greizzulde» Pr«»iZzv Katalonien, Aragon, Navarra and Guipuzcoa verwendet worden. Alle strategisch wichiigercn Gebirgspässe uud Bahnlinien sind durch SperrsortS oder Rcduten gedeckt, ferner sind geräumige Citabellea in Pampelona, San Sebastian» Eaosranc und verschiedenen anderen Gcenzstädtea im Bau begriffen, da deren frühere Festungswerke veraltet und außer Stande waren, den Sprenggeschossei, der modernen Artillerie Wider stand zu leisten. Im Schutze dieser Befestigungen und gestützt aus dos Netz der Eisenbahnlinien, welche aus dem Innern des Landes nach der Grenze zusamineolauscn, ist eS sür die Regierung uicht schwer, binnen kürzester Frist eine Armee voa ISO 000 Mann zu concenlriren, welche einem feindliche» Invasion-vorstoß mrt bestem Erfolg begegnen kann, überhaupt in einem künftigen europäischen Kriege schwerwiegende Demonstratio»«» an der Pyrenäengrenze aus- zusübren vermag. Vor Kurzem hat die Künigin-Negentin Christine dem Fest des AufhissenS der Flagge aus dem ersten fertig gestellte» Fort beigewohnt. Dasselbe ist au> dem San Marcosberge, zwischen San Scbastiaa und der srauzösischen Grenze, errichtet. * Ueber das in mehreren Armeecorps des französische» Heere- bereits ia Gebrauch stehende Lebel-Gewehr, so genanpt nach seinem Lonstructeur, dem französischen Obcrstlieulcnant Lebel, kann die „Kölnische Zeitung" nach ausländischen, nicht sranzösischen Quellen solgende Angaben machen: Das Gewehr ist nach den jetzt allgemein gütigen Grundsätzen construir», hat also brüairteu sd. V. braun gebeizten) Laus und eine Länge ohne Bajonett, also vom Kolben b'S zur Mündung, von 124 cm. DaS Kaliber beträgt 8 mm, die vier Züge daben eine Tiefe von 0,15 mm, winden sich abweichend von der sonst üblichen Richtung von links nach rechts, gerade um. gekehrt von rechts »ach links und vollenden aus die Länge von 24 cm schon eine ganze Umdrehung. Das Visir zeigt eine Eintheilung bis aus 2000 m Entfernung. Der SchloßmechainSmus ist dem uosrigea ähnlich, d. h. der die Entzündung veranlassende Schlagbolzen wird durch eine Spiralfeder in Bewegung gesetzt. DaS Magazin für die Patronen liegt unter dem Laus im Borderschast und enthält 8 Patronen, welche durch eine löffelartige, bei der Handhabung de- Verschlusses von selbst in Thätigkeit tretende Vorrichtung gehoben und dem Lause zugesübrt werden. Die Patrone ist eine Metallhülsenvatroae, das Grschoß cylindro-ogival, wiegt 15 x; und ist 30 mm, also fast vier Kaliber lang. Die Ladung soll keinen Ranch und nur geringen Knall beim Abseuern erzeugen. Die letztere» Angaben werden nicht wörtlich zu nehmen sein; denn überall, wo Feuer ist, steigt auch Rauch auf, und eine Gasentwicklung in der Plötzlichkeit, wie sie beim Aoseuern eines Schusses vor sich gehen muß. kann nie ohne Knall slattsinden. ES wird sich also nur darum handeln, daß die in der Neuzeit so sehr verbesserte Schießpulverbereitunz reinere Bestand- theilc als früher verwendet, wodurch der Rauch gemildert und nicht mehr so dunkel gefärbt ist, sowie daß durch die größere und sicherere Beherrschung der Pulverpressung die Erst- und Nachwirkung des Pulvers in ein befriedigenderes Verhältniß gesetzt, die Plötzlichkeit der Gasentwicklung beim Abseuern und somit der Knall geininoert. die Nachwirkung aus das Geschoß aber dennoch genügend garantirt werden kann. Das Bajonett hat eine grade Klinge von vierkantigem Querschnitt «d 52 cm Länge. Marine. * Berlin, 29. August. S. M. Kreuzer „Habicht" ist am 28. August v. in St. Paul Le Loanda eingelroffen und beabsichtigt am 16. September c. wieder in See zu gehen. * Kiel, 29. August. Gras MontS, welcher Vormittags den FestungS- und Flottenübungen bei Friedrichsort beigewohot hatte, begab sich Nachmittags oach Warnemünde zum Empfange des Königs von Schweden. * London, 26. August. In den Flottenkreisen Englands werden die Ergebnisse der kürzlich beendigten Flotten manöver immer noch lebhaft erörtert. Dieselben haben zuin Theil ein über die englischen Verhältnisse hinausgehendes allgemeines Interesse. So zieht z. B. der Admiral Horiey in einer Zuschrift an die „Times" auS den jüngsten Manövern solgende Consequeuzen. Er schreibt: Bezüglich der Blockade baden uns die letzten Tage darüber belehrt, daß eS nicht innerhalb der Möglichkeit liegt, das Einweichen von Schiffen zu verhindern, we-m das blockirende Ge schwader nicht eine Uebermacht von mindestens eins zu zwei hat, und selbst dann noch sind die Verhältnisse stet» zu Gunsten des Blockinen, da derselbe seine Kräfte fest zusammensasscn kann. In den Zeiten der Seaeffchisfsahrt waren die Aufgaben des Blockiren- den leicht, im Vergleich zu jetzt. Der andauernde Zustand der Vorbereitung für volle Dampfgcschwindigkeit nutzt die Dampskcffel und Röhren schnell ab. Osficicre und Mann schaften, namentlich die Heizer, leiden unter Erschöpfung, und die Schiffe bedürfen einer Ablösung, wenn sie zum Kohleueinnehmen oder zu Reparaturen gehen müssen. Früher machten bisweilen Wind und Wetter eingeichloffenen Geschwadern ein Jnseegehen unmöglich. Da gab eS denn für die Belagerer auch längere Ruhepausen. Jetzt dagegen ist von Ruhe keine Rede mehr, und ganz besonder- muß man der Mannschaft der blockire» den Torpedoboote mindestens alle drei Tage einen Ruhetag geben, sonst würde ihre Besatzung eS gar nicht anshalten können. Wie Admiral Baird ganz richtig sagt, genügen einige Nächte, um die Torpedoboote lahm zu legen. Ein eingeschloffenes Geschwader kann dagegen wohl das Uebergewicht behaupten, wenn cS seine Kräfte so lange frisch zu erhalten weiß, bis der Angreifer die Anstrengung nicht mehr ertragen kann. — Admiral Horsey geht dann näher aus die Frage ein, ob bei den soeben stattgesundenen Uebungen wohl immer nach richtigen Grundsätzen verfahren worden sei, und betont, wie schwere Verantwortlichkeit denjenigen Befehlshaber treffe, der zu lange mit übnmüdeteo Besatzung«» vor einem Hafen liegen bleibe. - ' - Socialpolilischeg. * Ta« RcichS-Versichcrungsamt wird im September seine Spruchsitzungen in Rcntenangelcgcnhciten von Neuem eröffnen. Da schon jetzt eine große Zähl von Recursen vor- liegt, so wird die Thätigkeit der einzelnen Spruchcollegicn, ;n denen bekanntlich je ein Arbeitgeber und ein Arbeiter ai« nichtständige Mitglieder gehören, mit dem nächste» Monat wieder eine recht angestrengte werden. * DaS Beispiel, welches Deutschland mit der Errichtung von Arbeitercolonien zum Zweck der Bekämpfung des Landstrcicherthums gegeben, wird vom Auslande immer all gemeiner sür nachahmenSwerth befunden. Gegenwärtig ist cs die Schweiz, welche mit dem Plane umgeht, dergleichen gemeinnützige Einrichtungen nach deutschem Muster ins Leben zu rufen. Es wird beabsichtigt, lheilS im Aufträge ver schiedener Cantonregierungen, theils auf Veranlassung von Privatgesellschaften Delegirte nach Deutschland zu entsenden, um die diesseitigen UnterftüyungSsysteme, spcciell die Einrich tung der Ackerdaucolonie WilhelmSdors in Westfalen, von deren segensreichem Wirken man in der Schweiz eine hohe Meinung hat. gründlich zu studircn. Die dortigen Inter essenten der Sache zweifeln nicht, daß seitens der eidgenös sischen Centralregierung eine nachhaltige Förderung eintreten wird, sobald erst Positive greifbare Vorschläge gemacht sein werden. ZUM Leipziger Siegesdenkmal. * Wir glauben auch einmal eine auswärtige Stimme Uber unser herrliches SiegeSbenkmal veröffentlichen zu sollen, lieber den künstlerischen Werth des DenkmaleS schreibt der in Berlin erscheinende „Reichsbote": Nun ist die Begeisterung ia etwas verflogen uud der zur Kritik reizende Leipziger beginnt sich sein Denkmal genauer auzuschaueu. Wir brauchen wohl die Emzetdeiten nicht zu beichreibeu, da sie be kannt genug sind; zum Berstäudaiß des Folgenden geaüge der Hin weis, daß da» Denkmal von eiacr Germauia gekrönt wird, dir voll ständig anders gestaltet ist, als die bisherige» Darstellungen derselben, daß aus deu vier vorsvringendea Ecken de- UeberbaueS die über lebensgroßen Reiterstandbilder Kaiser Friedrichs, König AlbertS, de» Fürsten BiSmarck und dev Grasen Moltke sich befinden, während vor der vorderen Platte de- BermourapostamentS Kaiser Wilhelm sitzt, umgebeu von 2 Standarten tragenden Barde-Kürossieren; auch an den drei übrigen Seiten stehen je 2 Banner tragend« Soldaten, die einzelnen Loittiugcale de» ReichSbeereS darstellend. Man erkennt schon ouS diesen Andeutungen, daß da» Denkmal keine bedeutenden Gedanken darstellen will, sondern lediglich ein allen verständliche» EriouerungSjeicheu sein soll an die große Zeit uud ihre Mäuuer; — und das ist unseres Erachtens eia entschiedener Vorzug de« Denkmals! Die moderne Deakmalkunst arbeitet uur allzugern Mit allerhand frostigen Allegorien, zu deren Berstäudaiß ein förmlicher Lommeutar uotbwendig ist, sie Hai fast verlernt, die großen Männer iu ihrem Auuadsürsichiei» auizusasscn uud zu gestalte». Hier ist «ichts Unverständliche«» nicht« Efts achtes^ nicht« Erklürong-bedürs. tige«! Wohl ist die Germania kn Ihrer Stellung, da« Schwert über die Schulter gelchat, so daß der Griff über dieselbe ragt, dem Volke noch fremd; aber auch der gewöhnliche Maua erkennt ia ihr die Siegerin, die nun de« Friedens wallet und d«S Schwerte- Griff nicht mehr ia der Haad zu haben braucht. Die Gestalte» der großen Männer sind durchaus monumental, der sitzende Kaiser Wilhelm vielleicht eia klein wenig zu leblos, die beiden Fürste». Friedrich und Albert, in handlung-loser Paradestellung, die beiden Paladine etwas belebter, Moltke sinnend uud schauend, Bitmarck kampseSsroh uud siegcssicher. Die Bannerträger, die ia realistischer Treue die verschiedeuca Uuisormeu der Mitkämpfer wiedergebea, sind nicht nur Vertreter der einzelnen Armeen, sondern auch ia ihrer Bejammtheit eine Darstellung der SiainmeSvereiaigmig, die da» Jahr zu einem Jahre des Sieges und Segens machte. Die ursprünglich mit ia den Plan ausgenommenen Relies» sind unausgeführt ge blieben, wegen mangelnder Mittel, wie eS heißt. W>r treuen un» dessen, weil wir Gegner dieser Reliesspielerei bei großen, monu- mentalen, für das Gesammwolk bestimmten Werken sind. Wird doch ia diese Postament- uud Flankenreliess alles Mögliche und Unmögliche hineingeyeimnißt, feiert doch in ihnen die zur Manie gewordene AllegoriesichernngSsacht ihre schönste» Triumphe. Mögen solche Reliefs an sich noch so kunstreich uud inhallreich sein, sie haben doch in der Regel sür deu Beschauer nur relative» Werth, sie geben seinen DeulungSversuchea Material» aber zieheu dasür das Interesse voa dem Gesammtwerke ab. DaS Leipziger Sieges- deukmal ist ein BolkSdenkmal im eigentlichen Sinne de» Wortes, sür das Verständnis der Menge berechnet und in allen seinen einzelnen Gestalten mächtig wirkend aus da» gesammte Volk. Wenn nun sonach die Gesammtauffassung durchaus Beifall verdient, so können wir doch in einigen Einzelheiten mit dem Künstler nicht ganz überciustimmen. Der eine Tadel, den man ungemein oft hört, daß das Denkmal zu ruhig und zu todt sei. erscheint uns eher als ein Lob. Daß er aber laut wird, ist ein Beweis dafür, daß au- unserem Volke der Sinn sür da» eigentlich Plastische schon säst ganz geschwunden ist. Gegen die Aussassung der Germania ließe sich Manches sagen: sie ist eben zu neu, um ohne weiteres allgemeinen Beifall zu finden. DaS wird aber Niemand in Abrede stellen können, daß der künstlerische Gedanke ein tiefer und sinniger und seine AuS- gestaliung eine durchaus den Kunsimitteln und dem Wesen der Kunst entsprechende ist. Die Haltung des Schwertes will uns nicht recht gefallen. Wohl wißen wir, daß sie im Mittelalter gebräuchlich war, aber sie hat elwaS Vorübergehendes, der Beschauer sagt sich, daß diese Stellung eine dauernde nicht sein könne. Wollte der Künstler damit andcuten, daß das Schwert noch nicht ganz zur Ruhe gekommen ist? Dem entspricht wiederum die innerliche Auffassung der Gcsammt- versvnlichkcit nicht. Außerdem ist der überragende Schwertgriff sür das Liniengejüge der Umrahmung außerordentlich störend. Durchaus häßlich ist die Rückcnansicht der Germania. Man würde diese» Umstand nicht als Fehler bezeichnen können, wenn das Denlmal lediglich ans die Vorderansicht berechnet wäre. Daß dies aber nickt der Fall ist, ist ohne Weiteres klar. Es ist nickt unsere Aus- gäbe, auseinanLerziisctzen, wie der Künstler die Rückseite hätte ge stalten iiiüffea. daS aber glauben wir ausspr-chea zu dürfen, daß die Möglichkeit einer schöneren Gestaltung nicht ollzusera lag. Mit der Stellung des Kaisers Wilhelm 1. können wir uns durchaus nicht befreunden. Sie ist weder an sich, noch im Verhältnisse zu der Gesamnit-Aussaffung schön zu nennen. Die Statue erscheint fast wie angeklebt; und man kommt unwillkürlich aus den Gedanken, daß der Künstler erst einen Platz für sie hat suchen müssen. Wenn Kaiscr Wilhelm daheim geblieben wäre, würde die Gestaltung des Denkmals eine entsprechende sein; da er aber hervorragenden persönlichen Antbeil an dem Siege hat, ist sie eS nicht. Künst liche Interpretationen Helsen über diesen Mangel nicht hinweg. Mit den 4 Reiterstandbildern sind wir durchaus einverstandeu. Jedes derselben ist ein in sich vollendetes Meisterwerk, an und sür sich wirkend und in sich abgeschlossen. Wir bekennen offen, daß wir ein herrlicheres Reiterbild Bismarcks und Moltke» aoch nie geschaut haben; möglich und wünschenswerth ists, daß diese Ge stalten zu typischen Jdealgestalten sür die Auffassung beider Männer in der Kunst werden. Ader noch ein»! Die acht handlungslojeu Banncryalter wollen uns durchaus nicht behagen; die achlsache Wiederholung desselben künstlerischen Gedankens und desselben MotivcS niuß, obgleich das Beiwerk verschieden ist, dennoch er müdend wirke». Wäre es nicht möglich gewesen, die Felder ander» zu füllen oder die Gestalten lebensvoller zu bilden und in eine gewisse Beziehung zu einander zu bringen? Wir freuen uns wohl an diesen markige» Soldatengestaltea; jede einzelne ist an sich schön und wirksam, aber wir haben die Empfindung, daß de» Guten zu viel gelhan sei ia diesen Wiederholungen. Von kleineren Aus stellungen, die u. a. in Bezug aus die Zügel der Pferde und daS GrößeiiverhLltniß derselben gemacht werden, schweigen wir, sie sind zum Theil unberechtigt, zuin Theil kleinlich. Trotz der Mängel, die hervorzuheben wir sür unsere Ausgabe hielten, ist das Denkmal als Ganzes eines der herrlichsten Erinnerungszeichen an die große Zeit. Wir wollen bei dieser Gelegenheit versuchen, diejenigen Kritiker zu beruhige», welche daran Anstoß genommen haben, daß das Pserd, aus dem König Albert reitet, im Gegensatz zu den drei anderen Pscrvegcstalten keinen sogenannten Kehl- ricmc» hat und welche meine», daß dieser angebliche Mangel aus einem Versehcr. dcS Bildhauers beruhen müsse. Wir haben» da diese Frage mit einer fast an das Komische streifen den Lebhaftigkeit in manchen Kreisen erörtert worden ist, uns an den Schöpfer dcS DenkmaleS, Herrn Pros. vr. Siemering. selbst mit der Bitte um Auskunft gewandt und dieser Herr batte die Güte, uns Folgendes zu schreiben: „Einliegende Photographie, zu der Se. Majestät gesessen, mag die Herren belehren. Ergebenst N. Siemering." AuS der beigrsiiglen Photographie, welche König Albert genau so zu Pserde sitzend zeigt, wie er aus dem Siegesvenkmal dargestellt ist. ist er- sichllich, daß Herr Prof. Siemering die Auszäumung des Pscrdeö ganz nach dem lebenden Modell zur Er scheinung gebracht hat, und eS ist dock wohl nicht anzunehmen, daß, wenn Se. Maj. der König zu solchem Zweck zu Pferde steigt, an der Auszäumuug irgend etwas wesentlich Erforder liches vergessen wird. . .- Zur Sedanfeier. k.-^. Da, wie bekannt, in diesem Jahre eine den Festzug unterbrecheute Feier auf dem Marktplatze nicht stattfindeu wird, glaubte der HauptauSschuß den vielfach geäußerten Wünschen: den Zug andere Straße» als bisher pafsiren zu lassen, entsprechen zu sollen, und ihm einen weiteren Weg anzuwcisen. weil doch durch das Wegfällen der Feierlichkeit aus dem Markte mindestens l Stunde Zeit gewonnen würde. Es ward also beschlossen, den Zug vom Augustusplatz durch die Grimmaisckc- und Nicolaistraße, über deu Brühl. Neichs- und Grimmaische Straße, Markt. PelerS- und Weststraße nach dem SchützenhauS zu führen. Nachdem dies bekannt ge worden, erhoben sich voa verschiedenen Seiten Bedenken dagegen; eS ward geltend gemacht, daß der starke sonntägliche Betrieb der Pferdebahn, namentlich aus dem Brühle. empfind licher Störung ausgefetzt sei; daß sür die Träger der ost sehr schweren Fahnen die Anstrengung zu groß sei und daß man den vielen bejahrteren Theilnehmern nicht einen so weiten Weg. vielleicht auch bei ungünstigem oder heißem Wetter, zu- mutben solle; ja einige Vereine erklärten ihre Betheiliguag am Zug zurücknebmen zu wollen. Diesen Bedenken glaubte der HauptauSschuß Beachtung nicht versagen zu sollen und hat daher gestern Abend be schlossen, de» Zug dadurch abzukürzen, daß derselbe sich nicht durch die N colaistraße, über den Brühl und durch die Reichsstraße bewegt, sondcrn vom AuiustuSplatz direct durch die Grimmaische Straße nach dem Markt am Denkmal vorüber geht und bann durch die Peters« und Weststraße da» Schützenhau- erreicht, also einen Weg nimmt, der nicht länger ist. als der bei den früheren Sedausestu» «in, geschlagene. Berichtigend sei noch bemerkt, daß der Festgottesdieust ia den Kirchen der Stadt nicht um 10 Uhr, wie io der Fest ordnung angegeben, beginnt, sondern bereits um S Uhr. Neues Theater. * Leipzig, 30. August. DaS gestern wiederholte hübsche Lustspiel von Julius Rose» „MamaS Augen' konnte auch den Titel führen: „eine Tochter, die ihre Mutter der« heirathet." Einen noch seltsameren Titel hat die gestern zum ersten Male gegebene Novität: „Ich heirathe meine Tochter" von A. I. Groß von Trockau. Di« Schrift stellerin, deren tisherige» Erzeugnisse nuS unbekannt geblieben nd. hat offenbar dramatssche» Talent: dl« AauptsceNb WS Stückes, die zwischen der Tochter und dem vermeintlichen Vater spielt, spricht dafür. Und auch die resolute Manier, mit der sie sich dieser Situation bemächtigt, ohne allzu wählerisch zu sein in der Motivirung, ist sür eiueo Bühneu- schriststcller, der aus momentane Wirkung au-geht, immerhin ein Vorzug, trotz der kritischen Bedenken, welche das Publicum beiseite läßt, wenn eS uur der auf der Bühne vor sich gehen, den Handlung mit Thcilnahme folgt. Was uaö da etwa« breit erzählt wird von dem Later, der sich um sein Kind nicht kümmert, von dem Freunde, der den Tod desselben der Tochter nicht mittheilt, die Pension fortzahlt uud sich so selbst als Vater aufspielt: daS nehmen wir zu Protokoll, ohne uns mit kritischen Glossen aufzuhalten. Wir sehen nur, wie daS Mädchen inS Hau» kommt, den Freund, den sie sür den Vater hält, mit ihren zärtlichen Liebkosungen so erobert, daß er den Vater an den Nagel bängt und dem Mäocheu die Hand für» Leben reicht. Diese Scene ist ganz artig uud soviel wir wissen, auch originell. Fräulein Witt als Alice von Lassen spielte mit einer Unbefangenheit, Munterkeit, temperamentvollen Lebendig keit. die alle« Lob verdient: auch sind die jungen Mädchen dieser Darstellerin nickt bloS über die Bühne sprühende Raketen einer lustigen Feuerwerker«: sie trisst auch den Ton inniger Empfindung. Herr Straßmann al» Ottomar war ein eleganter lebenslustiger Rittmeister und führte uns recht wirksam vor, wie er plötzlich sein Herz entdeckt und auS dieser Entdeckung für sein ganze- Leben Capital schlägt. Frl. Truha (Baronin von Sassen) repräscntirte die freundliche Matrone in angemessener Weise, so daß daS junge Mädchen auf eine liebenswürdige Schwiegermutter rechnen durfte. Herr Rohland al» Johann war eia aufgeweckter Bedienter, der in der fremden jungen Dam« «ne Aben teurerin sieht und sie demgemäß behandelt. DaS Stückchen schien zu gefallen, besonder» di« große Scene zwischen Frl. Witt und Herrn Straßmann. Beide ernteten lebhaften Beisall. Rudolf v. Gotisch all. Musik. ' lH Leipzig, 30. August. In dem feenhaft erleuchteten Garten dcS „Krqstallpalastes" verabschiedete sich gestern Abend die Capelle des 107. Regiments durch ein Concert von dem hiesigen Publicum. ES war ihre letzte Musikspende vor dem Ausrücken in das Manöver. Herr C. Schwerin, der in Vertretung des küaig- lichen Musikdirektors Walther jetzt die Concerte im „Krystallpalast" geleitet hat, hatte sür den Abend rin flottes Programm ausgewählt, dessen Stücke zum größten Theil dem Gebiet der leichten „Unter haltungsmusik" angehörten. Ter erste Theil des Programms brachte zunächst einige elastische Tonwerke, wie daS „tlaceia triumpdnle' aus Beethoven's Ksüur-Loncert, die Ouvertüre zu Weber'S „Oberon" und die Fantasie aus Bellini's leider jetzt aus den Bühnen so selten gegebener Oper „Norma". Mit dem graziösen, elektrisirenden Walzer auS der Millöcker'schcu Operette: „Die Jungfrau von Bcllemlle" schloß der erste Blüthenstrauß musikalischer Genüsse ab. Der zweite Theil begann mit einer schwungvollen Wiedergabe der Ouvertüre zu Wagner's „Tannhäuscr", die wir schon unter Walther's Leitung ost von der Capelle mit Feuer und begeisterter Hingabe an die In tentionen deS Tondichters haben spielen hören. Unter den übrigen Coinpositioncn ragten, abgesehen von Schubert'S elastischem Liede „Am Meer', besonders „DianaS Jagdrus". ein Charakterstück von Arndt und der zum Schluß gespielte Marsch von G. Weigand hervor. Der letztere war übrigens eine Novität, die sich glücklich bei dem Concertpublicum deS „Krystallpalastes" eingeführt hat. DaS Marsch thema ist flott und glücklich durchgearbeitet. Auch ein Trompeteasolo war auf dem Programm verzeichnet, eine Walzer-Arie von Benzano, mit deren Wiedergabe Herr Trostorf betraut war. Wir werden nun eine Zeit lang aus die musikalischen Gaben unserer wackeren „107rr" verzichten müssen und wollen nur wünschen, daß wir ihnen nach deu Manövertageu in alter Frische und Kraft wieder begegnen. Martin von Wagner's Walhallafries im Lu iistverein. Seit einigen Tagen befindet sich im vordersten Saale de- Konst- verein- die pholographilche Lichldruckwiedergabe des berühmten FricseS ausgestellt, welchen der Maler - Bildhauer Martin vo» Wagner im Aufträge König Ludwig I. für die Walhalla bei NcgenSburg schuf. Ueber den in dem Pracktraume der Walhalla ringsherum lausenden beiden Büsteureihen der „Walballagenossen" zieht sich dieser ia carrarischem Marmor anSgesührte etwa 1 Meter hohe Fries meiner Länge von 42 Metern hin und stellt, in acht Felder ge- theilt, Sceaen anSdemLebeoundder Geschichte der alten Deutschen bis zur Einsührnng des Christen- thumS dar. Die hier in einer Folge von 65 Blättern aus gestellten Lichtdrucke sind nicht nach dem in der Walhalla befind- lichen Originale hergestellt, wohl aber oach dem im Besitze deS von Wagner'schen Kunst Instituts in Würzburg befindlichen Origmalmodellc. Es wird vielleicht sür Manchen von Interesse sein, wenn hier einige erklärende Bemerkungen zu diesen Scenea mitgetheilt werden. Die Schilderung beginnt mit der Einwanderung der Deutschen ouS dem Kaukasus. Das Bild der Einwanderung beginnt in der Walhalla über den Thoren. Die Deutschen sind in vollem Zuge gegen die Donau. Voran Krieger zu Roß und zu Fuß, trotzige, schöne Gestalten. Zwischen ibuen und den folgenden Hirten siehr man Frauen und Kinder zu Fuß und auf Karren. Die Krieger setzen theils über, theils kämpfen sie mit Ur, Bär und Eber. Hinter dem Zuge ragt fern im Osten (durch Aurora versinnlicht) der Kau kasus. Im ersten Felde der linken Wand sind Religion, Kunst und Wissenschaft unserer Altvordern dargestellt, prophetisch mysti- scher Opserdienst; eine aus dem Blute des unter der heiligen Eiche geschlachteten RosseS wahrsagende Priesterin; Druiden lehren Sternkunde und den Gebrauch der heiligen Mispel; ein Barde singt zur Tclqn Heldenlieder; Künstler fertigen Schilde; Jünglinge führen den Schwecttanz aus. DaS Mittelseid links schildert das öffentliche Leben. Eine Volksversammlung in der Mitte erkürt den Herzog; Herolde verkünden seine Wahl; Krieger heben ihn aus den Schild. Eia Herrscher übt da-Richteraml; eine Volksgruppe tauscht mit Phöniziern Baien. Perlen und GlaS gegen Bernstein ein. Die nächsten vier Wandselder verewigen vier siegreiche Kämpft der Deutschen gegen die Römer. DaS dritte Wandield links nämlich schildert den Einsall der Cimbern uud Teutonen in Italien 113 v. Chr. unter Teutoboch, augelockt durch die von ihrem Landsmann Heliko gezeigten Erzeugnisse des Südens. Bojorich überwindet den Scaurus. PapirieS Carbo wird von den Cimbern bei Noreja geschlagen. Im gegenüberliegenden Felde an der rechten Wand ist Schlacht am Rhein 69 u. Chr. unter deS Bataver- Claudius Civilis Ausührunq dargestellt. Die Alrune Belleda begeistert die Krieger. Die Deutschen stürmen da» Lager bei Tanten, bringen Gesaugeue und Beule zur Seherin; eine Gruppe greift die Rheinschiffe an. Hieraus solgt die Völkerschlacht bei Hadrianopel 378 nach Chr., welche die Hunnen und Alanen ge- mcinsam mit Deutschen gegen die Römer schlugen, uud in welcher der ÄogustuS Valens blieb. Sein Name steht auf einem Schilde unter den Waffen und Feldzeichen, die von den Siegern auigehäust werden. Brennende Gebäude und fliehend« Frauen bilden den Schluß de- Bilde-, DaS letzte der vier Echlachteabilder zeigt die Eroberung RoulS durch deu schon christlichen Alarich unter Honorius 410 nach Chr. Alarich empfängt die Huldigung der knieeadea Roma, die ihm die ReichSiasignien übergiebt. Krieger wägen das aus der Stadt herbeigebrachte Lösegeld ab. Den Schluß der Darstellungen bildet die Einführung des ChristenthumS unter Bonisacius. Ec er scheint die heilige Eiche fällend und die Lhristuslehre mit Begeiste- rung predigend dem ia schönen Gruppen ihn umstehenden Volke. Ein Jünger de» Apostels predigt einer Gruppe zechender Jäger. Der dann solqeudeu Taufe entziebea sich zwei Häuptlinge im Kahn- vom User stoßend. Ja diesem Schlußrelies haben auch Wagner und seine Gehilfen Pettrich nab Schöps ihre Selbstbildnisse angebracht. Ueber zehn Jahre bi- zum Jahre 183? hat der Meister ans die Modelliruvg die,eS Friese- verwendet und damit eia Werk geschaffen reich an lebendigen und tiesaedachteu Compositwnen. Wagner strebt darin, wie ia allen seinen Werken, überall nach Charakteristik und Individualität und geht schon de- dargeftelltea Gegenstand«- wegen mit einer gewissen Absichtlichkeit den elastischen Typen au- dem Wege. Aber auch da- kann dem Betrachtenden nicht eutgehea, daß bei Wagner Lomposition vud Charakteristik bi« »a einem gewissen Grad« de« Naiven rntbehrru, de- zufällig und selbverständlich Er- scheinenden entbehre», dafür aber nicht selten »eben dem »esnchtcn eia Zuviel vo» «»«sühruag und Detail zeige». Damit soll jedoch keiae-weg- gesagt sei», daß nicht die Betrachtung de« Friese- sowohl «ft der hier au-gestelltr» Wiedergabe, desselben eine» bohr» Kunst, gruuß gewährte». Adgls Weitk«.
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