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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188810070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-10
- Tag1888-10-07
- Monat1888-10
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1888
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Dritte Geilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 281. Sonnlag den 7. Oktober 1888. 82. JühMNg. Lin Vortrag über Kaiser Wilhelm. * Der freiconservative Abgeordnete Gras DouglaS hat vor einer Wähierversammlung in AschcrSleben einen Nechcnschast-dericht über seine Thätigkeit im Abgeordneten hause abgelegt, welcher über die Bedeutung der üblichen Rechenschaftsberichte weit hinausgeht. Gras DouglaS ent warf ein genaue» Bild der Eigenschaften und An schauungen de» deutschen Kaiser«, unv man kann bei den persönlichen Beziehungen des Abgeordneten zum Kaiser Wilhelm annehmen, daß die Versicherungen, welche Gras DouglaS über einzelne brennende TagcSfragen, z. B. die Stellung deS Kaiser» zu Herrn Stöcker, zu hierarchischen Bestrebungen u. f. w.. abgab, der Zustimmung an höchster Stelle sicher sind. Wir lasten nachstehend Auszüge der Rebe, deren Inhalt in der „Magdcburgischcn Zeitung" veröffentlicht wird, folgen: ES wird Friedrich IN. ewig unvergessen bleibe», daß er zuerst eS war, der mit einsichtiger Weisheit die traditionellen Schranken der abgesonderten Prinzenerziehung zu durchbrech n wußte, um den dereinstigen Thronerben in die Mitte der Schule, d. h. in die Milte deS Volkslebens zu stellen und ihn so mit den Kreisen de- praktischen Leben- in Berührung zu bringen. Nie hat vor unserem Kaiser ein preuhtscher Prinz mit eigenen Augen so viel vom praktischen Leben gesehen. ES war ein kühner Versuch, den Erben de- preußischen Throne» in Kassel auf die Gymaasialbank zu setzen und ihm die Ausgabe zu stelle», zu lerne», was seine Mitschüler zu lernen batten, und die Abgang-Prüfung nach genau denselben Grundsätzen zu bestehen, die für jeden anderen Abiturienten gellen. Nur wenn der Versuch gelang, konnte er Frucht bringen. Aber Donk der zälwn Willensenergie deS Prinzen Wilhelm gelang er glänzend, so daß die praktischen Eindrücke der Gymnnsialzeit nunmehr auch im akademischen Leben zu Bonn nachwirken und sich weiter auSqcstalten konnten. Wie der junge Prinz mü Leib und Seele Schüler gewesen — er trug z. B. bei einem Schulseste auf leine Veranlassung selbst die Fahne —, so war er hier ganz Student, und de Zeitgenosse» können nicht genug von seinem irischen, echt kameradschaftlichen Wese» erzählen, wie von seiner unvergleichlich kralligen Klinge. Unser junger Kaiser hat eine gründliche wisjenschastlichc Ausbildung genossen, er hat a». haltend und ausdauernd arbeiten gelernt, und er hat es der- standen, die Eindrücke des praktffchen Lebens mit den Ergeb nissen seiner wiffcnichastlichen Siudien aus das Glücklichste zu verbinden. Aus diese mit vorzüglichster Sorgsalt von de» lieben- d n Augen des aus der Höhe humaner Bildung stehende» Vaters i d der ungewöhnlich vielseitigen und scharfsichtigen Mutter ge- >. tcte Erziehung deS Prinzen ist nächst seiner uugewühnlichea > > ürlichen Begabung ohne Zweifel das treffende Urtherl und die i'ielle glückliche Austastung zurückzusühren, die unjrreu jetzigen !>. ijcr zum Erstaune» aller Derer auszeichnea, die berujen sind, geschäftlich mit ihm zu verkehre», eine Wahrnehmung strigcnS, die sich Jedem unmittelbar ausdrängt, der das Glück Hit. mit ihm ln Berührung zu kommen. Der gymnasialen i »o akademischen Ausbildung deS Prinzen ließ der erlauchte Vater eine streng militairische Schulung folgen. Mit der ziel- be.ußien Energie» die ihm eigen ist, und mit dem dem Hause der Hohenzolleru angeborenen warmen Interesse für die Armee, dnse wichtige und nicht hoch genug zu würd genbe Stütze de- Th.oneS und der staatlichen Ordnung, wurde Prinz Wilhelm eia begeisterter und schneidiger Soldat, der sich mit gcwissenhastester Pflichttreue den strengste» Anforderungen des Dienstes miierwars u .d mit peinlicher Pünctlichkcit gehorchen leinte und gehorchte, um dereinst besehleu zu können. Au- diesem ÄesammlbildungS- gange ergab sich ein rastloser TliätigkeilStrieb und eine ernste ShaffeaSsreudigkeit, beides Eigenschaften, in welchen der junge Herrscher seinem über Alles geliebten und verehrten Großvater mit bewußter Energie nacheisert. Wie jener hat auch dreier aus dem militairischen Leben die alle Herrscher Preußens behrrr- ichende Austastung gelernt, daß auch die Regenleiipstichten Dienst seien, ein Dienst, dessen getreuer, rastloser Ersüllung alle perrön- lichen Rücksichten »achzustehen haben. Möge das Volk für Liese Erziehung dem hochseligen Kaiser Friedrich ewig danken, so wird es am besten im Sinne deS erhabenen SohneS handeln. Wohl haben Sie mit alle» Deutschen deS Erdballs, ja, mit der ganzen civilisirteo Welt unsere beiden heißgeliebten Kaffer tief be trauert, tiefer aber noch ist der Schmerz bei uns Allen, die wir je unter dem Zauber dieser Persönlichkeiten stehen durften. Dieser Zauber, unseren drei Kaisern Io eigen, wird ausgeübt durch die schlichtest« Natürlichkeit und Leutseligkeit, herzgewinnendes Wohl wollen, verbunden mit vollster Majestät. Nach einem weiteren Hin blick aus die spätere militairische rc. Ausbildung unteres jetzigen Kaisers, den Redner mit Friedrich dem Großen vergleicht, fahrt er fort: Schon in der kurzen Zeit seiner bisherigen Regierung Hai eS allgemeines Staunen erregt, was unser junger kaiserlicher Herr sich zumutket. Ja, ma» hat vielsach ausgesprochen, daß, schon körperlich angesehen, diese rastlose, an keine Stunde gebundene Thätigkeit desselben ousrcibend wirken müsse. Es ist wahr, der Kaiser stellt in dieser Be ziehung Anforderungen an sich, die über das gewöhnliche Maß, das sich etwa ein pflichttreuer Beamter oder Osficier zuzu>»uthen vflegt, erheblich hiuausgehen. Indessen jene Besorgniß lägt einen Factor außer Acht, der dem aufmerksame» Beobachter nicht entgehen kann, nämlich die große Ruhe, die unter Kaiier auch in de» wichtigsten Angelegenheiten und unter der größte» Geichästslast niemals verliert. Nie wird er ungeduldig, nie hastig und unruhig, und diese- ruhige Gleichmaß, diese energische Selbstbeherrschung inmitten schwieriger Situationen wirkt begreiflicher Weise auch aus die Leistungssäbigkeit dcs hohen Herrn in günstigster Weise zurück. Der Iiejere Grund dieser unerschüiterlichen Ruhe deS Kaisers liegt freilich ohne Zweifel nicht etwa ausschließlich in einer bloS natürlichen Begabung. Er ist vielmehr in der stillen Gelassenheit zu suchen, welche die Frucht des echten und aus persönlicher Erfahrung beruhenden Gotlvertrauens ist. In diesem Gottvertraue» des Kaisers aber liegt die Bürgschaft nicht nur sür die energische Durchiührung der großen Ausgaben, die Galt aus seine jugendlichen, aber krästigea Scliultcra gelegt hat, sondern auch sür die Jniichaltung des Maße», das sür jede andauernde Anipauuuug menschlicher Thätigkeit geboten erschnnt. Man hat unseren Kaiser „ernst" genannt. Gewiß, der Ernst des Leben- ist an ihn frühzeitig herangetreten, und er hat ihn aus sich wirken lasse», wie es natürlich und recht war. Aber dieser hohe sittliche Ernst de« Kaiser«, getrogen vo» einer tief inner- lichcn religiösen Gesinnung, dem schönen Erbiheil scin-r Vater, hindert ihn nicht, mit gesundem, Helle,» Blick dem praktischen Leben röhlich io« Auge zu sehen, und nicht« liegt unserem jungen Kaffer erner, als eine finstere krankhafte Auffassung de« Lebens. Wer jemal- mit ihm verkehren durste, wird den Eindruck gewonnen haben, daß er e» hier mit einer gesunden, männlichen, heiteren Natur zu tdun hat, die ihr« ganze Kraft mit sreudtaer Energie in de» Dienst des Lande« und de« Volkes stellt, aber sür jede» finsteren, chlaffen und tiefsinnigen OuietiSmuS vollständig unzugänglich ist. Schou als Prinz, all er von den höchsten Beamten unirrer staatlichen Verwaltung mit deu Geschälten der Civilbehörden. der allgemeinen Laudesverwaliung. des kirchlichen und Unter- richtswejens, mit den witthlchaiilichm und socialen Functionen des Staatslebeus, mit den steuerlichen, finanziellen und ElotS- qruiidsätzen. aus denen das Gedeihe« des preußischen Staates in o hohem Maße beruht, vertraut gemacht wurde, überraschte seine chnelle Auffassungsgabe, sein geinndeS, praknsche« Verständniß. sein lebhasics, den einzelnen Erscheinungen aus deu Grund gehen des Jnieresse sür alle diese Dinge. So ist eS auch nach der Thronbesteigung geblieben. Inmitten der militairischen Anstren- gungen findet der Kaiier durch eine wohlgeordnete Einlheilung eine« Taget immer noch die ansgiedige Zeit, um die RegieiungS- gejchäste aller Ressort- mit gleicher Liebe, gleichem Interesse und gleich lebhaftem Verständniß gewiffeuhast zu erledige«, seinem lwchjeligea Großvater auch darin gleich, daß er Niemand über Dinge zum Worte »erstattet oder ihm sein Ohr leiht, der nicht durch sein Amt berufen ist, gerade diese Augelegenheiteu ihm voczutragen. Darin liegt die nicht hoch genug zu schätzende Ge- währ dafür, daß der Kaiser allein Loterie- und Lamarilia- wesen entschieden feind ist, und daß er für Einflüsterungen von nnberusener Seite niemals ein Ohr hat. Diese unüberwindliche zielbcwußle Sachlichkeit war eine der gesegnetste» Eigcnschaste» dcs hochscliqcn Kaiser« W lhelm. Aber nicht nur darin gleicht ihm sein königlicher Enkel, Auch die völlige Unzugänglichkeit sür periönliche Schmeichelei und Liebedienerei und ein gesunder B ick sür die richtige Würdigung der au ihn herantrelenden Persönlichkeiten, ein energisches Abweisen alle- sich hervoidrängcnden Slrebeith imS kenn zeichnen ihn ebenso, wie auf der anderen Seite eine seltene Em- piänglichkeit sür eia offenes, ehrliche« und wahres Wort, das der Kaiser selbst dann zu würdigen weiß, wenn c« leinen persönlichen Anschauungen nicht entspricht. D»S sind Eigens-baste» des jungen Kaiiers, die nicht nur seinem Charakter zur höchsten Ehre ge reichen, sondern auch sür das Land von unberechenbarem Werlh sind. Das Vertrauen des Kaffer« zum Fürsten Bismarck und die pietätvolle Anerkennung, die er diesem von jeder gezollt hat, bilden die sicherste Gewähr dafür, daß der Kaiser keine Paclei- regierung will und kennt. Dazu ist sein Blick viel zu weit und unbefangen. Er verlangt von seiner Regierung sachliche» Handeln, ohne Rücksicht auf kleinliche persönliche und Pürteiinteressen, und er hat eS wiederholt ausgesprochen, daß sein Leben dem ganzen Volke gehört ohne Unterschied des Glaubens» der Abstammung oder der politischen Parteistellung. Darum wird auch unser Kaiser der Staatsgewalt nie etwas vergeben, Weber hierarchischen, noch anderen Strömungen und Richtungen gegenüber. Die alle Tradition der Hobenzvllern, die religiöse Dul dung in ihren Landen zu pflegen, hat keine» sichereren und besseren Beschützer als unseren Kaiser. Die Lösung, welche die Schwierig keiten gesunden haben, die an die Berufung des ProiessorS I)r. Hariiack an die Berliner Universiiät sich knüpsteu, bewe» un widerleglich die Unbefangenheit, mit der unser Staatsoberhaupt die sich kreuzenden Strömungen dieser Art zu beherrschen versteht, und sie bekundet zugleich in ers>eu!>chster Weise bas Festhalten de- Kaiier» an dem allen hoheiHolltrnscheir Grundsätze, daß die Wissen- schast srei und voll deu Strömungen der Parteien unbeeinflußt bleiben soll. Der rsf-ne, wahre und echt menschliche Charakter deS Kiffer?, wie ich Ihnen denselben geschildert habe, schließ! voa selbst sein Interesse sür alle Humanitären und Wohlfahrt« - Be- strebungea ei». Ich habe mich, wie Sie wissen, in meinem Leben viel, seit einer Reihe von Jahren fast ousichlffßlich mit humanitären Fragen beschäftigt, habe wiederholt weite Reisen ge- macht, um Männer gleicher Interessen auszujuchen, aber ich habe aus meinem Ledensmege kaum Jemanden getroffen, dessen Herz für Alles, was das Woül seiner Mitmenichen beiriffl, ähnlich offen gewesen wäre, und der so zu immer neuer Thätigkeit aut diesem Gebiete aiiregt als unser junger Kaiser. Wo eS gilt, Noch zu lindern und Einrichtungen zu schaffen, die das LooS unserer bedrängten Mitmenschen zu besser» geeignet sind, da gicbt cs keine willigere und zur Thai bereitere Hand als die seinigc. In de» bisweilen selbst stundenlangen Unterredungen, die Se. Majestät mir die Ehre erwies, mit mir zu führen. hat der Kaiser stets aus seiner Initiative heraus die wichtigsten Humanitären Fragen angcregi und sich über dieselben mit einem Verstäub- nisse und Interesse ausgesprochen, die bewundernswcrth sind. Die Frage der Acbeiterwohnungen in ihrer grundlegenden Wichtigkeit nicht blos sür di« wirchschastliche, sondern auch sür die sittliche Hebung der arbeiienden Ciassen, sür ihre Gesundheit und ihr Familienleben, die santären und hyzieinische» Bestrebungen der verschiedensten Art, die Förderung der BolkSbibliotheke» behufs der gesunden geistigen Ernährung des Volkes, deren Bedeutung als Gegenwirkung gegen unsittliche literarische Erzeugnisse, welche die Phaniasie und den Frieden des Volkes vergiften, kurz, alle social- politischen Bestrebungen, möge» sie ihre Verwirklichung aus dem Gebiete der Gesetzgebung oder aus dem der Bcrwallung finden, das Alles darf bei unserem kaiserlichen Herrn aus eingehende und ver- ständnihvolle Theilnahme rechnen. Vor Jahren ersubr der damalige Prinz Wilhelm, daß «in große» industrielles Elablisjement Mangels ausreichender Bestellungen voraussichtlich in die Lage kommen würbe, 5000 Arbeiter entlassen zu müssen. Der Gedanke an die unverschuldete Noth, welch« diese Arbeiter und deren Familien be- drohie, ließ dem Prinzen keine Ruhe, bis eS ihm endlich durch wieder holle persönliche Einwirkung der maßgebenden Periönlichkeilen ge lang. neue und große Bestellungen sür die bedrängte Firma herbei- »usühren. Noch heule fühlt sich der Kaiser durch da« Bewußtsein freudig bewegt, daß eS ihm damals gelungen ist, jenen Arbeitern und ihren Angehörigen und damit zugleich weite kreise von Ge- werbtreibenten, die aus den Conjum der Arbeitcrsamilien angewieien waren, vor unabsehbarer Noth zu bewahren. Unser Kaiser nimmt gleich seinem erhabenen Großvater di« Pflege einer gesunde» Frön,- migkeit in seinen königlichen Schutz, Gegenüber der Aullebnung gegen die Autorilät betont der Kaiser deu treuen und gewissenhastea Lckv tz des Rechts und der Gesetze. Gegenüber der Genußsucht und leichtscrtigeu Verschwendung stellt er, gleich seinem erhabenen Vor gänger, eine edle Eiasachheit des Lebens als da« Ideal aus, dem wir nachzustreben haben. Schon als Prinz ist der Kaffer in seiner dimaligen Eigenschaft als Regimentskommandeur der verhäng- »ißoollen Spielsuctit in gewissen Kreisen mit einer Energie entgegen- getreten, die ihm die Herzen aller Wohlgesinnten gewonnen hat. Und so komme ich zu dem Ergebniß, daß Kaiser Wilhelm in seltenem Maß, Verständniß dasür hat, was gerade unserer Zeit Noth thut. Er ist der Mann danach, dieses Verständniß in Thaten um- zuietze». Und wir türjen gewiß sein: einen Herricher, der, wie er ieine Zeit veisteht, wird auch die Mitwelt, wird sein Volk verstehen lernen. ES wird ihm danken mit Treue um Treue. Alsdann geht Redner aus Besprechung der allgemeinen Situation über und fahrt sort: Man hat die gegenwärtige Lage als eine unklare und unsichere bezeichnen wollen. Freilich der auswärtigen Politik unseres jugend lichen Kaisers hat die gelammte — auch die oppositionelle Presse Gerechtigkeit widersahren lassen müssen. Liegen Loch die Erjolge. welche Kaiser Wilhelm während der kurzen Zeit seiner Regierung in Bezug aus die Festigung des Friedens zu verzeichnen gehabt Hot, zu klar auf der Hand, und hat doch bezeichnender Weise die Börse den Regierungsaniriii unsere« soirrtdümlich kriegerisch au-genebenen Kaiser in« einer sedr bedeutenden Steigerung aller Werthc begl üßi. Noch heute kennzeichnet dieselbe in ihrer ganzen Tendenz das fetteste Vertrauen zur Friedensliebe ieiner Regierung. Es ist eine vicllcicht nicht all gemein bekannie Tbatiache, daß der Kaiser schon vor zwei Jahren mit glücklichstem Erfolge eine vermittelnde Rolle gegenüber der russischen Politik, von der man eine Gesahr iiir den Frieden befürchtete, übernommen hat. Schon als Prinz Wilbelm hat er mit eisernem Fleiß« di« rudimentären Anlänge der ruisischen Sprache erlernt. Diele ungewöhnlich- Kennlniß und der gewinnende Zauber seiner Persönlichkeit eroberte ihm schon damals in Rußland alle Herzen, und die unvergleichliche nordische Meer« sahn des Kaiser« bald nach dem Antritte seiner Regierung hat jüngst vollendet» was er damals bereit- erfolgreich begonnen batte. Man hat den jungen Kaffer den Cartelkaiser genannt. Sicherlich mit Unrecht, wenn inan darunter verstehen will, daß er nur ein Kaffer sür diejenigen seiner Unterthanen sei, welche den so- gennnnien Caitelpacteie» anqeböce». Er ist ein Kaffer und König sür alle Unterthanen ohne Uatersaiied und wird Recht und Gerechtig keit über Alle gleichmäßig walten lasten. Aber wenn es sich um die Fragen bandelt, wer auf dem Boden deS kaiserlichen Programms steht und von wein unser Kaiser eine Förderung seiner Politik, wie ich sie eben gekennzeichnet habe, erhoffen kann, so sind dies aller- dings diejenigen P -rteien, welche endlich angesange» haben, zu be- greise», daß Einigkeit und gemeinsame Arbeit uns Noch thut, nicht aber kleinlicher Parteihader. Die aus eigensten Wunsch unseres KafferS ersolgte Berufung deS Herrn von Bennigsen, dcs Führer- der nationalUberaien Partei, in ein hohe« Staatsamt ist »icdt nur eine Anerkennung der verdienstvollen politischen und sonstigen Wirksamkeit diesis Mannes, Es ist vor Allem auch ein Beweis dasür, daß der Kaiser entschlossen ist, bei seiner Negie rung ohne Rücksicht auf die Ipecielle Parteisärlmng die Unter stützung aller Derjenigen in Anspruch zu nehmen, welche i» den Griindtragen mit ihm einig sind, und wenn heute das Ceiilrum. die Freisinnigen u. A, wozu leider wenig Aussicht vorhanden ist. sich in den sür unser Slaalswesen fundamentalen Fragen aus den gleichen Boden stellen, so werden auch sie, unbeschadet ihrer besonderen Anschauungen, die rücknaltlose Anerkennung ihrer patrio tische» Gesinnung finden. Sie wissen, wie eine Versammlung, welche bei dem jetzigen Ches des GeneralstabeS, Gras Waldersec, abgehallen wurde und an der der damalige Prinz Wilbelm Theil nahm, auSgebcutet wurde, um den Prinzen in der öffentlichen Meinung zu v.r.ächk'gen und ihn mii den polnischen Pirleibestce- bniigca hochkirchlichcr Kreise, insbesondere mit Venen deS Hoj- prcdigerS Stöcker zu ideutlsiciren. Alle diese Versuche, dem Kaiser eine persönliche Stellungnatime zu Gunsten bestimmter Parteianschauungen zuzuschrcibe», beruhen aus positiver Ent stellung der Wahrheit. Mein verehrter Freund, der ncuio- nalliberale Abgeordnete von Bcnda, welcher jener Versammlung beigcwohnt hatte, hat sich »nmitleibar nachher notut was ihm im Verlause derselben beinerkenswerth erschien. In diesen Notizen heißt eS wörtlich: „Der Prinz bob ausdrücklich hervor, daß eS sich sür ihn um Bestrebungen handele, welche jedem einseitigen kirchliche» S ta »dpuncte fern liegen," Das ist die authentische, nicht mißzudeutende Widerlegung aller zener thörichten ober böswilligen Gerüchte. Das offene Gercde ist denn auch verstummt, namentlich, nachdem der Kaiser Friedrich die damalige Kionprinzessin, nnjere erlauchte Kaiserin, durch eine be sondere Cobineleordre ermächtigt batte, sich an die Spitze des Liebes- werke« z» stellen, da« in jener Versammlung in seinen ersten Anfängen geplant worden war. Aber ich halte es doch gerade gegenüber den versteckten Angriffen, welche gegen unseren Kaiser aus Anlaß der damaligen Versammlung noch jetzt erhoben werbe», sür geboten, zu constatire», daß die Beziehungen, welche der Kaiser Wil helm zu dem Hosprcdiger Slücker unterhalten hat, nur sehr vorübergehende waren, die sich lediglich aus jene echt hu manen, weil echt christliche Bestrebungen behufs praklffchr Hilfeleistung bei den unieren Elasten ihrer Nolhlage gegenüber beschränkt habe», welche jeder christlich denkende und das Volk liebende Mann aus das Warmsle begrüßen muß und sür die dem Hosprediqer Slücker rückhaltloser Dank und Anerkennung z» zollen ist. Darüber hinaus hat keine Verbindung mit dem Hosprcdiger Slöckcr bestanden, und am wenigsten huldigt unser Kaiser de» extremen poli- titischen und coniession eilen Parteiauscha uungen, welche man an den Namen dieses Abgeordneten za knüpfe» pflegt. Daiüber besteht volle, unzweideutige Klarheit. Und wenn versucht worden ist, de» Kaiser sogar mit der antisemitischen Bewegung in Berblndung zu bringen, so ist auch dies eine Dreistigkeit, der ich aus das Bestimmteste entgegentreten kan». Der Kaiser ist sich bewußt, daß er auch in dieser Beziehung aus einer höheren Warle steht, als aus der Zinne der Partei, und daß die Preußen jüdischen Glaubens so gut seine Unterthanen sind, wie die christlichen Preußen. Hieraus ergäbt sich, daß er ihnen in gleicher Weise, wie dielen allezeit seinen königlichen Schutz gewähren wird und gewähren will. Ich darf in dieser Beziehung aus eine der „Berliner Bürsenzeilnng" »oo vertranens- würdiger Seite zugegangeue Mittbeilnng Bezug nehmen. Danach har der Kaiser gelegentlich einer Unterredung ähnliche Anschauungen geäußert wie: „Ich kenne uur Baterlandssreunde und Gegner unserer gesunden Entwickelung. Niemand wird Mir zutrauea, da- Rad der Zeit zurückschrauben zu wollen. Im Gcgentheil, eS ist der Hohe»- chllera Stolz, über das zugleich edelste und gereisteste wie gesittetste Volk zu regieren. Und in diele« Lob schließe Ich Alldeuischland ein. Unsere ganze Gesetzgebung ist von humanen Gruuda,-schaumigen dictirt. Wer dies verkennt und die Geister gegeneinander hetzt, gehöre er welcher Richtung immer an, hat aus Meinen Beifall nicht M rechnen. E« giebt wahrlich Ernsteres zu Ihn»." Ich kann ver sichern, daß Se. Majestät, nachdem er diese ihm zugeschriebene Aeußerung geleien halte, zwar bemerkt bat, er entsinne sich der Worte nicht mehr, aber er nehme keinen Anstand, sich zu der darin all-gedrückten Aussassuug zu bekrönen. Entscheidungen des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) Leipzig. 4. Lctoder. Bon der Anklage der Beleidigung ist am 30. Mai der verantwortliche Redakteur der „Nordhauser Zeitung", vr. Heinrich Wilhelm Kühne, von der Strafkammer in Nordhauien sreigesprochen worden. Er hatte in seinem Blatie einen in der „Thüringischen Post" enthaltenen Artikel nachgedruckt, welcher au» Halle. 26. Januar, datirt war und einen dort ver- tiandeltkn Socialistenproceß betras. Durch diesen Artikel hatte ich der Polijticommissar Große beleidigt gefühlt, weil man aus demselben herauslesen könne, daß er ein ehemaliger Socialdemokrat sei. Es war nämlich in dein etwa- flüchtig abgefaßteu Berichlc an einer Stelle gesagt, es seien zu dem betr. Proceffe drei Zeugen ge laden, an einer anderen Stelle aber hieß es, daß drei ehemalige Socialdemokralen, der Polizeicommissar Grosse und noch zwei mit Namen genannte Personen, geladen seien. Wenn man nun weiter nm.is als diese beiden Slrllen ins Auge saßt«, so konnte man ent weder annehinen, daß drei oder daß sechs Zeugen geladen waren, und in dem ersten Falle würde dann der Verfasser de- Artikels in dein Polizeicommisjar einen ehemaligen Socialdemokcatca erb ickt haben. Da« Gericht erwog beide Möglichkeiten und sühne dann aus, daß selbst sür den Fall, baß objeciiv eine Beleidigung in den, Artikel enthalten sei (baß die Bezeich nung als Socialdemokrat sowohl wie als ehemaliger Svcmi- dcmokrat eine Beleidigung, namentlich sür einen Polizeibcanuen ist, wurde vorausgeictzi), dennoch der Angeklagte sreizusprechen iei, weck ihm nicht da« Bewußtsein inaegewohnt habe, daß der Inhalt des fraglichen Artikel« beleidigend lei und weil er seruer nichi da« Aemußliein gehabt habe, daß andere Personen bei Lesung dcS Artikels etwas Beleidigendes darin finden künnlen. — Gegen das srciipicchelibr Unheil hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, welche heute (4 ) vor dein 3. Strajsenate des Reichsgerichts zur Verhandlung kam. Der Neichsanwalt beiulworlete dieselbe »na b antcagle die Aushebung deS Unheil«, da es Widcesplnche und RrchiSirnhuiiicr cnibalte.— Der V-nheidiger, vr. Schee rer, interpretirlc jedoch das Unheil in etwa» anderer Welse und kam zu dem Ergebniß, daß die Ausführungen deS Unheil» vollständig klar und correct ieie». Ec wies auch daraus hin, daß schon au« grammatiichc» Gründen die drei Name» nicht als Apposition zu den vorhergehenden Worten: „drei srühcre Social« deniokraten", angesehen werben könnten und daß man annehmen müsse, der AnikNschreiber Hahr sagen wolle», cs seien sechs Zeuge» geladen. Das Reichsgericht konnte in dem Urtheile keinen Verstoß gegen eine GeictzeSvorschrist erblicken und verwarf deshalb die Revision dcs Staatsanwalts als unbegründet. Leipz ig, 4. Oktober. (Vergehen gegen das Marken, schütz ge setz). Die Finna Joh. Gotil. Hafftniaiin in Pirna, welche schon zu Aiiianq dies s J.rlirhnndecls bestand, sabricirt einen Mageu- i :kcr, welcher sich >rc,,,i Verbreitung »id großer Del.rbil.e l er« treuen soll. Der Erfolg der genannten Firma bat andere Fabn- kanle» gereizt, da- Fabrikat »achzuahmen, und Einige baden auch auf ihren Empfehlungen und Clikclicn den Namen der Firma Hasst- iiiann „lißbranchi. Infolge gestellten Strafantrags dcs J»h>.be,S dieser Firma wurde ani 5. Mai d I. gegen die Brüder Joh. Friedr. Cd. Woideinar Schmidt und Robert Woldemar S ch m i d t» Inhaber der vo» ihrem Vater gegründeten Firma Woldemar Sctimidt i» Dresden, vor dem dortige» Landgericht ve,handelt. Die Brüd-r Schmidt sabriciren verschiedene Torten von Liqucnrc», denen sic besondere'Namen beilegen, wie z. B. Eiienbahn-Liqueur, Heirarhs- Ligneuc u. s. w. Eine» derselben uunnleii sie »nn„Haiimann" und ließen diese Bezeichnung mit großen Buchswven ans die Eiiketlen drucken, welche allerdings auch igre eigene Firma entbielt. Trotzdem nun die Angeklagten den Namen Halt- mann nur mit einem s geschrieben und ihre Firma an gegeben hatten, „ahm das Landgericht Loch eine Verletzung des Markeiilchutzgejctzcs an, da nur bei Anwendung besonderer Aus« mcrkiamkrii zu erkennen sei, daß man eS nicht mit echtem Huffi- niann'jche» Ligicur zu thu» habe. Jeder der Angeklagten wurde deshalb zu UOO ,/t Geldstrafe verurlheilt; außerdem wurde ihnen gemeinschajllich eine an Len Nebenkläger Hasstmann zu zah- lende Buße von 1000 ^ auserlegl. — Die Angeklagte» halten I Revision eingelegt und behauptet, ihr Schutzvorbruigen, daß das I Wort „Hasliiia»»" sich allmälia aus einem Name» zu einer Sach» I bezcichnnug sur eine bestimmte Ligueursorle entwickelt habe, sei nicht genügend von der Strajtammer gewürdigt worden. — Das Reichs gericht war jedoch gegenthciligcr Ansicht und verwarf am 4. d. die Revision. Leipzig, 4. Oktober, Eia eigenartiger Geschäftsreisender ist der Hanklungsgehilse Engelbert Thein aus Ncuwegersleben. Er war bei eine,» Käusmann in GermerSlebeu in Stellung und berechnete diesem sür TageSjpcsen nie mehr als 1,50 bis 2 .^i Als ihm lein Lhej vorhielt, daß dies doch wvhl zu wenig sei, vcnvahrte er sich dagegen und sagte, er käme damit aus. Es war aber nicht so, und Thein benutzte deshalb die emcassirlen Gelder zum Theil zur Deckung seiner Bcdürsuijje. Bei 80 Reisen beging er 42 Unier- schlaguiigen und schädigte seinen Ehcs mit etwa 3000 — Das Landgericht Halber st adt verurlheiltc ihn deshalb zu 1 Jahr Ge- sängniß. — Er halte am 17. Mai Revision eingelegt und Eiii- wände gegen daS Urtheil gemacht, die gänzlich haltlos waren, cs wurde deshalb vom 3, Slcalsenat des Reichsgerichts am 4. d. aus Verweisung des Rechtsmittels erkannt. Karihcl's Hof. UV.Ü Arösstss LtadlLsssmsut IssixsiAZ tvr und Osooration. Mr Lunsl-Mdel an<1 8»ut1sedler«t: 15. ^ OOS. Mr veeorLtlon umi rolsterardelteu; LcmInLo »»»« 5. Leri»»pr«vAi1«Uv SIS.
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