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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188809210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880921
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880921
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-09
- Tag1888-09-21
- Monat1888-09
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1888
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Vierte Geilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. ^ 285. Freitag den 21. September 1888. 82. JahMNg. Neueste Nachrichten. * Berlin, 20. September. (Fernsprechmeldung des „leipziger Tageblattes".) Erzherzog Albrecht von Oesierreich hat heute Nachmittag Berlin wieder Verlagen. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht einen Erlog des Kaisers an den Oberpräsidenten von Brandenburg, in welchem er der Bevölkerung slir die herzliche Ausnahme und für die Bereit willigkeit. mit der man den Anforderungen der Manöver entsprochen habe, seinen Dank ausspricht. — Der König von Griechenland wird auf seiner Rückkehr von Däne mark hier einlrefscn und vor seiner Abreise nach Griechenland einige Tage hier verweilen. — Der Erzherzog Albrecht von Oesterreich besuchte am Sonntag das Mausoleum in Charlottenburg und legte daselbst eine» mächtigen Lorbeer- kranz aus daS Grab Kaiser Wilhclm'S 1. nieder. — General Stiehle, bisher Edef bcS ZngenieurwesenS, wird demnächst seinen Wohnsitz in Baden-Baden nehmen. — Die „Post" veröffentlicht den Wahlaufruf der freiconscr- vativen Partei. — General von Hahnte übcrnabm heute die Geschäfte des Gouverneurs von Berlin an Stelle des Generals von Werder, welcher auf sein Abschiedsgesuch zur Disposition gestellt wurde, aber L In snito der Armee gcsnhrt wird. — Der Kaiser ließ dem Bürgermeister von Müncheberg seine Photographie mit eigenhändiger Unter schrift übermitteln und ihm seine» Dank für die außerordent lich patriotische Ausnabme auSLrücken. Sein Gastgeber, der Gutsbesitzer Pein, erhielt gleichfalls seine Pholographie mit eigenhändiger Unterschrift, kessen Gattin ein Brillanlarm» band, Vesten beiden Töchter Brillanibrochen. — Prinz Leopold stattete bei der Abreise seinem Gastgeber in Müncheberg persönlich seinen Dank ab. — Rom. Aus daS Glückwunsch'ch reiben des Bürgermeisters an den König anläßl ch des JahreStageS der Befreiung NomS erwiderte der König lelegraphgch aus Monza: Der 20. Seplembcr sei ihm wie der ganze» italienische» Nation ein geheiligter Tag. Nom habe es während 18 Jabre ver standen, die Mission der Wellstadt und die der Hanplstadl Italiens erfüllen. Bald werbe der deutsche Kaiser, der neue Beitüiibete deS Volks, daS Haupl einer kräftigen Nation, welche zu derselben Zeit Einigkeit unter staatlichen Um- wälzlingen erlangte, Nom seinen Besuch abstatten. — Bukarest. In der heutigen Kaminersitzung wurde das Dcccel, betreffend, die Auflösung der Kammern und Wiedcreinberufung derselben am 24. Oktober verlesen. — staris. Der Ministerrath beschloß heute, der Eingabe auf Ermäßigung des Eingangszolls jür Getreide nicht statlzngcben. Nachtrag ;um politischen Tagesbericht. " Zur Ernennung Professor Harnack'8 für die Berliner Universität schreibt die „National-Zeitung": Wie wir vereils berichtet haben, meldci der „Reichs-Anzeiger" l 'Ute Abend, daß die Versetzung de- Professor« Harnack von Marburg ln die evangelisch.theologische Facultät der Berliner Universität die königliche Genehmigung erhalten hat. hin einer Angelegenheit also, welche von den Reaclionairen im Staat i iv in der evangelische» Kirche zu einer Kraftprobe erste» Range? .»»spitzt worden war, sind dieselben unlerlegen, nachdem sie vergeblich alle Hebel angeietzi hatten, um ihr Ziel zu erreichcn. Oline diese Anstrengungen der „kleinen" Coleric, welche hoffte, demnächst auch wieder die „mächtige" zu werde», wäre die Be- i sung Professor Harrwck's aus den Lehrstuhl der Kirchengeschichte in der Berliner cvangelisch.lhcologischen Facultät in keinem Betracht ein Ereigniß von hervorragender Bedeuwng geworden. Professor Harnack ist ein Theologe, der auf unbedingt positiv-gläubigem Standpuncr sich befinde»; er gehört nicht eiwn dem verrusenc» Pro- testantenverein, sondern der kirchlichen Mittel Part ei an. Die Facultät, welche seine Versetzung von Marburg nach Berlin dem Minister vorgejchlagen, steht in ihrer Mehrheit vielleicht sogar noch etwa- weiter recht?. Herrn von Goßler, der diesem Vorschlag gemäß zu verfahren bereit war, hal bis dahin Niemand für einen Vertreter des Unglaubens gehalten. Und auch die Hätsle deS Ober- Kirchen rat Hs. die mit der Ernennung einverstanden war, steht uicht in diesem Ruse. Allein mau wurde boiehrt, daß olle diese Elemente nicht zur „Kirche" zu rechnen seien. Die Partei, welche augenblicklich in den Synoden herrscht und danach streb», auch die oberste Leitung der evangelischen Kirche in ihre Gewalt zu bringen, gab die Parole ans, daß die Zugehörigkeit zur evangelischen Kirche sortan davon ab- häagen solle, ob man durch Bekämpfung der Berufung Harnack's die evangellsch-theologischen Professuren in Preußen ausschließlich für Angehörige der äußersten kirchlichen Rechten in Anspruch nimmt — auch wenn, wie im vorliegenden Falle, dieselbe keinen Fachmann für eine elngetretene Bacanz zur Verfügung hat und deshalb eine kirchengcschichtliche Professur mit einem Vertreter einer anderen DiSciplin besetzen müßte. Man redet: und schrieb, als ob der Antrag Hammerstein-Kleist schon Gesetz wäre, und lieferte daonrch nebenbei den deutlichsten Commentar zu diesem Antrag. So wurde die Berufung eines theologischen Professors nach Berlin in der Thai eine Staalsaction. Wie sehr der zu einer undejangeaen, sachgemäßen Entscheidung bereite Minister von den Vertretern der rcactionair-ortbodoxen Bestrebungen bedrängt wurde, das erlannte man aus dem Umstande, daß er diese Perjoaalsrage vor das Staatsministerium brachte, um sich dessen Unterstützung zu sichern. Nachdem nunmehr di- Entscheidung gefallen, muß die Nieder lage der staatlichen und kirchlichen äußersten Rechten nach den Anforderungen, welche sie erhob, und »ach den Anstrengungen, die sie zu d-rcn Durchsetzung machte, beurthcilt werden. Danach ist diese Nieverlage eme außerordentliche, und ihrer Schwere wird die Gcuugthuung entsprechen, womit die Nachricht davon in de» weite- slcu Kreisen ausgenommen werben wird. Zu einige» früheren An- zcichen der nämlichen Art komnit die Berufung Prosessor Harnack's nach Berlin hinzu, um zu bekunden, daß die neue Regierung?- perivde, welche vor wenigen Monaten begonnen, weit davon entsernt bleiben wird, Staat und Kirche zum Tummelplatz herrsch« und unterdrückung-süchtiger Elemente zu machen. Dieser LnSgang eines Kampses, dessen Bedeutung allgemein erkannt wurde, obgleich er sich gräßtcnlheils hinter den Coulisjcu abspiclte, wird der großen Mchr- oeit der Bevölkerung die Zuversicht bestärken, womit sie aus die Gegenwart und in die Zukunft unseres öffentliche» Leben- blickt. * AuS Paris wird gemeldet, daß daS im französischen Ministerium deS Acußern eben in Zusammenstellung befind liche Gelb buch namentlich zahlreiche Documente über die letzten handelspolitischen Unterhandlungen mit Italien ent halten wird. Die Schriftstücke werben >m Parlament sofort nach besten Wiebcrzusammentritt zur Bertheilung gelangen. * „Niemand verdient mehr als Sie diese Auszeichnung zu tragen." Mit diesen höchst schmeichelhaften Worten übergab, wie auö Nom gemeldet wird, König Humbert oem Minister-Präsidenten CriSpi, nachdem er ihn umarmt und geküßt, die Insignien dcö höchsten italienischen Ordens, jenes oer heiligen Anunciata. DaS italienische Bolk ist in der Anerkennung der groß"' Verdienste, die sich Herr CriSpi während seiner vcrhä..».,ßmäßig kurzen AmtSwirrsamkeit um das Land erworben hat, e nes Sinnes mit dem König. Wie CriSpi in der inneren Politik die gesetzliche Ordnung zu sickern, den bestehenden SlaalSeinrichtunge» Achtung zu ver schaffen wußte, ohne einen Augenblick lang die liberalen Principien zu verleugnen, zu denen er sich stets bekannte, so verstand er eS nach außen bin, Italien jene Stellung und jenen Einfluß im Nathe der Großmächte zu sichern, die ihm vermöge seiner Bedeutung zukommen, so baß es heute inner- unv außerhalb Italiens Niemand giebt, der die Wichtigkeit der Stellung Italiens verkennen würde. Treu unv loyal an dem Bünvmste mit den Eentralmächten sesthaltenv, verstand e» Her, Er,»Pi. die Würde und va» Ansehen Italien« auch Jenen gegenüber zu wahren, flvelche. die Veventung Italien- verkennend, noch immer eine Art Pr»tecl»rat über dasselbe autüben wollten. Herr Lri-pi ist eia gsennd de» Frieden» und wünscht wie irgend Jemand die Erhaltung deS europäischen Frieden«, aber wo eS die Wahrung der nationalen Würde, der Ehre Italien» gilt, kennt Herr EriSp, keine Nachgiebigkeit, und so lange er am Nutzer ist, wird er sich gewiß zu keinen die nationale Würde beeinträchtigenden Zugeständnissen berbci- lastcn. ES ist daher begreiflich, daß die Herrn CriSpi gewährte allerhöchste Auszeichnung im ganzen Lande den besten Eindruck gemacht hal, unv eS herrscht bloS Eine Stimme darüber, daß dieselbe einem Würdigeren nicht hätte verliehen werden können. * Zur Homerule-Bewegung wird der „Politischen Eorrespondcnz" auS London. 17. September, geschrieben: Die Homerule-Bewegung beginnt nachgerade etwa- in- Stock:» zu geralhen, einerlei!-? in Folge der unnachgiebigen Thal- kraft des SiaaiSjecretairS für Irland, Nt. Aalsour, anderseits als natürliche Folge der durch die ParlamenlSserien gegebenen politischen Pause. Wenn aber auch die theoretischen Erörterungen ruhen, mache» sich die ungeduldigen und ungeberdigen Elemente der Homerule-Parlei »m so bemerkbarer. Sie gebcn das Schlagwort aus, daß, nachdem alle konstitutionellen Kampsmittel erfolglos erschöpft worden sind, es »uamehr Pflicht der Nationalisten sei. zu Gewaltmitteln zu greife». Der vormalige Fenier und Schöpfer der Nationalliga, Davitt, ein leidenschaftlicher Redner und von den Iren geradezu vergötterter Volksinann, ist der rührigste Propvet dieser rrvolnlionaiicu Richtung. Seine Brandreden habe» gezündet und für den Augenblick Parnell's Einfluß ganz zurückgedrängt. Dies gilt namentlich von Cork, da- als ein Mittelpunkt der patriotische» Bewegung anzusehen ist. Wi: auch im übrigen Europa unler ähnlichen Umständen, haben sich bei den Nationalisten zwei Parteien gebildet: die „Weißen" und die „Noihen", und nicht selten habe» die Erfolge der Extremen bewiesen, daß zuweilen die Gewaltanwendung zum Ziele lüdet. In den» speriellen Falle Irlands aber ist es augenscheinlich, daß die nationale Bewegung einer vernichtenLeu Niederlage cntgegenginge, wenn ihre Parteigänger de» politischen Mord und die Revolution als Kamps- liiillcl in Anwendung bringen wollten. Davilt selbst hätte eS zuerst zu berruen, wenn seine unbedachten Rede» und Aufreizungen von der unwissende», ihn mit Begeisterung anhörenden Menge befolgt wurden. E? ist übrigens wahrscheinlich, daß die turch seine Worte hervorgerusene Aufregung sich lege» wird, sobald die Wicdcreröjsnuug der varlanientarüch n Tbätigkcft und der von Parncll gegru die „Times" ang strengte Proccß di: Ausiiieiksanikeit de? Publikums aus sich zirheu und von den irischen Zuständen ableuken wc-d.n. Es hieße einen »alionakcn Selbstmord begehen, wenn die Irländer zum Ausstande oder zu politischen Morden greisen und dadurch die Sym pathien der gesammten Giadstonc-Partei einbüßen würden. Letztere rrchnet daraus, i» absehbarer Zeit wieder zur Macht zu gelangen. Set dem wie immer, so ist doch so viel sicher, daß die Iren dauernd baraiis verzichten müßten, mit Hilfe der Gladstoneancr das Homerule zu erlangen, lall? sie vom Wege der Gesetzlichkeit abwcichen. * Urber die Stimmung in Rußland wird der „Politischen Correspviidenz" auS St. Petersburg, 16. September, geschrieben: Das politische Leben Rußlands concenlrirt sich dermaßen um de» Thron, daß seit der Abreise des Kaisers eine tiese Slillc cingklrcten ist. Kaum daß die amtlichen Kreise sich mit Politik beschäftigen und selbst diese nicht ausgiebig, da viele einflußreiche Pcitöalichkciten die augenblickliche Sülle dazu benützen, um ihre Somnierruhe länger als sonst auSzudchnen. Man kan» daher sagen, daß die Angelegenheiten von nationalem Interesse nur noch in der Presse besprochen werden, deren Ausführungen übrigens auch recht bedeutungslos geworden sind. Eine der Lieblingsausgabe» unserer Zeitungen ist e- beutzuiage, zu erörtern, welche die wahre Haltung TentichlaiftS einerseits Rußland gegenüber, andererseits Oesterreich- Ungarn und Italien gegenüber sei. Die Mehrzahl dieser Blätter gelangt zu dem Schlüsse, daß diese Haltung sich seit der Pckcrhoscr Begegnung in nicht- geändert und daß letztere in Wirklichkeit nur die eine greisbare Folge gehabt habe, in einem kriülchen Augcn- blicke gewisse internationale Gegensätze sehr zeitgemäß zu ver mindern, in dem der geringste störende Zwischenfall die schrecklichsten Coiiflicle herbcisühren sonnte. Abgesehen hiervon aber kabe jede einzelne Macht ihre frühere Stellung beinhalten und seien die wechselseitigen Verpflichtungen der Mächte zu einander ganz die gleichen geblieben. In diesem Sinne äußern sich „Nowosti", die „Moskauer Zeitung", die russische ,,St. Petersburger Zeitung", der „Swet" u. a. in. Es muß jedoch bemerkt werden, daß vereinzelte Prcßorgane, z. B. „Nowoje Wremja" und „Graschdanin", dieser Auffassung nicht bei- pflichten, vielmehr «»nehmen, daß eine innige Annäherung zwischen Deutschland und Rußland zu Stande gekommen sei. Da aber die Vertreter dieser Richtung wohl einschen, daß die sciuerzeitige Er- kältung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten dadurch ver ursacht war, daß Deutschland in wiederholten Fragen den russi schen RcchtSstaiidpunct nicht anerkannte und daß zu einer voll ständigen Aussöhnung lineriäßlich ist, daß nunmehr dem russilchen Standpunkte seitens Deutschlands Gerechtigkeit widersadre, so ge- laugen die genannte,i Zeitungen zu dem Schlüsse, daß Rußland mit Sicherheit aus eine Gcnugihuung in der bulgarischen Frage rechnen könne. Manchmal gehen diese Blätter noch weiter. Enics derselben erklärte kürzlich, daß die Friedensliga nur mehr dem Namen nach, als ein rein akademischer Begriff, vorhanden sei, von welchen! Ruß land nicht mehr Notiz zu nehmen brauche. Ta aber Beweise sür diese sanguinische Annahme zur Stunde noch vollständig schien, die bulgarische Angelegenheit in, stutus guo verharrt und Prinz Ferdinand von Coburg ruhig und unangesochlen den bulgarischen Thron behauptet, trösten sich die Vertreter dieser optimistischen Richtung in der russische» Presse damit, baß sic de» Sturz des Prinzen als eine der Folgen der bevorstehenden Monarchcnbegeg- nunzen in Wien und Non, in sichere Aussicht stellen. Als ob es in umcrem Jahrhundert, bei den so hochgradig gesteigerten Verkehrs- mittel», einer persönlichen Begegnung zwischen den Herrschern be dürfte, um sich über bestimmte Fragen zu einigen! In einem Augenblicke, wo eine minder vollständige Beruhigung vorhanden wäre, als gegenwärtig, hätte die eben geschilderte Er wartung der allmäligen Zersetzung des FriedenSbündnisst? durch den jüngsten Ausfall der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" gegen die Königin Natalie von Serbien eine Erschütterung erfahren müssen. Tic Sprache des hochosficiöjen Berliner Organs bestätigt in allzu entichicdencr Weise die Solidarität der deutschen Regierung mit dem Könige Milan, als daß man darin nicht eine mntclbare Erhärtung tür den Fortbestand der Solidarität LeuischlandS mit Oesterreich-Ungarn, dem Beschützer des Königs von Serbien, er blicke» und daß nicht in St. Petersburg mit dcr unbedingten Zu versicht aus die Lossagung Deutschlands von der Sache Oesterrcich- UngarnS gebrochen werden sollt!. Die Erkennlniß dieser Thalsache ist eine so klare, daß „Nowoje Wremja" sich nicht anders zu Helsen wußte, als den AuSlall der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" — eines Organ-, dessen Kundgebungen doch NeiS sorgsältig vor bedacht sind — au- llcbcreiser zu erkläre» und dcr Meinung Aus- druck zu gebcn, daß das Blatt aus eigener Machtvollkommenheit Aeußrrungen gewagt habe, welche bei seinen gewöhnlichen Inspira toren sicherlich Tadel erfahre» werden. Wenn man angesichts dieser Erscheinung da- Für und Gegen mit voller Ruhe und Unparteilichkeit abwägt, so erscheint eS wohl ungleich vernünftiger, sich vom russischen Standpunkte kcinerlci Be unruhigungen noch Illusionen zu überlasten, sondern sich einfach zu sagen, vaß, wen» die Frirdensliga unv die Tripelallianz in der letzten Zeit keine Aenkeruug erjahrcn habe», dieierhalb kein Anlaß zu Besorgnissen vorliege, da ja unch Rußland von seiner unab hängigen. festen, würdigen und sriedlichen Politik nicht abgewichen ist. Liese Politik hat Rußland gestattet, zur Erhaltung des Friedens mächtig beizutragea. Die allgemeine Ruhe wirv vielleicht durch diese Veruünstige und sür Rußland selbst vortheilhaste Haltung der Peters burger Regierung noch bester verbürgt, alr dies selbst durch einen Zerfall der Friedcneliga gcichehen könnte, welche von ihren Be gründern ln einem Augenblicke hergesiellt wurde, wo sie die Ab sichten Rußlands in ungerechten. Verdachte hatten, während sie letzt, von ihrem Jrrihume abgekommen, die ersten sind, welche diesen nisigen Mechanismus nicht ohne strengste Nothweudigkeil in Be wegung gesetzt sehen möchten. * In den politischen Kreisen der Europäer - Colonie Teherans hält man die Abberufung des russischen Ver treters am persischen Hose. deS Fürsten Dolgoruki, sür wahrscheinlich, da man in Petersburg sich von seiner Wirk samkeit in Persien enttäuscht sehe. Man glaubt, daß Fürst Dolgoruki nur mehr der Begrüßung des Zaren von Seiten de« Schah in Baku beuvvhncn und nicht mehr nach Teheran zurücklchrea werde. Socialpolitisches. L Unter dem Titel .Deutsche Arbeiterzeitung" ist nunmehr die Probeiiummer des von der nalionallibcralen Partei und ihr nahcstebenven Männern begründeten lite rarischen UnlcrncbmenS sür da- große Arbeiterpublicum im Verlage von I)r. F. Salomon in Berlin erschienen. Als wir seiner Zeit zum ersten Male von diesem Unternehmen hörten, freuten wir unS desselben, und wenn wir unS auch bewußt waren, daß die Herausgabe des Blattes eine sehr schwierige sein würde, so hegten wir doch die Hoffnung, daß mau dieser Schwierigkeiten Herr werden würde. Heule liegt die Probe nummer vor uns und wir gestehen, daß wir unsere Hoffnung zu diesem Unternehmen nicht gestärkt finden. Die „Prode- uummer" ist von einer solchen Inhaltslosigkeit gerade sür daS Publicum, für daS sie bestimmt ist, daß wir in der Thal nicht begreifen, wie man ein solcheSMachwcrk, daS mit Ausnahme deö Wortes „An kieLeser" so gut wie jedes vcrnünstigcn Original- Artikels entbehrt, in die Massen schleudern konnte und noch dazu als Probenuinmer Wir können dem Zusammensteller der Probenummcr den Vorwurf nicht ersparen, daß er ohne jede Rücksichtnahme aus die Bedürfnisse deS Arbeiterstaiides und ohne Rücksicht auf den Endzweck des Unternehmens han delte, als er die acht Seiten m Druck gab. und wir können auch nur den Kops schütteln, wenn wir im Inseratentbeile der .Deutschen Albntcrzcitung" neben drei Anzeige» von Ver sicherungsgesellschaften die Anzeigen rines TraucrmagazinS. eines Mittels gegen Verstopfung, der Lotterie, eines Wein- klärunqSmittcls und VeS Deutschen SeetbauseS finde». DaS sind nämlich ziemlich alle Anzeigen. Wir wissen, daß An zeigen das Brov eine? BlalteS sind; ob eS sich aber empfahl, in die „Deutsche Arbeiterzeitung" unv zwar in die Probe nummcr gerade diese Anzeigen auszunchmen, oder sie wo möglich zu — acqnirirc». das bezweifeln wir. Aber Vcr Text! Tie nach dem Ausrufe folgende Politische Wochenschau paßt doch nicht sür ein Wochenblatt, sie besteht ja nur auS Ausschnitten auS TagcSblätlern. sie orientirl nicht im Mindeste» und läßt besonders olle die Arbeiter- kreise berübrendc» socialpolitischen und wirlhscbasllichen Ereignisse iveg. Der folgende Aussatz „Zur Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter" ist eine ganz bndschc Ucbersichl über die Entstehung des Enlwurss, Uber die Stellung, der Zeilung selbst zu dieser Frage schweigt sich der Artikel aber auS. Nach einem Sammelsurium kurzer TageSnotizcn kommt eine Skizze „AuS dem Manöverleben", dann eine Er zählung und zum Schluß „Vermischtes", Ausschnitte auS Berliner und andere» Blättern. Wir gestehen, wir denken u»S eine „Deutsche Arbeiterzeitung" auch für den billigen Preis von 45 pro Quartal doch etwas anders. Wir ver lange» populär geschriebene, aber wissenschaftlich gehaltene vol'Swirthschaslliche, socialpvlitische, cullurgeschlchllicb- Artikel, Beschreibungen aus Ver Technik, ve» Naturwissenschaften, der Geographie, auch etwas sür das Haus »uv die Hausfrau und zur Unterhaltung— aber gut und ernst, würdig der Ausgabe rer Zeitung, würdig deS großen intelligente» deutschen Arbeiler- stantcS Will die Zeilung der Socialdemokralir gegenüber treten, so muß sie vor Allem unter die deulschen Arbeiter selbst trclcn, muß mit ihnen fühlen und denke», sie muß den Pulsschlag deS Volkes hören, cS in der Werkstatt und zu Hause aussuchen. Groß sind die Schwierigkeiten, welche sich einer solche» Ausgabe gegenüberstellen, aber schön ist auch der Lohn — vor Allem aber muß die Sacke ernst und würdig ungefaßt werden. Noch ist eS Zeit. Versenke man diese Probenummer in die Vergessenheit und gehe man am 1. October bei dem Erscheinen der Zeitung selbst bester unv gründlicher zu Werke. Gleich wird sich daS Ideal zwar nicht erreichcn lasse», aber die Männer, welche den Aufruf uitterschriebc», werden ihr Möglichstes lhu», und dann wird der schöne Er folg: Versöhnung der sich jetzt bekämpfende» Interesse» »>cht ausbleibcn. 0. ll. Jurisprudenz und VolkswirtlMaft. * Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt an leitender Stelle über das vorstehende Thema: In immer weiteren Kreisen wird erkannt, wie es sür diejenigen Personen, welche berusen sind, in« Staatsleben handelnd einz»- greisen, durchaus volkSwirthschastlicher Kenntnisse bedarf. Der Staat verlangt von leinen Berwaltungsbeantten den Nachweis solcher Kenntnisse, auch bei den juristischen Prüfungen findet seit geraumer Zeit die Bolk-Zwirthschaftslehre ihre Berücksichtigung. Der Umstand, daß übereifrige Jünger dieser Wissenschaft dieselbe sogar in den Volksschulen zum Lehrgegenstande machen wollen, wohin sie sicherlich nicht gehört, bars nicht dazu benutzt werden, die Ausbrei tung volkswirthschustlicher Lehren überhaupt abzulehnen, sondern nur dazu, diese Ausbreitung aus solche Elemente de- Volkes zu be schränken, wo sie der Allgemeinheit Nutzen zu stiften vermag. Scho» zu Heften der alten Römer verschloß man sich nicht der Erkennlniß, dag die consequente Durchsühruag der Sätze de- strengen Rechts gegebenen Falles zu Härten führen müsse; in dieser Erkennt nis; bildete sich das billige Recht de- jus aeguum ot lxmum immer mebr als Norm aus. Man war sich damals allerdings nicht be- mußt, aus welche Motive das billige Recht im letzte» Ende zurück- zuiühren sei, jedoch muß die hentlge Wissenschaft in demselben einen Ausfluß der Hineinzictillng wirthschatilicher Momente in die Recht sprechung erkenne». Dieses Zugeständniß an die wirtlffchastliche Seite des Lebens geschah damals unbewußt, denn eS gab ln jenen Zeiten keine VolkswirtbschaftSlehre. Um so mehr werden wir in heutiger Zeit, wo jene Wissenschaft achiunggebietende Resultate aus- zuweise» hat, die Forderung als berechtigt anerkennen müssen, daß nicht allein die Rechtsprechung in Berücksichtigung der wirthschajl« lichen Verhältnisse des Volkes vorgehe, sondern auch, daß bei Aus- stellung von Rechtsnormen, soweit es möglich ist, die National ökonomie gehört werde. Erfreulich erscheint eS, daß, abgesehen von großen Codificatioiien, wie sie dcr Entwurf deS bürgerlichen Gesetzbuches darstellt, auch die resormirende Gesetzgebung von solchen Gesichl-vnncke» ge leitet wird. Die Wiichergeirtzgcbung ist z. B. nichts Anderes als eine Ablehnung der aus der reinen Bertragslreiheit sich ergebenden Conseqncnz, und zwar eine Ablehnung aus wirthschastlichen Gründen. Man erachtete es tür einen schweren Mißstand, daß der Staat seinen Arm leihe» mußte zur Durchführung von Vertrügen, die nicht allein gegen die gnlki, Sitten verstoße», sondern auch geeignet sind, in wirlhichastlicher Hinsicht die übelste» Folgen zu haben. Man bemüht sich, da es sich g-zeigt hat, daß daS bestehende Wuchergesey oder seine Anwendung nicht genügte, dieien wirthschastlichen Krebs schaden eiiizudämme». mit neuen Vorschlägen hervorzutreten, die auch de,, rechtlich bisher uicht ans'chlbaren verschleierlk» Wuchcr lresfcu sollen, und sucht sich bei diesem Bestreben mit dcr juristischen Cou- sequenz auSeiiionderzusetzrn. Die Anerkennung der Bedeutung der Volkswirthschastslehre hat sich auch io dem Vorworte zu dem Entwürfe deS bürgerlichen Gesetz buches in betulichster Weile gezeigt; cs werden die Vertreter wirlh- schaftlichec Interessen aufgcsordert, von demselben Kenntniß zu nehmen und mit ihren Uetheilc» und Vorschlägen hervorzutreten. Sicherlich darf man auS allen diesen Anzeichen folgern, daß auch sür die Jurisprudenz und Gesetzgebung eine neue Aera angebrochen ist, und daß cS ernster Arbeit und einer besonderen Aufmerksamkeit bedürft» wird, dieser Ausgabe gerecht zu wcrveu. Gerade vom deutschen Reiche, dem durch daS social politisch» Programm in der kaiserlichen Botschaft sür die Zukunft» seine Wege gewiesen sind, kann mau er warten, daß es durch «ine Annäherung der Juris prudenz und Bolkswirthschojt den Bedürfnissen d«S BolkeS rnlgegeakomiiiea und damit den Anstoß zu einer zwar allmäligen. aber desto «rsolgreichereo Erweite rung der Ausgaben der Rechtspflege ia de» Lultur- ft aateu geben wird. Vas Ltaatssecrelariat des Reichsschatzamts. * Seit der im Jahre 1879 erfolgten Erhebung der Finaoz- ablheilung des vormqligea ReichskanzleranitS zu einer selbstständigen obersten Reichsbehörde unter der Firma „Neichsschatzamt" ist die Stelle eines Chess dieser Behörde gegenwärtig zum vierten Male anderweitig besetzt worden, und zwar dieser letztere Mal durch den ReichSlagsabgcorvnete» Rittergutsbesitzer Frhrn. von Maltzahu- Gültz. Bisher standen sso führt die Münchener „Allgemeine Zeitung" deS Näheren aus) dieser obersten Ne.chSfinanzbehörde der Reihe nach vor: Herr Scholz, jetzt königlich preußischer Fiaoazmiaifter, Herr Burchard, gegenwärtig Präsident der Seetjaadluag, und bis zuletzt 'err 0r. Jacobi, weicher vorläufig in den Ruhestand tritt. Dcr rstgenannte war Chef des Amte? bis zum Jabre 1882, Herr Burchard bis 1886, Herr vr Jacobi bis zum September d. I. H-rr Burchard hat sonach am längsten ausgehalteu, während vr. Jacobi nur kurze Zeit — uicht volle zwei Jahre — deu frag lichen Posten bekleidet hat. Be, der im Reich wie ia Preußen überall wahrnehmbaren Stetigkeit io der Leitung der obersten Reich--, bezw. Staatsbehörden soll! eS mit Recht auf, daß gerade die Leitung des Reichsschatzamts so häufigem Wechsel unterworfen ist. Fast allgemein wird der Grund hierffir in der sür gewöhnlich in übertriebenem Maße angenommenen unselbstständigen Stellung gesucht, welche dcr Staat-lecretair des RcichsichatzamI? nicht allein gegenüber dem obersteu veraatworiliche» Leiter der Reichsqejchäste, dem Reichskanzler, sonder» auch gegenüber dem preußischen Finanzministcr einaehme. Wenn, etwa- oberflächlich betrachtet, diese Annahme auch begründet zu sein scheint, so läßt sich doch auch sehr viel gegen diese Annahme ansühren. Wir glauben vielmehr mit größerem Recht sagen zu können: nickst die Ausgabe und Stellung der Behörde an sich und deren Beziehung zum Reichskanzler und dcm preußischen Finanzmiuister begründen die bisher thaisächüch vielfach bemerkte Unselbstständigkeit des Staats- secretairs des Neichsschatzamts, sondern die Persönlichkeiten dcr bis herigen Inhaber dieses sehr wichtigen Postens eines Chess der obersten ReichSfinanzbehörde haben dazu beigetragen, daß dieser Be hörde eine größere Bedeutung nicht beigelegt worden ist. Die Mei nung über die Bedeutung und Nolhwcndigkeit dieser Behörde ist viel- tach eine so geringe, daß wiederholt der Gedanke laut geworden ist, die Behörve ihrer geringen Selbstständigkeit vollends zu entkleiden und sie einfach durch eine Art Personalunion unter die Leitung des preußischen Finanzministeriums zu stellen. Man hält in gewissen Kreisen diesen Gedanken sür so vollkommen richtig und sachgemäß, daß man sagt, die Aussührung des Gedankens scheitere nur an dem ParticularisiiiuS der übrigen BuudeSslaaien. welcher es nicht zulasse, daß die Leitung eines abgegrenzten Zweiges der Reichsverwaltuug unter einen preußischen Ressortminister gestelli werde. So einfach liegt nun die Sache doch nicht, und eine so geringe Bedeutung und Selbstständigkeit gegenüber dem Reichskanzler und dem preußische» Finanzministcr hat das Reichsschatzamt nun doch nicht. Wir behaupten, diese hie und da sichtbar hervorgetretene Unselbstständigkeit lag wesentlich in den Persönlichkeiten der bis herigen Chess dieser Behörde, wie wir gleich weiter auSeinander- fttzcn werden. Bis in die Mitte des Jahres 1879, wo das nach und nach zer bröckelte „Reichskanzlerami", welches ursprünglich olle Zweige der RcichSverwalimig in sich vereinigt hafte, sich in die beiden selbst ständigen Reichsbcbörden, nämlich daS „ReichSamt des Innern" und das „Reichsschatzaml" auslüste, waren die Finanz- und Steuer» jachen, wie lchon oben dem«kt. von der Finanzabiheilung des ReichS- kanzleramts geleitet und bearbeitet worden. Dieser Abtheilung stand als Director der ictzige Präsident des Reichs invalidensondS, l>r. Michaelis, einer von dem bekannten freihändlerischen Dreigestirn „Delbrück Camphauicii-Michaclis" vor. Im Jahre 1879 nun voll zog sich mit Einsühruiii des uenen Zolltarifs und deS Tabaksteuer» gtsctzcS der beveuiungsvolie Umschwung in der Zoll-, Steuer- und Wirihschaslspolftik des Reichs. Tanials war in der bisherigen Finanzabiheilung des Reichs nur ein Beamter, welcher die neue Zoll- und Steucrpoülik, ohne mit seiner Vergangenheit z» brechen, zu vertrete» in dcr Lage und im Stande war. Dies war Herr Burchard, welcher erst kurze Zeit vorher von einer Proviiizialstcuerdircclioii al- Ncgicrnngsralh in die Finanz, adtheiliiiig eingekreteu war. Herr Burchard hätte gewiß damals schon die Fähigkeit gehabt, Ches deS bald ereichtclcii ReichSschatz- amis zu werden. Indessen mögen wohl Personalrücksichlen maßgebend gewesen sein, daß er, als ein »och sehr junger Beamter, noch nicht zum Chef, jonderu vorerst znm Director der Zoll- und Steucrab. theilung der neuen Behörde gemacht und als Ches der Geh. Ober- fuianzrath Scholz vom preußischen Finanzministerium unter Er nennung desselben zum Nifterstaatssecictair dejiguirt wurde. ES ist wohl kaum denkbar und zu erwarten, daß unter einer solchen Leituag die neue Behörde gegenüber dcm preußischen Finanzministerium sich die ihr zukoinmende Selbstständigkeit erringen konnte. Seine bisherige amtliche Stellung im preußischen Finanzministerium, seine persöniicheu Beziehungen zu leinen College« und vor Allem zu seinem bisherigen Lhej, dem preußischen Finanzministcr, ließen den Ches der neuen Reichsfinaozdehörde ganz vo» selbst in rin gewisse- AbhäogigkeilS- vcrhältuiß zum preußischen Finanzministerium treten. Dazu kam, daß Herr Scholz bisher säst nur >n EtatSiachen tdälig gewesen uno darin allerdings eine ausgezeichnete Wirksamkeit und Sachkenntniß entfaltet hatte; allein die Zoll- und Sleucrsachcn waren sür ihn eine terra mcoxnita. Er war also genöthig», in allen wichtigen Fragen des Zoll- und SteuerwefenS die Meinung feiner besser nuterrichteien College» und ehemaligen Vorgesetzten im preußischen Finanzministerium zu hören, wobei cS wenig zu sagen hatte, daß er in Herrn Burchard einen sachkundigen Director und Leiter dieser Angelegenheiten hatte. Somit war also in jener Zeit, wo Herr Scholz dem Reichs schatzaml alt Ehe! Vorstand, die Unselbstständigkeit des Amt? gegen, über dem preußischen Finanzministerium in den bezeichnetcn Personalvcrhältnissen eine wohlbrgründete und Jedem einleuchtende. Als nun nach Ernennung deS Herrn Scholz zum preußische» Finaazminister die Leitung der Geschäfte des ReichsschatzamlS i» die Hände beS bisherigen Direktors Burchard gelegt wurce, war eS wiederum ganz natürlich, daß die bisherige amtliche Stellung und Beziehung des neuen Chess zum preußischen Finanzminister Scholz jenen in ein AbhängigkeiiSverhällniß zu diesem brachte. Beide Chess oberster Finanzbehördcn. welche bi-her gemeinsam gearbeitet hatten, mußte» ganz naturgemäß in einen Meinungsaustausch selbst i» solche» Fällen trete», wo cs unter anderen Verhältnissen sehr wohl zu umgehen gewesen wäre. Um keine Rücksicht auS dem Auge zu lassen, die der bisherige Untergebene seinem höhergestclltea Ches schuldig ist, fand eine solche Nachfrage nach der Meinung deS preußischen Finanzministers und die Rücksichtnahme aus dieselbe mehr, als nöihig war, statt. In vielen Fällen mag ja wohl eine solche Verständigung nützlich unv rathsam sein, aber da- Ansehen deS Reichsjchatzanil- als einer selbstständigen Behörde konnte durch solche, aus persönliche Rücksichten gegründete Abhängigkeit nicht gewinnen. Lr. Jacobi nun, welcher Nachfolger Burchard'S wurde, war weder aus dem Gebiete des Elat-wcsens, noch auf dem deS Zoll- und SieuerwesenS zu Hause, und da er auch in dem Schatzamt für das Zoll- und Steucrwesen keine geeignete Stütze sand, wie sie seinerzeit Herr Scholz ia seinem director Burchard hatte, so trat jetzt erst recht die Notkwendigkeit zu Tage, weseorliche Dinge nicht ohne das Einverständniß und Lonviffen de- preußischen Fiaanzminister» zu unlernehmen. Ter Staatsjecrelair ttr. Jacobi hat trotz seiner sonstigen hohen Befähigung al- Vureaukrat nnd Vcrwallungs- bea,nter in dieser sür >h» ganz ungeeigneten und von ihm seinerzeit auch nur mit Widerwillen angenommenen Stellung nicht das Zeug »nd die Kraft bewiesen, die in seinem Amte vorbereiteten Zolltaris- und Reichsstcucrgesetzc >m Reichstage zu vertreten, einfach deshalb, weil rhin dazu die Sachkenntniß mangelte. Für ihn ist immer der preußische Finanzminister bezw. der Preußische Minister sür Land- wirthschaft eingetrelcn. Aus Liesen wenigen thatsächlichen Angaben, die wir de? Weiteren »och eingehender dclcuchien könnten, dürste unzweifelhaft hervor- gchen, daß nicht die Stellung und Ausgabe de- RelchsschatzamtS an sich demselben eine unselbstständige Stellung znweist, sondern daß diese bisher zu Tage getretene Unselbstständigkeit >m Wesentlichen auf Perionalverhältnisjen beruhte. Was nun die Stellung dcr bisherige» EhefS de- Reichsschatz- amts znm obersten und alleinige» verantwortungsvollen Beamten des Reichs, zum Reichskanzler aulangt, so stehen dieselben versosfungs. und gcfcvmäßig zum Reichskanzler in Abhängig- keit dergestalt, daß sic die Geschälte al- Staatssecretaire in Vertretung des Reichskanzlers wahrnchmea und dieser jederzeit be fugt ist, wo er es sür nöthig hält, elazngrelfea. Da wo der Reichs kanzler nun StaalSsecrelaire an der Spitz« von Reich-Sintern ficht, die ihrer Ausgabe voll gewachsen sind, wie z. B. >m ReichSamt des Innern »ud >m RkichSpostamt, da macht er vo» seiner,Bejugniß,
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