Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188809066
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880906
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-09
- Tag1888-09-06
- Monat1888-09
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1888
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
S37Ü Lachse». * Leipzig. 5. September. Seit dem vorgestrigen Montag ist Herr Geheimer ReaierunaSrath Amtshauptmann Dr. Platz mann von seinem Urlauß zurückgekehrt und hat die Leitung der Geschäfte der königlichen ÄmtShauptmann- schast wieder übernommen. LciSnig. Bor einigen Tagen besichtigte hier Se. Excellenz Herr I)r. von Stephan in Begleitung de- Herrn Ober- postdireclor Walter au- Leipzig unter Führung de- Posl- directorS Lippe die zum Neubau eines Postbausr» vorge» schlagenen Bauplätze Wie c- scheint, hat daS Project. einige Häuser der Ostgaffe anzukauseu, die meiste Aussicht zur Durchführung. Chemnitz, 4. September. Bekanntlich wird in unserer Stadt alljährlich im Monat Juli eine Zählung der Be völkerung behuf- Erhebung der Wassersleuer vorgenommen Nach den in diesem Jahre eingehobenen Listen belief sich, wie schon mitgetheilt, die Bevölkerung von Chemnitz aus 127 l23 Einwohner. Erfahrungsgemäß enthalten aber jene Liste» mehrfache Unrichtigkeiten. ES werden dieselben daher im Meldeamt in Bezug aus ihre Richtigkeit geprüft. Nach dem Ergebnisse dieser Prüfung betrug die Bevölkerung von Chemnitz Mitte Juli 127 588 Einwohner, auf welche obige Ziffer somit zu berichtigen ist. * Crimmitschau, 4. September. Bon Seiten der königlichen KreiShauptmannscha st Zwickau wird durch gestrige Bekanntmachung daö in der Nacht von, Freitag rum Sonnabend hier verbreitete svcialistischc Flugblatt ver boten. — Die königliche Amtshauptmannschast veröffentlicht die Namen der aus Grund der Ministcrial- Berordnung Maßregeln rum Schutze gegen die Trichinen- Irankhcit. betreffend, verpflichteten Fleischbeschauer und sind dies 58 Personen, darunter 1 Frau. s Plauen, 4. September. Se königl. Hoheit der com- rnandirendc General Felomarschall Prinz Georg traf heute Abend 8 Uhr 53 Min. mit dem fahrplanmäßigen Courierzug aus dem hiesigen obere» Bahnhose ein, wo Höchstderselbe von den Herren Oberbürgermeister Kuntze und Amtöhauptmann Frhrn. v. Welck aufs Herzlichste begrüßt wurde. Ferner Waren zur Begrüßung anwesend die Generäle v. Hollcben genannt v. Nvrmann, Excellenz, und Lommatzsch, sowie mehrere andere hohe Ofsiciere. In Begleitung Sr. königl. Hoheit befanden sich der Chef deS Generalstabes General- ma>or Edler v. d. Planitz und der Ossicier vom General kommando Major v. Stieglitz. Se. königl. Hoheit wurde von der zahlreichen Volksmenge sowohl am Bahnhose, als aus dein Wege nach dem Absteigequartier, Deil'S Hotel, lebhast mit Hochrufen begrüßt. Slrchla. Der diesjährige Lorenzkirchner Jahr markt hat wiederum einen erheblichen Rückgang gegen daS Vorjahr z» verzeichnen. Rinoer und Pferde waren 1035, also 143 Stück weniger als voriges Jahr, ansgetrieben. Kleine Schankzelte waren auch in bedeutender Anzahl weniger am Platze, ebenso wie Fieranten erheblich weniger erschienen waren. Trotzbcm daß der Besuch vcS Marktes ein ausge zeichneter war, war da« Geschäft aus dem Biehmarkte nur leidlich, aus dem Krammarkte jedoch schlecht, und viele der Fieranten klagten über daS schlechte Geschäft, daS nicht in Einklang zu bringen sei mit dem aus dem Lorenzkirchuer Markt üblichen hohen Slättegclde und den sonstigen Unkosten. Großenhain, 3. September. Heute, zum Viehmarkt, Vormittag gegen 11 Uhr kam ein wüthend geworbener Bulle die Straße von Naundorf hereingerannt. DaS Thier war mit Maske versehen und auch geknebelt, die Fülircr mochten aber die Leine verloren haben. Zunächst riß der Bulle den Obststand der Frau Baßkönig auS Ortrand um, zertrat mehrere Körbe, ohne aber die Hökerin zu beschädigen, rannte dann, sich nach dem Rahme,iplatz wendend, an einen GaLcandelaber so an, daß die Laterne zu Boden stürzte; dadurch aber, daß daS Laterncnrohr genügend widerstand. Wurde größeres Unheil abgewendet, da- wüthende Thier wäre sonst direct in den Schweinemarkt unter Käufer und Verkäufer gerathen; so aber durch den Anprall wandte sich dasselbe mehr nack links und rannte direct auf daS Paul'sche HauS zu, dessen HauSthür eS zertrümmerte und wo es mög- lick war, dasselbe in Gewalt zu bekommen. Es ist ein Glück, daß der in Wahrheit „finstere" Weg de- Bullen sich nicht in die belebten MarktverkchrSstraßen richtete, er hätte gräß liches Unheil vollbringen können. — Ein Weinbergsbesitzer auS dem Spaarqebirge bei Meißen, Herr Püschel, erklärte, daß der Wein in der dortigen Gegend als „gutstehcnd" bezeichnet werden kann. Daö günstige Wetter der vergangenen 4 Wochen — wir haben hintereinaiHcr einmal 9 Tage und dann 8 Tage Sonnenschein gehabt — hat den Wein recht vorwärts ge bracht. Wenn diese Witterung anhält, dann steht eine leidlich gute Ernte in Aussicht. Auch ist der Wein gut durch die Blüthe gekommen und deShalo haben wir einen „gleich mäßigen" Traubenbestand, speciell in unseren (Spaarer) Weinocrgen werden wir viel Tafeltrauben erzielen. Die einzelnen Beeren haben sich gut entwickelt und stehen in reicher Auswahl. Meißen, 4. September. So wie im vorigen Jahre veranstaltet die königliche Porzellan-Manusactur auch in diesem Jabre eine össenlliche Versteigerung we,ßer. blauer und bunter Gebraucbsgegenstänve aller Art in 2. Wahl. Die Versteigerung findet an alle» Wochentagen vom 10. bis mit 29. September Vormittags 9—12, Nacb- mittaqS 2—4 Uhr statt. Da die Gegenstände 2. Wahl, kenntlich an zwei Einritzungen durch die Kurschwerter, nur wenig auffallende Fehler zeigen, dürfte auch diesmal der Anvrang zu de» Auktionen ei» bedeutender sein. Besonder- haben die vielen hier verkehrenden Fremden Gelegenheit, sich ein Meißner Angedenken aus billige Weise erwerben zu können. Die erstandenen Gegenstände werben selbstverständlich nur gegen sofortige Bezahlung verabfolgt. — Glücklicherweise ist daS Eisenbahnunglück, daS sich am Sonntag Abend aus dem Berliner Bahnhof in DreSden-Friedrichstadt zutrug, viel gnädiger abgelausen, als man für den ersten Augenblick annehmen mußte. Aus Grund von an Ort und Stelle zuverlässig eingezogenen Erkundigungen ist Folgendes mitzulheilen: Wobl sine 7 Per sonen verletzt worden, indeß erweisen sich sämmtliche Ver letzungen als leichte. Ein in Dresden wohnender Uhrmacher erlitt starke Hantschürsungen und mußte gleich einem Mädchen, daS infolge der Katastrophe einen OhnmachtSansall bekam und sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hat, nach dem Statt- krankenhausc tranSportirt werden, au« welchem sie aber bald als geheilt entlassen werde» dürsten. Noch am Abend konnte der Genannte seinen« aus der Schloßstraße wohnenden Vater melde», daß er außer aller Gefahr sei. Bei den 5 anderen Personen (4 GewerbSgehilsen und 1 Dienstperson) sind kaum neirneiiSwerthe Verletzungen zu verzeichnen; mehr durch den Schreck als die Folgen VcS UnglnckssalleS blaß geworden, ver mochten sie den Weg nach Hause ohne jegliche Hilfe zurück zulegen. Bald nach erfolgter Meldung der Katastrophe er- schienen zwei Aerzte deS StadlkrankeiihanseS aus dem Perron. Bereits gestern Vormittag >1 Uhr war keine Spur mehr von dem Zusammenstoß zu bemerken. Im Uebrigen hatte die Maschine nur ihre Puffer verloren, 1 Wagen war mit den Vorderachsen entgleist und an 2 Wagen waren die Puffer ebensall» abgebrochen und die Wände eingedrückt worden. Aus Grund bester Information ersakren wir über da» Unglück Folgende-: Infolge falscher Wcichcnstcllung fuhr der Naun« dorser OmnibuSzug 9 Uhr 45 Min. aus ei» Nebengleis, da von einem Rangirzuge besetzt war. Ursprünglich halte die betreffende Weiche richtig gestanden. In der Meinung, rin ertönende- Locomotivsignal deute aus Falschstellung der We che, «ag der Wärter noch in letzter Minute sich veranlaßt gesehen Galwn, die Weiche zu verrücken. (P. A.) Königliches Landgericht. Serien-Strafkammer 0. I. Die gegen de» Handarbeiter Karl Otto Pfund au- Ltudenau erhobene Anklage brtras da- in 8 178, 3 deS R.-St.-Ges.-B. an- gegebene Verbrechen und wurde unter Ausschluß der Oeffentlichkeit verhandelt. DaS Resultat der Verhandlung war die Verartheilung de- Angeklagten (unter Annahme mildernder Umstände) zu 1 Jahr Sesängatßstrase und 2 Jahren Verlust der Ehrenrechte. II. Di« Äuswärterin Louise Franziska Friederike Lauge aus Ihonberg, wegen Diebstahl- bereit- rückfällig, hatte in ihrer Stelling elurr Frau i» der Ritterstraße einige Wäschestücke entwendet, deren Werth kein erheblicher war, weshalb de»n auch da- Gericht mildernde Umstände annahm und die Angeklagte zu 7 Monaten Besäng- nißstrase und 2 Jahren Leilust der Ehrenrechte »erurtheilte. III. Der Handarbeiter Paul Max Richard Frey au- Rieder- sriedertdors, bereit- mehrfach bestraft, hatte einem ehemaligen Schul kameraden tu der Gegend von Pegau, den er ausgesucht, vorgeschwindelt, daß er einen Gasthos gekauft habe, momeutau aber keine genügende Baarschaft bei sich trage u. s. w. und daher dem Bekannten, einem Fleischer, 20 abgelockt unter dem Versprechen, diesen Betrag bei der Rückkehr bezahlen zu wollen. Wer natürlich uicht wiederkam, war Frey, welcher daher wegen RücksallsbetrugS aater Au-schluß mildernder Umstände zu 2 Jahren Zuchthaus- und 200 ./t Geld-, event. weiteren 20 Tagen Zuchthausstrafe und 2 Jahren Veilust der Ehrenrechte verurtheilt wurde. Der Gericht-los bestand au- den Herren Laudgericht-director Sieber <Präsid.), Laudgericht-rätben Metsch, Giuber, v Sommerlatt l. und Assessor Hehler; die Anklage führte Herr StaalSanwalt Meißner. IV. Gegen den Schmicdcmeister Ernst Richard Herrmann auS Sonnewitz, zuletzt hier wohnhast, war Anklage wegen Untreue erhoben worden. Herrmann, welcher seit dem 7. Juni 1882 Vor mund für seine Schwägerin, Anna Marie M., jetzt verehel. G, und seinen Schwager, Max Alfred M., war. war beichulrigt, absichtlich zum Nachtheile seiner Mündel gehandelt zu haben, indem er aus dem Vermögen der Ersteren einen Betrag von 128 ^l 78 /H, auS dem de- Letzteren einen Betrag von 604 71 sür sich ver- wendet hatte (Vergehen gegen tz. 266, 1 deS R-Slr.-Ges..Buchs). Zunächst hatte H. sich m» Genehmigung deS BormundschastSgerichls aus deni Vermögen seiner vo» ihm bevormundeten Schwägerin im Februar 1887 500.^1 auSzahlen lassen, um cineAiisstattnag sür dieselbe zn besorgen. Außerdem hatte er noch im Jahre 1887 Zinsen und einen Lapstalrest von der vorjährigen Rechnungsablegung in Ein nahme zu stellen. Die nachgcwicsene» Ausgabe» difsernten aber um den Betrag von 128-4l 78 H. behauptete, daß ihm sein Mündel Kleidungsstücke uud Schmuckgegeiistände seiner verstorbenen Ehefrau obgekaust habe und er daher mit der ihm sonach zustchenden Forderung an sein Mündel coinpensirt habe. Auch habe ihm der Möbelhändler G., bei welchem er die Möbel für seine Schwägerin getauft habe, eine Provision sür den Kaussabschluß versprochen. Auch diese Provision glaubte Angeklagter gleich von den ihm ousgeaistworiele» Geldern kürzen zu könne». Die Einnahmen sür sein Mündel Max M. pro Jahr 1887 bettele» sich aus 685 51 /H, welchen eine nachgewieiene Ausgabe von 60 80 gegenüberstand. In der Hauptsache handelte es sich um 500 wrlche H. sich im Frühjahr 188? vom BormundschastS- gericht halte aushändigen lasse», um den Aufwand sür sein Mündel, welcher aus einige Monate aus die Husbrschlagsschule nach Dresden beschickt werden sollte, zu bestreiten. Der Schmiedelehrling M. kam ledoch nicht aus die Huibeschlagsichule. Gleichwohl gab H. daS Geld nicht drm VormundichasiSgcricht zurück. Als dann im Januar 1888 der Concurs über H ausdrach, war er nicht mehr im Stande, die 500 au- seinen Mitteln zu-ückzuzahlen. Allerdings hat H.'S Vater Ersatz geleistet, indem dieser die 500 ^l an das Vormund- schaslsgericht wieder einzahlte. Zur Verhandlung waren eine große Anzahl Zeugen geladen. In der Hauptsache widerlegten die Belastungsz-uge» die Vielsachen Ausflüchte, mit denen H. sei» Verhalten rechnerligen wollle. Die Lntlastung-zeugen wußten überhaupt N chts anzugeben; eS wurde auch aus Abhörung eine- Dheiles derselben von der StaaiSanwalt schaft und der Bcrlheidigung verzichtet. Nach Ostündiger Verhandlung wurde das Urtheil dahin verkündet, daß H. wegen Untreue in einem Fallt zu 8 Monaten Gesäng- niß (unler Anrechnung von 2 Monaten erlittener Untersuchungs haft) und zu 2 Jahren Ehrenrechtsverluft verurthe lt werde, dagegen vou der Untreue im anderen Falle sreizu'prechen sei. Der Gerichtshof bestand aus den Herren Landgerichts-Director Sieber (Präsid.), LandgerichtS-Rätben Metsch, Giuber, Höffner und Ass.ssor Heßler; die Anklage führte Herr SiaalSanwattschasls. Aiiessor Dr. Groß, die Beriheidigung Herr Reser. Dr. Wachtel (Rechtsanwalt Tix). Atrien - Strafkammer 6. Proceß Schulze-Heinisch. Wegen Beleidigung der Richter der IV. Strafkammer des hiesigen königliche» Landgerichts hatten sich am 29. Juni er. der Schriftsetzer Earl August Schulze und der srüherc Schriftsetzer jetzige Redakteur des „Wähler", eia socialdcmokealiches Blatt, Ernst Alois Heinisch, vor dem hiesigen königlichen Schöffengericht zu veranlworken gehabt und waren zu je 6 Wochen Gesängniß verurtheilt worden. Der Thatbestand ist nach dem Eröffnungsbeschluß folgender: In Nr. 44 des „Wähler" erschien rin Artikel, in welchem über die am 26. Mai stattgefundeiie Haupiverhandlung in der bekannten Flugblätter-Affaire berichtet wurde. DaS Reserat begnügte sich jedoch nicht mit dem Gange der Ver- Handlung selbst, sondern unterzog auch daS Verhalten des Gerichts hofes während derselben einer Kritik, welche in gehässigem Tone gehalten und »ach Form und Inhalt beleidigend war. Tie königl. StaalSanwalischast erblickte nun darin daS Vergehen gegen 8- 186 des R.-Sir Gcs.-B. und leitete die Strafverfolgung gegen die beiden Obengenannten ein. Es wurde im RedaclionSlocal deS „Wähler" eine polizeiliche Haussuchung vorgenommen, bei welcher sich denn auch das Manuskript des incriminirten Artikels Vorland. Durch dasselbe wurde Schulze als Versasser ermittelt und daraushin Beide unter Anklage gestellt, Heinisch in seiner Eigenschaft als veranlwort- lichcr Redakteur. Schulze bekannte sich als Verfasser des Artikels, wenigstens i» der Hauptsache, wen» auch einige Sätze daran von Heinisch geschrieben worden sein sollen. ES machte sich schon damals ein umfangreiches Zeugenverhör nothwendig, denn die Angeklagten erboten sich, den Wahrheitsbeweis für ihre Behauptungen anzutreten. BehusS dessen beantragte Schulze Ver tagung der Verhandlung zur Vorladung weiterer Zeugen, jedoch lehnte daS Gericht die- mit der Begründung ab, daß we geladenen Zeugen aus beiden Parteien gleichmäßig gewählt seien und daß übrigens die event. zu ladenden Zeugen über die Tendenz des Artikels, die Absicht der Mißachluna, woraus es bauplsächttch »»kam, kein Urtheil haben könnten. Als Zeugen waren damals die Herren Oberstaatsanwalt Häntzschel, Polizeiwachtmeister Förstcnbcrg, Rechts anwälte Melos und Gustav Hosmann und Reserendar I>r. Wachtel (die letztgenannten zwei Herren hatten im Socialistenproceb als Verlheidiger sungirtj anwesend. Der Herr Oberstaatsanwalt wies in der Verhandlung das Grundlose der von den Angeklagten aus gestellten Behauptungen biS zur Evidenz nach und constattrte auch, daß bisher stets in socialisttichen Blättern, wenn eine Veruriheilung von Parteigenossen erfolgte, den Richtern der Vorwurf der Parteilichkeit gemacht worden sei. Auch Herr Rechtsanwalt MeloS, sowie Herr Dr. Wachtel vermochten die Ansicht der Angeklagten über ein angeblich formwidriges Verhalten des Gcrichtehoss nicht zu theilen, ebenso wie Herr Eriminalwachimeister Försttnberg. Aus Grund alles dessen erfolgte die obcnqedach.e Beruriheilunä wegen Beleidigung im Sinne von 8- 126 des R.-Sir.-Ges.-B. Der Geriehts- hos hatte in den angezogencn Stelle» daS Vergehen der Beleidigung amtirender Richter, denen die Verletzung ihrer Pflicht vorgeworse» werde, erblickt; die Herabwürdigung eines Gerichtshofes, der über den Parteien steht, die Oeffentlichkeit der Beleidigung, sowie der gehässige Ton, in dem dieselbe gehalten, hatte man als slras- erschwerend in Erwägung gezogen. Außerdem wurde aus Publikation des Uribeils nach erlangter Rechtskraft im „Wähler" und im „Leipziger Tageblatt", Vera chtung iämmilicher etwa noch vorhandener Exemplare von Nr. 44 des „Wähler" und Einziehunq der Platten erkannt. Dies ist derSachverhali nach ErSsfaungsiicschluß und Urtheil des kgl. Schöffengerichts. Gegen dieses Erkcniitniß hatte» beide Angeklagte Berufung eingelegt, allerdings ohne jeern Erfolg, denn, wie wir bereits Millheiltcn. wurde die Berufung verworsea und den Angeklagten die sämnitlichen Kosten nebst Auslagen beider Instanzen auserlegt. Zur Begründung ihrer Berufung sühnen die Angeklagten eiwa Folgende- an: Sie hätten in dem incriminirten Artikel nur Thalsachen behauptet, die an sich nicht als Beleidigung gelten könnten; wenn allerdings zwischen deu Zeilen gelesen werde, so sei die« nicht ihre Schuld. Sonst könne ihnen auch daraus kein Bor- wurs gemacht weiden, denn sie hätten lediglich in Wahrung berech tigter Interessen gebandelt. Sie hatten zar Verhandlnng drei weitere Zeugen (politische Gesinnungsgenossen) vorladen lassen. Einer derselben war selner Zelt ta dem erwähnten Processe selbst mitan- geklogt, die anderen beide» hatten der Verbandlung als Zuhörer beiqewobat. Diele neuen Zeuge» sollte» dir Nichtigkeit der vo» den Angeklagte» ansgesttllle» Behauptungen beweise»; sie vermochte» dies jedoch t» keiner Weise, denn st« gaben kdtglich ihrer persönliche» Meinung Ausdruck, ohne hierfür greifbare Beweise erlegen zu können. Sonach wurde da- Rechtsmittel verworfen, wobei sich der Gerichtshos in der Hauptsache dr» Ausführungen des königliche» Schöffengerichts aaschloß. Vermischte«. — Friedrichroda, 3. September. Die herrliche Natur hiesiger Soin in erfrische lockt von Jahr zu Jahr zahlreichere Besucher aus nah und fern herbei. Eö sind aber nicht blos die Schönheiten der Umgebung, welche da- Leben hier so be haglich, da« Dasein „procal noxotiis", fern von Geschäften, so gemüthlich machen, e< ist namentlich auch die wachsame und werkthätige Sorgfalt deS unter der Leitung de- Herrn Medicinalrath Keil, der jüngst in großer Rüstigkeit sein fiebenzigstc- Jahr vollendet har, stehenden Bade-Comitbs, die in geradezu mustergiltiaer Art und Weise altes Gute zu er halten und neue« Bessere unermüdlich zu schaffen versieht. Daß diese segensreichen Bestrebungen auch auswärts Aner kennung finden, kann nicht ausbleiben. So ist dieser Tage dem Bade-Comits eine sehr hohe Auszeichnung zu Theil ge worden. Im Anfang Juni d. I. erging an dasselbe von dem Coinitü der Internationalen Ausstellung für Hygieine und Nettungöwcsen zu Ostende die ehrenvolle Aufforderung, seine Broslbüren, Prospekte, Ansichten, Karten. Verordnungen, Formulare dorthin zu senden, welchem Wunsche gern und sofort entsprochen wurde. Hierauf empfing daS hiesige Bade Comits in diese» Tagen von dem dortigen AuSstellungö-Comilö die sehr erfreuliche Nachricht, daß demselben daS Diplom der goldenen Medaille, die höchste Auszeichnung, gewährt wor den sei. — Blankenburg i. Thür. Vor Kurzem ist auS dem Frcmdenbuche aus der Ruine Greifenstein ein Blatt, aus welchem eine hübsche Zeichnung und ein kleines, sinnige- Ge dicht sich besanve», hcrauSgerissen und entwendet morden. Der Thater, ein Schauspieler äuS Berlin, wurde in Ilmenau sest- genvmmen und dem dortigen Amtsgericht zugesührt; er hat eine nachdrückliche Bestrafung zu erwarten. Der Eremit von der Pleistenburg. Bo» K . . . . Es war ein herrlicher Septembertag des Jahres 1783. Durch eine der kleinen Gassen der ehrwürdigen Universitälsstadi Leipzig schreitet geduckt eine kleine unansehnl,Le Gestalt. Di ' klugen milden Augen, die klare Stirn, welche trotz des vorgerückten Alters von dichiem. ungebleichtem Haar umrahmt ist, deute» aus de» Mann der Wissenschaft, der mit altvätcrncher Form da und dort em be kanntes Gesicht grüßt und so seinem hochgelegenen, einsamen Heim zuwandert. Hoch über dem Treiben der wechselnden Menge, im Thiirmhauie der alten Pleißen burg treibt Lee Alle ei» halbes Säculum hindurch sein stilles, zufriedenes Wesen und schaut gar ost »bcr den Thorweg mit sreundlichen, Gesicht herab »ach der Prome nade, auf der sich ein buntes Durcheinander von früh bis Abends bewegt. Ja der Thurmstube ist eS still, und hinter ihr bleibt der Lärm und das Gewoge deS LebenS. Durch die offenen Fenster blickt der blaue Himmel herein; aus der Brüstung des einen, im Sonnenschein girrend, sitzen die Dauben, die in diesem Raume willkommene, ungestörte Gäste sind. Zwei alte gepolsterte Stühle, ein einfaches Schreiöpult, bedeckt mit Büchern und Scriptlire», rin Primi: ver Pupicrlorb, rin Regal mit Gläsern und Flaschen, dazwischen die vielgebrauchte Stndirlanipe, ein Büchergestell und ein Kanavee — daS zusammen ist die Zimmereinrichtung der wellsernen Jungqesellcrwohnung. Am Bode» liegt eine ausgeschlagene Kiste mit allerhand Scharteken, im Hintergründe singt die vom Rost benagte Theemaschine ihr trauliches, brodelndes Lied; an der vom Rauch geschwärzten Wand hängt ein längst vergilbter Lorbcerkranz mit seidenem Bande — ein verstaubter, welkender Zeuge schönerer, vom Sonnenglanze der Jugend vergoldeter Tage. Und in diesem Still leben steht der alte Cmdidat und merkt nicht, wie die Dämpfe des bereits kochenden Wassers ans der Theemaschine aussteigen, und wie die weiße Taube zu seinen Füßen nach dem gewohnten Futter sucht. Angethan m t Lein langen, grauen Schlafrock, die Hobe Hausmütze aus dem Kopse, steht er sinnend da und prüft mit ruhiger Ueber- legung, was er soeben gelesen. Nun klappt er da- Buch zu und tritt an das offene Fenster, durch daS sitzt der Wind rauscht, der die dürren Blätter des vergilbten Kranzes erfaßt und ein leises ge- heimnißvolles Rauschen verursacht. Der Alte lächelt. Süße Er innerung! ES war eine schöne Zeit, als er, jung »nd lebensfrisch, die strahlenden Lampen über sich sah, die herrlichen Kerzen des be rühmten Gewandhauses da unten t» der Stadt, in welchem er als Eolosängcr manch schmelzende- Lied vor der lauschenden Menge lang. olS der Beifall de- Hauses ihn belohnte und er de» Lorbeer empfing, der, nun verdorrt, auf die Bescheidenheit seines Meisters zuiückivcist. Wie soniiendurchleuchtct ist heute der TagI Einereine, älherklare Luft weht ihn an, und er athmet sie mit innigem Be hagen rin; sie gemahnt ihn an den Waldeshauch seiner lang ent behrten thüringischen Heimath. O, du liebuch frische Idylle im freundlichen väterlichen Forst- hause! Es ist schon lange her. Tannendurchrauschte, waldeinsame Jugendzeit — wer dich noch einmal durchleben dürste I Die grünen Bäume umschaiteten das Elternhaus und sahen de» lustigen Knaben im Kreise der Gespielen. Des BaterS Büchse knallte im nahen Forst, und die Mutter saß vor der braunen Thür, über der da- Hirsch gewcih prangte, und hielt den Strickstrumps in der fleißigen Hand — aber es war vorbei! — Tan» kam er, ein blutjunger Bursche, nach dem gaffe,i- und giebelrcichc» Leipzig, ans das Alumnat der alt- ehrwürdigen Thomusschule und sehnte sich — wie bald schon — aus Leni Staube und Dunst der Mauern nach seinem Walde zurück. Auch das ward überwunden. Er bezog die Universität. Zn den Füßen der Gottesbelahrtheit saß er, und eines TogeS, er erschrak säst über die praktische Wendung, die sein Leben nun nehme» sollte — eines Tages stand er an der Schwelle eines geistlichen Amtes. Forschen, ringe» und erkennen, das wir ihm innerste- Geistes- bedürsiiiß — aber frei, ungezwungen. Ter Tag, an welchem er die Antritt-Predigt ballen sollte, war erschienen. Er betrat die Kanzel, unicr ihm saß die andächtige Gemeinde; Orgclton und Kirchenlied war verklungen. Seine eigene Stimme kam ihm so seltsam vor, so laut und doch so unsicher; er sühlle, daß Das. was er sagte, nicht seine iiesinnerste Ueberzeugung war — die Pulse jagte» ihm schneller, sein Denken verwirrte sich; er verlor den Faden der Rede »nd deckte mit einem improvisirtt » Schluffe nur noiddürstig den Rückzug. Er bestieg die geistliche Rednerbühne nie wieder, sondern widmeic sich den Arbeiten eines TorrectorS. Seitdem lebte er oben in der einsamen Thurm stube und laS Jahrzehnte hindurch gelehrte Werke, die Producte erlauchtester Geister, die zu ihm hinausftcigen, noch ehe sie die Welt in Aufregung versetzten. Noch steht ec am Fenster und träumt von Thüringens Waldlush vom lustigen Studentenleben. Endlich tritt er zurück ins Zimmer und während er dem damvseiidc» Kochapparate sich zuwendet, summt er eine Arie aus einem Oratorium vor sich hin. Ja, Musik und Gesang war in jungen Jahren seine Freude gewesen, und sie war ihm lieb geblieben. In der laiiiicndustigen Heimath hatte er das Singen gelernt von den lustigen Vögeln der Wälver und von der langeSsröhlichc» Mutter. Einst trug er einen ganzen Reichthum in seiner Kehle, ohne eS selbst zu wissen. Magister Reinhardt hatte eben seine Schatzkammer, deu alten Schrank in der Ecke, geöffnet, um das Fläschchen Wein herbeizu- hvlcn, von dem ihm ein Freund auS Meißen eine kleine Sendung zui» Präsent gemacht hatte, als polternde Tritte sich aus der knarrenden Treppe hören ließen. „Wer mag cs sein", sagte er halblaut vor sich hin, die Tuch Mütze weiter über die hochgrwölbte Stirn hinausrückend. Dabei warf er den Tauben, die durchs Fenster ein- und auSslogeu, einige Semmelkrümchen zu. DaS geflügelte Volk gurrte und zankte „Das macht's wie die Menschen, Keines will dem Andern den größeren Bissen gönnen, 's ist doch traurig, daß überall die leidige Selbstsucht wallet. Die Leute da unten nennen'- den Kamps ums Dasein." Ein lautes Klopsen an der Thür erfolgte. „Nur immer Hereins" Der gewöhnliche Besuch, MusikuS Triller, tritt ein. Der Mann »n blauen mit blanken Knöpfen besetzten Frack kommt eben aus Bolen'S Garten, wo daS sogenannte Salzkuchen, concert stattgesunden hat, bei welcher Gelegenheit sich die Philifter- welt der alten L psia zusammenflndet. „Ein schrecklich r Tumult vor dem Peter-thor", begann Triller, den schweren Bambus in die Fensternische lehnend. „Hnil" brummte Reinhardt, was bal's denn wieder gegeben?" „Wie gcwöhnlich. Tie Herren haben wieder einmal wegen der breiten Steine -rakehl gehabt und dem alten Büttner, der den Posten vor Gewehr hat, den Strickstrumps weggenommen." „Nichts Neoesl" ries der Magister, eia zweite« SlaS herbei- boleud. „Die Ferien find sttr Viele zum Schaden, von Jena yört man sehr ost, daß dort dir Ziegenhainer ganz gewaltig in Anwradnna komme, solle», vor drm Earcer giebt's keine Furcht, «d dt« Strafpredigt vom Katheder herab wird gar nicht beachtet. »beider", erwiderte der bis z»r Halsbinde obgesteiste Mnsikus, tzer die Aussicht genoß, bet drr nächsten vacanz mit der Eapell- «etstersirlle d«< Stadtorchesirrs gekrönt zu werden. „Jngend ha« nicht Tugend k" dehnte Reinhardt. „Und, ehrlich getagt, wir haben in den zivanziger Jahren auch nicht hinterm Ofen gehockt. Ich denke noch mit Schrecken an de» eine» Ab:»d, wo sich'« in Auerbach'« Keller um Doctor Faust'« Höllenfahrt drehte; da wurde so lange paeulirt und am End« demolirt, dis un« die Alten au« drm Thorr in später Morgenstunde »ach St. P.iuli brachten." „Pahs" lallte Jener, der silberne» Dose eine Prise entnehmend. „Da mSchte ich Zeuge gewesen sein Heute würde sich die akademische Jugend einer solchen Es orte schwer fügen." Reinhardt hatte die Gläser mit dem echten Landweia gefüllt und animirte seinen Freund zum Trinken. Dieser that einen kräftigen ug und steckte dann vermittelst eine« Fidibus die lange, mit zwei prächtigen Quasten besetzte Pfeife in Brand „Glaubte Dich bei Bolen'- zu treffen. Die Musik hatte ein sehr gewählte- Programm, außerdem aber waren viele Bekannte dort, die ich länger nicht gesehen hatte." „Mag sein — dort aber liegt ein ziemlich dekecter Bogen, der übermorgen schon die Presse verlassen loll. Im Industrie-Comptoir ist man mit derlei Sachen sehr pünktlich, um sie bald an den Mann zu bringen." „Wieder ein neues Opu«. . .?" „Ja. über Physik; geschrieben von einem der berühmtesten Autoren der Neuzeit, Proiessor Dr. Poppe." „Naturgeschichte war von jeher mein Steckenpferd", betonte Triller als kisriger Botaniker. „Kramer Seylert hat mir schon vorige- Jahr aus die Käfersammlung ein annehmbares Gebot gemacht. Doch z» was? Für mich Junggesellen langt's zu, »nd eine Freude macht die gehabte Mühe doch." Reinhardt klopfte mit beiden Händen an die Taschen seines ge fütterten HausrockeS. Man sah eS ihm an. er hatte sich in seiner Einsitdelet ein warmes Herz und rin klugeS V-rständniß sür alle Vorgänge der Welt erhöhen, die da unten am Tlmrme ibre Weilen chlng. So eine und die andere kleine Schrulle hatte sich freilich auch bei ihm eingenistet — aber wer hätte diese auch »ichi? „So denke ich auch", betonte der Alle, „ein fröhliches ehrliches Brod bleibt der beste Anker. Konnte ja neulich die glückliche Bot- chast sür mich rechnen, halte ich doch das Loos aus eignen Mitteln gespielt und zehn Tau'rnd Täaler...", fügte er Mil spannender Gesticu'ation hinzu — „ist in der Tbat kein Fuchsbau." „Allzu ehrlich ist nichi gut, sagt Sirach!" betonte Triller mit lächelnder Geberde. „Mir würde kein Bisse» wieder geschmeckt haben, hätte ich be» Gewinn in die eigne Tasche gesteckt. So ist's bcss-r. Ich mag meine Häiide nicht lebwärzc» mit dem »»säubern Solde einer käui- lichen Gesinnung. Wie ihr Stadtpseiscr es haltet, weiß ich nicht." Mit diesen Worten halte er das verstäubte Schachbret etwas derb aus den Tisch gelegt. „Heute aber nur eine Partie", befürwortete Triller, den Blick aus das Zifferblatt der schnarrende» Wanduhr ger chlei. „Ol o, wohin so eilig?" „Nach der Funkeiiburg." „Aha, merke schon, ins Tabakscollegium", dehnte der Bewohner der Sebloßstube, indem er nach Lei» G simie der Siubenthür blickt-, an welchem die Tage der Woche mit Kreide verzeichnet standen. Es ist halb sechs. — ein Stündchen, und dann magst Du Dich dem Jagdknaster widmen." Triller wette schmunzelnd zu, und nun begann das Spiel. Für den ehrgeizige» Besuch sollte eS heute eine vollständige Niederlage geben. Er verlor Zug um Zug u»d bliche neidisch aus seinen phlegmatische» Nachbar, der neben dem ungewöhnlichen Sehachglück auch noch de» Inhalt der silbernen Dose sei. es Gastes lüchiig straite. Bon St. Thomas ertönten siebe» Schlage, als die beiden Freunde soeben die dritte Partie zu Ende geiührt. Verdrießlich und wort- karg erhob sich Triller vo» seinem Platze, nahm Hut und Stock zur Hand und eilte mit einem halbverständlichen „Adieu l" zur Thüre hinaus. „Heute ist der Sieg mein", stammelte der Schloßwart mit sicht licher Genugthuung, „wer weiß, wie der nächste Feldzug aussälll? Triller ist im Spiele Egoist — gut, mag er eS bleib,»." Der Magister war anS Schreibpult getreten. Er ist eben im Be- griff, a» die Arbeit zu gehen und das Versäumte wieder e nzuholcn; da in diesem Augenblicke nähert sich ihm d e alte «reue Dienstmaqd, le hat Papier und Tinte besorgt und legt die wiedergcbrachleii Kupfer- uud Silbermaiizen aus den Tisch. Mechanisch dreht sich der Alte um und wirst das Geld trotzig vor sich hi», als ob ihn ein böses Insert gestochen, vnd über sein harmloses G.sicht streicht wirk lich etwas wie ein ärgerlicher Zug. „Muß ich denn jeden Tag wiederbolcn. daß mich ekelt vor diesen schmutzigen Groschen und Pfennigen! Kann sie denn nicht den Leuten sagen, daß ich saubere«, blankes Geld haben will? Hier sieht mau ja kaum mehr, ob das auf dem Gelbe da Koos oder Schrift ist." „Aber Herr Magister, die Leute habeu's aber nickt anders; es kann sich doch nicht Jeder jeden Lag die frische Prägung aus der Münze holen." „Dos wetß ich; aber säubera, waschen kann man oaS Kupfer und Silbers" Und daS war der pure Ernst de- alten Junggesellen, der ab und »u wirklich eine Geldwäsche veranstaltete und wie ein Geiziger sich freute, wenn die Münzen so recht glänzten und flimmerten. Der Spaziergang sür heute Abend war ihm somit vereitelt, er hat zu thun, dies widerwärtig schmutzige Geld muß sauber werden. Mit einem gewisse» Eiser tritt er an den Waschtisch; er wäscht und reibt, eS schimmert und glänzt, dann tritt er an- Fenster und läßt die Silberstückc im Sounknglanz flimmern. Da kommt ihm ein neuer Gedanke, er will da- Silber vergleichen mit anderem, und so begiebt er sich an sein Pult und zieht Kasten um Kasten h raus — hier liegt sein Reichthum, sein Schatz In Reih' und Glied, geordnet nach chronologischen und historischen Regeln, hat er hier Münze an Münze angehäust, von den massigen Goldstücken mit den altrömischen Kaiserköpsen bi- zum geprägten Metall vom neuesten Datum. Er liebt sie sehr seine Münzen, fast noch mehr als seine Büeber, seine Tanben und Blumen, aber der Inbegriff all dieser stillen Leidewchasten des guten Alten, gewissermaßen deren Lebensbedingung, war doch die Einsamkeit der stillen Thurmwohnung, das hohe Nest, wo er den blauen Himmel so nahe halte und wo seine Tauben ihm de» Morgenbesuch abftatteten. In diesen verräucherten Wänden lag seine ganze stille, arme nnd doch so reiche Vergangenheit. Und ach! Der Tag erschien, wo er da- trauliche Heim, das ihn mehr als ein halbe- Jahrhundert hindurch beherbergt hatte, verlasse» sollte und aus immer dir fünf Stiegen herabsteigen. Die freundliche Parze schnitt ihm den Lebenssaden ab; er starb ohne Schmerzen, schnell und plötzlich, ein Lächeln ans den Lippen. Nun mußte er, der fünfzig Jahre so hoch über der Erde gewohnt, so lies herab unter die Erde ziehen. Der alte Eremit von der Pleißenburg halte seines Herzens Meinung nie verraihen — aber niemals hat ihn auch der sanfte Flügelschlag jenes Engels berührt, den die Menschen Liebe nennen. Wer konnte es auch errathen, ob ihm ein Frauenauge jemals mild geleuchtet — ob er nicht ta seinen jungen Tagen den bitteren Kamps der Entsagung gekämpft — eS war sür die Welt ei» Geheimniß geblieben! Um seinen Hügel aber weht der Hauch de- Friedens, und nirgends fand sich ein Mund, der das solide und fromme Dahinleben de- alten Magisters zu tadeln gewagt hätte. Literatur. Milttatr-Zcitnng. Organ für die Reserve- lind Landwehr« Osficiere. Verlag von R. Elsenschmidt in Berlin VV. Rcdigirt vom Hauptmann a. D. Oritiuger. Nr. 37 deS 11. Jahrganges hat folgenden Inholt: Die Entbindung des General-Feldmarscholls Gras von Molike von der Stellung als Lhes des Generalstabcs der Armee und seine Ernennung zum Präses der LandeS-BertheidigUiigs- Eommisston. — Einige Betrachtungen über die Erziehung und Aus- bildung des Insanleristen. Bon einem Insantcrie-Osficter. (Fort setzung.) — Impression- militaircS d'un sSjour ä Eonstaniinople en Octobre l88?. Par un ossicier allemand. — Personal-Bcrände- rungen. — Nochweisung der vom 1. April bis ultimo Juni 1888 zur osficiellen Kennlniß gekommenen Todesfälle von Ossicieren und Beamten der Königlich Preußischen Armee. — Bücherscha». — Kleine mililairische Mittheilunge». — vermischtes. — Briefkasten. * » » Philipp Rerlam'S Untversal-vitltothek. (vis August l888 sind 2450 Nummern erschienen.) Jedes Werk ist einzeln käuflich. — Preis: 20^ die Nummer. Neueste Erscheinungen: 2441—2443. Balzac, DaS Chagrinleder. Deutsch von H. Ten- hardt. 2444. William Shakespeare, Hamlet. Lranersplel in fünf Auszügen. Uebersetzt von Schlegel und Tieck. Vühnenbearbeitung von E. F. W'ttmann. 2445. H. v. Re in sei-. Eapitulirt. Lustspiel in einem Auszug. 2446. C. Bulla, Der Liebe-Bereiu. Schwank in einem Auszug. 2447—49. Nekrassow. Wer lebt glücklich in Rußland? Uebers. von R. Senberlich. 2450. Salz mann, Ameisrnbüchlei». Mit Einleitnig ». Anmerk, von E. Schreck. » * » — Die Kaiserin Augusts hat bei der Leipziger Volksschrist« stellerin Helene Raich auch das letzt« Bändchen der Schrift „Die Aürfttn MI» ihr Lauvesttnä" zu bestellen geruht.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder