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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188810300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881030
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881030
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-10
- Tag1888-10-30
- Monat1888-10
- Jahr1888
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1888
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Echt Geilage zmn Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Z04. Dienstag den 30. Ocleber 1888. 82. Jahrgang. Vas Zeitalter -er Frau. * Das geübteAuge de» „deutschen Schulmeister»" ruht prüfend aus den zahlreichen Kindergruppen im Londoner RegenIS- Park, und eine überraschende Thatsache, so schreibt Leon Kellner in der .Neuen Freien Presse-, drängt sich ibm auf; er wiederholt seine Beobachtungen zu anderen Zeiten und an anderen Orten, da» Resultat ist immer dasselbe: säst jede Londoner Familie bat mindesten» ein halbe» Dutzend winziger Fortsctzer der britischen Größe, und von den sech» Engeln sind sicherlich vier mit den unendlich reizenden Alt- wcibcrhLubchen s I» Kate Grenaway geschmückt. Wa» der Fremde aus den ersten Blick bemerkt, ist auch den Engländern nicht völlig entgangen. Miß Louisa Hubbard ist eine kluge Dame, sehr scharfsichtig, sehr praktisch und bibet- sest trotz de« Erzbischof» von Canterbury. Da» numerische Uebergewicht de» ewig Weiblichen in der Bevölkerung von London erregte ihre Aufmerksamkeit; sie machte Studien und sah ihre Wahrnehmungen bestätigt. Und wa» ihr die trockenen Zahlen erzählten, da» fand sie — o Wunder — schon in der Bibel verkündet. Trotz der zwei Millionen Bände im Britischen Museum zu London ist die Bibel in der englischen Hau«bibliothek da» Buch der Bücher geblieben. Shakespeare ist schön, Tcnnhson ist gut, aber die alte Hau-postille, welche seit so und so vielen Jahren die Familie erbaut, ist doch da» Schönste und Beste. Ein Dichter und Weiser sieht gar diel, er ahnt oft in probetischem Geiste die Zukunft; aber die Bibel hat Alle» gewußt und sagt dem, der zu lesen versteht, die Ereignisse bi« an da» Ende aller Tage voran«. Und die Bibel hat auch die Frauensrage im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhundert» vorausgesehen und sie in kurzen, aber nicht mißzuverstehenden Worten geschildert: „Und ihre Thore werden trauern und klagen, und sie wird jämmerlich sitzen aus der Erde, daß sieben Weiber werden zu der Zeit einen Mann ergreifen und sprechen: Wir wollen uns selbst nähren und kleiden, lasst un» nur nach deinem Namen heißen." Miß Louisa Hubbard hat mit scharfen Augen die Be deutung dieser Bibelstelle erkannt. Sie hat die Frauen statistik in England befragt, und siehe da, die Thatsachen stimmen mit der biblischen Weissagung wunderbar, säst wört lich überein. England hat um eine halbe Million mehr Frauen al» Männer; London allein weist eine weibliche Be völkerung von nahezu zwei Millionen auf, die Zahl der ledigen Frauen aber steht in einem schreienden MißvcrhLlt« niß zu der der heirath-sähigen Männer — mit biblischer Offenheit gesprochen: sieben Mädchen kommen aus einen Mann. An den Thatsachen ist also nicht zu zweifeln und vor läufig auch nicht» zu ändern; wie aber ist dem gesellschaft lichen Unheil dieser Ueberproduction zu begegnen? — Die Bestrebungen der Miß Hubbard und ihrer Anhängerinnen sind nicht ganz frei von jenem feinen Beigeschmack unfrei williger Komik, den wir Ausländer so ziemlich bei allen englstchen Verhältnissen herausfinden; aber wa» der englischen Frauensrage ein Recht auf Beachtung verschafft, daß ist die Ruhe und Kaltblütigkeit, mit der sie von den weiblichen Ur hebern behandelt wird. Keine Spur von Sentimentalität, nickt« von jener verrätherischen Gereiztheit gegenüber dem starken Geschlecht, di« man au» den Reben und Schriften der kontinentalen Amazonen vernimmt. In der ganzen ziemlich reichen Literatur zur Frauen, frage isi nicht ein« einzige Stimme zu vernehmen, welche gegen die Tyrannei der Ehe eiferte oder den Männern ihre Verachtung auSdrückte. Im Gegentheile. Alle sind einig in der Erkenntniß von dem eigentlichen Berufe der Frau. Keine Anhängerin der Miß Hubbard, auch nicht die Aelteste, bc- qiebl sich ihre» natürliche» Rechte» auf eine männliche Stütze. Aber gerade weil sie die Ehe ersehnen, wollen sic diese nicht erzwingen. Sie sagen e» rund und offen, daß sie die gegen wärtige Krise vom national-ökonomischen Standpunkte be trachten. Da» Angebot war zu groß, daher blieb die Nach frage zurück. Die englischen Jungfrauen kannten bi» jetzt nur eine Art von Versorgung, die Ehe, daher der übergroße Andrang, die Uebersüllung de» Markte», die Entwerthung. Es ist nicht unsere Schuld, wenn der Vergleich so derb ausgefallen ist; er ist wörtlich den Ausführungen einer englischen Schriftstellerin entnommen. Tie Sprache ist charakteristisch für die ganze Bewegung in England. Die Prüderie und Heuchelei, welche man aus dem Conlinente so gern den Engländerinnen zuschreibt, ist ein Märchen au« alten Zeiten; die Mittelklassen wenlgstenS wissen nichts davon. Mit Ent schlossenheit und derber Realistik haben die englischen Frauen die Frage erfaßt und in den letzten fünf Jahren ihr Pro gramm, da» Recht aus Arbeit, in fast allen Punkten durch« gesetzt; man könnt« beinahe sagen, daß die Frauensrage im alten Sinne nicht mehr eristirt. Alle BerusSarten, die sie sich nur wünschten, stehen ihnen offen, sie haben sogar einige neue dazu geschaffen, die sich vor einem Jahrzehnt Niemand träumen ließ. Die Schule, die Universität, die öffentlichen Bibliotheken, die Spitäler» die Gesängnißhäuser — überall wimmelt e» von Mädchen und Frauen. Da ist vor Allem die Literatur. Die einzige poetische Gattung, die überhaupt »och cultivirt wird und die zu cultiviren es sich verlohnt, ist der Roman, und der ist jetzt so ziemlich ein weibliche» Monopol. Seitdem Thackeray und Dicken» zu ihren großen Vorgängern versammelt wurden, herrscht die Frau fast unbestritten aus dem weiten und er sprießlichen Felde der prosaischen Erzählung. Zur Zeit der Mary Ekgworth und George Elliot wurde man «christ stellerin fast gegen den eigenen Willen; man kämpfte mit aller Macht gegen den erst ungeahnten, dann gefürchteten Berus, endlich trugen die Natur, die Begeisterung den Sieg über da» Lorurtheil und die weibliche Zurückhaltung davon George Elliot wurde Romanschriftstellerin, weil sie der Welt so Viele» ,u sagen batte; ein ganze» lange« Leben reichte ihr kaum dafür au», Alle», wa« sie in ihrem reichen Geiste besaß, in schön geprägter künstlerischer Form den lauschenden Hörern zu verkünden. Jbr Briefwechsel, wie er von Mr. Eros» veröffentlicht wurde, ist für den Novellisten ein ungehobener Schatz. Da» ist jetzt ander». Man wird Schriftstellerin, weil man sich nicht zu dem Leben einer Gouvernante hin- gezogen sllhlt und man doch sein Brob verdienen will. Ganz England schreibt und musicirt. Da» Britische Museum hat mehrere Tische für Blaustrümpfe reservirt, wa» natürlich die gleichberechtigten Dame» nicht abdäll, von allen anderen Plätzen einen sehr au-giebigen Gebrauch zu machen. Man erschrickt förmlich bei dem Anblicke der Büchermaffen. welche sich vor so einer Leserin im Britischen Museum im Lause eine« Vormittag» ausbäusen; man beneidet sie um ihre Auf nahmefähigkeit und wird einigermaßen neugierig, welchem Gebiete der menschlichen Erkenntniß so viel Fleiß und Be gabung gewidmet werden. Tröste dich, neidischer Leser» e» sind Novellen au» allen Gegenden der Windrose, und die emsig beschäftigte Dame erfindet eben den sechsten Band zu ihrem fünfzehnten Romane. Aber Miß Hubbard und ihre Schule sind ebenso wenig für die chronische Krankheit de» Schreibeficber» wie für da» fabelhafte Clubwesen unter den Londoner Frauen verant wortlich zu machen. Vor Kurzem ist ein kleine« Büchlein au» der Feder einer eifrigen Clubbistin hervorgegangen, da» kcinen andern Zweck hat, al» die Londoner Damen-Club» zu nennen und mit ihren Statuten bekannt zu machen. Nun denn, die ossicielle Zusammenstellung ergiebt nicht weniger al» l3l weibliche Club«! Für Wißbegierige seien einige der selben näher bezeichnet. Lesekränzchen 28; Club« für Essay» schreibende Damen 13; Gesellschaften, welche Woche»- und Monatsschriften (zu ihrem eigenen Vergnügen) herauSgcben 8; Vereine, deren Mitglieder in einem gemeinsamen Local zu täglichen Musikübungen Zusammenkommen, 17; endlich Vereine zum — Frübausüchen lt. Diese echt englischen Uebertreibungen und Auswüchse werden auch hier in London nach Verdienst gewürdigt; die anerkannten Vorkämpserinnen der Frauenarbeit, sowie die gelesenen Frauenzeitungen geben über die Spielereien stillschweigend hinweg, für die literarische Epidemie hat e« nicht an herbem Tadel gefehlt. Dafür sind e« namentlich zwei Gebiete weiblicher Fähig keit, für welche mit allem Eifer gearbeitet wird — mit un geheurem Erfolg. Erziehung im weitesten, umfassendsten Sinne, von der Kinderstube angefangen bi« zur Gesängniß- schule und Universität, dann die gcsammte Krankenpflege von den Wartebiensten bi» zur Operation — um beide wird von Seiten der Frauen seil zwanzig Jahren mit unermüdlichem Eifer gekämpft, und der Sieg ist ihnen aus der ganzen Linie gesickert. Die deutsche Pädagogik, welcher auch John Bull den Hauptantheil am Siege von Sadowa zuschreibt, bat in England gerechte Bewunderung erregt, und die Negierung von Großbritannien bat seit dem neuen DolkSschulgeseye vom Jahre 1870 säst mehr auf Schulen und Lehrer, denn auf Kriegsschiffe und Kanonen verwendet. Alle«, wa« nur im Entferntesten an deutsche« Schulwesen erinnerte, wurde mit Gier acceptirt. Natürlich hat der Fröbel'sche Kindergarten zuerst siegreichen Einzug gehalten, denn man liebt e« hier, mit dem Anfänge zu heginncn. Mit dem Kindergarten ist die Frau als Erzieherin zu Ebren gekommen, die Englän derinnen haben seitdem ihren Berus entdeckt. Der Andrang zu der Volksschule war säst so groß wie in Deutschland und Oesterreich nach Einführung des Schulzwanges; Loch ist wie in diesen Ländern auch in England gegenwärtig eine Art Gegenströmung entstanden. Mit der Erkenntniß de« eigenen pädagogischen Wertbe», der so viel Anerkennung bei den Behörden wie bei dem ge bildeten Publicum gesunde» hat, ist da« Selbstbewnßtsein der gelehrten Frauen bedeutend gestiegen. Rasch wurde der Weg von der Volksschule zur Gelehrtenanstall zurückgclcgt. Der Ruf nach akademischer Bildung iv-ard erst vereinzelt, dann allgemein laut, jetzt haben die Löchte? Albion» auch die Berechtigung zum Besuche der Universität erkämpft und mittelbar den Unterricht an den höhere» Mädchenschulen er obert. In London, Oxford, Aberdeen, Edinburgh und Dublin sind die Studentinnen säst gleichberechtigt mit ihren akademischen Mitbürgern. Die Damen wohnen in einem be sonderen Haufe, aber sic sieben unter der Aussicht der aka demischen Behörden. Für ein sehr geringe« Cvllegiengeld bören sie die Vorlesungen von Professoren und Fellow«. sic sind zu den Lehrainlsprüsnnacn berechtigt, hervorragende Leistungen werden durch Stipendien und Preise belohnt. Einer akademisch gebildeten geprüften Lehrerin bietet sich ein Feld schöner und fruchtbarer Tbätigkeit in allen Theilen England». Die höhere Töchterschule ul hier noch immer ein unbekannter Begriff. Wenn bas Mädchen die vier oder fünf Jahre Volksschule absolvirt hat — der öffentliche Unterricht beginnt für die Mädchen gemeiniglich nach Vollendung de« achten Lebensjahre« — sind die Eltern in der größten Ver legenheit. Der eckige, unreife Backfisch ist zu Hause überall im Wege, er muß wieder in die Schule — wenn man nur wüßte, wohin. Da» arme Ding wird in die nächste schlechte Lcbool gcfieckt; die Lehrerin ist sehr höflich und sehr fromm, ein sogenannter Franzose lehrt eine fabelhafte, nie gehörte Sprache — da« ist Alle». Die Engländer lassen sich die Erziehung ihrer Tochter sehr viel kosten, sie würden gern noch mehr auSgcben, wenn sie die Gewähr hätten, daß sie für ihr Geld etwa« Andere» al» Phanjasiewaare erwerben. Die höhere Töchterschule hat eine Zukunft in London, und diese Zukunft gehört der akademisch gebildeten Frau. Eine vollständige Umgestaltung hat in Folge der Frauen bewegung die Krankenpflege erfahren. Diese war früher eine Zuflucht, im besten Falle ein Erwerb, jetzt ist sie ein Berus. Es war ein sehr glückliches Zusammentreffen verschiedener Umstände, welche» diese erfreuliche Thatsache bewirkte. Den wichtigsten Einfluß übte da« Beispiel der unvergeßlichen Florence Nightingale. Wenn sich früher ein Dienstbote zu dem sauer» Amte einer Krankenwärterin entschloß, wurde sie von der Herrschaft al» verdorben und verloren bedauert; eine anständige Frauensperson durste nicht« von den Mysterien de« menschlichen Siechtbum» erfahren. Wie haben sich die Zeiten geändert! Die Krankenpflege ist, wie Miß Florence Nightingale in den letzten Jahren ihre» Leben» sagen konnte» eine Wissenschaft und Kunst zugleich, ja, wa» mehr ist. ein« Niobe geworden; nickt nur in der Nigbtinaale-Stistung de» prachtvollen Tlwmaüspita!« jenseit« der Westmwsterbrücke, sondern in allen größeren Krankenhäusern werben adelige Damen in dem frommen Dienste geschult. Von der kunstmäßigcn Krankenpflege zur medicinifchen Wissenschaft war der Weg mindesten» so kurz, wie von der Volksschule zur Universität. Im großen Publicum ist der weibliche Ar^l noch immer eine etwa» unnatürliche Erschei nung, säst wie da« Mädchen mit dem Barte oder die Trapcz- künstlerin Leona Darc' aber die oberste UnlerrichtSdehvrde hat sich in liberaler Weise zu dem Experimente entschlossen, der Weg zum medicinischen Studium und zu einer reichlichen Praxi« licht den Engländerinnen offen. Da» bescheidene Ge bäude in der Händelgasse, in nächster Nähe vom Britischen Museum, mit der Aufschrift „I-oinlon Loüool ol Llscsteiuo kor >Vomen", erfreut sich der allerhöchsten Protection. Lord Abertare, Gras Aberdeen und sogar der Bischof von London, dazu berühmte Männer der Feder und populäre parlamen tarische Größe» siguriren in der Liste de« Verwaltungöralhe». Die Anstalt hat im letzten Jahre nahezu hundert Studentinnen beherbergt, und die Ausmuntcrung, welche den Damen von Seiten der Regierung zu Theil wirb, dürste die Zahl in der nächsten Zeit bedeutend vermehren. Reiche Stipendien be lohnen jeden hervorragenden Erfolg, und ebenso einträgliche al« ehrenvolle SteUuiigcn sind den glücklichen Candidatinnen gesichert. Da« neue Frauenspital im Norbwcstcn von London und eine ganze Reibe anderer Anstalten in der Provinz werden ausschließlich von weiblichen Aerzten geleitet; die indische Negierung gicbt sich alle Mühe, für die Kranken häuser von Bombay. Madras und Lahorc weibliche Kräfte zu gewinnen. Miß Louisa Hubbard blickt mit berechtigtem Stolze aus die einst vielverkpoltele Frauenbewegung und verkündet eine neue Acra der Gerechtigkeit und ein« Wiedergeburt der arg bedrängten Humanität. Der zur Ausführung bestimmte Entwurf zum Arichsgerichtsgeliäu-e. * Leipzig, 29. Oktober. Wenn auch die Grundidee de» bei der Concnrrenz an erster Stelle prämiirten Entwurfs zum NelchSgerichtSaebäude für die Ausführung bei behalten worden ist, so wurden doch bei den weiteren Bearbeitungen theil« ans Veranlassung der maßgebenden Be hörden, giößlentheilS aber au« eigenster Initiative de« Archi tekten im Einzelnen so wesentliche Aenderunzcn vorgenoinmcn, daß der zur AuSsührung bestimmlcEntwurs sowohl i» der äußeren Erscheinung wie in der in der inneren Durchbildung von jenem erheblich abwcicht. Und wenn schon jener Concurrcnz- eiilwurf »ach dem ciirstimmigen Urtheile der Jury die 118 noch eingegangenen Entwürfe an Klarheit und Einfachheit in der Disposition übertras, so zeigt daö jetzt zur Ausführung bestimmte Projekt, daß auch da» Beste der Besserung »och fähig ist. wenn nur der Künstler, durch den erreichte» Erfolg nicht geblendet, Verstand und Gcwissenbastigkeit genug besitzt, um mit seiner Arbeit nicht eher selbst zu frieden zu sein, al« bi« auch die nebensächlichste» Theile allen künstlerische» und auch praktische» Anforderungen vollauf genüge». Und wer diese beide» Entwürfe jetzt ver gleichend betrachtet, wird Anerkennung nicht nur dem Archi tekten zollen, sondern vielmehr noch der Behörde, welche weise und sparsam genug ist, um zu erkennen, baß e» bei einem Werke, welchen, hoffentlich ein Dasein von vielen Jahr hunderten besct'ieden ist, nicht zunächst darauf ankommc» kann, in möglichst kurzer Zeit Stein aus Stein zu häusen, sondern daß es vor Allem gilt, baS Kunstwerk so durchzubilden, daß eS den hohen, an dasselbe zn stellenden Ansprüchen im Ganze» wie in jedem einzelnen Theile nach allen Richtungen hin durchaus entspricht Der Entwurf in seiner jetzigen Gestalt zerfällt in der Hauptsache in drei Theile. Der mittlere Theil enthält die verschiedenen Sitzungssäl c und alle Räume. in welchen da» Publicum zu Verkehren hat; im nörd lichen Theile werden die eigentlichen Arbeitsräume der Beamten und die Bibliothek untergebracht; im südlichen Theile liegt die Wohnung de« Präsidenten. Jeder Theil hat sein besondere» Vestibül, in Au-dehnnng und Gestalt seinem jeweiligen Zwecke entsprechend. Während der Zugang im mittleren Theile geräumig und für den gleichzeitigen Verkehr eine» größeren Publicum» geeignet ist, ist da» zum Eintritt der Beamten an der Nordseite de» Gebäude« befindliche Vestibül in seinen Abmessungen bescheiden und in Bezug auf seine Größe der ck'ovo im Palazzo Ducale zu Venedig etwa gleich. Im Gegensätze hierzu soll die Einfahrt zur Präsidentcnwohnung wesentlich größere Abmessungen enthalten, sie wird in dieser Beziehung den Einfahrten in den Bicen- tiner Palästen Palladio» nicht nachstehen. Den archi tektonischen Mittelpunkt de« ganzen Ge bäude« bildet die großeWartehalle, in ihrer Hauptsorm nach Art der römischen Basiliken gestaltet. Sie wird voraus sichtlich vollständig au« Sandstein hergestellt, ihre gewölbte Decke aber mit GlaSmosaiken bekleidet, vier große halbrunde obere Fenster werden ihr eine weihevolle Stimmung verleihen. An diese Halle schließen sich einerseits Vestibül und darüber der HauptsitzungSsaal, andererseits aber in beiden Geschossen die 8 SenatSsitzungSsäle an. Sämmtliche Säle erhalten hohe Holzpaneele und hölzerne Decken. An der Halle liegen außer dem da» Haupttreppenhau«, der Saal der Rechtsanwaltschaft unv alle anderen dem Publilum zugänglichen Räume. Die drei Gebäudetheile sind durch zwei ge räumige Höfe getrennt, welche mit Pflanzenanlagea ver sehen werden. Im Aeußern ist diese Trennung, die lediglich inneren prak tischen Bedürfnissen entspricht, nicht erkenntlich. Die Fa? ad«n de» Gebäude« werden durchweg in Sandstein hergesielll. Die Haupträume sind inmitten der vier Fronten angeordnet und Heben somit Gelegenheit zu einer charakteristischen archi tektonischen Betonung der Haupttheile de» Gebäude». In der Vorderfront werden Hauptvestibul und darüber der Haupt« sitzung-saal durch einen mächtigen Säulengiebel ausgezeichnet, in der entgegenliegenben Westfront bieten die 6 Senat»sitzung«säle ein zu großer äußerer Architektur geeignete»Motiv. Da« nördlich gelegene umfangreiche Büchermagazin wird durch 8 große Dreiviertelsäulen mit hoher Attika, vor welcher die Statue» der hervorragendsten juristischen Schriftsteller Platz finden sollen, betont, während in der Südfront eine etwa» lebhaftere architektonische Ausbildung schon im Aeußeren den großen Fesisaal der Präsidcntenwohnung erkennen läßt. Da» ganz« Bauwerk aber wird durch den hochgeführten Hallen bau bedeutend überragt werden. Da-Innere de« eigentlichen Gerichtsgebäude» soll seiner ernsten Bestimmung gemäß streng und würdig in Form und Farbe durchgebildet werden. Besonder» Vestibül, Halle, Haupttreppenbau», Sitzungssäle, Rechtsanwaltsaal und Lese- säle bieten Gelegenheit zur Entfaltung reicherer architektonischer Motive in einer dem semaligen Zwecke de» einzelnen Raum« entsprechenden Art. Nach anderer Richtung hin ist die Durchbildung der Räume der Präsidenten-Wohnung für den Archi tekten eine besonders reizvolle Ausgabe. Sie gilt der Pflege der Ruhe nach angestrengter Tbätigkeit. in ihr soll den gesellschaftlichen RcpräsentationSpflichlcn de» höchsten deutschen Richter« Genüge geschehen. Zumal in den dem letzteren Zwecke dienende» Räumen kann ein weniger ernster Charakter vorherrsche», als in den Räumen de« eigentlichen GericblSbause«, in ihnen sollen daher die Formen der späteren Renaissance Anwendung finden. Nächst dem großen, mit einem Korbbogengcwölvc zu überdeckenden und in lichten Farben zu haltenden Fcstsaale sind c« besonder» die Empfang»- räuine, der Speiscsaal, da» großentheil» in Marmor au»zu- sührende BesuchSlreppenhau», da» inmitten der eigentlichen Wohnräumc gelegene und zum Wohnen mit benutzbare Familien- treppenhau», die Einfahrt, sowie verschiedene kleinere gewölbte Raume, welche Gelegenheit zu einer reizvollen und mannig» faltigen architektonischen Durchbildung gewähren. Möchten friedliche Jahre gestatten, daß der Entwurf, welcher nunmehr in kleinem Maßstabe in nahezu sämnitlichen Theile» seslsteht, ununterbrocken zur AuSsübrung gelange, inizchlen Alle, die in diesen Tagen an der Feier der Grund steinlegung direct oder invirccl tbeilnebmcn. vereinst in dem mächtigen Gebäude ein Werk gewissenliaftester und sorgsamster künstlerischer Arbeit erkennen, ein Werk, würdig, noch in späten Jahrhunderten Zeuge zu sein der in unseren Tagen wiedererstanbcnen Macht und Größe des geeinten deutschen Vaterlande»! vermischtes. --- Bochum, 27. October. Das Pulverhäuschen der Zeche „Pnnzregent" ist in die Lust geflogen. Eine Person ist todt, vier sind verletzt. --- KaiSheim (b. AnSback), 26. October. In der Nähe von Monheim waren gestern zwei Sträflinge de« Zucht- Hause« KaiSheim mit Sandgraben beschäftigt. Auf Ver abredung warfen sie plötzlich dem sie bewachenden Soldaten Sand in die Augen und benutzten diese Gelegenheit, um die Flucht zu ergreife». Einem gelang dies, während der Andere von dem Soldaten, da er aus Anruf nicht hielt, todtge- schossen wurde. 212l2l2l2l2l2l2l2l2l*l2l2l2l2l2l2l2l2l2l2l2l2l2l2 MnAsrmLMS *I2I4I2I^2I212121212121212121212 Soeben erschien und ist in jeder Buchhandlung zu haben: 2l2I2l2l2l2l2l2l2l2l2l*l2l2l2l2l2 Prachtausgabe Alk. 20.—. Terlausgabe Alk. 2.50. m§ZngusMl3na, lirLild unä Vikrd. (Verri'nlduny 6
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