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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188809165
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880916
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880916
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-09
- Tag1888-09-16
- Monat1888-09
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1888
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«L-»-— SL8V Wichtigkeit dürfte diesen Hammelkriegrn nicht bei,ulegen sein, zumal die Zeiten nicht dazu angelhan sind, die Franzose» zu einem neuen Krumirfeldzuge zu verlocken. Man wird der Grenzbevölkerung überlassen, ihre Hammel nach Kräften zu beschützen, und auch wohl nicht allznvicl gegen die landes übliche Gewohnheit, aus der ander» Seite der Grenze eine kleine Razzia auSzusühren, einwenden, daß aber diesen vor- kommnissen irgendwelche politische Folgen gegeben werden konnten, ist sicher nicht anzunehmen. * Da» spanische Cabinet hat sich a»S der Verlegenheit, die ihm die Entrüstung über den Bau der Kreuzer bereitet, dadurch zu Helsen gesucht, daß es dem unzufriedenen Cadix einen vierten Kreuzer in Bestellung gegeben und den Galiciern versprochen hat, bei ihnen Torpedoboote bauen zu lasten. Da» schottische HauS Palmer» behält die ihm zu» gesprochenen drei Kreuzer, die 45 Millionen Franc» kosten und nach zwei Jahren fertig sein müsten, d. b. da» erste Schiss nach zwei Jahren und nach je secl>» Monaten die andern. Ja San Fernando ist in diesen Tagen rin unter seeische», 22 m 'lAzigeS Torpedoboot von 87 t Tebalt vom Stapel gelaufen. Da» Fahrzeug, da» den Namen seine» Erbauer» Perat, eine» spanischen See-Ossicier». trägt, soll ebenso gut über wie unter dem Master gehen, e» hat elektrische Motoren von 75 Pserdekrästen und erreicht eine Schnelligkeit von 1l Knoten über und lO>/» Knoten unter dem Master. Die Kosten belaufen sich aus 200 600 Frcs. Die Spanier knüpsen an diese» Schiss außerordentliche Hoffnungen. * Der Deputirte William Ncdmond (Nationalist) ist, wie au» London gemeldet wird, in Wexsord wegen Auf reizung der Pächter zum Widerstand gegen da» Gesetz zu drei Monaten Gesängnist verurtheilt worden. * Wie dem „Neuter'schen Bureau" a»S Simla dom Freitag berichtet wird, meldete der Emir Abdurrhaman dorlbi», seine Truppen hätten die von Jshak-Khan be setzte Festung Kaniard-Khinjhan erobert und viele Gefangene gemacht, darunter den Schwiegervater Jjhak-Khau'». '' * Au» Nio de Janeiro vom 24. v. Mt», wird der „National-Zeitung" geschrieben: Nach verhältnismäßig kurzer Zeit langte da» Schiss, aus welchem der Kaiser Pedro d e Heimreise angetreten. am 2. September vormittag» in der Bai an, schon seit srühem Morgen, von Cap Frione von Kriegsschiffen und viele» kleinen Dampfern eingcboll und be gleitet. unter stetem Kanonendonner und von Jubelgeschrei begrüßt. Tie Kanonade wurde am großartigsten, als da» Schiss die Fort» passirt halte und sich den innerhalb im Hasen liegenden uuv sämmtlich geschmückten Schiffen uähcrte. Ganz Rio war auf den Beine», um den geliebten Kaiser wledergusehen. Die Freude de» Bolkc» kannte keine Grenzen. Ter Wagen de» Kaiser», obwohl vo» mehreren Regimentern begleitet, wurde verschiedene Male von der jubelnden Menge so umdrängt, daß er längere Zeit halten mußte, ehe er weiter konnte. Der Triumphzug des Kaiser» vom Hasen bi» zum Palast S. Ebristovav dauerte mehrere Stunden. Die Stadt war reich geschmückt. Abend» glänzende Beleuchtung und Musikaussührungcn. Da» Befinde» de» Kaiser» an Bord war recht gut. Die Hitze ist aber jetzt gerade so stark, daß die baldige Uebersieteluiig »ach Pelropoli» in Aussicht steht." Jur Lage. ** Berlin, l4. September. Kaum ist Herr v. Maltzahn - Gültz zum StaatSsccretair im Rcich-schahamt ernannt worden, so beginnt auch bereit» die Opposition gegen ib» in der .freisinnigen" Presse. Die „Bos,Ische Zeitung" beschränkt sich aus die höhnische Brnierknng, baß »nt dieser Ernennung bewiesen sei, amtliche Praxis und geschäftliche Erfahrung seien keine unerläßlichen Vorbedingungen sür einen Finanzminister. Wir glauben, wenn der große Staatsmann de» Fortschritts, Herr Eugen Richter, wirklich zun» preußischen Finanzminister vorrücken würde — denn der Slaatösccrelair ist noch lange kein Minister im Reiche —, da»» würde die „Vossiswe Zeitung" eine solche Meinung nicht vcrlaulbarcn. Im Uebrigoy abe,r kann sich Herr v. Maltzahn auch ans amtliche Praxi» und geschäftliche Erfahrung berufen. Herr v. Maltzahn, 1840 geboren, arbeitete, nachdem er in' Erlangen. Heidelberg uns Berlin Rechts- und StaatSwistcn- schaslen studirt, zunächst beim Stadtgericht in Berlin, sodann bei den Regierungen in Eoblen; und Stettin und nahm 1868 al» RegierungS-Assessor den Abschied auv dem Staatsdienst, um sich der Verwaltung seiner ausgedehnten Besitzungen zu widmen. Die Kriege von 1866 und 1870/71 machte er al» Kuirnssier-Ossicicr mit und erlitt schwere Verwundungen. Seil dem Iah« 1871 gehört er unnntcrbrochen dein Reichs tage an und wurde außerdem in dem Kreise, wo er ansässig, Anklam-Dcmmin, >ricde»bolt durch daö Vertrauen seiner Mit glieder in die verschiedenste» comniuualcn Ehrenämter gewählt und vertrat längere Zeit de» Landrath. Im Reichstage hat er sich durch Fleiß und Tüchtigkeit, sowie durch sein ruhiges und sachliche» llrtheil um die Förderung der parlamentarischen Arbeiten entschiedene Ver dienste erworben, was von alle» Parteien anerkannt wird. Daß Herr von Maltzahn. nachdem Herr von Bennigsen sein Mandat "zum Reichstage niedergclcgl, an dessen Stelle zum Vorsitzenden der Budget-Commission gewählt wurde, be weist am besten, welcher Hochschätzuug er sich bei de» Ab geordneten aller Parteien erfreute. In dieser Stellung nun gerade haben Fürst BiSmarck. Herr v. Scholz, Herr v. Burchardt. I)r. Jacobi, der IHiegSminister und andere Staatsmänner wie Parlamentarier chie beste Gelegenheit gehabt, die tüchtige» staatswirlhschastlichrn Kenntnisse und de» schnellen Blick, init welchen, sich Herr v. Maltzahn in schwierigen finanzpolitischen Fragen zu orientiren weiß, würdigen und schätze» zu lerne». Im Uebrigrn möchten wir unsere Fortschrittler doch daran erinnern, daß e» ja gerade ihrer wiederholt kundgegebenen Auffassung von dem constitutionelle» System entspricht, die Stellen ,» der Regierung mit maßgebende» Persönlichkeiten au» der Mehrheit de» Parlaments zu besetzen. Daß Herr v. Maltzahn der Majorität des Reichstag» augchvrt, wird die „Freisinnige Zeitung" doch ebenso wenig bestreiten können, wie daß er,zu den Führern der deutsch-conscrvativen Partei gekört, in deren Namen er oft genug bei besonder» wichtigen Debatten Erklärungen abzugebe» bcaustragl war. Ebenso werden die'Fortschrittler die finanzpolitische Begabung und Uebung de^ Herrn v. Maltzabn nicht abzuleugnc» vermögen. Wenn der ReichSschatzamtS-Sccretair au» den Parteien der Minderheit de» Parlament» entnommen würde, dann hätten die Herren Ricktcr. und Wintthorst allen Grund, über die Hintansetzung aller constitutionelle» Grundsätze zu klagca; so aber hoffen wir. daß „Freisinnige Zeitung" und „Germania' »ach einiger lleberlegung nicht niiit»» können werden, gerade dieser Ernennung ihren vollen Beifall zu spenden. Wenn da» Organ des Herr» Richter in v. Maltzahn'» Ernennung heute eine Verschärfung der rcaclionairen ortbo- doxcn Richtung in der Reichsrcgicrung siiideu will, so müssen wir offen bekennen, in der ReichSregierung eine solche Rich- tnng überhaupt »och nicht wahrgeuommen zu haben. Zur Aethäligung so extremer Ansichten ist liier, und spcciell »n Finanzdeparlement. wohl kaum irgend welcher Raum. Auch gebört Herr v. Malt;ab» anerkanntermaßen zu den Conser- vativen gemäßigter Richtung, welcher bei >cder möglichen Gelegenheit seine versöhnliche Gesinnung bekundet hat. Daß er aber in der Budgetconimission die rasche Erledigung der Arbeiten besonder» gefördert hat, dürste ihm außer durch Herrn Richter schwerlich,von irgend Jemande», zum Vorwurf angerechnel werden. ^ AH k>l.O.^Berlta. 1». September?' Zu den Gegenständen, welche ln der vorige,, Reiidstogssession unerledigt geblieben sind, gehörte der Gesetzentwurf, betreffend den Verkehr mit Wern. Lic Angelegeuheit lft inzwischen in den zuständigen Reiitzsbthördea mit veunsn», der im «eicht,», z, Tage getretenen »nschannnge, «rltrr »erlolgl »»etzni wehrscheftilich.rhat hvugäch^Lffk »euer Gesetzentwms vorgelegt iv rden wird. D.r dem Reichstag i» der letzten Session z igegaugene Entwurf beschränkt« sich aus dt« Regelung nach der geiuudheitspollz-ilichra Seite; er zählte ein« Au- zahl Stoffe aus, welche von der Weindereckung wegen der gejund- deittjchädlichen Wirkung unter olle,, Uniuünd-n aiiSgeichloffeu sein tollen und verbot da» Feilhalten und den Berkaus von Weinen, denen jene Stoffe zugesetzt sind. Für eine Feststellung de« Begriff» der Weinversälschuiig und Weinverbesserung ohne gesundheitliche Roch» Ibeile und für Vorschläge über di« gesetzgeberische Behandlung dieser Seit» der Frage ickiien dem Bundetroth noch zu viel Unklarheit und Wider streit der Meinungen zu herrschen. Im Reichstag und in der zur vernidung de» Gegenstandes eingesetzien Eominijsioa überwog aber d e Ansicht, bah eine gesetzliche Regelung de» Weinoerkehr« über die Bestimmungen de- Nalirungeinüielqejetze» hinaus auch nach der ver- kebr-polizeiliLtn Richtung erwünscht sei, da auch noch dieser Seite da» genannte Gesetz nicht ouSreiche, iu der Rechtsprechung und der volizeilichen Handhabung v-rjchlcbene Auslegungen erfahren und dadurch Unncherheii in, Verkehr hervorgerulen habe. Man hielt e» sür eine Ausgabe de» Gclctzc», der Ungewißheit darüber ei« End« zu mach:»» wie weit und unter welche» Borautjetzuagen eine künst liche Verbesserung de- Weine- gestaltet sei. Es gaben sich aber dabei sehr entschiedene Gegensätze kund, baupllüchstch in der Frage der Verzuckerung und d s Deklaratioi-.Sjlvailg». Daß die Verzuckeiung an sich weder schädstch noch unsolid sei und zu einem Verbot ders-lben kein Anlaß vorliege, wurde zwar allscit-g anerkannt. Ss wurde aber von verschiedenen Seiten gesordcre, daß der Bertäuser dem Kauter einen Zuckerzusatz erkennbar machen müsse, indem er gezuckerten Wein nur unter einer rfttiprechrnden, die Täuschung ausschleßenden Bezeichnung seilbiele. Die Bezeichnung „Wein" sollte nur dem reinen Traubensalt Vorbehalte» bleiben. In der Commission de« Reichstag» siegte nach Hanen Kämpsen der DeclarationSzwang. Mil 11 gegen 10 Stimmen wurde ei» Gesrtz- eiilnuirs angenommen, welcher die grsundheit-polizeilichea Bestim mungen der Regierungsvorlage im Wesentliche» wiederholte, aber auch solgeude Vorschrist kMdielt: ..Werden Zucker, Wasser, Alkohol, Rosinen und andere »ich, unter Verbot gestellte Stoffe zugesetzt, so darj der Wein nur unter einer Bezeichnung, welch« da- Vorhanden sein eines Zusätze» erkennbar macht, z. B. verbesserter Wein. ver. zuckerter Wem, Schaumwein, -Faeonwein u»d dergleichen gewerbs mäßig seilgehalten oder verkauft werden." Ob sich der BundeSrath bei Wiederaufnahme der Angelegenheit aus diesen Standpunkt stellen wird, muß vorläufig dahingestellt bleibe». ZU den preußischen Wahlen. * Die nationallibcrale Partei ist nunmehr auch mit ihrem Ausruf zu den preußischen Lauvtag»- wah len hervorgelrcten. Derselbe hat folgenden Wortlaut: Die Wahlen zum preußiichen Landtag steben bevor. Mehr al» je werten dieselben sür die nächsten sünj Jahre vo» enlichei- dender Bedeutung für die innere Entwickelung Preußens und somit auch des deuiichea Reiche» sein. Ernste, schwere Zeiten liegen hinter, uii». Zwei ruhmvolle preußi'che Könige, den großen Begründer deS drut-chen Reiche» und seinen hochherzigen Sohn, den voriielunsten Mitstreiter i» dem Kamvse um die herrische Einheit uno Selbstständigkeit, sahen wir bald nacheinander ins Grab sinken. König Wilhelm II. bestieg de» Tbron seiner Väter. Diese gewaltigen Ereignisse sind Dank der unzerreißbaren Ver bindung von Herrscherhaus und Volk, Dank den festen und gesunden Grundlagen unsere» StoalSwesenS ohne Erschütterungen vorüber gegangen. Ein starke. Freiheit und Ordnung sichernde, die Wohlfahrt aller Elasten deS Volkes gleichmäßig fördernde KönigSgrwali; eine fort schreitende. den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht werdende Gesetz- gebung; eine von einer pslichtgeireucn, ihrer koken Ausgabe bewußten Beamtenschaft getragene Verwaltung; Ordnung und Sparsamkeit im Finanzwesen; lebendige selbstveraiiiworilichc Theilnadme de» Volke« an der Gesetzgebung und der V:rwallung des Staate» und der StaatSglieder; Handhabung deS Rechts durch unabhängige Gerichte; Freiheit und Förderung der w>ssenjchasil>chen Forschung, wie der all gemeinen Volksbildung; Gleichheit und ltnaniastbarteit der staats bürgerlichen Rechte aller Conseisionen; Regierung nach Verfassung und Gesetz: —die- sind die starken Fundament« de- preußi schen Staate«, dies die Ueberlieserungen, welche jede Laudes- vcrtr-tilng sefthalteu und uöihigen Fall- vertheidigen muß. Dem preußischen Herrscherhaus ist innerhalb de» Reiche« eine leitende Stellung zugesallen, und damit sind dem preußischen Staate besondere Pflichten ouserlegt. Preußen muß, ollen anderen Staaten voran, seine Macht und seine Mittel dem Reiche zur Bersügung stellen und der erste Diener von Kaiier und Reich sein. Die Stärkung deS Reiches ist zugleich die beste Gewähr sür da» Gedeihen Preußens. Die nationalliberale Partei bat seit den ersten Tagen ihrer Bildung dir« als den obersten Leitstern ihre- politischen Ver holten« angesehen und unentwegt die Reich« Politik auch inner halb Preußen« nach besten Kräften unterftützr. Sie wird auch in Zukunft dieser deutschen Politik getreu bleiben, welcher die segens reiche Entwickelung der »eueren politischen Institutionen Deutsch lands vor Allem zu verdanken ist. Gesetzgebung und Verwaltung der einzelnen Staaten sollen im Einklang mit der ReichSpolilik torlschreiten und die von derselben versolgien Ziele in gleichem Sinne innerhalb der Einzelstaaleu weitersühren. Insbesondere m»ß die von der Reichsregierung angestrcbte Ver besserung der Lage der arbeitenden Elassen die Thäligkeit der Eilizelslaaien und der Gemeinden in gleiche Richtung leiten, soweit Couivelcnz und Mittel derselben reichen. Die durch die Aushebung der staatlichen Sleuerpsllcht der untersten :!ufcn der Classensteuer und die Beseitigung deS BolkSschulgcldcs z» diesem Zweck getroffene» b:dcutiamca Maßregeln sind durch eine Reform ver direkten Steuern behus« deren gerechterer Ver- «Heilung noch Maßgabe de» Einkommen» und zur Erleichterung der minder begüterten Elasten in Stadt und Land zu ergänzen. Ins besondere bedarf die Gewerbesteuer-Gesetzgebung in dieser Richtung einer durchgreifenden Revision. Durch solche Rcsormen, wie durch die erhöhten Ueberweisnnge» au» de» Einnahmen bei Reiche» werden, in Verbindung mit den wachsenden eigenen Einnahmen, dem Staate die Mittel gesichert, ohne weitere Steucrbelastiing unerläßliche Ausgaben zu erfülle«. Al« solche Ausgaben betrachten wir vor Allem: die Enilafiung der Gemeinden und die Ersetzung der schwanken den Zuweisungen au« den Geticidezöllen durch feste gesetzlich nor- niirte Beträge, insbesondere durch Ueberweisung eine» Lhcii» der Grund« und Gebäude-Steuer; die erweiterte Ueberaahme der Schullasten durch den Staat; die gesetzliche Regelung und gerechlere Berlheitung der letzieren; die Befreiung der Lehrer von den Beiträgen zu den Wutweu- und Waisencaffen; die Herabsetzung de« Stempel» bei Veräußerungen und Verpach tungen von Grundbesitz; die gesteigerte Verwendung vo» Mitteln für die LandeSmelioralion, insbclondere auch die entschiedene Durchführung von Maßregeln zum Schutz der von den Hochslulhen bedrohten Gegenden; die erhöhte Forderung de» gewerblichen Uateriichtt und der landwirthschaftlichen Schule»; die fortschreitende Ausdehnung de« Eisenbahnnetze»; die Schiffbarmachung und Regulirung der Flüsse, die Herstellung neuer Wasserstraßen uud die Nutzbarmachung derselben sür d,e Land- wiridschast. Nach dem vorläufigen Abschluß der Gesetzgebung über die ver- waltvngsjustiz und die Kreis- und Provinzial-Verwallung bleibt aus dem Gebiete der Selbstverwaltung vor Allem die Reform der Bcrsastung und Verwaltung der Landgemeinde» übrig. Die lebendige, gesetzlich geregelte Theilnadme bet Bolle- an der Verwaltung öffeullicher Angelegenheiten hat sich in den größeren Bezirken vollkommen bewähr« und der Staatsgewalt neue Lräste zugesühr». Sie bleibt aber unvollständig, so lange die Selbstverwaltung der Gemeinde», der »»tersien Sinsen der Staatt-Ordnung, >»chi den heutiqea Bedürfnissen entsprechend geregelt ist. Die Verschiedenheit der socialen und historische« Verhältnisse wird nicht überall eine in allen Einzelheite» gleiche Ordnung de» Gemeindeweieii« erfordern oder zulasten, wohl aber können die wichligften Grundlagen der Verwaltung der Semcindea. ihre Richte und Pstichien, die Vertheiluaq der Lasten und dementsprechend die Vertretung, noch übereinstimmenden Grundsätzen geregclt werden. In verschiedene» Laadetiheilen ist die Zusammenlegung von Gemeinten, bezw. Guiedezirkea, welche für sich den he»te an die Gemeinde gestellten Aasorderungen nicht mehr gewachsen sind, zur Ersüllung gesetzlich bestimmter Ausgaben mcht länger zu ver- meiden. Die Beesnsjung dieser Verbände muß eine gerechte Ver- treinag uud Vertheiluag der Lasten vorsehe», ohne dir bitherigeu korporative» Rechte der vereiaiqlen Verbände o»szuhrbr> »der Weiler, als nothwendiq »ft, zu beschränken. Diese Resorwe, «erden den endlichen Erlaß eine» Schulgesetze», der i» viele, Provinzen dringend »othweadigr» W«g«»rdn„ge», di» Verbesserung de» vrmeuwes«,». iuSbrsouder« aus de»La»d, die schtt« »»inuzuug der Pelizeigrwalt «ch i» »Le» diese» »tu» gerechter« vertßetlaug tzer Laste» ermögliche», jeden- fallt erleichtern. Wir wrrde» mit Entschiedenheit auf die Durchführung solcher, auch zur Autgleichung befteheuder Interessengegensätze uud zur Er haltung »ad Stärkung der mittleren ländliche» Besitzungen noih- wcndigrn organischen Gesetze dringen uud hoffen, diejelven in Uebcr- rinstimmuug mit der Staattregieruug uud den aadercu Parteien »>r bei der Kreit- uud Proviazial-Orduuug tut Leben zu ruscn. Wir haben gern mitgewirkt, um der evangelischen Kirche eine größere Selbslverwaliung uud eine freiere Vertretung unter Mitwirkung deS Laieuftandet zu sicher», «ad werden stett bereit sein, berechtigte» WUujchca uud Vevürsuiffeu derselben, soweit der Staat dabei müzuwiiken berusen ist, entgegea zu kommen. Wir werdeu aber auch in Zukunst olle Bestrebungen, eine h erorchiiche Gewalt innerhalb der evangelischen Kirche zu begründen, die historische Verbindung derselben mit dem Staat-.Oberhauple zu locker«, die evange lische Gemeiudeireiheit zu Gunsten einer übermäßigen Lentralisation zu vermindern und einseitige Richtungen zur ausschließlichen Herrschaft innerhalb der evangelischen volkskirch« zu bringe», mit aller E»t- schirdeuheit bekämpfen. Di« zur Wiederherstellung eine« friedlichen Verhältnisse» mit der rvmifchen Kirche vom Staat gemachten weitgehenden Zugeständ- niste haben uns schwere vedeaken eingefläßt. Diese Bedenken müssen jedoch gegenwärtig zurückiretea, wen» jene Gesetze sich al« geeignet erweisen, den auch voo ua« dringend gewüaichien Frieden zw schea Staat und Kirche dauernd zu erhalte,, uud der Streit nicht z„ dem Zweck sortgesetzi wird, um weitere mit der Stillung de« Staats gegenüber dea Lonstssionca uuscreiubarliche Zugeständnisse zu er reichen. Wir verwerseu alle directea und indirekten Versuche, der preußischen Bolk-jchnle ihren Eharakter alt einer staat lichen Veranstaltung zu nehmen oder sie durch die sogenannte Schulsreiheit, d. h. durch eine Lotlösung der Schule von der staatlichen Ansslcht und Leitung zu untergrabe». Wir werden «iatreten sür den baldigen Erlaß eine- Schulgesetze«, welche« solchen für die Volksbildung uud da» Slaaltwoht uachlhriligeu Bestrebungen jede» Boden entzieht. Bei voller Anerkennung der hohen Bedeutung de- religiösen Unterricht« in de» Schulen werden wir dahin zu wirken suchen, daß den bezeichnet«» Tendenzen auch in der Verwaltung keinerlei Vor schub geleistet und die Freiheit und Uaabbängigkeit der preußischen Volks,chule vor allen unberechtigten Einflüssen bewahrt wird. Große, von un» und unseren Lorsadren erworbene Güter sind zu behauvten, bedeutende und schwierige Reformen der Zukunst diirchjuiühren. Beides ist, wie die Erfahrung der letzten Jaiirzehnle bewiesen hat. nur möglich, wenn die Mehrheit der LandeSverirciung sich von radicalen Tendenzen und persönlichen Gegensätzen srcihält und nicht ihre Haupt-Ausgab« io der Bersolgung riaseitiger kirchlicher oder welt licher Ziele sicht. Wer einen stetigen» gesicherten Sang de- StankSlebenS erhalten und bcsrsiigca will, der wirke für die Wahl gemäßigt liberaler Abgeordneter, welche die freiheitlichen Iniiitutionen des Landes zu vertrete» und jeden praktisch erreichbaren Fort schritt im Interesse deS Gelamnitwohle» de» Volke« anzustrebeu entschlossen sind. Die letzte» Wnhlcn zum deutschen Reichstage haben dargetbon, daß dies« Anichauung von der großen Mehrbeii des Volkes geideili wird und daß eS nur einer getreuen Pflichiersüllung aller zur Wahl Berufenen bedarf, um ihr znm Sieg zu verhelfe». Wir veriraucn und toffen, daß die preußischen Wähler und Wal>li»äuner diese erste Pflicht cilles jeden zur Aueübung politischer Rechte berujcacn Staaitbürger» gegen da« Baterlaav voll uud ganz erjüll-n werden. Unsere politischen Freunde fordern wir auf, ohne Verzug in allen Wahlkreis», wo die- noch nicht geschehen sein sollte, die Vorberei tungen süe die Wahlen zu beginne», Wahlvereiue zu dildeu, durch Wort und Schrijt tie Wähler über die Bedeutung der Wahlen aus- zutlären, geeignete Caudidatea auizuftellcu und Nicht« zu versäumen, um de» Sieg der von un» vertretenes Sache zu sichern. . Berlin, 15. September 1888. * Berlin, 14. September. Rach un» au» dem Wahl kreise Görlitz-Lauda» zuzehenden Mitteilungen bestätigt sich die durch die Blätter gegangene Nachricht über ein zwischen Nalionatliberaten uud Conservativen bereit» fest abgeschlossene« Eartel im dortige, Kreise, wonach schon die Caubidalen scstgesleltt seien, nicht. Doch werden die National- liberalen mit den Conservativen. wie iu früheren Wahlen, so auch jetzt wieder Zusammengehen. Marine. * Die vielfach verbreitete Nachricht, daß eine Vermehrung der Kriegösahrzeuge der deutschen Marine im Zusammen hang mit dem Bau de« Nord-Ostseecanal» in Aussicht ge nommen sei, erweist sich al» völlig irrtbümtich. Bon kundiger Seile wird zugegeben, daß mit der systematischen Erweiterung der Marine stetig fortgeschritten werde» soll, daß aber im Augenblick die Frage, ob diese Erweiterung zunächst durch den Bau von Kanonenbooten oder durch den Bau größerer Schlachtschiffe zu erfolgen haben werde, noch dea Gegenstand der Erörterung bilde. * In einem Briese an die „Times" äußert sich Admiral Ekliot über die Leistungsfähigkeit der englischen Marine und sagt dabei u. A.: „Ich glaube, e» können gute Gründe dafür angeführt werden, daß die Fahrgeschwindigkeit vo» Kriegsschiffe» aus 14 Knoten und ihr Deplacement aus lO 000 Tonnen beschränkt werden sollte, und zwar im Hinblick aus alle Bedingtingeu. die auf Ftotten-Actionen anwendbar sind uud mit Schuß-, Widder- und Torpedo-Angriffen und -Vcr- theidigungen in Verbindung stehen. Auch batte ich eS für einen Jrrthum, zur Bcrtbeidigung britischer Interessen außer halb europäischer Gewässer Kampsschiffe zu verwenden, da deren mäßige Fahrgeschwindigkeit sie untauglich dazu macht, al» Kreuzer zu dienen, und da sie. ausgenommen zur Hasen- vertbeidiguug. gegenüber weiiiger mächtigen, aber schnelleren Schiffen unschädlich sein würden. Au» diesem Grunde habe ich eine Classe von Kreuzern sür den Dienst in fremden Ge wässern befürwortet, die dasselbe Deplacement wie Kriegs schiffe haben, aber die höchste Fahrgeschwindigkeit und Kampse-stärke besitzen sollen, die mit Seetüchtigkeit verträglich ist. Die Beschaffung von 10 bi» 12 Kreuzern Vieser Classe sollte unser erste» Ziel sein. Die Hinzusügung einiger solcher Fahrzeuge zu der Flotte von Krieg-schisjen würde e» möglich machen, die Offensiv: zu ergreifen, wenn immer ein Feind außerhalb de» Hasen» in Sicht käme." * Bor einiger Zeit hat die türkische Regierung sich au» der Schwartzkopff'schen Torpetofabrik eine Anzahl Arbeiter kommen lasse», damit dieselben hier die Anfertigung von Torpedobooten lehren. Al» Folge dieser Bemühungen ist soeben in Gegenwart d.S Marineminister» und de» Admiral» Starcke Pascha da» erste hier gedaate Torpedoboot vom Stapel gelassen worden und bat bezüglich seiner Leistungen alle Erwartungen übertroffen. Trotzdem dürften die deutschen Arbeiter bald wieder in die Hennath zurückkrhre» müssen, da die Finanznöthe der Türkei ihr fernere» verbleiben beziehungs weise die Wetterführung ver Arbeiten sehr erschweren. Der angebliche Seeweg nach Sibirien. * Dem englischen Parlament hat. wie schon kurz erwähnt, jüngst ein von dem großbritanuischen Botschafter am russiichen Hose, Sir Robert Morier» an Lord Salitbmy erstatteter Bericht über die Anknüpfung von HandelSdrziehungen mit Sibiriea durch das Karische Meer Vorgelege», und es ist durch diese» Bericht in da« größere Publicum zuerst Kenniniß von eine« Unternehmen gelang«, welche«, wenn e« nicht aus höchst srogwürdiger Grundlage derahte. von unzweiselhaster daadeltpolirlscher Bedeut,,, sei, würde. Der Inhalt de« Morier'sche, Bericht» ist. Io führt der „Hamdnrger Lorrespon. den»" de« Räderen au». i,«wische, bereit« von mehrere, deutschen Blätter, mit größerer »der grrmgrrrr «»«sührtichtrit wiedergrgedea worden. Derselbe läßt sich kur» dahi» z»I<>«m«»s»ffe,. daß die vo, dem rngliiche» Schiss «caviram Joseph Wiggiu« mehrfach mit Erfolg unternommene, versuche, dir Müuduuge, de« Ob und Ienisei durch da« Karische Meer zu erreich«,, zu der Bildung einer Aktiengesellschaft mit de« charakirristischr» Name, pdoenir tzlereduot Ucker»turer," m Nrwrastle rrmuthigt bade», und daß von dieser Gesellschaft mit Zuuersicht erwartet wird, ft« werde dnrch dir Hersteüu», einer Kch'Mohn«vrrbiud»ug durch da» »arisch« Meer i» die Ström» 0» ,«» Ieuiiei hturi» du» guurr, Gtdtrieu« «uf diese» >«>I daueiw» dem Hmchel «schließe,. E» »ertohut sich tudeß, «us die Frage etwa« näher einzugehen, ob denn in der Tbat durch deu Bericht Sir Robert Morier'« die Fahrbark-it jene» Sccwc^r all nachgeivieicu ougeschen werde» kann. Die Frage ist mit Entschiedenheit zu verueiuen. Die Fahnen Nordenskjöld'« und Libirjakow'S habe» zur Genüge dir- geihan, daß e« lediglich von Zusälligkeiten abhängig ist. wenn in dem einen oder dem andere» Jahre die Karische Meerenge und da« Karüche Meer eisfrei sind und gelegentlich die Durchfahrt gestatte». Der Bericht Sir Robert Morier'» zeugt in dieser Hinsicht zweifel!»» von großem Sangnini-inuS und einer unzureichenden Kenniniß deS über jene Frage durch zahlreich« frühere Unternehmnuirn ge sammelte» thatsächlichen Materials. Im vergaagenen und selbst >m lausenden Jahre srd-inen allerdings die E.Svcrhälinisse un Karische» Meere sür die Schifffahrt günstig gewesen zu lein. Dennoch stc!it i» dea geogrophiilven Fachkreisen seit Längerem da« Urtheil fest, daß an eine regelmäßige direct« EchisfsahrtSverbinduug a» t Sibirüu aus dem in Rede stehenden Wege nicht «u denken ist. Dieselbe ist mit zu großen Gefahren verbunden, und die wenige» Fälle, in den » während der letzten 18 Jahre — seit Nordenskjöld'« erster sibirischer Expedition — da» Karische Meer nicht durch Ei« verip.-rrt g-sunden worden ist. stellen sich eben al« Autnadmea dar. der«» Wiederkehr selbst für di» wenige» übeedaum tu Frage kommenden Sommer- wochea unberechenbar ist. Sir Robert Morier läßt in leinem Ve- richt die Lhass'ache selbst nicht unerwähnt, daß im Jahre I8M eine von Liverpooler Firmen in Gemeinschaft mit Sibirjakow »och dem Ienisei ausgerüstete Expedition von sich« Schiffen elend zu Grunde ging. Der Verübt enthält aber nichts über eine große Zahl früherer und späterer Expeditionen deutscher, englischer, russischer und dänischer Unternehmer, welche gleichsoll« die Mündungen der beiden großen sibirischen Ströme zur See zu er reichen versucht haben und isst au-nahmSlo- mißglückt sind. Dir kürzlich ringetroffene telegraphisch« Nachricht, daß der von der Sc- sellschait ..l'koemr älerebaot Lvouturer»" auSgesandte Dampfer aus dem Ienisei gejmeitert ist. hat die an den Bericht Sir Robert Morier'» geknüpften Hoffnungen denn auch bereit« erheblich herab gedrückt. Der „Petersburger Herold" beispielsweise» welcher noch uiucr dein 25. v. M. die Handelsverbindung zue Sec nach Sibirien sür „gesichert" ansah und die Ansicht vertrat, daß „der kaujiuäauiiche UntcrnehinnngSgeist diesen neuen Weg wohl nicht wieder verlassen werde", verspottet schon einige Tage später die „überschwenglichen Phantasien", welche da« ganze Unternehmen bereits für gelungen angesehen hätten, und kennzeichnet die demselben zu Grunde liegenden Idee» al« „interessante, oder unpraktische Eombinatioaen". Gleich- z itig besinnt sich das russische Blatt daraus, daß e« „mebrsoch, so auch bei Beipr.chuiig des weck praktischeren Projekte« der Ob-Eisen- bahn, daraus hingcwiesen Hobe, daß jenseit« der Waigatich-Josel im Karische» Meere eine Schifffahrt unter zehn oder mehr Fälle» einmal glücken könne, doch nicht mehr, und daß hierauf Pläne einer testen Loinmunication zu bauen Thorhei» sei". Die russische Regierung ist dem von Sir Robert Morier befür worteten Unternehmen sehe sympathisch gegenüberqetrerea und hat, ihr wirthschastl'ches AbsperrungSsystem durchbrechend, die zollfreie Einfuhr vo» Waareu gewisser Art aus dem Ienisei sür fünf Jahre und für eia Jahr aus dem Ob concedirt. Trotzdem wäre es m.-rk- würdig, wenn die russische Regierung sich in Bezug auf die hier zur Erörterung stehende Frage besonderen Illusionen hingeben wollte, da sie schon früher Gelegenheit gehabt hat. sich mit derselben ein- gehend zu beschäftigen. Nachdem es Nordenskjöld gelungen war. i» den Jahren 1875 und 1876 durch das Karische Meer zur Mündung deS Ienisei zu gelangen und im Jahre 1878 mit mehreren Schiffen nochmils da- innere Sibirien» zu erreichen, und al« in Folge dessen d>e russische Presse — wie immer bei derartigen Anlässen — sich alsbald den lanquinischsten Hoffnungen hingab und von dem neuen Wasscrweg Schlüsse auf eine glänzende Entwickelung Sibirien« zog — schon damals entsandte die russische Regierung von St. Peter»- bürg aus eine Loiumission, um an den sibirische» Flüssen Zollstelleu anzuleijen, und ertheilte einer Gesellschaft da« Recht, an der Mur- mankisste (zwischen Norwegen und dem Weißen Meere) Handels- sacloreieu auzulegeu, um voa dort au« dle Sckliffsahrt mit dem Innern Sidtrien« ,, betrelbea. Doch al» schon im folgen- den Jahre ongünstige Witterung», und Temperaturverbält- niffe die Durchfahrt durch da« »arisch,- Meer unmügl ch machten und aus derselben mehrere Schiffe zur Grunde gingen, überzeugte sie sich, daß ihre Erw-irtuugea grundlos gewesen seien. Sie mach!« noch einen schwachen Versuch, die hydrographischen «erbältuiffe de« Ob und Ienisei sestzustelle«, und ließ hierauf dea Haudelsweg du>ch da« Karische Meer aus sich beruhen. Bezeichnend Ar die Aufiaffunq. welche die russische Negieruug über de, Seeweg durch da» Karische Meer ha» und füglich haben muß. ist auch da» Intereffe. welche» sie neuerdings dem Project der sogenannten Ob-Eisenbahn «ugewandt hat. Denn dieser neue, etwa 4M Werst lange Schienenweg, dessen Ausführung bereit» dem Russen Golochwastow übertrage» ist, ver- solgt gerade den Zweck, dos Wasserbecken de» Ob mit irgend eincm westlich der Insel Waigatsch belesenen Hasen de« nördlichen Eis meeres zu verbinden und so den 1600 Werst langen Seeweg durch da« «arische Meer zu umgehen. Die Nothwendigkeit dieser Um gehung wurde, als das Ob-Eijenbahnvroject zuerst besprochen und als d:: „Ausweg eine« erst,iberische», weitreichende» Geiste«" ge- priese» wurde, al« unzweiselhast hingestellt. Mit großer Schürst wurde damals aus dem Verlause der Nordenskjüld'schen Reise» das Facit gezogen, daß duich dieselben zwar die Möglichkeit >iner Um- ieqeliing von Nowoja Semlja und Waigatsch, aber auch die Unmöi- lichkeit eines regelmäßigen Handelsverkehrs jenseit« dieser Inseln dargeihan sei. Nach Alledem wird sich die Zuversicht, welcher Sir Robert Morier am Schluß seiue» Berichts Ausdruck giebt, daß binnen Kurzem mit der sibirischen Bevölkerung, uud namentlich mit de» großen sibirischen Miiieabesitzero enge Handelsverbindungen entstehen werden, wohl bald herabstimmcn. Nur eine gründliche Umgestackuog der Temveraturverhältnisse de« nördliche» Ll-meere« würde es rrchtieriigeu. wenn das Interesse Sie Robert Morier'« sür den neuen Seeweg nach Sibirien denselben Wärmegrad behielte. Jedenfalls ist die diesjährige Expedition in Folge des Unterganges des Dampser« „Phönix" schon als gescheitert auzuieden. Ls isst sicher, daß Sir Roben Morier mit den vo» ihm protegirten dkeredant Xckreulurer» nicht in eine Verbindung za bringen ist. welche, nach- dem die Gründung verkracht sein wir», da» Odinm eines Gründer in dem landläufigen Sinne de- Worte« auf ihm fitzen lassen kännte. Aber man gewinnt angejichls der überaus großen Lebhaftigkeit, mit welcher derselbe nicht nur i» seinem obenerwähnten Bericht an Lord Salsbury, sondern auch iu seinem mündlichen und schriftlichen Verkehr mit russischen Kreisen sür die Sache der Erschließung Jiinerasien» aus dem directeu Seewege eiagetreten ist, und augesichi-- der Thaljache, daß der Herr Morier seinen einzigen Sohn in diese rujsijcherselts mit Jubel begrüßte Unternehmung engagirt hat. dea Eindruck, al» ob die Absichten de- Herr» Botschafters am russischen Hose wesentlich darauf gerichtet gewesen seien, sich iu Sl. Petersburg e»u wenig „lieb Kind zu machen". »"> ^ Entscheidungen des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) L. Leipzig, 13. September. Mit vier Mordprocessen batte sich das Reichsgericht iu seiner gestrigen Sitzung zu besasscn. Der erste Fall betraf den Eigenthümer August Mietz au- Petcrs- walde, welcher vom Schwurgerichte in Koaitz am 23. Juni zum Tode verurtheilt ist, weil er den Altsitzer seine» Anwesen« ermordet hat. Der Angeklagte rügte in seiner Revision, daß ln Bezug auf die stattgehadte Verlesung eine» Acteastücke» kein Gerichtsbeschluß gefaßt sei. Da- Reichsgericht konute hierin keine» Verstoß gegen irgend ein Besetz erblicken und verwarf deshalb die Revlston. — Vom Schwurgerichte in Kiel ist am 26. Juni der Seemann Dunkel mann au- Zarrentin wegen Raubmorde» zum Tode verurtheilt worden. Er hatte am 18. Juli 1887 eine Ehefrau Wipper er- mordet und ihr bei dieser Gelegenheit verschiedene Sachen geraubt. Seine Revision rügt« Widersprüche in der Fragestellung, da eine iodte Person keinen Gewahrsam an Sachen haben und daher auch Niemand ihr solche rauben könne. Da« ReichsgerreA verwarf auch diese Beschwerde und zwar als unzulässig, da da» Reich-qrr »t nicht nachprüsen kann, ob die Geschworenen bei Beantwortung der Fragen rechtlich geirrt habe». — Der dritte Fall bezog sich aus ei» vom Schwurgericht Halle am 5. Juli gefällte» Todeiuriheil wegen Mordes und Raube« gegen de« Haadarbeiter Steinig an« Molmeck, ivelcher am 23. Februar d. I. «neu Slempnermristrr Weruecke er- mordet und ihm mit Gewalt ei» Iaquet nebst Inhalt weggenommcn hat. Dieser Todescaadtdat beschwerte sich darüber, daß ihm nicht schon im Vorverfahren ei» Berlheidiger gestellt sei. Da dies nicht unbedingt nöthig ist und der Angeklagte auch damals keinen Antrag aus Stellung eiue» Betthetdigrr« ringebracht hatte, so rrsolgt« die Verwerfung auch dieser Revision. — Mehr Glück hotte der am 23. Juni vom Schwurgerichte Kiel wegen Beihilse zum Mord« ver- uriheilte frühere Kaufmann Johanasen. Er war, während sein zehnjähriger Sohn al« Zeuge vernommen wurde, an» dem Saul binausqesüdrt wvrde» uud beschwerte sich jetzt darüber, daß auch in seiner Abwesenheit da» Geburtszeuaniß seines Sohne« verlese, sei. — Da» Reichsgericht hielt diese Rüge für begründet, da di« Ver- lesung ei» Art der Beweisaufnahme war, bei welcher zugegen zu sei» der AugeNagte «i» Recht hatte. E« erfolgt« deshalb Aul- »h»,g de« llrtheil« uud Z«-ckd«Wtf>mi der S«ch, Hz hf» h»h»»g de «orÄL»
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