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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188810246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881024
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881024
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-10
- Tag1888-10-24
- Monat1888-10
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1888
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288. Erste öeilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Mittwoch den 24. October 1888. 82. Jahrgang. Die Lliitter satten — der Herbst ist da! Bon Hermann Pilz. diachdruS verdorr». Bor wenig Tagen sind die Blätter gefallen. Ter Herbst hat seinen Einzug gehalten. Eine Milche starb der Natur nack der andern, ein Reiz scvwanv chr nach dem andern dabin. Sie mochte sich dessen schämen und schminkte die Blätter zu Blumen; rotb, braun, gelb und weiß bmge» sic an den -testen und Zweigen, um die der Sturm schon sein uraltes Spottlied pfiff. Er lachte die alte Kokette auS, die b>S zur letzten Stunde die Blumen nicht misten will. Die Blätter sind gefallen! Demüttnei bat Mutter Natur aus die irdische Seete auSübt. ein heilige- Gefühl, dem sich die menschliche Brust nicht entziehen soll. Aber drängt sich mir nicht in die Schauer deS Tode» ein wonniges Entzücken de- VebenS? Mein Auge folgt sebnsüchtig dem Wauderzug der Schwalben I dort oben. Sie suchen den Venz. Und daö kleine zarte Blllni- lei» Aiigeiitiost, dad dort noch allein auf der starre» Wiese i sei» blülilichweitzes Köpfchen bebt, erinnert eS mich nicht auch an den Venz schönerer Tage? Ja, er kehrt wieder, der gold- lockige Jüngling mit dem Füllhorn buntfarbiger Blumen. Der Tod wird überwunden. Da- Bahrtuch wird von uns genvmmen werde». Alps wird schweigend wieder knospen. Die Weiden am Bache werben blühen und die Hasitsteiude I einen welenilichea Gewinn für diese Landlchasien selbst wie für das «anze Ackerland betrachten. Die naiionalliberalen Vertreter jener LandeSlheite werden alSdann, wenn sie wieder im handelnden par- lamrniarischen Leben sieden, auch Versiäntmiß lür manchen Schrill der Parteileitung gewinnen, deren Rothwendigkrit sie draußensiehrud nicht immer rinseheu mochlen. r ... u,„ werben blühen und die '!e. 2''^ Kätzchen trage». Ter Sonnenstrahl wirb das Schn'eetlöpschen wecken, und Primeln uudAnemoneii werden denNeigen der Früh Vernichtung, z» Fügen gelegt. Ueber Nacht ist er gekommen AlS ich gestern Morgen auSg'ng, balle sich Weg und Straße i» einen Vaubt pp>ch gebullt. Neben nur ging ein alter Herr, sorglich veiinuinmt und verpackt. Er schiinpste weidlich aus die Stadtverwaltung, die ihm die Herbst- bläller noch nicht auS dem Wege geräumt halte. TaS war sein Herbstgesühi! Ich batte beim Anblick dieser ver gilbten Pracht freilich andere Gedanke». Ich dachte nicht an die Besen und Karren des stabt scheu Marst illS, ich dachte, wie diese welkenden, fallenden Blätter ein Bild unseres eigenen VebenS sind. Wie die Ahorn- und Rüsternblätter, wie der letzte Buche»- und Birkenschmuck vor der Allmacht der beiden Herbstlrabanten, Sturm und Frost, vbnmächtig rah>nsi»kt, so fällt auch von unserem Vebe» ei» Stück nach dem andern ab. Wir sehe» cs fallen, wir hören eS noch einmal leise unten rauschen- dann muß eS verwehen, verwehen, unwieder bringlich! — Man fragte mich einmal, wer poetischer sei, der Frühling oder der Herbst. Die Frage drängte sich mir beim Anblicke der gefallene» Kleinodien der Natur wieder mächtig zur Beantwortung auf. Der Herbst ist ein gewaltiger Prophet. Er erinnert an die Tage, von denen geschrieben stehet: „Sie gefallen mir nickt." Der Herbst kommt leise und unverhofft, er ist da. und Deine Auge» schauen verwundert zum Art her auf, wo die letzten Schwärme der Zugvogel den Venz im Süden suchen und Dick daran mahnen, daß Blülheurusk ein vergänglicher Schatz ist, — Blüihendust und Jugend! Der graue Herbst kommt wie das Alter. Er ist da; kannst Du mir sagen, wann er gekommen? A» welchem Tage nahm der Sommer Abschied von Dir? Du findest die ersten weißen Spuren aus Deinem Scheitel, aber Du weißt nickt, seit wann Dick dieser Silberschmuck, dieses unwillkommene Danaergeschenk, krönt. Du wirst nachdenklich. Du schaust um Dich und in Dick. Du bist bergauf gegangen mit millhlgcm «schritt und Tritt. War daS eine fröhliche Wanderschasl! Ging eS nicht durch lachende Thäler und grünende Wälder? Kicherte» Dir nickt aus dunklem Vaub lockende Rosen allüberall entgegen? Grüßte Dich nickt Biauveilcken mit schelmischem Nicken? Du aber gingst aufwärts, empor den Hügel deS VebenS. und achtetest der einzelne» Blumen nicht, da die ganze Welt um Dich blübte. I tzt siehst Du auf dem Gipset des Hügels. Das Ziel Deiner Wanderschaft ist erreicht. Du kannst nicht höher emporklimmeii, und wenn Du wandern willst, muß Dick Dein Fuß bergabwärts trage». Du stehst aus dem Gipset und schaust in das Land hinein. Siehe, es ist Herbst geworden, und die Welt blüht nicht mehr. Du gedenkst wohl der fernen Tage, da Du Dich in einen, Blüthenmeer baden konntest, und der Nachtigall zu jubeltest, die Dir aus grünendem Busche zusang: „Noch sind die Tage der Rosen!" Mit den braunen Lock-eu gingen die Rose» deö VebenS dahin. Wie Dein Auge jetzt emsig die letzten Blumen der Natur allssucht! Du, der sich nicht Zeit gönnte, den Dust der Rose zu sauge». Du schaust jetzt mit Wohlgefallen aus de» violetten Schimmer der kalten Herbst zeitlose. Seltsamer Wechsel! Du, der unter Blumen schwelgte, dem Nelken und Ehrenpreis. Mohn und Evauen allüberall entgegenlachten, Du bist jetzt froh, wenn Dir der vernichtende Herbst noch ein wenig Kreuzkraut, ein Slengelchen B enen- saug, ja nur ein einfaches Rispengras an Deinem Psade stehen läßt. Mit dem Herbste deS VebenS schwinden seine Blumen. Du rüstest Dich zum Bcrgabsticg. Die Sonne steht tiefer, unk ihre Strahlen, die golden durch die hängenden B rkenzwcige schimmern, Wecken keine Vogelstimme» mehr Bon fernher erklingt »och die seine Stimme der Meisen und Goldhähnchen. Du lauschst ihnen, als ob Dir der volle Gesang der Vcrche» und Nachtigallen, der Finken und Drosseln entgegentönte. Klagen sie über die Vergänglichkeit alles Irdischen? Klingt cs nicht wie ein Mahnen herüber? ,.Ueber Nacht die Blülhe sälll, Nebers Jahr Dein braunes Zelt; Nach«! ialleiillcd verhallt, Und Dein Haar, — Und Dein Haar erbleicht wie bild!" Du steigst langsam hinab. Tu wanderst absichtlich lang sain und kommst doch unmerklich rasch dem Ziele näher, dem Ziele deS Abstiegs — dem Tod! Da umwebt Dich ein silberner Fade.i, der leicht durch die Vust geschwebt kam, ein Herbstsade»! Der Kinderglaubc meint, sie seien aus Thau gewebt, diele Fäden, oder der Sturm bade sie vom Spinn rocken der Frau Holle hmweggesegt. Gleicht er nicht Deinem Haar? Silberglanz umwallt eS, und doch gäbest Du alb diese» schimmernde» Glan; hin für die braune Vocke Deiner Jugend! Wieder ein Stück vorwärts. Es geht durch de» entlaubten Wald. Ja, heute steht in ihm ein ernst und heilig Wort ge schrieben, daS Wort vom großen Sterben Tort hebt noch eine blaue Spätlingsblume trotzig das Haupt, daS sich noch nickt aus den gebuchteten Eickenblättern rings umher betten lasten will. Ai» Schlehdorn hängt noch eine schwarzblaue Frucht, und der Spindelbaum trägt noch sein rotheS Pjaffen- bülcken. Dem Herbste zum Trotz trägt er noch immer seinen Corallenschmuck. Die Natur ahnt, eS geht zum Sterben Aber sie will nickt sterben, sie will noch leben, leben, sic ringt im TodeSlampse! Mil schwerem Flügelschlage fliegt der Kolkrabe über die sterbende Flur. Die Taube deö Henker- Hat ihn der BolkSmund gelaust. Vom kahlen Wipfel der Weißen Birke herab tönt sei» beckereS: „Rab, Rad." Wir kenne» dich, schwarzer Geselle, du bittest zum Veichenbegängniß der Natur. Die Halme deS SckilsrohrS «eigen sich flüsternd zu einander, und leise rauschen sich die violettbrauuen Rispen zu: „ES geht zu Ende!" Die Mönche in der Abtei Va Trappe faßten die ganze Philosophie de- VebenS und SlrebenS in die Worte: Llemento mori!" zusammen. Sie sprechen nichts alS: „Gedenke deS Todes!" Das war ihr Morgengruß und ihr Abendgruß. Wir bedürfen aber keiner düsteren Klostermauern, um an den Tod erinnert zu werden. Rust uns die sterbend« Natur nicht allüberall im Herbst inS Gewissen: bkomonto man! Stille Schauer beschleichen die Seele, rin heiliger Ernst umfaßt unfern Geist, und während die gelben Blätter des Spitz ahorns raschelnd vor uns dahinflattern und der Herbftsturm unser Haupt umbraust, da ist eS. als ruse der Gelst der Ver gänglichkeit um uns her: .Gedenke deS TodeSl" Sinnend starren wir in die graue Ferne. Eine Tbräne sammelt sich in den Augen und huscht über die Wange. Dir träumen vom Ende. Da» ist die Weih« deS Herbste-. — Ist es aber der Gedanke an Abschied. Sterben und Tod allein, der un» im Herbst wie ein Hauch ewiger Poesie um weht? Gewiß ist diese« Herbstgefühl, da» eine läuternde Kraft lmgülusi aiisühren.und Veilchen und Rosen werken folge» uno die Nachtigallen werden wieder schlagen, und die Vercke hoch oben im blaue» Reviere wird ihr jubelndes Vied schmettern. Ja, eS wird wieder Frühling sein allüberall. Hier mitten aus öoer Flur, im raschelnden Vanb. wo der «sturm daS Vied von der salben Majestät teS Herbste- singt, hier schwingt sich mein Herz empor und ab»t, daß ihm ein »euer Frühling beschienen sein wird, ein Seclei'siühling ewiger Blume» und ewiger Nachtigallenlieder. Die Wolken. die am Himmel dahinjageii, zertdeilen sich, ich sebe ein seliges Erwacke», ein Auserstehen der Natur und des VebenS, ein Auserliehen der irrende» Seete. Dar»», liebe ich de» Herbst vor Allem, darum stimmt mich der Herbst weihevoller als der leuchtendste Frühlingstag, der mir keinen Raum giebt zu stiller Wehmulh; darum halte ich ib» sür poetischer als de» glücklichste» Venz, weil er mir die Gedanken des Totes mit len Getankcn des ewige» VebenS vereint, weil ich durch seinen klagenden Rus-, „Llomento moril- von serne ein leises, zauberisches Klingen vernehme, ein wundersames Rauschen: blomeuto viverol" Lolonialpolilisches. Berlin, 22. October. Wie lebendig die Theilnahme weitester Schichten unserer Bevölkerung au der Em>» Pascha-Expedition ist, davon lieferte der gestrige Bor trag de- Vr. Peters wieder eine» glänzenden Beweis. Schon eine halbe Stunde vor Beginn deS BorlrageS war der ge räumige Fesisaal deö Hotel de Rome dickt gefüllt uno Hunderte mußten unverrichteter Dinge umtehreu Peters, der sehr gewandt und flott spricht, schilderte die Hindernisse, welche der arabische MvbamedauiömuS dem Vortringe» der christlichen Cullur in Afrika entgcgenncllt, und daS geineiil- same Interesse, daS alle an der afrikanischen Frage be- theiligtcn europäische» Staaten, England, Poitugal, Deutsch- la»b und der Eongostaat, an der Nieberdiückung und Ver- bräiiguug dieser inohamedanischen Elemente hoben. Den letzten Wall gegen eine Vereinigung derselben unter dem Mahdi und Tipp» Tip bilde derzeit Emin Pascha; ilm zu halten und zu stärke», liege im gleichen Interesse aller ge nannte» Staaten. Für Deutschland komme aber noch t»e besondere Ehrenpflicht der Vanksmannschaft hinzu; und die Deutschen würden dieser Pflicht ebenso ehrlich Nachkommen, w>e die Engländer beispielsweise tuich Entsendung zahlreicher Expeditionen ihre Thciluabmc a» dem Schicksale Franklins bewährt halten. Vr. PeterS ging dann zu einer anssühr- lichen Besprechung der ostasrikanischen Verhältnisse Uber. Zur Lage. ** Berlin, 22. Oktober. Kaiser Wilbelm ist heim gekehrt und weilt wieder in der Mitte seine- Volke-, welches mit innigster Befriedigung, mit stolzer Gcnugthuung erfüllt ist über die Ergebnisse der Reise des jungen Herrschers. Den Winter über wird der Kaiser Deutschland nicht verlassen und nur kleinere Ausflüge machen zur Feier des Zollanschluffes von Hamburg, der Grundsteinlegung zum NeickSqericbl »ach Vipzig, im klebrigen aber die Residenzen Berlin und Potsdam nickt verlassen. Die Meldungen sranzvsischcr Blatter von beabsichtigte» Besuchen in Madrid und Vissabo» sind un begründet, ebenso wenig beabsichtigt Kaiser Wilhelm zunächst eine Reise nach Athen. Der Kaiser wird sich diesen Winter lediglich seinen Reg crungSpflichlen widmen Bon Hvsscstlichkeiten ist keine Rete, da die Hoftrauer solche auSschiicßt. Die Hosjagden werde» allerdings wie in frühere» Jahren abgehalten werben, die Hoscencerte dagegen bleiben eingestellt. Von der Pflichttreue de- KaiseiS legt es wieder Zeugniß ab. daß be reit- sür heule die Minister v. Bötticher und Herisurth zum Vorträge besohlen waren, klebrigen- verlautet, daß aus be sondere Anordnung Sr Majestät, da sich sämmlliche Wvbn räume im Berliner Schloß nickt vor Ende November scrtiq Herstellen lassen, dafür geiorgt wird, daß wenigstens bas Bor tragszimmer und einige Nebenräume möglichst schnell verfüg bar gemacht Werden, da der Kaiser vorläufig wöchentlich zwei bis dreimal nach Berlin kommen will, um hier die Vorträge der höchste» Reichs- und Staatsbeamten eiikgegenzuliebmen. damit diesen im Interesse deS Ganges der Regierung- geschäfte tägliche Zeit raubende Fahrten nach Potsdam er spart werden. Abermals verlautet in einige» B'rliner Blättern, daß in Bälde eine Reorganisation der Reichsämter geplant werde. Hier dürften wir eS wohl lediglich mit einer ausgewärmten Ente zu tlmn haben. An maßgebender Stelle liegt eine derartige Absicht nickt vor. Was die von der „Kölnischen Zeitung" wieder angeregte Frage eines Zuschusses zur Eivll liste deS Kaisers von Reichswegen belrisft, so haben bereits während der letzten außerordentlichen Session de- Reichstags in dieser Beziehung vertrauliche Besprechungen unter de» Parteiführer» statt- gesunde». Die Zuwendung dieser jährlichen Dotation von Rcichswegen wurde von ken Vertretern fast aller Parteien als billige und berechtigte Forderung anerkannt, auch daS Eenlrum erklärte sich zustimmend und der „Freisinn" wenigstens nicht ganz ablehnend. Es darf mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß ein ent sprechender Initiativantrag bereits vor Weihnächte» im Reichstage gestellt und auch erledigt wird; die Form eines besonderen Gesetzes wird wohl nicht zu umgehen sein, wen» es sich auch bloS um die Einsetzung eines Etatspostens handelt. Wie wir hören, sollen 5 Millionen „sür Repräsentations zwecke deS Kaisers" vorgeschlagen werden. Ai, der Anuahme des Antrags durch Reichstag und BiindeSrath ist nicht zu zweifeln. Die Uneinigkeit der Cartelpartcien in Berlin bat sich leider als unüberwindlich erwiesen. Im ersten LaiidtagSivalü kreis ist »un von Seite» der gemäßigten Elemente Gras DouglaS ausgestellt worden. Während die .Post" mitlheilt, derselbe habe die Candibatur abgelehnt, wollen die »Norddeutsche All gemeine Zeitung" und daS „Deulschc Tageblatt" auS bester Quelle erfahren haben, Gras DouglaS sei mit dieser Aus stellung einverstanden. Es ist jedenfalls ein Opfer, denn bei der Zersplitterung der Partei und der Feindseligkeit, welche „Krelizzeilung" und „Reichsbote" besonders gegen Gras DouglaS offen zur Schau trage», ist höchstens ein „Achtulig- ersolg" zu erreichen. 8V6. Berlin, 22. October. Für dir ganze Provinz Ost Preußen ist nunmehr der Grund zu einer gemeinsamen Or ganisation der notionalliberaleu Partei gelegt. Eine Anzahl angesehener Männer wendet sich mit einem Ausruf a» die „liberalen Ostpreußen", worin es u. A. heißt: „Je mehr die Erbitterung von hüben und drüven gesteigert ist, um so ernster ist die Pst cht oller deS persönliche» HaderS müden, der Bevormundung ober sich cntwachieu wissende» Freunde einer sortschreitenden, de» Bedürfnissen der Gegenwart gerecht werdenden, die wiithiebafilichen »nd religiöicn Gegensätze mildernden Gesetzgebung, auch i» unserer Provinz sich zusammen z» schaarea, um tue Grundsätze des constilii tionellen Preußens, wie solche der Landes Ausschuß der national liberale» Partei in seinem Wohlausrus verkündet: eine starke, die Wohliahrt aller Classen des Bockes gleichmäßig fördernde König gewati; lebendige, sclbstveraiiiworiliche Theilnahme des Volkes an der Gesetzgebung und Verwaltung deS Staates »nd der Gemeinden: Freiheit und Förderung der wisscnschastlichen Forschung, wie der allgemeinen Volksbildung; Gleichheit und Unantastvaekeit der staatsbürgerlichen Rechte aller Eonseisione». Der ausreichenden Bertreinng deS attvrenßischen Liberalismus seit Jahren be raubt, Hot die Parteileitung manchen Schritt getban, dessen Roth Wendigkeit hier zu Lande nicht überall einleuchlete: um so be deutungsvoller wird eS sür die Gesammtinteressen sein, wenn auch die Stimme der ostpreußischen Liberalen im Rathc der national- liberalen Partei gehört wird." Wir begrüßen eS mit Freude«, daß jetzt endlich wieder der Grund zu einer gemäßigt liberalen Partei zwischen den schroffe« Gegensätzen von rechts und links in der östlichen Grenzmark gelegt wird. Daß die »ationalliberale Partei in den parlamentarischen Körperschaften in den letzten Jahren allzu überwiegend au» Vertretern de- deutsche» Süden« und Westens bestanden Hot. ist oft genug beklagt und von ihr selbst wie von cinsicht gen Männern auS den östliche« preußischen Provinzen als M ßstnnd emilslinden worden. Wenn in Zukunst Im Rath« der naiionalliberalen Partei auch die ostpreußischen Stimmen wieder gehört werden, io würde» wir e« mit Freude« begrüße« ««d als kaufmännischer Verein. * Leipzig, 23. October. Für unscru in so kräftiger und gedeihlicher Entwickelung begriffenen Kaufmännischen Verein war der gestrige Abend, an welchem die Eiöfsnung der regelmäßigen Vorträge des bevorstehenden Winterhalb- jabreS stalisand, ei» Ereigniß von besonders erfreulicher Be deutung. Der große, während des Sommers ganz neu bcr- geslellle Saal des PercinShanseS präsentirte sich zum ersten Mat bei voller Beleuchtung i» seiner gegenwärtigen Gestalt, die eine glänzende genannt werbe» kann und aus alle An wesenden sichtlich den besten Eindruck hervorbrachte. Die edle und styivolle Ausstattung zeigt bei allem LuxuS doch nirgends klederlabung, und daö Gefühl wonniger Behaglichkeit wird gewiß Jedermann bei Betrachtung des Neugeschaffciien überkommen, llnsere Stadt hat dadurch einen reizenden Fest saal mehr erhallen, der sicher eine starke Anziehungskraft äußern wird. Wir wollen schon an dieser Stelle den Erbauer des neu hergestellten SaaleS, der nicht allein die Piäne angeserligt, sondern auch den Umbau selbst geleitet, Herrn Architekt P. Lange hier, ob des von ihm Geschaffenen herzlich beglückwünschen. Wie bedeutend der Saal-Umbau gewesen, kann man schon auS der einen Thatsacbe ersehen, daß derselbe die Summe von 20 OOO -4k beansprucht hat. In Anbetracht dieses sreudige» Ereignisses betrat zunächst der erste Vorsteher deS Vereins, Herr Vindner, die Tribüne, um mit kurze» trefflichen Worten aus die geschehene Um änderung und Verschönerung im Vereinshaus Hinzuwelsen. Der Redner erinnerte an de» glanzvolle» Tag der Einweibung des HauseS, a» den 18. Mar; 1877, und an daS stete Wach- thum deS Verein-, wozu nächst der andauernden Unterstützung seitens der Männer der Wiffeiischast daS eigene Heim, welches immer mehr znm Mittelpunkt deS VereinölebenS geworden sei, be-getragen habe. Bei der Einweihung deS HauseS habe man »och nicht dazu schreiten können, auch die innere Aus stattung so gediegen, als der allgemeine Wunsch gewesen, zu gestatten, indem eS damals »och an Mitteln hierzu gefehlt habe; man habe sich aber gesagt, daß daS früher oder später geschehen müsse. Und jetzt, nach 1l Jahren, nachdem durch daS Anwachsen deS Hausbau-EontoS die Mittel endlich beschafft worden, sei man a» diesem Ziele am gelangt. Der Redner dankle Allen, welche bei der Reicher Heilung deS SaaleS geholfen, vor Allem Herrn Architekt Lange, dessen Ausgabe er als gut gelungen bezeichnele, und übergab de» Saal in seinem neue» Gewand seiner Be stimmung mit dem Wunsch, daß auch in Znkunsl in ihn» der alle Geist, welcher den Verein groß gemacht, lebendig bleiben möge. Hieraus kielt Herr Professor vr. Maurenbrecher eine» durch Form »nd Inhalt fesselnden Vorlrag Uber die „Staalsgründiing deö Großen Kurfürsten". Eine ernste und beVeulnngSvolle Zeit sei, so leitete der Redner seine» Vortrag ein, seit der Beendigung der Vereins- Vorträge im letzten Winterhalbjahr dahingegange». Der Gründer deS Reiches, Kaiser Wilhelm l., sei gestorben, und bald daraus sei auch sein Sohn, Kaiser Friedrich, in daS Grab gefolgt, dem obne Zweifel durch daS Tazwischeittrcte» VcS englischen Schwindlers Mackenzie daS Leben verkürzt worden. (Lebhafte Bewegung und Zustimmung.) Wenn wir so den Heimgang zweier Kaiser beweine» und wir Monate hindurch dem Gesicht der Trauer »nd Bangigkeit preisgegeben waren, so hat sich doch nun die monarchische SlaatSkrast in unserem Lande wunderbar gellend gemacht, und nach dem Großvater und dem Vater hat der sugcndliche Willensstärke Kaiser Wilhelm II. den Kaiserthron bestiegen, mit Begei stcrung von den Fürsten und dem Volk begrüßt. Gegenwärtig hat nun nach jener langen Trübsal daS Gesicht der Beruhigung Platz zu greife» begönne», und unser Geist bat Zeit gewonnen, die Dinge wieder ruhig zu betrachte». Nack dem Wunsche des Vorstandes des Kausmännische» Vereins solle dieser erste Vortrag dazu diene», die Wurzeln der Kraft kennen zu lernen, den Grund und Unterbau, aus denen das deutsche Reich be rubt. ES ist kein Zweifel darüber, daß unser deutsche» Reich aus dem Wese» und den Eiurichluiigen des preußischen Staates beruht; dieser preußische Staat aber ist ganz wesentlich daS Product seiner Fürsten, und er ist vornehmlich aus den Pflanzungen deS Großen Kurfürsten erwachsen. Der Vortrag solle, so erklärte der Redner, sich daraus beschränken, die politischen Methode» zu ckaraklerisire», nach welchen der Große Kurfürst seinen Staat eingerichtet hat. DaS Kiirsürstentbum Brandenburg schwang sich erst dann zu größerer Bedeutung empor, als sein Gebiet im Osten, in der Provinz Preußen, und im Westen, am Nicderrhein durch daS Herzogthu», Jülich, beträchtlichen Gebietszuwachs erhielt Die Regierung deS Großen Kurfürsten, der damals erst 20 Jahre alt war, begann >010, uno er verstanv eS trotz seiner Jugend, auS de» Atomen und Elementen, welche sein Vater unbenutzt gelaffen, den Staat ganz »eu auszubauen Ohne Geld, ohne Heer, ohne Ansehen, so fing der Große Kurfürst an, und doch hat er auS diesem Nichts Große« ge schaffen. Sein Verdienst war eS namentlich, daß der West sälische Frieden im Jahre 1643 zu Stande kam; er einigte sich in Betreff der Vändcrarroudirung mit den Schweden, ebenso mit den Holländern, durch deren Unterstützung er endlich festen Fuß in das clevischc Land setzen konnte. Die erste Nothweudigkeit sür den Kursürst Friedrich Wilhelm war die Schaffung eines stehenden Heere«, und er hielt an dieser Aus gäbe trotz aller Schwierigkeiten, welche ihm durch die Berhandtungen mit den Ständen, die die Gelder zur Unterhaltung de- Heere« zu bewilligen hatten, bereitet wurden, mit Zähigkeit und erfolgreicher AuSdauer fest DaS Heer bestand nach damaligen Verhältnissen aus dem Landes ausgcbot unb dem sür bestimmle Zeit angcworbcnen KriegS- votk. In, Jahre I6L5 verfügte vrr Kurfürst bereits über eme Armee von 26.000 Monn; er handelte nach einem be wußten Plan. eS galt ihm vor allen Dingen, daS stehende Heer z» begründe», »nd er wußte den oft widerwttligeu Ständen klar zu machen, daß alle Provinze» sür de» Staat einstehen müßten. „Einer sür den Andern, Alle sür Einen", Sa« war die Auffassung deö StaalSgedaukcnS durch den Groß n ttiirsürsten, der zugleich de« Geoanke». als ivollc er ke» Absolutismus, weit von sich abwieS. Kurfürst Friedrich Wilhelm war >n der Verfolgung seiner Pläne unerschöpflich uno unermüdlich, seine Fürsorge und Rücksichtnahme aus sein Land kannte» keine Grenzen, aber er bestaub auch aus Dem, was sür daS Land uolhwendig war. unerbittlich. Inte», er bei seine» Anforderungen immer sachlich blieb, wußte er damit durchmcringen, uns schließlich bedielt er auch >»> Kamps gegen vic Siände ver Provinz Preußen die Oberhand. Diesen sehr oppositionell gesinnte» Ständen batte er klar zu »l>,che» ver staube». baß sie nicht allein das Interesse beS Laute- zu wahre» hätte», sondern daß daS in erster Reibe leine Sache sei. und daß auch er ein Herz für daS Volk habe. Wo eS nöthig war, staluirte er gegen offene R b'tlion ein kräsiiged Exempcl, aber nach und »ach legte sich doch die Spannung und man söhnte sich mit ibm auS. Man lebte sich in die Idee» de- Großen Kurfürsten, i» seine neue Staats ordnung , Welche sich in der Praxi- als zweckmäßig und heilsam erwicS, ein und fand uameutlich auch an seinem System indireclcr Besteuerung, an der Einrichtung der Aecise, Gefallen. Der Große Kursürst brachte dadurch sein Vaud zu mat netter Btttthe, und er legtr ferner de» Grund z» ciuein technisch geschulte» staatlichen Beamtenlhiii», in dessen Reihen er Adiige und Bürgerliche in gleicher Weise ver wendete. Eine Hauptsache war. daß der Knrsüist dem Adel seines Landes die politische Macht zu entwinde» verstand und ein Zusammenwirken von Monarchie und Aristokratie der gestalt herbeisübrte, daß letztere sich in den Dienst deS Staates stellte und zwischen Krone und Adel in Preußen sich daS un lösliche Band knüpfte, welche» noch heule zum Segen tcü Laude- besteht. Im Gegensatz z» anderen Lande,» haben in Preußen danialS die Junker sich loyal und begeistert der Staatsgewalt untergeordnet. Die Seele teS Ganzen war die Person deS Großen Kur fürsten, seine Eigenart trat überall hervor; wenn er in der Hauptsache seinen Zweck erreichte, so verstaub er in den Details klug »achzugeben. I» dieser Weise machte er den Fürsten zum betzbende» Mittelpunkt des Staates, eine neue Art absoluter Regierung-soim, die aber in de», Grundsatz wurzelte, daß der souveraine Staatswille mit dein Wohl des Staates identisch sei, daß er niemals das letztere schädigen könne. Diese Theorie rübrt bekanntlich von Saniuet Bussendorf her, sie deckt sich aber vollständig mit der Praxis des Großen Kurfürsten. In der auswärtige» Politik war er kiäslig bemüht, namentlich Frankreich gegenüber, die deutschen Interessen zu vertreten. Wenn sein Bestreben in erster Linie auf die Landmacht gerichtet war, so plante er aus anderer Seite auch die Begründung einer Seemacht, und wir wisse», daß der kühne Flug seiner Gedanken sogar aus Cotonialerwerb au der Westküste von Asuka sich lenkle. Redner zog hieraus noch eine kurze Parallele zwischen Ludwig XIV. von Frankreich und deni Große» Kursürsten. Erllerer hatte den Staat seinen persönliche» Launen und Gelüsten dienstbar gemacht und von ihm gilt daö frivole >rt „I.'ötLt e'est woi". Die Auffassung deS Großen Kursürsten in Bezug aus sein Herrfcheramt aber giebt sich am besten i» de» Worten an seinen Sohn kund, dem er Folgendes sagte: „So will ich meine fürstliche Stellung brauchen, sie sei nicht mein Privateigenthum, sondern ich will nur dem Wohl meines Volkes dienen und meine Devise sei: Für Golt und mein Volk". So lange, so schloß unter lang- andaueindem lebhaften Beifall der zahlreichen Versammlung der hochgeschätzte Redner den Vortrag, die Fürsten deS Hotien- zollernhauseS in den Bahnen des Großen Kurfürsten wandeln, werden dem preußischen und dem deutschen Volk glückliche Sterne leuchten. Vortrag über Zanzibar. * Leipzig, 23. October. Am gestrigen Abend hielt ini Saale des Verenishnuses Herr vr. La »rille aus Berlni einen Vorlrag über Zanzibar, Der Redner, welcher beruscn ist, die Leitung des z» errichtenden deutsche» Krankenhauses in Ostakrika zu übe! nehmen, wie- im Eingang seiner Darlegungen aus di« Wichtigkeit ZanzibarS lür ganz Ostafrika hin und charakierisirte die Stadt als de» wichtigsten Berkehrspnncl OstasrikaS. Aber auch an politncher Bedeuiung überragt Zanzibar alle vstasrikanischea Städte, da eS die ganze Küste beherrscht und die Wohnung des Sultan- bildet. Was den Sultan anbetrifft, so lebt derselbe gegenwärtig fast ausschließlich von der Eifersucht der europäischen Mächte, und wenn erst einmal eine Einigung unter denselben betreffs der Thcckung mancher ostasrikaniichen Gebiete hergcstellt worden ist, dann dürsten auch die Slu, den des Sultanats gezählt sein. Uebrigrns ist der Sultan gewohnt, despotisch zu regieren, von Said Bargasch werden viele Grausamkeiten erzädit Hoffen wir, daß der deutsche Einfluß, welcher gegenwärtig berciiS in Zanzibar bedeutend ist, in Zukunft über de» Einfluß der anderen Mächte den Sieg davonlrage» »löget Der Nrader ist im Großen und Ganzen unserer Cullur seindlich gesinnt und in Hinsicht aus MissionSbcstrcbuiige» völlig unnahbar. Ein vvrzügl'ches Mittel zur Annäh-rung würbe es sein, wenn die Bewohner jener Gebiete die G-wißheit erhielten, daß die Deutschen nicht feindlich und beulegierig sich ihnen nadien, sondern friedlich und als Freunde. Diese Anschauung zu erwecken, dürste die Er- richluug eines deutichen Krankenhauses als besonders geeignet be zeichnet werden. Bereits jetzl besteht eine Krankenstation in Zanzibar, in welcher drei Diakonissinnen und ein Diakon Ihäiig sind, die ärzt liche Leitung hat vr. Hahnen selb in den Hände». Diese Kranken- siation hat sich bereits als recht vortheilliast und segenbringend er wiesen. Ferner besitzt Frankreich ei» eigenes Krankenhaus in Zan zibar, auch England hat eine V-rpsl-gstaiion daselbst. Die Errichtung eines deulschc» Krankenhauses in Zanzibar ist schon jetzt ein dringendes Gebot der Nothweudigkeit; mit allen Kräfte» ist ei» ComttS, an dessen Stutze der deutsche Generalconlul von Zanzibar sieht, thätig, die Errichtung deS deutschen Kranken hauses zu verwirkliche». Im Ganze» sind z» diesem Zweck MOliOO^l nüihig, und eS ist eine nationale Pflicht deS deutschen Volkes dicse Summe sür den angegebenen Zweck so bald als möglich zu sammeln. Redner sprach seine Freude darüber aus, daß der erste Appell gerade in Leipzig so großen Anklang gesunden habe, sind doch hier zu diesem Zweck bereits 6000 gesammelt worden. Allein es sei, jo bemerkte Reiner, nothwendig, daß die ganze Summe, also 200 OVO gesichert sei, ehe er nach Zanzibar übersiedcle. Es solle zu diesem Zwecke das ganze Deutschland mit einem Netz von Sammel- stellen überzogen und so die Sammlnngea einheitlich organisirt werde». Auch an die gestern Versammelten wandte sich der Redner, die selben bittend, ihre Geneigtheit zur Unterstützung deS Unternehmens sofort zu betdäiigen. Die zu diesem Zwecke an den Tbüren ver anstaltete Bllchiensammlung ergab eine recht hübsche Sunime — ein Beweis, daß seine Aufforderung ans günstigen Boden gefallen war. Vene Lunftsachen. DaS interessante Unternehmen der Münchener Kunstanstalt vo« Franz Hanfs« aengl, für die beste« Leistungen der Malerei auk der bisherigen Münchener Ausstellung eia würdige- Erinnerungswert zu schaffe,,, schreitet rüstig weiter. Die Blätter der zweiten Lieferung des dazu bestimmten Photogravüre - Prachtwerkes: „Die Malerei aus der Münchener JubiläumSkuustauSstelluug 1888" liegen schon längs« wieder in den Kunsthandlungen auS. Mt dem ersten der Blätter „schwere Reiter" bekundet sich Emil Rau als seiner Beobachter des bayrischen Volkslebens »nd als liebevoller, gut gelaunter Schildcrer desselben. H. Vogler'- -Glücklich" stellt eine schöne, vornehme Träumerin dar, di« sich »n dem Heim, vaS ihr die jung«
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