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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188810266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881026
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881026
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-10
- Tag1888-10-26
- Monat1888-10
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.10.1888
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Erste Seilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 3VV. Freitag den 26. October 1888. 82. Jahrgang. Der Varr hat liecht. Eine wahrhaftige Geschichte von Alfred Robert. Nachdruck vcrtolkn Gerade hundert und einige Jabre sind eö der, da verrichte wieder einmal arger Unfriede zwischen Kaiser und Pipst. Ersterer. damals Joseph II-, meinte, man konnte ein rang guter Christ und Katholik fern, auch wenn man sich mV,stichst unabhängig vom Statthalter Christi stellte, L-tzterer aber komile sich daS Cinc ohne daS Andere nicht denke». Und da dies mal der Kaiser einen härteren tkvps zu haben schien aiS Papst PiuS Vl, so muhte sich dieser schon wohl oder ükel entschließen, seinen persönlichen Emfluß auf den Kaiser — natürlich mittelst testen Unigcbung aeltend zu machen. Cr kam also mit großem Gesolge nach Wie» und quartierte sich aus volle fünf Wochen daselbst ei». Joseph ll. war g >o>ß ein lenlseliger Herr, aber er wußte auch, waS er wollte. Er tecretine »lichlö weniaer als i»S Blaue hinein. Daher ließ er sich auch in der Bornahme der kirchlichen Resormea, die er für nötbig erachtete, turch die Anwesenheit deS Papstes nicht im Geringste» stören Er sorgle dafür, daß e» seinem Gaste an Nichts gebrach, höchsten- erlaubte er sich die Hinteren AllSgängc deS Palaste-, in welchem der Papst PiuS Vl. ab- gestiegen war, vermauern »nv die Vordertbüren überwachen zu lasten, um — natürlich nur an- reiner Neugierde — zu erfahren, wer anS seiner nächsten Umgebung der öfteren Absolution anS dem gesalbten Munde so bringend benöihigte. Zähneknirschend mußte eS sich Papst P»>» VI. gestehen, daß er ans diesem Wege nicht zum Ziele käme. Er verschwand also vom Schauplatze seiner Nieterlage, koch nicht heimlich cder bei Nacht, sondern mit einem Knallefsect. der deutlich besagen sollte: wir sind zwar für den Augenblick geschlagen, aber wir suhlen nnS nickt geschlagen. Vielleicht war es auch das gute Herz des obersten Seelsorger- der Kirche, welche- ihn zwang, da- irregetcitcte Volk nicht für die Sünden seine- Kaiser- verantwortlich zu machen. Papst P.uS verkündete, daß er Persönlich vor seiner Abreise noch eine öffentliche Messe lesen werte. Kaiser Joseph ko»nte und wollte auch nichts dagegen einwenven. Er war eb nso aufgeklärt als tolerant und erblickte in der Eelebrirung einer Miste keine staalSgcsäbrliche Hautluiig. Für seine eigene Person aber sab er gern von der Tröstung, welche ihm seine Religion durch ihre» höchste» Diener bei dieser Gelegenheit entbot, ab. Er, der Kaiser, mußte an jenem Vormittag des öffentlichen, vom Papste abgeballcnen Gottesdienste- nothweickigerweise wichtige Besichtigungen in der Umgebung der Hauptstadt vornehmen. Nun gab eS in dem daiiialigeii Wien eine» Mann, den man i» jeder Hinsicht viclvcrmögeiid nennen konnie. Er war seine- Zeichens »ur ein Schlächter und doch Uesen in seiner Hand so manche Fake» zusammen, deren aiivere Eicken merk würdigerweise sich in den Tasch-n von Excel! nzen und höchsten Herrschaften vorsanbe». Dieser Mai», mit Namen Horvath hatte cS bis zum Hosichlächiermcister gebracht, einer Stellung, von deren Bedeutung >»a» sich heute kaum noch eine Vor- stelluug mache» kann. Er lieferte nickt nur dem kaiserlichen Hoshatle alle Fleisckwaarc» und in Folge dessen auch der ge- sammten Aristok alie Wien-, sondern auch den Militairbehörven zum Beispiel, was an geschlachtetem und an Schlachtvieh ver langt wurde. Wie war er i» den Besitz dieser und noch an derer Vorrechte gelangt? Sehr einfach. Der damalige Avel lebte auf einem größeren Fuße, al» er eS eigentlich durste und anSvatte» konnte, und da Meister Horvath sich wahrscheinlich in keiner Weise schämte, mit doppelter und vierfacher Kreide anzuschrcidcn, so machte die Bezahlung der Fleischerrechiiung manch r aristvkralischen HauSfrau oder manchem aristokratischen Han-Herr» gewiß nicht geringe- Kopfzerbrechen. Meister Horvath aber war nichis weniger als em rücksichtsloser Gtäu viger. Du lieber Gott, wie oft sah er nicht von einer Be zahlung iu baarem Gelde ganz ab und begnügte sich lieber mit irgend einer kleinen Vergünstigung, die ihm urplötzlich zur Ucberraschung Wien- seitens de- Staates ober der Stadt eingeräumt wurde! Und wie oft kam eS nicht vor, daß er. uni seines Verdienstes nicht ganz verlustig zu gehen, noch baares Geld dem g-lieserten Fleische binzusügen mußte? Daß er als kleines Eulgell für seine stels gern erwiesene Hilfe einige Zinsen beanspruchte, die zwischen zehn und zwanzig Proceni schwankten — wer hätte ihm diese, doch rein geschäsl liche Maßnahme verarge» wolle»? Ja. Horvath verstand die Schlächicrei auö dem Fundament. Wer oder waS ihm unter daS Messer kam, war ihm gleichgiltig, Blut mußte der oder bas Betreffende unter alle» Umständen lasten. Meister Horvath war bah r eine Persönlichkeit, die man fürchtete, ja haßte, und die maii wiederum gar nicht umgehen konnte, wollte man unter der Hand an hoher und höchster Stelle irgend etwa- erreichen. Trotz deS seinen Umganges und der seine» Kundschaft ober war Horvath ein derber Metzgermeister geblieben, besten Rohheit mit seiner wideilichcn Anmaßung und Hochnäsigkeit wetteiferte. Je mehr sich seine Neichthümer häuften, desto rücksichtsloser und maßloser wurde sein Steeden, desto er habener suhlte er sich dem alltäglichen Bürgerpöbel gegenüber, den er trotzdem nicht ungern in seinem Lade» sah, weil er, Horvath, der k. k. Hoftleftrant, sich herabließ, daS sür den Hos und die feinere Kundschaft nicht brauchbare Fleisch gegen gute Bezahlung ihm abzngeben. Ein guter Kaufmann darf eben nichts uinkoniuien lasten. Die Anwesenheit deö Papste- in Wien war auch Horvath z» statte» gekommen; denn wer wäre wohl würdiger gewesen, die Tafel de- höchste» Prälaten niit Fleisch zu versorgen at er? Der vielseitige Schlächtermeister also hatte sei» Schäfchen bei dieser Gelegenheit zu scheere» verstanden. Ec wollte aber nicht undankbar sei». Er erkannte gern an und bildete sich schließlich cS ein, daß P pst Piu- Vl. am Ende nur feinet Wege» »ach Wie» gekommen war, um ihm, Horvath, besten echte Frömmigkeit ihn, wahrscheinlich in Rom zu Ohren ge» kommen, etwas zilkomnien zu lasten. Wie gesagt. Horvath war kein undankbare- Gemütb, auch er wollte hinter dem Papste nicht zurückstehcn und Gleiche- mit Gleichem vergelten. Er hielt sich deshalb sür moralisch verpflichtet, die öffentliche Messe de-Papstes zu besuchen, und seine sämmllichen Ochsen- und Schwcineheerden wären nicht ii» Stande gewesen, ihn von diesem Vorhaben zurückzubalten. In der Thal, nur der noble Mensch kann i» der Weit auf Anerkennung rechnen. Horvath ließ also seine» Galawagen anschirren; denn zu Fuße zur Messe zu gehen, hätte sich für den Herrn Hast schlächtermeister nicht geschickt. Ebensowenig hätte eS sich für »hn geschickt, daß er pünctlich zur Andacht gekommen wäre. Pinietlichkeit ist zwar die Höflichkeit der Könige, aber eine Schädigung de- Ansehen- eine- Hochmülbigen. De-Halb hatte auch, al-Horvath seinen Wagen bestieg. Pipst Piu- Vl. bereit- im großen Ornate unter einem goldenen Baldachine auf dem Balcone der Hoskirche Platz genommen. Drei Car« dinäle und zwei Bischöfe assistirlen ihm und der kaiserliche, Vierhundert Köpfe starke Cbor hatte bereit- die Litanei an gestimmt. Ter mächtige Platz vor der Kirche, den auf der einen Seite da- Arsenal flankirte und in testen Mitte sich die Säule mit der heiligen Jungfrau erhob, auf dem auch die beiden, den Ackerbau und die Treue vorstellenden Fon taine» sprudelten, war von einer Kops an Kopf gedrängten Menge dicht gefüllt. Die Fenster und Dächer der angren zenden Häuser verschwanden unter der unendlichen Fülle nen- -ieriarr Gesichter. Ein Chronist will auf dem Platze vor r'r Kirche allein sünfzigtaufend Menschen g-zählt haben, Welche auf den Segen de« Stattballer- Cbnstj warteten. Und at- später dieser Segen gesprochen wurde, da erdröhnten die Geschütze auf der Citadelle, die Wallgeschützc gaben mit ibren, gewatligen Bruninibasft die Aulivvrt — der Papst konnte mit seinem Abgänge — wie e» in der Bnhnensprache heißt — zufrieden sein. So weit war die kirchliche Ceremonie aber noch nickt gediehen, als Hoivath der Hoikirche zusubr. Al- gerechter Mann mußte er »alültich seine Wnlh darüber, daß er sich au- eigenem Antriebe verspätet batte, an seinem unschuldigen Kutscher anSlaste», über den fick eine Flulh von Sct»mpftvorten ergoß. Plötzlich parirte der Knticber die Pferde, n«n einen anderen die Straße kreuzenden Wage» vorüberzulasft». Cs war da- ei» kleine-, unanfthnlichrö G fährt. Dieser Vorfall etzte Horvalb's Unniulh die Krone aus. „Lümmel!" herrschte er den Kutscher an, „waS unterstehst Du Dich? Warum dieltest Du vor vielem elende» Klapper kasten? He? Soll ick Dir da- Fell über die Ohren ziehen, wenn wir nach Hause komme»?" „Herr, eS war der Kaiser", antwortete demüthig der Roste lenker. „Pah!" rief absichtlich laut Horvath. „Er will mich aus hallen? Eines schöne» Tag°S werde ich ihn dafür aufbalten, da- kann er sich nur merken I" Und weiter rollte der Wagen, um seinen Jnbabcr noch der Gnade de- Erlöser- tbeilhaslig werden zu lasten. Da- stolze Wort de- HosschlächterineisterS aber war nicht- weniger al- i» den Wind gesprochen. Der Kutscher rrzäblte rS Jedem, der es wissen wollte, in wenigen Tage» kannte ganz Wien den verwegenen Auö'pr,ich Horvath'-, und da man den bochmüthigen Burschen und seine Manieren in- und aus wendig kannte, so gab eS ei» allgemeines Gelächter aus testen Kosten. Aus einige Tage war durch Horvald sür Unterhaltung gesorgt worden. 'Schließlich kam bas Gerächt auch dem Kaiser Joseph zu Obren; er ließ sich die Aeuß-ruag seine» Hos- schlächlernicisterS wortgetreu wiederhole» und lachte, lachte herzlich. .Der Narr hat Recht!" sagte er lackend zu seiner Umgebung, und damit war dieser peinliche Zwischenfall er ledigt. Und der Narr sollte in der Thal Recht behalten! Dock schnell folgte bei dem Kaiser die That aus den Gedanken. „Wer hat das Urtheil gesprochen?" fragte hastig Joseph ll. „Rath Stern, Majestät." „Er soll sofort zu mir kornmen. Die Hinrichtung ist einst weilen ausqeicdoben." Der Adjutant verließ eilends den Wagen. Der Kaiser lenkte zuruck und kehrte um. Bald daraus stand der Richter vor seinem kaiserlichen Herr». Joseph H. ergriff eine Feder »nv warf einige Zeilen aus da» Papier. „Hoivath ist begnadigt. Herr Rath." Und so geschah eS. Horvath verließ mit seinen Reich- thüniern Wie». Ei» Wort ist ein Wort, und wird cS selbst in die Lust hinein grjpiochen, es klingt plötzlich wieder, wenn seine Zeit gekommen ist. Joseph II. aber war, trotzdem er nicht veS PapslcS Freund, rin wahrer Christ. Sachsen. lü Leipzig, 25. October. Wie sehr man in hiesigen reis » bi" Zwei Jabre verflossen. Die Welt ging ihren rubigen Gang, auch in Wien. Unsere- Freunde- Horvath Casft» schwollen immer mächtiger an und in Folge besten schwoll ihn, auch der Kamin. Er wußte schon gar nicht mebr, wo binauS er vor lauter Hockmulh und Dünkel sollte, und da er nock nicht zum Mindeste» StaalSminftier oder Oberbürger meister geworden war, in welchen Stellungen er rS ja be quem gehabl hätte, protzig zu tbun und die Untergebenen zu quälen, so sah er sich darauf beschränkt, seine Tyrannengelüste innerhalb seiner vier Wände befriedigen zu müssen. Hui. wie sorgte er dafür, daß seine Leute nicht aus der Gewohnheit kämen, täglich einige Rippenstöße als Gnadenbrot» z» eni- psangen und sreundschastlichst einige Hauklötze aus die Füße gewälzt zu erbalten! Am schwersten litt de- Hosicklächtermeisters Frau unter de» Zoriiausbrnchen ihre- rode» Galle». Sie war cinc stille, arbeitsame Frau, die mit unermüdlichem Fteiße dazu bei getragen hatte, daß das Geschäft in Bliilhe gekommen war. Bor ihr brauchte sich der zügellose Metzger natürlich gar keinen Zwang aufzulege». Jedes ganz geringe Versehen ihrerseits, jede kteme Wobltbätigkeit, die sie gern, aber heimlich au-üdte, tr»g ihr einen Hagel von Demülhigungen und Ernievrigiliigen ein. Und eine- Tages, als die beiden Gatten sich allein be fanden, brach Hcrvath wiederum einer ganz geringfügigen Ursache wegen einen Streit vom Zaune. Einige icbwäche Widersprüche seilen- seiner Frau reizten ihn vollend«, er arbeitete sich in immer größere Wulh hinein, da» wilde magyarische Blut gerieth in Wallung. Schließlich kannte er sich nicht mehr, eS genügte ihm nicht mehr, sein Opser zu schlagen, an de» Haaren herunizuzerre». er griff zuguterletzt zu», Messer und mit der Wulh der Bestie, die Blut sehen muß, tauchte er die Klinge ein-, zweimal in den Körper der lautlos zusaniinenbrecheiiden bedauernSwerthen Frau. Kaum war die That geschehen, so kehrte auch dein Mörder die Besinnung zurück. Mit wankenden Kni en und stieren Blick s entfloh er dem grausige» Thatorle und stellte sich selbst der Behöise. Wien erschrak ob des Elegnisfts, aber nicht eine einzige Stimme deS Mitgefühl S für den Schlächter wurde taut. Im G aenlh.il, überall hörte inan ein Frohlecken über dieses Ende voll Schrecken eines ManneS, der während seiner Lausbalm ge> ügend Schrecke» verbreitet halte. Da der Fall klar lag, der Thäter auch nicht im Ge ringste» seinen Mord leugnete, so arbeitete der Gerichts hof schnell und sicher und vcrurtheilte. wie cS nicht andeis sei» konnte, ohne aus Ansehen uns Stellung deS B tr sfenden Rücksicht zu nehmen, oder vielleicht gerade deshalb. Hoivath zuni Tode durch de» Strang. Auch jetzt machie dieser keinen Versuch, durch seine einflußreichen Bekanntschaften eine Mil derung der Strafe bcrheiznsührcn. Er wußte wahrscheinlich z» gut. daß er nicht so gesäel hatte, um jetzt Gnade ernten zu können und daß so Manchem mit seiner hochnolhpeinlichen Weqschaffniig von dieser schönen Erde ein großer Gefalle» er wiesen werden würde. Und dann, wie er »ur als Thier zu leben verstanden hatte, so verstand er auch mir als Tlner zu sterben, wie der stumpssiiinige OchS, dein man einfach einen Schlag mit der Axt vor die Stirne giebt. Und als daS Armensüiiderqtöckche» lautete, die Thore deS GesängiiisftS sich öffneten, bestieg er stumpsfinnig den Karre», der ihn zuin Schaffet führte. Er hörte nicht die Gebete de- neben ihm sitzenden Priester-, nickt die Verwünschungen der die Straße füllenden Menge. Er war auch in diesem letzten Augenblicke seine- Dasein- so gefühllos wie in jeder Stunde seine- Leben-. Auf dem Hohen Markte war daS Schaffst errichtet. Der Zug mit dem TodeScandidaten bewegte sich durch die Wipp- lingerstraße. Gerade al- derselbe an einer Querstraße derselbe» vorüberzog. mußte an der Ecke ein Cabriolet Halt machen, aus Lessen Bock zwei Ossiciere saßen, von denen der eine die Zügel führte. Die Menge, welche den Zugang zur Wipplinger- straße sperrte, wandte ihre Köpft um und erkannte sofort in dem Lenker des Gefährt- Kaiser Joseph H. DaS Volk entblößte die Häupter und drängte zurück, um Platz zu macken. Der Kaiser wippte mit der Peitsche aus die feurigen Pferde, doch kaum hatte sich der Wagen in Bewegung gesetzt, so zog Joseph kl. auch schon die Zügel wieder an, denn der Zug oeS Verbrecher- versperrte gerade die Durchfahrt. „WaS geht da vor?" fragte der Herrscher den neben ihm sitzenden Adjutanten. „Man führt den Mörder Horvath zum Tode, Majestät." In diesem Augenblick erhob der Gefangene zufällig seinen Blick und traf den de- Kaiser-, Beide fuhren auf, denn der selbe Gedanke durchzuckte ihr Gehirn. Sie erinnerten sich eine» anderen Zusammentreffens und der merkwürdigen Worte, die ein enter Prahlha»- au-gestoßen hatte, derselbe, der in wenigen Minuten sein Leben au-gehaucht haben mußte. „Der Narr hat Recht!" hatte damals der Kaiser lachend gesagt, al- man ihm erzählte, der Schlächter Horvath hätte in seiner Vermessenheit gedroht, daß de- Kaiser« Wagen eine- Tage» doch noch vor dem seinigen Halt machen würde. Jetzt hatte eine Fügung de« Himmel« da« Wort in einer Weift wahr werben lassen, wie e< weder der Kaiser, noch sein Hotschlächtermeister geahnt batten oder hätten ahnen können. Bürgerkreis n bestrebt ist. daS Wirken der „Leipziger Theaterschule" zu fördern, daü zeigte sich auch bei der letzten Vorstellung im Theatersaal de» KrystallpalasteS. Zu derselben batte nicht nur Herr Hoflieferant Blüthner ein prächtiges Pianinv gestellt, sondern auch Herr Hoflieferant Franz Schneider die Ausstattung der Stücke durch Ge währung kostbarer, stilvoller Möbel und Dekorationen glänzend gestaltet. lJ Leipzig, 26. October. Mit dem heutigen Tage nehmen die Wintervcrsanimlungcn der hiesigen „Polytech nischen Gesellschaft" im Kaisersaale der Cenlratballe wiederum ihren Anfang und werden hoffentlich auch in dieser Saison lebhafte Betbeiligung sinken. Die Abende werden mit Vorträgen und Vorführung von Neuheiten besetzt werden. Am heutigen Abend spricht Herr Elektrotechniker Max Lindner anS Leipzig über „den gegenwärtigen Stand der Bl tzabteitersrage. mit besonderer Berücksichtigung der Ver handlungen über den Anschluß an städtische Gas und Wasser leitungen". AlS fernere Vorträge sind in Aussicht genommen: „Die Verwertdung gewerblicher und industrieller Abfälle", Herr Iw. Heppe-Lindenan; „Erziehung der Töchter zur Haushaltung", Herr Schuldirector Pache-Lindenau^ „lieber Rechenapparate", Herr P. Jtlgen-Leipzig; über „Erziekung der Taubstummen sür das Gewerbe", He>r Tanbstuiiimen- lehrer Oberrcich-Leipzig. Auch wird am 16. November der erste große „Familicnabend" m l Ball im großen Saale der Centralhalle abgehatten werden. * Leipzig, 25. October. Von der seiten- de-königlichen Finanzministeriums herauügegebenen, unter der Leitung des Professors OberbergrathS lw. Credner in Leipzig bearbeiteten geologischcnSpecialkartedeSKönigreichSSachscn sind soeben die drei Sektionen SpanSberg-Kleintrebnitz, Deckten und Oscbatz-WeüerSwalde erschienen. Der Preis je eines Blattes nebst de» zugehörigen Erläuterungen beträgt 5 .4k Die Karte ist nicht nur durch die Com»>issio»sl'»cht>aiidli»ig von Wilhelm Engelinann in L ipzig, sondern auch durch jede andere Buchhandlung zu beziehe», insbesondere durch die i» DreSde», Leipzig, Meißen, Pirna, Döbel», F,e,bcrg. Cbemiiitz, Plauen, Annabcrg, Zwickau, Glaucha». Bautzen, Berlin n»v Alienburg errichteten Lager, woselbst überall Uebcrstchlsblätter und Prospekte über die b,S jetzt erschienenen und demnächst zur Veröffentlichung gelangende» Seclionen der geologische» Karte ebenso, wie die einzelnen Blätter selbst zur Ansicht bereit stehe». L. LeiSnig, 24. October. In der im Innern vollständig erneuerten Kirche z» »Nauha in wurde am letzte» Sonnlage nach längerer Zeit zum ersten Male wieder Gottesdienst ab gehalten. Daö GottcShauS, welche- früher eine katholische WallfahrtscapeUc war, ist etwa 1465 vom Kloster Buch aus gegründet und dem heiligen Georg geweiht worden. Die Kirche besitzt einen trerlhvoüen Flügetaltar. welcher durch die Vermittelung de- Vereins „Für kirchliche Kunst" in Dresden herrlich wiederhergestellt worden ist. Die hauptsächlichsten Arbeiten wurde» von den Herren Zinimermeister Naumann- Döbel» und Maler Stier-Leisnig ansgesührt. Frankenberg. 24. Oclober. Eine uralte Stiftung ist in diesem Jahre endlich ihrer Bestimmung zügcsührt worden. In einem von ihr am 5. Januar 158» errichteten Testament slistcte Frau Margarethe von Schönberg aus Sachsenburg (dem allen bei Frankenberg gelegenen Schlöffe) ei» Capval von 1400 Gulden, welches durch Ansammlung und Capilalisiruiig der Zinsen bis zur Höhe von 16 879 Tblr. 28 Gr wachsen sollte, welche Summe dann nicht wieder ver mindert werde» dürfe. Die Zinsen deS Capital- bei er reichter genannter Höbe sollten l) als Stiftung zu 3 Stu- denlenftipenvie» ä .50 Thlr. und ferner 2) al- Stiftung zu 4 Stipendien sür Gymnasiasten und Seininaristc» (2 L 4» und 2 L 25 Tblr.) verwendet werden. Nach Aus;ahlung derselben sollte von den Ucberschüsftn erst ein Reservefonds von 3VV Tblr. geschaffen und »ach Bildung eine- solchen die weiteren Ucbcrschiisft an die Gemeiiiden Frankenberg, GunnerS- dors, Attenham, Dittersbach, HauSdors, Mühlbach, Neu- dörschen, Sachsenburg und CeiserSbach sür Sckulzwecke ver theilt werden. Da daS Testament in der schwülstigen Sprache jener Zeit abgesaßt worden und dies zu Miß deutungen Veranlassung gab, erließ daS königliche Mini sterium deS CultnS im Jahre l85l als Aussichisbeböcde ein Regulativ über diese Slislung, in welchem kur; und knapp Alles wiedcrgegebeu war, waS im Testament schwer verständ lich ausgevrückt ist. In, Jahre 1859 begann die Stiftung Ucherschüsft zu ergeben und zwar betrugen dieselben 592 Thlr. 10 Gr. 8 Ps.; damit war der Reservefonds erreicht und 292 Thlr. 10 Gr. 8 Pf. hätten müsse» zur Bcrthcilung ge langen. Dieselbe ist aber nicht erfolgt, sondern die Summe ist zum Capital geschlagen worden. Im Jahre 1885 betrug die Stiftung 70 277 ^ 85^ und stellte daher der Stadtrath zn Frankenberg beim königl. Ministerium de- CultuS den Antrag aus Auszahlung der überschüssigen 18 738 ^ 5 welche nach längeren Verhandlungen in diesem Jahre in dem Betrage von 20 899 -4k 38 erfolgte, zu welcher Summe fick bi- Ende 1887 die Uebecscbüsft erhöht hatten. H.ervon habe» erhalten am 15. September d. I. nach dem Verhältniß der Schulkinderzahl GunnerSdors 468 .4! 66 (64 K ). Altenhain 829 -4l 77 -s (86 K ). Ditter-back 886 .4! 6 -Z (l2l K). Hau-dors 490 63 -s (67 K ). Müblbach 878.4! 74 ^ (l20 K ). Neudörschen 241 65 -s (33 K ). Sachsen- bürg 1742 84 -s (233 K ). Seiser-bach 1222 -4! 9l (167 K ), Frankenberg 14 338 .4! 12 ^ (1958 K ), zusammen 20 899 -ck 38 ^ nach 2854 Schulkindern. Die städtischen Collegien zu Frankenberg beschlossen, von den Zinsen ihre- Stistung-ontheil» alljährlich die Summe von 200 -4! zu einem Fond» sür in bestimmten Zwischenräumen ad,»haltende Ecbulseste abzuzweigen. Da» erste dieser Schulseste wird in v Jahren stattfinden. " Chemnitz, 25. October. Es wird beabsichtigt, vom 1. April nächsten Jahre- ab eine weitere Ermäßigung der GaSpreise in der Weise rintretcn zu taffen, daß die jetzt niedrigsten Preise von 20 und tS sür den Kubikmeter auf 18 der Preis von l8 ans 17 und der Preis sür die öffentliche Beleuchtung von 13 aus lO ^ herabgesetzt wird. — Die allgemeine Krankenkasse für die Maschinen fabriken und Gießereien der Stadt Chemnitz. welcher 96 Firmen mit ll 402 Caffti>niltglicdern angehörea. hatte am 3l. Decemder 1887 einen Vermögeuöbestilnv vv» 120 041 ^4! 60 gegen einen solchen von 122 40t .4! 36 im Borjahrr, demnach ein Weniger vo» 2354 .4! 76 -f. Ai» eine Zunahme des VereinSveiniögenö zu erziele», sind di« Beiträge von 2 Proc. der Arbeitslöhne aus 2'/, Proc. erhöht worben. — Seit einiger Zeit hält sich in Sachsen der weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte Quellenfindcr Josef Beraz an- München auf. Die Anwesenheit des Geiianttlc» i» Sachsen ist auf amtliche Berantaffung zurück,nsnhre», und sie bat bereit- für Roß wein und Hainichen, zwei au peinlichem Wassermangel leidende Städte unsere- Bakerlande-, sehr tröstliche Aussichten eröffnet. Denn am 6. und 7. October sind von Herrn Beraz genaue Angaben gemacht worden, w» man an erster«,. Orte 22 m tief unter der Erde eine etwa 8 cm starke Quelle finden werde; weiter hat H rr Beraz prognosticirl, daß auch am zweite» Orte ein 28 bis 36 in lies liegender Wasftrlaus von gleichfalls mindesten- 8 cm Stärke zu finden sei. Die bezeichnet«, Stätten liegen so hock, baß sich VaS gewonnene Wasser bequem nach den betreffende» Städte» leite» läßt. — An: Sonntag hat sich Herr Beraz i» Folge behördlicher Einladung nach dem 670 m über dem Meere gelegenen Sayda i», Erzgebirge begebe», um da ebenfalls seine mit so vielen Erfolgen gekrönten Untersuchungen anzustellen. — A»S M ü lsen St. N ictaö wird unter dem 22 October geschrieben: Gestern Abend gegen 8 Ut,r wurde» zwei Schul mädchen, die zwölfjährige Tochter deS BahnhosSrestanralcurS Herrn Grnniint von hier nebst einer ii» gleichen Aller stehenden Freundin in der Nähe deS Bahnhofsgebäude- in OrliiiamiS- dois durch zwei Schüsse verwundet. Während die Grummt einige Schrote i» den H>nt«kops erhielt, wurde deren Freundin in d,e Sette getroffen, und habe» die Schrote vo» dein hinzu gezogenen Arzt entfernt werde» müssen. Die TKLtcr sind in Schntknaben n» Alter von ll bi» 12Jahren ausOrtmannS- dort ermittelt worden L. P, rna, 24. Oc ober. Das prinzliche Hoflage r in der Billa zu Hosterwitz wirb am 30. d. M. aufgehoben. Es ist in diesem Sommer i» der Villa weit stiller als sonst zugegangcn, da bekanntlich Se. königl. Hoheit Prinz Georg, sowie auch die erlauchten Söhne deffrlbe» in Folge der I»- spectioncn und de» nirlitairische» Dienstes viet abwesend waren, wie ferner zugleich Ihre königl. Hoheit die Prinzessin Mathilde die Reisen nach Pnmkenau, Baden-Baden bez. Sigmaringe,, und später nach Italien unternahm. — Al» Nachfolger de» verstorbene» hiesige» Rentamtmanns Sacbße ist jetzt der Finanz- Calculator Marschall ernannt worden. Derselbe tritt am l. November sein Amt an. — In der vielbesprochenen An gelegenheit der Kirchenrenovation, welcher bereit- weit über daö Weichbild Pirna- bmauS Beachtung geschenkt worden ist, bringt bente der hiesige „Anzeiger" aus der Feder unseres Superintendenten l>e. Blochmani, eine umfassende Darlegung, welche nach einer Betrachtung der Einzelheiken zu den, Re sultate gelangt, daß nach Lage der Dinge nur eine durckgreisendc Erneuerung der Sache diene» kann, mit halber oder theilweiftr Arbeit in dem vorliegenden Falle aber nichts gelhan ist Der in Betracht kommende Kostenpuiict sei allerdings ein schwer wiegender — eS handelt sich bekanntlich um eine Summe von >20 000 . 4! —; man sollte aber meinen, daß sich Mittel und Wege finden lasten, die Last so zu verlbeilen, daß die j tzt Lebenden nicht allein und nicht so schwer belastet werden, daß sic eS nicbl ertrage» könnlcn. Auch ließe sich bei der Alisfübrung deS Baue- und bei der Vergebung der einzelnen Theile cm solcher Zeitraum aniiehmen, daß in dieser Beziehung der Gemeinde ebenfalls keine zu großen Opfer auserlegt würden. Hoffentlich finden diese Worte die gebührende Be herzigung E« wäre jammerschade, wen» jetzt, wo man in der Behandlung der Angelegenheit nun einmal so weit ge kommen ist, dock nur ein Flickirerk unternommen würde. — Die Hob» steiner Gebirg«v«ei»--Section hat jetzt in Er wägung gezogen, das Götzinger-Medaillon in dem von allen Touristen gern besuchten „Bärengartcn" mit einem wetterfest''» Anstrich zu versehen. DaS Medaillon ist bekannt lich ein Werk deö Verslerbene» Bildhauer Heynert, der damit elwaS wirklich Tüchtiges geschafft» hat. vermischtes. -n. Aus Kurhessen, 24 October. Die Wicderbcsetzung der lutherische» General Superintendent»,: zu Kassel beschäftigt, unsere kirchliche» Kreise ganz besonders. Nach der „Deutschen Evangelischen Kirchen Zeitung" verlautet niit Bestimmtheit, daß daS königl. Consistorium mit Einstiininigkeit den Pastor L. Werner vom Diakonissenhauft zu Darmstadl, einen ge borenen Marburger, sür jenes Amt höheren Orts in Vor schlag gebracht hat, einen Mann, dessen Ernennung zuin geistlichen Oberhirten Hessens die Pastoren und Gemeinden mit großer Freude und mit Dank begrüßen würden. — In den Tage» vom 29. bis 31. October werden im landqräs- lichcn Schloß PhitippSthat bei Vacha die zum Nachlasse der verstorbenen Landgräfin Marie von Hessen gcb. Herzogin von Württemberg gehörigen Juwelen und Schmuck- gegenstände durch den Generalbevollmächtigten des Land grafen Ernst und deS Prinzen Carl von Hessen. Justizrath lw. Renner in Kästet, öffentlich versteigert werden. Es sind die- im Ganzen 450 Stück, darunter verschiedene Perlen- Coltiers, ca. 90 goldene Juwelen-Armbänder, cinc große Anzahl Broschen. Ringe, Nadeln re. Eine Besichtigung der Gegenstände kann schon am Vor- wie Nachmittage des 28. October staitflnvcn. AnS Franken. In Folge der ungünstigen Witterung in diesem Sommer ist der Besuch unserer »ntersränkisch n Badeorte durchgängig rin geringerer gewesen als wie iin Vorjahre. Die Zahl der Badegäste in Kis singen betrug 12 9l4 in 8553 Parteien, 17l Personen weniger als im vergangenen Jahre. Passanten wurden 6390 verzeichnet, so daß die Gesammtsregnenz sich aus 19 304 Personen belief. Nach Nationalitäten treffen aus Deutschland 10 605, 663 aus Großbritannien, 517 Rußland, 406 Amerika. 193 Nieker- lante, >60 O flerreich-Ungarn, l22 Frankreich, 98 Schweiz, 47 Italien, 26 Rumänien, 18 Schweden und Norwegen, 15 Asien, 12 Spanien, ll Afrika, 10 Dänemark, 4 Griechen land, 3 Australien, 3 Bulgarien und l Türkei. — Bad Brückenau zählte 872 Gäste und 620 Paffanten, in Summa 1492 Personen, 46t Gäste weniger al- im Vor jahre. I» Bad Bocktet waren 304 Gäste und 8743 Paffanten verzeichnet, also eine Gesammtsregnenz vo» 9047. Hier 73 Gäste und 883 Paffanten weniger als im ver gangenen Jahre. ---- Nach den letzten in Landen von Japan riiigetrosseneu Nachrichten brach am 30. und 3l. August über der Südost- küste Japan« ein furchtbarer Typhon au-, welchem viele Menschenleben zum Opfer sielen. Die angerick'telcn Ver heerungen waren außerordentlich groß. Die Districle, in welchen der Sturm am meisten Schaden that, waren Toku- Ihima aus der Insel Shikoku, Wakayama auf der Südost spitze der Hauptinsel «nv in der Nähe der Stadt Osaka. AlS bic Post abglng, waren die amtlichen Berichte noch nicht vollständig. Soweit sie aber Vorlagen, belief sich die Zahl der Getödtetcn i» den beiden zuerst erwähnten Distrikten aus 267 und die der Verwundete» aus 227. 6288 Hänser stürzten ein. Aus den beiden durch Osaka fließenden Flüssen scheiterten 856 Fahrzeuge. In BRohama angerichtcte Schaden nicht groß. Die Baumwoll- nnd Nei-ernte soll dagegen auch sehr gelitten haben.
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