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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188809098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880909
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880909
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-09
- Tag1888-09-09
- Monat1888-09
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1888
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Erscheint täglich ftüh 6'/, Uhr. Kr-aclion und LrpkdUiu» IohauaeSgasse 8. APrechKuudea -rr Uedacliou: Bormittag« 10—12 Uhr. Rachmiilag« 5—6 Uhr. gitr di, etn.-ta-dlei M-nutcri»« »»cht sich »IH»»rtte» »ich, >»rd>L»Iich. Annatz»e »er sür »ie nichftsolqen»« Ru««er »eM«»tee Inserate an Wochenteqen »t» » Utzr Siachmittaa«, au S««>- ua» Festtage» früh »t-Utzr. Zn den Filialen für Zus.-Annahme: Ltta Llr««. UniversttStSftrabe 1. Louis Lüsche. Kathartaeastr. 83 pari, und KSaigtplatz?, «ur bi« '/,S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik. Localgeschichtc, Handels- und Geschäftsverkehr. R b onneme«t»pret» vierteljährlich 4^/, Mk. >»cl. Bcmqerlel.n 5 Mk., ducch die Post bezogen 6 Mk. J>dc einzelne Nummer 20 Ps Belegexeiiiplac 10 Ps. Gebühre» für Extrabeilagen (iu Tageblatt-Format tiesalzt) ohne Postbesürderung 60 Mk. Mit Postbesürderung 70 Mk. Inserate ögespaltene Petitzeile 20 Pf. Geötzere Schriften laut uns. Preisverzelchnib.' Tabellarischer u.Ziffernsatz nach höherm Tarif. Urelamen uuter dem RedactionS strich die Sgespalt. Zeile50Pf .vor den Famillennachrichtea die Ogespaliene Zeile 40 Pf. Inserate sind stets an die ExpcSitio» zu senden. — Rabatt wirb nicht gegeben. Zahlung praenumeraväo oder durch Post» Nachnahme. 253. Sonntag den 9. September 1888. 82. Jahrgang. Amtlicher Theil. wesentliche Sitzung -er Stadtverordneten Freitag, den II September 1888, Abends V 2 Udr, t» Saal« der vormaligen Handel-börse, am Naschmarkte. Tage » 0 r 0 nung: I. Bericht deS Ockonomie- und Finanzausschusses über: ». Neuherstellung eine- EinsahrlSlhoreS mit Pforte aus dem Rittergule Stötteritz u./Tb., b. Herstellung einer Gartenaniage am Burqauer Forsthause, c. einstweilige Entnahme der Kosten sür Umbau der Piagwitzcr Wild- stuthbrücke auS dem BelriebSreservesondS. II. Bericht deS OckonomieauSschuffes über: L. A-phaltirung der im BremS'schen Grundstück au der Zeitzer Straße anzulegenden Fahrstraße, d. Herstellung eines Cement- WegeS von der Zöllnerstraße bis an den Eingang des zoologischen GarienS im Rosentyale. e. Erlaß einer von Eifengießereidrsitzer Schulde verwirkten Convenlionaistrase. M. Bericht des Sl>stu»g«auSsch»steS über Einziehung der mit 777 -ck auSgestaiteten Wächterstelle, Pos. 30 drr Ausgaben im Jobanni-hoSpilal-Budgel. IV. Bericht deS Slistungs» und FinanzauSschustes über: ». die Rechnung über daS Aimofenamt und die zu dem seiden gehörige» Stiftungen aus daS Jahr 1886, b. die Rechnung über da- Slammvermöge», ingleicheu daS Ver mögen der verschiedenen Stillungen des Armenamles zu Leipzig für >886. V. Bericht des Bau- und StistungSauSschuffeS über Um änverung und tbcilweise Erneuerung deS Brunnen- in der Gulenbergstraße m Reudnitz. VI. Bericht deS Bau-, Ockonomie- u>id FinanzauSschuffcs über Arealablreluiig zur Herstellung einer Strecke ver Langeslr. in Gohlis. vermiklhimg in der rand-eischek -Halles W-» om Plauensttzen Platze. n obiger Landfleischerballe sind die Abtkeilungen Nr. 10 20 sofort, die Ablheilungcn Nr. >0, 20 und 23 In und vom 8., die Abtheilung Nr. 7 vom 28., und die Ab tbeilung Nr. 3L vom' 2». dieses MonatS an ander weit gegen einmonatlirhe Kündigung zu vermiethen und werden Miethgcsuche aus dem Rathhause, 1. Etage. Zimmer Nr. 17 entgegengeiiommcn, auch könne» ebendaselbst die BermiethungSbedingungen cingcscben werden. Leipzig, am 5. September 1888. Iu 5547/5657. Der Nath der Stadt Leipzig. I>r Tröndlin. Wagner. Ausschreibung vou Schorulleiultgtrarbeiten. Da» Kehre» der Schornsteine in den ver Stadt- gemetude Leipzig und de» unter unserer Verwaltung stedenoe» Stiftungen gehörigen Gebäuden. sowie in den städtischen Lchute«, welche innerhalb drr Sladtflur liegen und vier Kchrbezirke ei»getbe>ir worben sind, soll vom I. October lausende» Jahre« an bezirksweise an geeignete Unternehmer (BczirkSschornsteinsegei) veiduiigcn werden. Die Bedingungen sür diese ArbeilSvergebung, sowie daS Verzeichnis der zu den vier Kebrbezirken gehörigen Gebäude unter Angabe der Länge und Art der in denselben befind lichen Schornsteine liegen in unserem Bauamle (RntbbauS, II. Geschoß, Ziiuiiier 5) zur Einsichtnahme auS und können daselbst gegen Entrichtung von 50 sür daS Exemplar ent nommen werben. Angebote sind an derselben Stelle mit der Aufschrift „Uebernadme von Schor»stei»fegerarb-iten" versiegelt bi- Sonnabend, den 22. kaufenden MonatS. Nach mittags s Uhr, eiuzure,chcn. Wir bebakten unS daS Recht der Auswahl, sowie die Ablehnung sämmtlicker Angebote vor. Diejenigen Anbieter, welche aus Grund unserer Bekannt machung vom 4 Juni lausenden Jahre«, daS Kehren der Schornsteine in städtischen Gebäuden betr., Angebote hierher gereicht haben, werden davon hiermit wegen der inzwischen beschlossenen bezirksweisen Vergebung entbunden. Leipzig, den 5. September 1888. Der Nath der Stadt Leipzig. Id. 317S. Ol. Tröndlin. Kretschmer. Ptkamitililichung. für Die Ausführung II der Zimmerarbeiten, 2) der Schiefrrdeckerarbeite«, 3) der Klempncrarbeiten » da« RetortenhanS und sür den Kohlenschuppen, d da» NeiniaungS- u»d Regcnerirgebäude, sowie sür bas TheervorrathSbassin Lei dem Erweiterungsbau der II. Gasanstalt sollen im Accord verdungen werden. Die Zeichnungen und Bedingungen sür diese Arbeiten liegen im Bureau der Gasanstalt II in Connewitz aus und können daselbst eingeseben resp. entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit Ver Aufschrift »<I 1) Zimmerarbeiten, ucl 2) Tchieserdrckerarbelte«, nä 3) Klempnerarbeiten für die II Gasanstalt versehen in der Nuntiatur de« Nathes, Rathhau», 1. Etage, «ad zwar bi- zum Montag, de» 17. September d. A, Nachmittags S Uhr einzureichen. Der Rath behält sich jede Entschließung und insbesondere da» Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, am 8. September 1888. De» NathS der Stadt Leipzig Deputation zu den Gasanstalten. Bekanntmachung. Die Erd-, Maurer- nutz verstetuuiigSarSeiten, einschließlich Materialliesernuaen, sür den Uwbau »er Varna-Markranftildter Straße znnschen den Slat. 22.052 und 26,65 in dcu Fluren Knautnaundorf Rehbach und Kultwitz solle» im Wege de« öffentliche» Angebot« verdungen werde». Zeichnungen »ad Voubedingungen liegen ln der Expedition der König!. Straßen- und Wafferban-Inspect,», hier, Stephaostraße 22 Lorm. zur Einfichtnohme an«, woselbst auch Blankelt« «nd Be diagvagen gegen Erstattung der Herstellungskosten abgegeben werden Die Angebote sind verschloisea und mit entsprechender Aufichrist versehe» bi« zum 15. d. M., vorm. 10 Uhr an die mitunterzeichnete KSniql. Bauverwalterei einznreichen. Die Bewerber sind bi« zum 28. September an ihre Gebote ge- Kunden, von denen diejenigen, welche bi« dahin nicht beantwortet sei» werden, al« abqelehnt zu betrachten sind. Leipzig, de, 5. September 1888. KA«t,l. Gtraheu- «ntz Safferban-Iuspectian. K>»t«l. Vanperwalterei. Gesucht der am 25. April 184S in Le,v,ig geborene Feuermann Wilhelm Emil Richard Seidel, welcher wegen unterlassener Fürsorge sür seine Kinder hier sch zu verantworten bat. Leipzig, den 6. September 1888. Der Nath der Stadt Leipzig. (Armen amt.) X. R. Hl. 2687. Ludwig.Wois. Mr. Gesunden wurde zu Ansang v M. in der »ineren Stadt rin goldncr Ring mit 3 ungeschliffenen Edelsteinen, welcher bi« heute nicht reclamul wurde. Der sich legitimirende Ementhümer kann denselben gegen Er- legung des Verlags und Finderlohnes an Unterzeichneter Amtsstelle in Einplang nehmen. Sollte sich der Eigentbümer binnen Jahresfrist bei uns nicht melden, werde» wir alsdann den Rechten gemäß über den Ring verfügen. Leipzig, am 6. August 1888. Das Polizciamt der Stadt Leipzig. Nr. 2090 I». I. V.: Junck. Pol.-Rath. Ml. Koh-Auction. w Im Universität-Holze bei Licb-ciwolkiviy lallen Mittwoch, de» 12. Lrptruiber dsS. JrS, von Vormittags st Uhr a» 23 Raummeter eiche», Nuhiwe ie, 16? . eichene, buchene und birkene Brranscheitr, 4 - eichene« Bruchdolz*), 408 » harte« Adroumreisig in Longhoule», 165 fichtene Derbstangen von 8—13 «0 UnterstSrke »nd S—7 Länge, 2930 fichtene Reisstangen von 3—7 cm Unterstärke und 8—7 w Länge und 27,8 Wcllenhundert fichtene- und kiescrneS Brenoreifig aüctwnSweise verkauft werde». Kauflustige werden ersucht, zu der angegebenen Zeit ans Sem Kahlschlage am Stürmthalrr Wege der Universiiätr-Walbung sich kinz.ifiiioe». Die geordneten An zahlungen sind sofort „ach dem Zuschläge zu bewirken. Leipzig, am 29. August 1888. UnivkrsitätS-Nentamt. Gebhardt. *) In der Insertion vom 3. September hatte sich in diesem Worte ein Buchstabensehler eingeschlichen und muß selbstredend Bruchholz heiße». Königliche Akademie der bildenden Künste und Kunstgewerbrschule zu Leipzig. Frequenz: 31 v Schüler. Die Studien im Wintersemester l888,8S beginnen Montnq. de» 1. Oktober 1888; die Tageskurse früh 8 Uhr. die Abrnvciirse »m 5 tthr. Der Lehrplan nmsastt alle Uiitcrrichtsgcbiete der bilden de» Künste und des KniistgewerbcS und berücksichtigt spcciell Sir Ausbildung in den grapbischr» Künsten. Anm.ldunacn zur Ausnahme sind in der Zen vom 3. b>S mit 15. September dis. Jrs. >» der Expedition der Akademie, w-sit. Flügel der Pteißenburg, II. Etage, Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr zu bewirken. Leipzig, den 7. August 1888. Drr Direktor: vr. Ludw. Niep er. ü'lNNtt'Milr Verschiedene Fußwege im hiesigen Orte sollen alsbald mit Molaikstcine» gepflastert und die Fußwege an der Leipziger Straße mit Granitplatten belegt werden. Ein Theil der Fußwege ist noch überdcm mit Bordsteinen I. Classe zu versehen. Die bez. Arbeiten, sowie die Lieferung der erforderlichen Materialien werde,i mehrere» Unternehmer» übertragen werden. Hieraus bez. Kostenanschläge sind bis zum 12. Srptember lansende» Jahre in» hiesigen Genieindcanite verschlossen und mit ver Aufschrift „Fiißwege-Herstellung" einzureichen. Connewitz, den 8. September 1888. Ter «emeindrrath. ' Eulen st ei», Gem.-Bocst. Nichtamtlicher Theil. Rußlands Zukunft. Rußland ist für das übrige Europa ein Buch mit sieben Siegel», wie eS sür sich selbst ein ungelöste- Räthscl ist. Die Einen stellen eS als einen Koloß dar. der aus thönernen Füßen ruht, die Anderen als einen jungen Niesen, der noch nicht zum Bewußtsein seiner eigenen Krast gelangt ist. An der Fülle der widersprechenden Miltheiiuugeu, welche au« dem großen nordischen Reiche zu u»S dringen, läßt sich so viel entnehmen, daß die Zustände noch zu keiner Festig, keil gelangt sind, daß der Weg zu einer planmäßigen Entwickelung der im Lande schlummernden Kräfte noch nicht gesunden ist, und daß eS »och vieler Iabre bedürfe» wird, bevor Rußland in den Kreis der civilisirten Staaten Europa- eintreten kann. Vorläufig entscheidet dort der mächtige Wille de- Herrschers oder er scheint doch zu entscheiden. Daß auch der Kaiser von Rußland von den in seinem Reiche bestehenden Hauplströmungrn abhängig ist. dafür bringt die russische Presse täglich packende Beweise. So fremd dem Russen auch eine richtige Vorstellung von Polin scher Freiheit ist, so sehr ibm daS Bedürfnis der Abhängig keit vo» einem Hobe» Willen und der Mangel jeglichen Selbstbestimmungsrechts in Fleisch und Blut übergegangen ist. so sest ist er andererseits von dem Rechte Rußland«, die europäischen Staaten voraus hat. muß seine Söhne Uber die Schäden trösten, an welche» die Zustände leiden, und an der Centralstelle bebt daS Bewußtsein vo» der Unfähigkeit der große» Masse der Bevölkerung, sich selbst zu helfen, über die Schwierig keiten der Lage hinweg. WaS sind die großartigen Uulerschleise, welche von Zeit zu Zeit aus allen Gebieten' der StaalSoer- waltung entdeckt werden, ander- alS die Kennzeichen einer cbweren Krankheit, an welcher das ganze StaatSmescn leidet? Es ist der Despotismus, welcher derartige Erscheinungen nothwendig zu Tage fördert, die Unmöglichkeit, mit Erfolg gegen persönliche Willkür anzukänipsen. die von einer absolule» Regierung stets untrennbar ist. lind doch ist die Unrcise des russischen Volks sür verfassungsmäßige Zustände erwiesen. Man braucht nur die Tbäligkeil der Geschwornengerickte und die Folgen der Aushebung der Leibeigenschaft ins Auge zu affen, um zu erkennen, datz ein Reich von dem Umsaiige deS russischen und von der Verschiedenarligkeit seiner Bestand- thelle nur durch einen niäcbt'g 11 Gesamnilwillen zusamnie»- gehalten werden kann. Tie Sckiule und die Selbstverwaltung l»d die beiden Mittel, durch welche allmälig bessere Zustände angebahnt werden können, wen» ni-bt die zerstörende Gewalt de« revolutionairen Gustos in der Gestalt deS Nihilismus ein olcheS schrittweises Vorgehen unmöglich macht. WaS Rußland gegenwärtig zusainmenbält. ist die Armee, und deshalb ist Alexander III. bciiiübt, dieses unentbehrliche Werkzeug zur Ausrechterhaltung seiner Macht möglichst gut zu organisiren. Auch die Reise, weiche Kaiser Alexander jetzt mit seiner ganze» Familie »ach Charkow und Odessa an- gelreten hat. ist militairischen Zwecken gewidmet. Die Armee st einstweilen die einzige Pfl.mzschule für die Ausbildung der russische» BolkSkrasl, sie ist zugleich der Gradmesser sür die Leistungssäbigkeik aus allen Gebiete» der civiliiatorischen Thätigkeit. Ans der größeren oder geringeren Leichtigkeit, mit welcher sich daS Ausbebung-geschält vollzieht, ist zu entnehmen, ob die wirtbschaslliche» Verhältnisse der Gegend gut sind oder nicht. Berichte, welche die russischen Zustände im Allgemeinen betrrsse», sind stet« mit großer Vorsicht aufzunchmen. Tie Versasicr solcher Berichle haben im besten Falle nur Einblick in die Zustände bestimmter Gegenden gewonnen und schließen aus Lei» Theil aus daS Ganze. So ist es z. B. sicherlich übertrieben, die Verhältnisse der gesanimten russische» Grundbesitzer alS zerstört und verwahrlost dar;»- stellen oder die gelammte Landbevölkerung als rettungslos der Trunksucht verfallen auszugeben. Wenn man z. B. Rußland danach beurlbeilen wollte, wie eS in einer Vor Kurzem erschienenen Broschüre dargestellt wird (Rußland, seine HilfS- und Machtmittel, vo» Victor Frank), dann inußte man glauben, daß dieses große Reich nichts als ei» großes Göab aller Hoffnungen wäre, welche jemals in Rußland über seine Zukunft genährt worden sind. Derartige scba- btcneuhasle Al'iirtbeiluiige» nach Aussprüche» berühmter Männer wie Tlchaadajov. wie sie von dein Verfasser der euannten Broschüre beliebt worden, Hab?» nur eine,, ubjectiven, aber keinen objektiven Wcrlh. Wenn Tschaada- jew den Mund sobr voll »immt, um seine zum Theil noch reckt st>l»ipssin»igcn LanbSleute auS ihrer geistigen Erstarrung aufzurütteln, so hat daS seine volle Berechtigung, aber man würde sehr febl gehen, wenn man daS heutige Rußland nach de» Aussprüche» beurlheilen wollte, die Tscbaadajew vor 50 Jahren gethan hat. Die Bewohner Rußlands sind in verschiedenen Gegenden sehr verschieden, und niögen sie auch alle unter dem gemeinsamen Drucke der poli tischen und ökonomischen Verhältnisse leiden, so hat dock jedes Land und jedes Volk in Rußland seine besondere Art, sich mit den Schwierigkeiten der Lage abzusindcn. Rußland ist gewiß nickt einem große» Pilze zu vergleichen, der i» seinem Innern nur Staub und Moder birgt, sondern eS sind in diesem großen Reiche sehr viele gesunde »nd entwicklungsfähige Keime vorhanden. Es wäre schlimm um die Entwickelung deS Menschengeschlechts bestellt, wenn Reiche von der Größe und Bedeulung des russischen mit einigen Redensarten ab< zusertigen wäret, und einfach auS dem Verbünde der civili salionSsähigen Völker und Länder auSgeschiedcn werden könnte» Für die TagcSgeschichle komnil Rußland lediglich vom internationalen Standpuncke auS in Betracht, insoweit als eS Gefahren sür den Weltfrieden bringt oder lich dem friedlichen Bedürfnisse Europas anbeg»c:nt. In dieser Beziehung ist England niebr als daS übrige Europa intcrcjsirl. und deshalb ist cS auch nicht zu verwundern, wenn der „Standard", ei» Organ des Ministerium« Salisbury, seinen Beängstigungen in Bezug aus Rußlands militairiscke Macht Ausdruck giebt. Dem „Standard" erscheint Rußlands Militairmacht riesen groß. und darum ruft er Europa« Staatsmänner zur gemein samen Abivebr gegen die Ricsenmacht auf. damit nicht eines TageS die gestimmte europäische Cultnr darunter begraben werde, wie ein schwerer Dorf unter den Lawinen. W>r ver stehen die Angst der Engländer, aber wir thciten sic nicht. Rußlands Militairmacht ist gewiß nicht leicht zu »cbmc», aber eS sehtt ihr a» BewegungSsähigkeit und an der Mög lichkcit, schnell aus einen bestimmten Angriffspunkt geworfen zu werde». Die Gefahren, welche England von Rußland droben, betreffen Asien, aber nicht Europa, und dem gemäß muß England Vorsorge treffen, um diese Ge fahren au- eigener Krasl zu bekämpfen. Ruse der Angst, wie sie der „Standard" anSsiößt, können aus Vas »ichl englische Europa keine Wirkung üöe», weil die übrige» Mächte kein Interesse dararan haben, England gegen die ibm in Asien von Rußland drohende Gefahr zu schützen. Wenn England glaubt, mit seiner kleinen Armee auLkvmmc» zu können, so ist daS seine Sache. Deutschland, Oesterreich-Ungar» und Italien haben keine Veranlassung ihre Landmacht i» den Dienst England« zur Abwehr von Gefahren zu stellen, die s->ncr asiatischen Colonialmacht drohen. In Rußland spurt man das Bedürsniß. der deutschen Macht eine Ableitung zu schaffen, und dazu bietet sich der „Moskauer Z-itung" die afrikanische Cclciiisatio» dar. DaS Blatt freut sich über die civilisatorischc Thätigkeit Deutsch landS in Afrika und findet, daß sie einen Theil seiner Streit macht beschästige und vo» Europa nach Afrika ableite. In Deutschland selbst hat man davon bisher »ichlS bemerkt, aber die „Moskauer Zeitung" weiß, warum sie ihre Blicke nach Afrika lenkt. Sie will die entscheidende Stimme in ollen europäischen Fragen Rußland sichern. Soweit ist die En! Wickelung der rnisischei, Macht allerdings noch nicht gediehe» und eS wird noch manches Jahr verstreichen, bevor cS dahin kommt, vorausgesetzt, daß c» überhaupt geschieht. * Leipzig, 9. September. * Die CinzeletatS sür 1889/90 sind in den Reichs ämtern, wie »ach einer Mittheilung der „Kreuzzeitung" ver lautet, sämmtlich aufgestellt; sie werben im Lause deS October voraussichtlich an de» Bundcörath gelangen und wie alljähr lich bald nach dem Wiederbeginne seiner Sitzungen zur Er ledigung kommen. Da die Umstände dafür sprechen, daß der Reichstag wieder wie in den letzten Jahren in der zweiten Hälfte deS November zu seiner neuen Session einbernsen werden wird, so ist um diese Zeit auch der Gesammtekat ertiggestellt. Hinsichtlich dessen, wa« sonst dem Reichstag an ArbcilSsiosf regierungsseitig zugehen wird, liegen bi« jetzt nur bestimmte Meldungen über zwei Entwürfe zur Arbeiter- Versicherung und eine Novelle zum Krankencaffengesetz vor. Die Atter«, und Invalidenversorgung ist bekanntlich von den Ansschüffen des BnnbcsrathS durch- und umgearbettel wor ben; nach seinem Wiekerzusammeiitritle wird der BuukeSralh nur noch in zweiter Lesung Beschluß über den AuSjchußbcricht affen. Von Seiten der NeicbSbehöcden bleibt nunmehr der Enlivurs erklärlicherweise unberührt, doch scheint »och eine Umarbeilung der Begründung zu erfolgen. * Wie e» heißt, wird die erwähnte DenkmalS-Bor- lage, welche die Errichtung de« National-DenkmalS iir Kaiser Wilhelm I. auf der Schloßsrciheit nach Ab bruch der dort stehenden Häuser vorschlägt, dem Reichstage »fort nach seinem Zusammentritt zugehen. * Die Uebersicht der GeschästSthätigkeit deS deutsche» Reichstags in der 4. Session der VI. und der 1. Session der VII. Legislaturperiode ist soeben erschienen. * Wie die „Post" meldet, ist da« Befinden deS Vorsitzen den der deutschen Civilgesekbuchs-Coinnilssion. Wirkt. Geh. Na'.hS Pape, welches am Donnerstag verbältnißmaßig gar nickt so ungünstig war, während der Rächt zum Freitag bereutend chtcclitcr geworden und als ernst zu bezeichne». Es soll jetzt eine Unterleibscntzündung cingetrelcn sein. Tie Commission ür die Ausarbeitung eines bürgerlichen Gesetzbuchs hielt am Freilag eine Sitzung im ReichS-Iusiizamt ab. * Die Stelle des Regierungspräsidenten in Oppeln, welche demnächst der Geh. Ober-Rcg. Rath llr. v. Bitter übernehmen wird, ist eines der wichtigsten und schwierigsten Aeinter dieser Art. Die Größe des Bezirks, die schwierigen Verhältnisse seines bedeutenden Montan- und Jndnftric- revicrS stellen an sich schon große Anforderungen an die brast und Tüchtigkeit des Präsidenten. Dazu kommt, daß umsaffende Lanveomeliorationen in den Nothstandskreisen behuss Besserung der dortigen wirthschastlichen Zustände tbcilS im Gange, tkeiis eingeleitct sind. Man darf annebmen, daß dieser letzte Ilmstand mit dazu beigetragen, die Wahl auf Herrn v. Bitter zu lenken. Letzterer hat bekanntlich, che er inS Ministerium berufen wurde, als Staatscvmmiffar die Verhältnisse der Nolhstandskrcisc untersucht und Vorschläge zur Besserung der Verhältnisse gemacht, welche vielfach die Grundlage der gegenwärtigen Äctivn deS Staates bilden. Cr kann daher als die geeignete Krast angesehen werden, um die von dem jetzigen Öberpräsidenten Grasen Zedlitz energisch und mit Erfolg cingeleiteten Meliorationen in dem entsprechender Weise fort und zu Ende zu fuhren. * Bei seinem Scheiden von Hannover ist dem Ober- Präsidenten v. Leipziger seitens des dortigen Arbeiter vereins folgende Adresse überreicht worben: „Etv. Excellenz fühlen wir uns gedrungen, beim scheiden ans der Stellung als Ober präsident der Provinz Hannover sür die vielfachen Beweise des Wohl wollens und sür die sinnpaihischc Anthcilnahine an den Bestrebungen und den Erfolgen des Ardeitervereins unseren ehrerbietigsten, tief- gesühltestcn Tank anszuspreche». Mit der Versicherung, daß wir Civ. Excellenz im Arbeiterverein zu Hannover stets in dankbarer Verehrung gedenken werden, verbinde» wir den Wunsch, das; Gott Ew. Excellenz ür eine fernere segensreiche Wirksamkeit Kr.,st, Gesundheit und ein langes Leben verleihen möge. Indem wir Ew. Excellenz bitten, unseren Tank und unsere Wünsche freundlich aufiieymeu zn wolle» und auch sernerhi» den Interessen deS Arbeiter- und Handwerkerstandes ein warmes Herz zu bewahren, geben wir uns der Hoffnung hin, das; Ew. Excellenz in der Ferne auch dem Arbeiterverein zu Hannover ein wohlwollendes Andenken bewahren werden." * D-r „Hannoversche Courier" berichtet: „Infolge seiner Ernennung zum Oberpräsiventen ist Herr I)r. v. Bennigsen auS dem Provinzial-Wahlcomitv der national- liberalen Partei ciusgeschicven, auch wird der Herr Ober- Präsident an der am 30. Seplembcr stallsindenden Lanbes- versaiiimlung nicht thc;l»chmcn." * Di« KönigSberger Nationallibcralen wollen nicht wieder, wie bei den vorigen LaudtagSwählen, sür die drei denlschfreisinnigcii Candidaten stimme», sondern sie beab sichtigen, eigene Candidaten anszustellen. wobei eine Ver ständigung mit den Conservalivcn Vorbehalten ist. Herr Eugen Richter tritt Vieser Tage selbst in Königsberg als Redner aus; er scheint den Wahlkreis für stark gefährdet zu Hallen. * lieber Erwarten wenig wird in der deutsch frei sinnigen Wahlagitation die Frage ver Verlänge rung der Legislaturperioden ausgcnutzt. Wenn man sich der hochgehcnden Entrüstung erinnert, »nt welcher im Reichstag und preußischen Landtag vor einigen Monaten diese Angelegenheit von oppositioneller Seite bc- bandcll wnrde, wenn man sich erinnert, wie diese Neuerung geradezu als ein vernichtender Schlag gegen Verfassung, gegen Volks- und. FrcihcitSrechle in den maßlosesten Ilebeltreibniige» hingcstkllt wurde, dann muß man mit Verwunderung be merken, daß jetzt in der Wahlagitation Liese Frage gar keine oder nur eine höchst untergeordnete Rolle spiell. DaS beweist aber wieder, wie kalt und glcichgilt,g die ganze Sache da« Volk gelassen hat und wie wenig sie sich dazu eignet, eine den Oppositionsparteien günstige Aufregung unter de» Wählern her- vorznbringcn. Durch die Blätter laust eine Mitlhclluug. daß bei den dieser Tage stattgrbabten Landtag-Wahlen im Groß- hcrzogtbum Weimar an einzelnen Orten die Wabl überhaupt nickt zu Stande kam, weil Wähler gar nicht oder in ganz ungenügender Zahl erschienen waren. DaS zeugt von «mcr Wahlmuvigkett und politischen Erschöpfung, d>c uns geradezu um die Zukunsl unseres ccnslitutionellen WesönS besorgt mache» könnte. Auch in Preußen scblt eS nicht an Klagen über zunelmiende Wablmüdigkeit und Indolenz. Solchen Er scheinungen gegenüber muß die Verlängerung der Wahl perioden als eine wahre Wehltbal "mps'.nid.il werdc». und irgend welche Entrüstung oder nur Aufregung über dieselbe in Wählerkrcise» bervorzulusc», machen die Oppositions parteien kann« mehr einen Versuch. So geht eS jreilich mit
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