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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188809300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18880930
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18880930
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-09
- Tag1888-09-30
- Monat1888-09
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.09.1888
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VS30 < Sir erblaßte. .Sie — wollen gehen?" .Ja wohl — nach Sumatra oder Java, oder sonst Wohin . . . nur weit, recht weit fort von hier! Aber ehe ich gehe, möchte ich wenigstens wissen, was Sie so verwan delt hat." »Sw wissen eS ja", sprach sie scheu. „Nein, ich weiß es nicht! Ich weiß nur, was Sie mir aus CorneliuS-Nub gesagt — und das ist so wenig und so thöricht, daß ich eS Ihnen nicht glaube! Sie sagten mir, unsere Verbindung widerstrebe Ihrem Gewissen .. . aber weshalb verweigerten Sic mir jede Gelegenheit, Sie zu Über zeugen, wie sebr Sie irre»! Soll ich eS Ihnen sagen? Weil Sie nicht überzeugt werden wollten! Und daraus folgere ich Eins!" „Nun?" „Daß Sie mich nicht mehr lieben. Sie wollten, daß wir wieder auseinander gehen sollten. Sie wollten mit Ihren schwachen Gründen eine Trennung beschönigen! All die zärt lichen Worte, die Sie ehemal» an mich verschwendet. waS waren sie ander», als — Koketterie!" „ProSper!" „Ah. glauben Sie nicht, daß Sie noch immer mit dem selben blinden Narren zu thun haben! Jetzt kenne ich Sie! Sie haben die Liebe nur geheuchelt, um sich einen Scherz mit mir zu machen. Aber Gott sei Dank, jetzt bin ich endlich UernÜnstig geworden. Leben Sie wohl. Inffrouw!" Aber sie hielt ihn fest. „Nein, gehe nicht, ProSper! Gebe nicht, ohne mich gehört zu haben! Du verlangtest eine Er klärung — ich will sie Dir geben!" Er starrte aus ihr holdseliges, bittendes Antlitz. „Ich höre!" „O nicht so ernst!" sprach sie, die Hände über dem Busen faltend und mit unnachahmlich rührender, bittender Gebcrde aufschauend. „Nicht so. ProSper! Sich, damals, an jenem Abend, hatte ich wirklich den Entschluß gefaßt, Dir zu ent sagen — aber konnte ich bei einem solchen Entschlüsse auch beharren? Nein, gewiß nicht. Am Morgen daraus sah ick auch schou meine Thorhcit ein, aber erst nachdem ich mit meinem Vater gesprochen ... und nun war eS Eigensinn, der mich trieb, da» als Spiel forkzusetzen, waS ich als Ernst be gonnen hatte. Dock ich liebte nur Dick! Aber eS war mir so neu, aus diese Weise Deine Treue, die Slandhastigkeit Deiner Liebe prüfen zu können! Und was muß ich sehen? Anstatt geduldig und muthig auSzuharren. wirst Du bitter. Wirfst nur garstige Worte an den Kopf und sprichst davon, in die weite Well zu gehen! O pfui! Sichst Tu Dein Unrecht ein, Prosper?" '' Dieser war überglücklich — so glücklich, daß er über Dovrtje's wunderbare, echt weibliche Logik weiter keine Be merkungen machte. „Alle-, was Du willst, Doortje!" jubelte er. „Alle» sei vergessen — sieh, ich habe sogar noch dabei gewonnen . . . mir ist nun erst völlig klar geworden, wie sehr, wie unaus sprechlich ich Dich liebe!" Beide umarmten sich — und empfanden dabei die Selig keit, die in einer versöhnenden Umarmung liegt. , „Papa kommt!" ries Doortje dann, sich loSmachend. - ' In der That erschien Mynheer nun ahnungslos aus der Schwelle. , Hand in Hand trat da» junge Paar vor ihn. „Väterchen — ich sehe eS rin, ich habe ProSper lieb, und - ; t und ..." , ^ „Und wir bitten um Ihren Segen!" „Na, das ging aber merkwürdig schnell!" staunte der alte Herr. „Aber von Herzen gern, von Herzen! Ach. macht doch sachte — Ihr erstickt mich ja mit Euren Umhalsungen! Na, ich wußte eS wohl, daß Doortje Dich liebt, mein Sohn!" Und er flüsterte: „WaS Hobe ich gesagt? Meine väterliche Autorität, he? 2a, ohne die hättet Ibr noch lange warten können!!" ProSper und Doortje wurden so glücklich, wie sie e» ver dienen. Er selbst erzählte mir diese Geschichte. „Siehst Du", fügte er hinzu, „vielleicht wäre Doortje nie die Meine geworden, wenn nicht Alles so gekommen, wie eS zugegangen ist." „Und CorneliuS-Ruh?" fragte ich. „Ist eS verkauft?" „Wo denkst Du hin? ES mnß für immer in der Familie bleiben!" Generalversammlung des Vereins für Socialpolitik. * Frankfurt o/M„ 28. Sepicmb-r. Hcule Bocmittaq 9 Ubr trat im Hürsaale der Polytechnischen Gesellschaft hier der „Verein für Sociolpolitik" zu einer zweilagigen Beralhung zusammen. Aus der Tagesordnung stehen zwei allgemein intereisirenüe Fragen: „Der ländliche Wucher und die Mittel zu seiner Abdilse, insbeso» dere die Organisation des bäuerlichen CreditS" und „Der Einfluß des Detailhandels aus die Preise und etwaige Mittel gegen eine ungesunde Preisbildung". De. Nasse eröffnet die Sitzung und bittet die Herren, sich zu constituiren. Zum Vorsitzenden wird Nnsse-Bonn, zu Bicepräji- denten die Herren Freiherr v. Roggenbach und Oberbürgermeister vr. Miguel ernannt. Raffe nimmt die Wahl an, indem er um freundliche Unter stützung bittet und bemerkt, daß die Verhandlungen deS Vereins stet» frei von jeder politischen Parteipolitik gewesen seien, daß Jeder frei rede» und sprechen könne, daß mit voller wissenschaftlicher Un besangenheit und voller Objektivität, doch nicht mit Theilnahmlosig keit an die Sache herangetreten werde. Nach einigen geschäftlichen Mitthellungen deS BeremSschrist, sichrer» erhält das Wort zum ersten Gegenstand der Tagesordnung zunächst Professor Or. v. MiaSkowSki-Breslau. Derselbe erklärt zunächst» die beide» eingangs genannten Fragen ständen deshalb zu jammen aus der Tagesordnung, weil die erste die Unterlage für deS zweite Tbema abgebe. Alsdann geht Redner aus die geschichtliche Entwickelung der Frage ein, erinnert daran, daß im Jahre 1885 uom Verein eine Enquete veranstaltet, im Jahre 1888 im deutschen Reichstag eine eingehende Discussio» über diese Frage stattgesunoeo l abe, daß daher das Interesse siir dieselbe in der Gegenwart, einer Zeit ticsgehender agrarischer Krisen, wohl begreiflich sei. Der Wucher, sagt Redner, sübrt uns in ganz andere Gegenden vor allen Dingen nach Südwest, und Mitteldeutschland, wo er vorzugsweise verbreitet ist, während er i» anderen Theilcn Deutsch land» nur sporadisch oustrete. Als Maßregeln gegen de» Wucher empfiehlt Referent nur solche, welche schon die Feuerprobe de- standen habe». Er nennt Wucher die Ausnützung eines lactijchen Monopols zum eigenen Vortheil und Schaden der Clienten. Aus dem Lande werde in erster Linie der kleine Bauernstand vom Wucherer getroffen. Der Wucher sei begründet in gewissen Eigenschasten de» Wucherer», insbesondere der hochentwickelten Zielstrebigkeit des selben, die deshalb verderblich sei, weil sie mit außerordenllichcr Rücksichtslosigkeit ouSgeübt werde. Der Erfolg de» Wucherers hänge von der Beschaffenheit der ihm gegenüberstehenden Bevölkerung ov. Wo der Wucherer Erfolg habe, könne der Bewucherte seine Ler- mügenslag- nicht richtig übersehen, er bcgreije die Lonseauenzen nicht, ihm fehle die Kennlniß und Initiative, um günstige Kauf gelegenheiten zu finden, er sei erfüllt mit Argwobn gegen Höher gehende, während er oadrrerscilS dem Wucherer nicht zu widerstehen vermöge. Aus der andercn Seite förderten mancherlei sociale Ver, hältnisse de» Wucher, so z. B. die künstliche Steigerung der Gut» zinsen, da» Fehlen von Einrichtungen und Gelegenheiten, bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen, da» Fehlen von legitimem Erwerb von Besitzthum o. a. m. In diese Lücke trete nun der Wucherer. Der Bonragende schildert nun eingehend da» Vorgehen des Wucherer», wie derselbe da» gute Vieh des Bauern gegen schlechte- einzuiauschen suche, wie er das Gut desselben z»m Berkaus bringe u. s. w. WaS sei nun zu «h»n, um die Zahl der Wucherer zu »er- ringern und ihre Thätigkeil zu paralysiren? Nach einer kurzen Beleuchtung der Wirkungen de» Wuchergefttze» von 1880, seit dessen Inkrafttreten die Zahl der Dorlebens-Wuchecer abgenoiiimen habe, wendet sich Redner zu den gemachte» Vorschlägen zur ver- riagerung bczw Beseitigung de» Wuchers. Er kommt bei seinen AuSsührungen zu dem Ergebniß, daß d:e in Borichlai gebrachten Mittel, als Einschränkung de» Wechftlrechts, Verbot, wonach die Wucherer durch Anwälte nicht mehr vertreten werden tursen, zwangs weise Buchführung unter Eontrole, zu vclwcrsen leien, dagegen empfiehlt er als zweckdienlich und durchführbar: l) schärfere Hand habung de» Wuchergejetze», 2) Erhöhung der für den Wucher angc- drohten Etrolmaxima und -Minima, 3) gesetzliche Bestimmungen »ach welchen Verträge über Mobiliarverkanse nur schrijtlich und unter Mitwirkung von Gericht-Personen stattstnden können, 4) Verbot gegen die Grundiiück-versteigerung. damit insbesondere dir bei Privalver- steigerungen üblichen Praktiken in Wegsall komme». 5) Erschwerung deS sogenannten GüterouSschlachteiiS und 6) Erleichterung znr Ab trennung mittlerer und kleinerer Güter von großen Lomplexcu, Er schwerung der Bildung neuer Fidewommisje. Ja zweiter Linie wendet sich Referent zu den Mitteln, den Bauer dem Ereditwucher zu entziehen. Referent schickt voraus, daß dem Landwirt!, so billig Credit gewährt werden müsse, wie es die Conjunctur deS GeldmarfteS irgend gestatte und beleuchtet sodann i» eiiigehendstcr Weise die bestehenden Crevitiustitutc, und zwar zunächst die Privatanstalten, wie Hypothekenbanken, Lebens versicherungen und Svarcasjeu. Er findet, daß alle diese dem in Rede stehenden Zwecke nicdt entsprechen und weist ziffermäßig »ach, daß sie bis 50 Procent ihres Capital» in Hyvotbeken angelegt haben, der P-rionalcredit sich dagegen nur in sehr engen Grenzen bewege, Die Ansicht, daß die Sparcasjen durch weiteren Ausbau dem ISnd- lichen Personalcredit dienstbar gemacht werden könnten, theilt Redner nicht; die ganze Einrichtung dieser Institute stelle sich dem entgegen und seines Erachtens sei eine vollslän'nge Reorganisation der Spor- cassen crsorderlich. wenn man ans diesem Wege etwas erreichen wolle. Den erwähnte» Lreditinstitutcn hält der Vortragende alsdann die jenigen gegenüber, welche lediglich zur Befriedigung de» ländlichen CrediibedürsniffeS bestimmt sind und auf genosjenschasttichen Printtpirn beruhen wie die londwirtdschastlichen Darlehnöcassen. Vorschußcasjen und die Raiffeisen'schen Darlehenskassen, deren Einrichtung Redner zwar für gut und nutzbringend hält, deren Verbreitung jedoch bisher eine noch zu geringe >ei, weil sie an ganz bestimmte Voraussetzungen gebunden wären. In dritter Linie unterzieht Redner die staatlichen und kommunalständischen Creditinstitute einer Betrachtung und kommt auch hier zu dem Ergebniß, daß sie der nvthwendigen allgemeinen Verbreitung entbehren. Sache der Einzelstaaten, nicht des Reiches, sei eS nun seines Erachten-, für größere Befriedigung dcä Credit» zu sorge». In rrsteo Linie müsse der Staat anerkennen, daß vorzugsweise genosftnschnltliche. communalftändische und staat liche Creduinstitute geeignet seien, dem ländlichen Creditbedürsniß zu genügen, ohne daß dielen Instituten ein Monopol gegeben werde. Nothwendig sei eine größere Decentralisation der Crcoitinslitme, Errichtung von Filialen der letzteren, Vereinfachung und Er- Icichlerung der Verhandlungen, welche zwischen den Gruiidbesttzern »nd den einzelnen Crcditinftituten geführt werden (durch periodische Revision der Grundsteuerkalaster, Führung von Registern und per- lönluvc Creditfähigkeit der Grundbesitzer. Uebcrnahme bereits be- jabltcr ober noch nicht gelöjchter Hypotheken), Zufuhr gr-gerer Summe» an die Creditanslatlen (durch Erweiterung de» Rechts, Psandbriese zu rmiltiren, Verpflichtung der Neichsbgnk. den Eredit- onstalicn Summen gegen Zins zur Verfügung zu stellen) u. s. w. Redner schließt seinen zweistündige» Bortrag mit dem Bemerken, daß wohl die Einen, die von ihm emplohlenen Mittel als nicht weitgehend genug, die Anderen auch vielleicht als zu weitgehende betrachten würden, er glaub: ober, daß man an der Hand seiner Vorschläge de» Wucher weit nachdrücklichcr zu bekämpfen vermöge, als mit Repressivmaßregelii. Correlcrent Geb. Oberregierungsrath Or. Thiel-Brrlin wendet sich in seinen AuSsührungen gegen Ausstellungen, welche an der vom Verein im Jahre 1885 veranstalteten Enquete gemocht worden sind und weist den Vorwurf, als wenn die Rescrate eine antisemitische Tendenz versolqtcn, zurück. Der Verein sei ganz neutral an die Frage herangetreten, er habe lediglich die Ausgabe, wirthschaslliche Schäden zu constatiren, verfolgt. In den viel geschmähten Frage- bogen sei nach der Confession nicht gefragt worden, auch intereisire de» Verein weit mehr der Bewucherte als der Wucherer. Wenn nun durch d e Berichte constatirt lei, daß der Wucher namentlich i» de» Händen der Juden liege, daß Jude und Wucherer häufig als Synonyme betrachtet werden, so habe man dies doch auch nicht streichen können. Statt die Enquete zu verdammen, sollte man dabcr lieber das durch dieselbe geleistete Gute anerkennen, zugebe», daß durch dieselbe aus bestehende Schäden oulmerksam gemacht worden ist, gegen die vorzugehen man nun Mittel und Wege suchen möge. Man habe der Enquete vorgeworle», sie sei zu wenig wissenschaftlich. Das sei zum Theil richtig. Seinetwegen möge man den wissenschaftlichen Werth der Enquete bestreiten; ihm sei es dabei mehr aus das Praktische angekommen. Jndeß werde man die Brauchbarkeit der Enquete nur dann erfolgreich angrcisen, >v-»n man nachzuwcisen vermöge, daß entweder a»S Uiikenntniß oder Tendenz ein völlig falsches Bild der Verhältnisse geliesert worden sei. UebrigenS sei die Enquete nur von politischen Zeitungen, die in großen Siädlen ericheinen, angegriffen worden, in der ganzen lanbwirthschastlichen Literatur hingegen sei auch nicht ein einzige» Beispiel dafür nachzuweisen, daß gesagt werde, die Verhältnisse seien verschoben, übertrieben oder falsch dargestellt. Bon jämmllichen land- wirthschastlichen Vereinen habe nur einer, und zwar der Wiesbadener erklärt, daß der Wucher in dortiger Gegend viel schlimmer oustrete. Redner wendet sich hieraus zu den einzelnen Formen de» Wuchers, nachdem er noch vorher dargelegt, warum vorzugsweise der kleine Landwirth dem Wucherer in die Hände lalle. Als einen Hauptgrund bezeichnet er die Schwierigkeit für den Landmann, seine Einnahme zu übersehen. Der Geldwuider, sagt Reftrent, ist immer noch der verbreitetste, trotz des bestehenden Wuchergefttze». Weniger häufiq trete schon der Biehwucher auf, aber immer noch in sehr bedenk- lichem Maße; man finde ihn vorzugsweise in Süd- und Westdeutsch' land. während er in Norddeutschland seltener sei. Beim Grund stück-wucher unterscheidet Referent mehrere Formen, nämlich Miß brauch beim Verkauf und unsittliche Manivulationea bei Zer. schlagung einzelner Güter. Zum Waarenwucher zählt Redner den Zwang zum Kausen, weil der Käufer Verpflichtungen gegen de» Verkäufer hat. Der Enquete habe man vorzuwcrfen, daß sie zu Unrecht den Hausirhandel zum Waarenwucher geworfen habe. Der Hausirhandel in seiner ursprüngliche» Gestalt zähle gewiß nicht dazu, dagegen nähere er sich ohne Zweifel dem Wucher, wenn er ,n eine Verlockung zum Kius ausarie. Der Wucher in seiner schlimmsten Form, der Generalwucher, wie er ihn nennen möchte, der sich dadurch charakterisire, daß der Wucherer e» in der Hanv habe, sein Opfer von Grund »nd Boden zu"treibe» oder für sich arbeiten zu lassen, komme glücklicherweise seltener vor, als man onnehme, soviel ihm bekann. nur in einzelnen Theilen der Rhcin- prooinz, Baden und deS Elsaß. Als die Ursachen des Wuchers be- zeichnet der Vortragende, neben den schlechten wirthschastlichen Eigen, schaste», die schlechten Hypotheken-Berhältmsse, das schlechte Mobiliar, recht, die Contrayirunq von Schulden zur Abfindung der Erben bei Unlhcilbarkeit des BesitztkumS rc. Eine gute Wirkung gegen den Wucher habe unzw.iselyaft das im Jahre 1880 geschaffene Wucher» gejetz ausgeübt. Was man demselben ui juristischer Beziehung vor- gcworsen, Hab« sich in der Praxis als heilsam erwiesen. Gute Er folge seien serncr den Vereinen, wie z. B. dem Trierer, »u danke», die das Vichverleihen zu ihrem eigenen Geichäste machten, ferner dem Genossenschaftswesen. Redner schließt seinen Bortrag Mit den Worten: „Der Wucher ist eine parasitäre Krankheit nn dem Körper der Gesellschaft, an deren Heilung nicht nur die kranken, sondern auch die gesunden Elemente da» regste Interesse haben." - - (Frankfurter Zeitung.) ist bereit» vor der ersten Verurlheikuug berichtigt worden, der Auge- klagte war oliv bei der zweiten Verhandlung vor dem Landgericht über die Sachlage unterrichtet und in der Lage, sich zu vertheidigen bezüglich des fraglichen PuncteS. — Das Reichsgericht (8 Strassenat) trat dieser Begründung bei und verwais deshalb die Revisioa de» Angestagten. ft. Leipzig. 27. Srplember. (Wegen vergehen» gegen da» Nahriingsiiiittelgesetz) sind der jüdische Metzger Meier Heß und dessen Sohn Joses Heß in Zwecken vom Lanvqerichie Marburg zu S»ase veruriheilt worden. Der Erösfuuiig-beschluß legte ihnen zur Last, im Januar d. I. wissentlich gesundheitsichädliche» Riud- steisch ol» Nahrung-mitlel verkauft bezw. in Verkehr gebracht zu lmoeu, die Berurtheilung erfolgte iudeß »ur wegen eines fahrlässigen Vergehens. DaS Fleisch der Kuh. um die cS sich Handel», war vou dem Fleijchbeschauer Bürgermeister Base untersucht und für gut be funden worden. Die Leber kalte d.rseloe jedoch Nicht angesehen, weil er kein Gewicht daraus legte und weil Kuhleber oft nur als Hundesutter verkauft wirb. Die Leber und Lunge, welche die Ange klagte» als Nahrungsmittel verkauft haben, zeigten schon äußerlich Perlsuchlknoten, und wäre rS Pflicht der Angrklagien gewesen, — Io sagt das Uriheil — dieselben erst dem Fleischbeschau» vor- zulegen; da sie dies nicht gelhan, hätten sie fahrlässig ge handelt. Die von den Angeklagten vorgebrachte Enischuldigunq, sie hätten die fraglichen Glücke zwar olS nicht geeignet für jüdische Esser angesehen» aber sic doch nicht als gesundheits schädlich gehalle», wurde vom Gericht unberücksichiigt gelassen. — Die Revision der Angeklagten, welche vor dem 1. Strafsenate des Reichsgerichts znr Verhandlung kam, rügte, daß der Sachverständige KreisphysikuS 1>r. Hcnsing sein Guiachlcn nur unter Berujung aus seinen Diensteid abgegeben habe und nicht besonder» als Sachver ständiger beeidigt sei. Weiter wurde daraus hingew.esen, daß zwei andere Sachverständige (der eine war der Fleiscdermeister Stern, welcher die betr. Kuh geschlachtet hatte) die Fleischstücke für geiund gehalten hältrn und deshalb der Angeklagte Meier Heß keine Pflicht mehr gehabt habe, selbst die Qualität zu prüft». — Diele Ciuwände waren jedoch nicht durchschlagend und e» erfolgte de-halb die Ler- wersung der Revision. ft. Leipzig, 27. September. Der 3. Strassenat der Reichs- gerichtS hob beute aus die Revision des früheren Rcdaclcur» der Hamburger „Reform", Benary, das denselben wegen Unzucht verunheilende ErkcnMniß des Schwurgerichts Hamburg vom 7. Juli dieses Jahres aus und verwies die Sache in die erste Instanz zurück. Die processualen Vorschriften wurden für verletzt erachtet, da eine Registratur in der Verhandlung verlesen worden ist, welche einige Tage nach der Ausnahme deS Protokolls über den gerichllichen Augenschein abgesaßi worden ist. DaS Reichsgericht ist der Mei nung, daß diese Registratur kein Theil des Augenscheins,Prolokolls ei und daß deshalb der Gerichtsschreiber, welcher die Registratur gemacht hat, als Zeuge hätte vernommen werden müssen. ft. Leipzig, 27. September. (Der Neichstagsabgeordnete Grillenberger und das Socialistenqesetz.) Eine interessante Streitsrage in Bezug auf das Socialistengejetz kam beute im 1. Strassenat des Reichsgerichts zur Erledigung. Anfang Juni v. I. hgitc Herr Grillenberger in Nürnberg ein Flugblatt „An die Wägler Deutschlands" drucken und in vielen Exemplaren versenden lassen. In der am Abend de» 6. Juni in Berlin ouSgegebenrn Nummer de» „Reichsanzeigers" wurde dieses Flugblatt aus Grund des SocialistciigeietzeS verboten. Her» Grillenbcrger erhielt dicleS Blatt nach 10 Nhr Morgens am 7. Juni. Von dieser Zeit an unterließ er selbst di: Versendung von weiteren Exemplaren des Flugblattes, aber er konnte es nicht hindern, daß bi» gegen Mittag ein Herr Bernhard, der ihn in der Absendung der Drucksachen unterstützte, eine größere Anzahl von Packet'«, hauvtsäcdlich nach Nordbeuischland bestimmt, zur Post gab, weil er den AusenlhaliS- ort desselben nicht sogleich ermitteln konnte. Später wurde gegen Grillenberger und Bernhard Anklage auf Grund deS 8- 13 d:S SacialistengejetzeS erhoben, aber das Landgericht Nürnberg sprach am 18. Avril d. I. beide Angeklagte frei, weil sie von dem Verbote der Druckschrist nicht eher wie um 10 relp. 12 Uhr Kenntniß haben konnten. Der Staalsanwalt hatte den Angeklagten zugemuthet. daß sie. um straflos zu bleiben, solort diejenigen Packele, deren sie aus der Post noch habhaft werben konnten, hätten zurück,lehme» müssen, das Gericht aber sagte, die Angeklagten seien hierzu nicht verpflichtet gewesen, da das Gesetz nur von einer vositiven Verbreit» »gS- Handlung spreche. Außerdem meinte da» Gericht, würde, wenn über haupt die Versendung eine strasbare gewesen wäre, daS Zurück holen die Angeklagte» nicht strassrei gemacht haben, da nach der üblichen Rechisprechung der BerbrcilungSact mit der Aufgabe aus die Post vollendet sei. — Der Staatsanwalt hatte gegen das llrtheil Revision eingelegt und Verletzung sowohl deü 8- 13 al» des 8. 21 (Verbreitung ohne Kenntniß vom bestehe» den Verbot) gerügt. — Der Reichsanwalt gab dem Landgerichte zu, daß die Angcklagten sich durch Zurücknahme der Packete nicht straflos gemacht haben würden, beantragte aber die Aushebung de» Unheils, weil ohne Grund der 8- 2l nicht angewendct sei. — Das Reichsgericht hob sodann das Urtheil aus und verwies die Sach: an daS Landgericht Fürth zurück. ES wurde ausge sprochen. daß die Angeklagten nach erhaltener Kenntniß von dem Verbot verpflichtet gewesen seien zu verhindern, daß die bezüglichen Sendungen in die Hände der Adressaten kämen. Die Verbreitung» Handlung dauere auch nach der Ausgabe an die Post noch fort, bis die Sendungen de» Adressaten zugestellt würden, und wenn die Angeklagten diese Fortdauer — eine positive Handlung — zugclasjen hätten, so hätten sie damit gegen 8- 13 des Soc.-Ges. verstoßen. Entscheidungen des Reichsgerichts. (Nachdruck verbolen.) ft. Leipzig, 27. September. (Wahlstimmrnkauf.) Zum zweiten Male bejchälligl« kürzlich die Angelegenheit deS Kaufmanns Gerso» Stahl in Blomberg da» Reichsgericht. Derselbe war Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und wünschte nach dem Erlöschen seine» Mandats wiedcrgewählt zu werden. Er machte daher unter den Wählern Stimmung für sicd und zwar auch bei dem Schneider Koch. Da derselbe äußerte, er werde ihn nicht wieder wählen, ver sprach ihm Stahl 2 ^l und nunmehr stellte Koch eine dem Stahl günstige Stimmabgabe in Aussicht. Die Strafkammer in Detmold erblickie in dieser Handlungsweise des Slahl eine Uebertrclung des 8- 10!) de» Str.-G.-B. und setzte eine entsprechende Straft gegen den Angeklagten lest. — Aus seine Revision hob dann das Reichs- gericht das Urtheil aus, weil die Feststellungen bezüglich des Zeit» puncies der Straflbat ungenau waren. — Am 24. Mai d. I. kam die Sache vor der Strafkammer in Detmold abermals zur Ver- bandliing und der Angeklagte wurde wiederum verurth-ilt. In dem Uriheile wurde ausgesübrt. daß der Stimmankaus in den Anfang des Jahre»1885, nicht aber, wie derEröffnungSbeschluß cnsolae einesJrrikums angebe, de« Jahres >887, falle. — Jetzt rügte nun Stakt in seiner abermaligen Revision, daß nicht die in der Anklage bez. dem EröffnungSbeschluß bezeichnet« concrelc That, sondern eine andere zum Gegenstände der Abnrtbeilunq gemacht lei. ES hätte, so meinte er, wegen der Anklage, die sich aus da- Jahr 1887 bezog, aus Frei- svrcchung erkannt werden und der Siaatsanwaltschast überlassen bleiben ,nässen, wegen dcS tn das Jahr 1885 'allendeu StrassaNs »eiie Anklage zu erheben. — Dir ReidSanwalk hielt diele Aus« sbhrungen sür unbegründet. Ein Irrldum bezüglich der Zeit- best »nnunq, so sagie er, kann da» Gerichi ,„ch> zwingen, blo» über tmsen Jrrtbum ein L,kenntniß zu fällen, sondern der Richter ist berechtigt, den Jrrtbum zu verbessern. Die einzige Rücksicht, die dabei obzu wallen dal, ist die, ob der Angeklagl» tn der Loge ist, sich über die nunmehrige Sachlage gehörig z» vertheidigen. ES kommt dabei gar nicht daraus an, ob die Zeitverschiedenheit sich aus Lage, Monate oder Jahr» bezieht. Der hier obwaltend» Jrrlhum über die Zeit Vermischtes. — Berlin, 27. September. DaS gestrige Wettsuchen für Patrouillenhundc, da» unter Leitung deS Vereins „Juno" abgebalten wurde, fand aus dem Tempelbvfer Felde statt. Da die mangelhaften Ergebnisse dcS letzten Suchen» die Nothwendigkeit einer sichere» Schulung gezeigt Hallen, zerfiel diesmal die Hebung, die im Ganzen 3>/r Stunden in Anspruch nahm, in vier Einzelleistungen. Die Hunde wurden zunächst von fremden Leuten fcstgehalten, während die Besitzer sich 500 Meter weit entfernten. Dann wurden die Thicre zu gleicher Zeit losgelasse» und ihre Aufgabe be stand darin, so schleunigst wie mögl.ch zum sichtbar gebliebenen Herrn zu gelangen. Der Sieger, der deutsche Hühnerhund ,,Bcy" deS Baren v. Creytz. gebrauchte 40 Secunben, der letzte Hund kam nach 51 Secunden an. In derselben Weise hatten die Hunde hieraus als zweite Vorübung die Enl sernung vou 900 Metern zurückznlegen. Sieger wurde diesmal nach hartem Kamps in l Minute 2l Secunden die gestromte deutsche Dogge „Pluto" deS Herrn Töpfer. Drei Längen später kam der „Boy", eine Secunde nach ihm der „Hektar" dcS Herrn Anthaucr an. Diesen Vorübungen folgte der erste Patrouillenganq aus einer 2 km langen, geraden Bahn ohne Hindernisse. Die be treffende Strecke wurde von den Besitzer» abqeschritten, so daß die Hunde zur Orirnlirung die Fährte vorsandcn. Abgelassen wurden die Tbierc, dem Vorpostendienst entsprechend, einzeln in beliebigen Zwischenräumen. Sieger wurde wieder ver „Pluto" de» Hrn. Töpfer, der allen übrigen weit voran schon nach 4 Min. 48 Sec. seinen Herrn auffand. Der letzte Hund, der Neufundländer „Leo" deS Hrn. Behne, traf erst nach 17 Mi». 30 Sec. ein. Bei der 4. Hebung „Patrouillrngang mit Erschwerungen" war aus der 2l00 Meter langen Babn der Tunnel der Verbindungsbahn z» passiren. Die Besitzer be gaben sich diesmal zu Wagen nach ihrem Standort, so daß die vom Hose eine- Tempelhoser Grundstück- einzeln abgc, lasiencn Hunde keine frische Fährte hatten. Zum drillen Male siegle „Pluto", der sich inzwischen auf dem Felde so vortrefflich orienlirt balle, daß er in der bemerkenSwcrlh kurzen Zeit von 3 Min. 58 Sec. die Strecke zurücklegte. Zweiter wurde ver „Leo" ve- Hrn. Behne, trotzdem daS Tkier unter die Näder eines Wagen- gerathen war und sich eine Vorderpfote verletzt hatte. „Zampa", daS letzte ans Ziel gelangende Thier, gebrauchte 17 Min. ll Sec. Unter der lleberscbrist „Speisekarte und Politik" schreibt die Wiener „Neue Freie Presse?" Am Berliner Hose wurde kürzlich eine Neuerung eingesührt die im Gegensätze zu den bisherigen höflichen Gepflogenheiten einige» Aussehen erregte: es war die« die deutsche Speijekarte, die bei der letzten militairischen Galatasel im Berliner Schlaue den Gästen vor gelegt wordrn ist. Wir haben davon auch Notiz genommen »nd gerade an dieser Speisekarte nochgewiesea. daß man bei derartigen SprachrcinigungS-Bersuchen immer aus Hindernisse stößt und, um deutlich und ollgemeinverständlich zu bleiben, gewisse im deutschen Sprachgebrauch eingebürgerte Fremdworle doch nicht entbehren kann UebrigenS haben einige Tage später die Berliner Blätter die Mit theilung gebrach«, daß in Zukunft die deutschen Speisekarte» am Berliner Hose nur dann zur Anwendung kommen solle», «euu durch, weg« beuiiche Gäste zur Tajel geladen sind, daß aber bei der An- Wesenheit fremdländischer Gäste wie bcSber ein sranzöfllcheS Menu aufgelegt werden wird Au uad sür sich ist übrigen» die Neuerung recht zeitgemäß nnd vernünftig und gewiß auch onerkennentwerth ol» kräftiger Anstoß zur Reiotguug der denischeu Sprache von Fremdwörtern, imosern dieselben nicht be rechtigt und eingebürgert sind. In diesem Sinne ist denn auch die denische Speisekarte überall ausgesaßt uad beurtheilt worden. Erst einem Bereinchen in unserem engeren Heimath-landr, dem „National- und Gewerbeverein" tu Krem«, blieb e» Vorbehalten, dem deuiichen Volke ein Licht über die deuische Speise karte am Berliner Hose auszustecken und deren wahre Bedeutung, an die im ganzen deuttcven Reiche bisher Niemand gedacht batte, zu ver künden. Der Kremser Verein hat nämlich unier dem Vorsitze seine» ObmannS vr. Hanns Stinql einen Beschluß gefaßt, der dem deuiichen Svracheiivercinstag, welcher zu Ende diejeS Monat» in Ca siel stattsinden wird, vorgelegt werden soll. Dir überhitzten Kremier Teutonen behaupten nämuch, daß aus die Kunde vou der deutschen Speisekarte am Berliner Hofe „Heller Jubel alle deutschen Lande durchbrauste und die Schaffensfreudigkeit nationalgesinater dcnlicher Männer n-ue Svaunkrait erhielt", ja, sie nehmen den Mund noch voller und verkünden, diese Speisekarte lei eine „kaiser liche Thal" und der 10. d., an welchem sie im Berliner Schlosse den Tischgästen vorgeleqt wurde, ein „hoher Gedenktag". Daran knüpft dann der Kremser Verein den Antrag, der deuische Sprach verein solle dafür dem Kaiser seinen Dank und die Bitte um weitere Unterstützung der Sprach,einigung „aus anderen sprachlich och vermaischten Gebieten deS staatlichen und geftllschastlichen Lebens" auSsprechen. N,chl genug daran, will Ler Kremser Verein auch an d:n Kaiser von Oesterreich, als den „Höchstverbüudeten des deutschen Kaiser»", und an olle deutschen BundeSsürsten die Bitte um Abschaffung der unnöthigen Fremdwörter in der staat lichen Gesetzgebung und Verwaltung richten. In der That, die Kremser Sprachreiniger wären cm Stande, durch ihre bombastische« Ueberireibungen der vernünftigsten Sache den Stempel der Lächerlich keit aufzudrücken, und alle ernsten Theilnebmer am deutschen Sprach- Vereinslage werden sich gewiß skr eine solche parodiftische Verzerrung ihrer wohlgemeinten Bestrebungen bedanken. Welch-- Uebermaß von Eigendünkel und Wichtigthuerci gehört ferner dazu, dem deutschen Kaiser in so auldringlicher Weift die Anerkennung eines Häuslein- unbekannter Leute kundzuthun, die dadurch vor aller Welt nur ihre undedcutenden Persönlichkeiten bemerkbar machen wollen. Meinen denn die Kremser Nationalen wirklich. eS bedürft ihre» Antrages, um den deutschen Kaiser aus seine nationalen Pflichten und Auf gaben auimcrksani zu machen, unv glauben sie, er werde sich dadurch geschmeichelt fühlen, wen» ein Auftrag, den er dem Berliner Hos- küchcn-Amle ertheilt hat, in Krems als eine „kaiserliche That" ge- prieftn wird? Kann ftrner durch kindische Kurzsichtigkeit und Takt losigkeit eine wichuge Sache ärger bloßgestellt werden, al» wenn man eine Berliner Speisekarte zum Vorwände nimmt, um a» den Kaiser von Oesterreich die Bitte um den Schn- der brutschen Sprache in der staatlichen Gesetzgebung und Verwaltung zu richten? Der Kremser Nationalverein hat durch seinen großsprecherischen Beschluß wirklich ein nationales Cchüdbürgerstückleiu geliefert, da» glücklicherweise abgeschmackt genug ist, um keinen anderen Schaden anznrichten, als seine eigenen Urheber der verdienten Lächerlichkeit zu überliefern. --- Der Madrider Correspoudent deS »Figaro" ertheilt seinem Blatte folgende melancholische Auskünfte über die letzten Lebensjahre de» Marschalls Bazaine: „Ich erinnere mich seiner Ankunst in unserer Milte. Seine Frau, Pepita Penna, eine hübsche Mexikanerin, welche sogleich unsere Gesellschaft sür sich gewoon. war witzig, kokett nach spanischer Art und richtete sich in einer schönen Wohnung eia, batte ihreu EmplangSIog, veranstaltete kleine Bälle und verdrehte nicht wenigen jungen Leuten aus vornehme» Häusern den Kovs. In der ersten Zeit sah man sie immer in Gesellschaft ihre- Manne», dessen Flucht von der Insel Sainte-Margucrite sie bekanntlich geleitet hatte, in der Oper, wo sie abonnirt waren. Während sie in den Zwischrn- octen mit ihren zahlreichen Freunden plauderte, schuarchte der Ex-Marslboll aus seinem Stuhle, wie Einer, der eben eine lauge Reift zuruckgelrgt hat. Die zahlreichen Franzosen mußte man büren, wenn sie diesen Mann schlafen sahen. Der Ex-Marschall lebte bei alledem ganz vereinsamt i» seinem Hause. Wollte er eS so. oder zwang sie ilm dazu? Ich weiß eS nicht, aber ich bemerkte, daß er sich weder bei den tive o 'clock, noch aus tdren EmvsangS- abenden, noch an ihren Besuchstagen zeigte. Er blieb allein in seinem Brbcitscabine» und laS conlervaiiv« sronzösische Blätter. Ec glaubte au die Wiederherstellung de» Kaiserreichs und folg lich an seine Rehabilitirung; denn heule, da er lobt ist, bars ich wohl wicderbolen, wa» er mir tausendmal gesagt hat. Im perialist vor Allem, erklärte er, daß er dem Kaiser gehorcht hatte und die Republik nicht anerkennen wollte. Die beständigen Angriffe der ftanzösischen Presse brachten ihn außer sich, und er sprach von dem Heere in einer Weise, die ich schändlich fand. Seine Lage wurde immer schwieriger. Von Jahr zu Jahr wechselte die Marschallin tbrc Wohnung, der Wagen, de» sie zuerst gehalten, verschwand. Aus einem glänzend ausqeftaltelen Gemach zog man von Stuft zu Stufe in ei» winziges Halbgeschoß. Die Empfänge und Besuche wurden fortgesetzt, aber man sah daS Ende nahen. Der Marschall zeigte sich nicht mehr, nicht einmal bei Tuche. Mau sah ihn srüh Morgens mit einem Huhn oder einem Blumenkohl unter dem Arme vom Markte kommen. Er war e» wirklich, jener Mann, den ich 1868 io Pari» einen fürstlichen Aufwand treiben sah. Eine» Tage» verließ Pepita Penna ihren Gatten, nahm zwei Kinder nach Mexico mit und ließ ihm den ältesten Sohn, der sich in Spanien hat naluralisiren lassen und in unserem (spanischen) Heere Unterosficierl- rang Hot. WaS war geschehen? Es ließ sich niemals genau er gründen. Thatjoche ist, daß der siebzigjährige GieiS allein ans sein Zimmer angewiesen war und als einzigen Umgang seinen Sohn und irgend einen Diener hatte. Hier ging er die Reibe seiner Bitter nisse Tag um Tag durch. Er bezog eine noch kleinere Wohnung in der Straße Mont« Esquinza, wo er bis zu seinem Tod« blieb. Sie bestand aus einem Schlafzimmer, einem ArbeitScadiart» einem Speisezimmer, der HauSrath au» einer eisernen Bettstelle, einem alten tannenen Schreibtisch, an den Mauern zwei oder drei beliebige Stiche, einem kleinen Tisch am Fenster, zwei Ettohscssel» und eiarm Lehnstuhl, wo ich ihn nach dem Attentat vom letzten Jahre sitzend fand. Ein Wogenunsall hatte ihm eine» Beinbruch zugezogen, und er mußle an einer Krücke gehen. Kaum erkannte ich den ehemaligen sranzösischen Marschall tm zersetzten Cchlasrock, mit alten zerrissenen Pantoffel» an den Füßen. Damals wollie ich aus Pietät den Lesern deS „Figaro" nichts Näheres über ihn erzählen. Aber ich hörte ibn mit Verwunderung von seine» Soldatea, jenen Tapferen, welche bi» zum Tode gekämpft hatten, in beleidigendster Weise sprechen, und wenn ich, der Fremde, ihm eine Bemerkung darüber machte, schlug er mit der Faust aus de» Tisch, tu Heller Verzweiflung bis zum Wahnsinn gereizt, und protestirte in der Einsamkeit der elenden Kammer gegen die Ungerechtigkeit der Menschen uad der Geschichte: Die Franzosen? Schreihälse? Meine Soldatea? Reden wir nicht von ihnen! Nach einer ersten Niederlage kann man sich nicht aus sie verlassen. Ich habe dem Kaiser gedient. Ich konnte eine von dem Pöbel eingesetzte Regierung nicht anerkennen. Ah, oncrS toanerrel Und mit fieberhaften Gebcrden holte er Aktenstücke, Berichte, die er mir vorlesen wollte, au» seinem Schreibtische heraus. In diesem Augenblicke trat sein Sohn ein. ein sympathischer junger Monn in der Uniform unserer Jnsanterie-Soldalen, welcher kam, um seinen Vater aus die Tag- zuvor von einem Franzose» durchbohrte Stirn zu küssen. Auch brachte er ihm Visitenkarte» der vornehmen sponischeu Gesellschaft. Seit fünfzehn Jahren war e« vielleicht da» erste Mal. daß man ihm einiges Interesse bezeigte. Da» that ihm wohl. Aber ich verließ ihn mit der Ueberzeugung, daß dt« täglichen Angriffe, dir Tausende von Schmählriesen, die er seil Metz erhielt, seinen Geist geschwächt hatten. Seine letzten Jahre waren lies schmerzlich. Ich bin über zeugt, daß er kein anderes Existenzmittel Halle al- de» bescheideuen «old seines Sohnes. Welch trauriges und trostlose» Ende »ach vierzig Jahren einer glänzenden Laufbahn!" ---> Aus der alten Soldatenzeit. Als im Iabre 1718 ein Verbot erschien, welches den deutschen Fürste« Namens der römisch-deutschen kaiserlichen Majestät untersaate, den Tiirken als Feinden de» Reich» Pferde zu verkaufen, wurde zugleich von dem König von Polen unv Kurfürsten von Sachse», August den» Starken, eine Verordnung erlassen, rm Hinblick aus die noch nicht beigelcgten nordischen KriegSläuse die sächsische» Regimenter zu verstärke». Um die» zu er leichtern. wurden die OrlSbehvrde» de- Lande« angewiesen, „vornehmlich da» Virnstlose, hernmstreicheiide Ge sindel auszusuchen und solche» den Nächstliegenden Ossicieren, gegen drei Tbaler Handgeld sür den Manu, zu verabsolgen, indem hierdurch das Land auch von Räubern, Morbgescllen und anderein verbrecherische» Volke gesäubert werden möchte." — Wie Armeen, die derartige» Element in sich hatten, im Kriege zn Hausen pflegten, davon weiß die Geschichte jener Tage haarsträubende Dinge zu berichten.
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