Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188811283
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881128
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881128
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-11
- Tag1888-11-28
- Monat1888-11
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- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1888
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Erste Beilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 333. Mittwoch den 28 November 1888. 82. Jahrgang. Line Erinnerung an Kaiser Friedrich. Von M. Kossak. Hochdruck »ridoim „Aul der Jugendzeit, Sur der Jugendzeit. Klingt ein L>ed mir immerdar. O. wie liegt io weit, O, wie liegt so weit — — — — — —— Eia Lied ist'» nun freilich nicht. da« au« längst der. stoffenen Tagen zu mir hrrüberlönt, sonteru eine unbedeutende Episode — unbedeutend und uninteressant an sich und de« Erzählen« wrrlh nur um de« Herrlichen willen, der damit verknüpft ist. Werden doch selbst die Holzsplitter, welche eine« große» Manne» Fuß berührt, zu Rcliqrucn für die Nachwelt, die iln, bewundert und verehrt! Warum gerade jetzt mir kjene kleine Geschichte in den Sinn kommt? Da» ist einfach erklärt. Au« dem offen» stehenden Fcuster de« Nachbarhauses hörte ich die Stimme eine« kleine« Mädchen« sagen: ..Du. Fritz, — wenn unser junger Herr Kaiser so viel "in der Dell herumrcist. kommt rr vielleicht auch ;n u»S. — Gctl—da« wär' schön — nickt?" D'raus di« Stimme de« Knabe»: „Schön wär'S schon, Liefet. — da« heißt, wen» wir ihn zu sehen kriegten — aber darau«, sürcht' ich, rblird' dort, nichts. Denn Tags über sitzen wir in der Schule und NachlS wird er doch nicht angcroisl kommen. Wir hätten allo nichts davon". D,e kleine Liefe indessen ließ sich durch de» pessimistischen Bruder nicht einschüchlern. „Und w.r halten doch waS davon", sagte sie energisch. — ..denn ich möchte de» Lehrer bitten, baß er unS für den Tag frei giebt, und wenn er'S nicht tdäie, dann schriebe ich an den Herr» Kaiser selbst und der möchle mir'- gewiß nicht abschlagen, Du kannst mir schon glaube», daß wir ihn sehen würde», mit seinem reihen Sammelmantcl mit Hermelin, mit der goldenen Krone auf dem Kopf und dem Scepter in der Hanv". — — Soweit daS Gespräch der Kleinen. Mir aber waren bei demselben dir Thränen i» die Augen geirrten, Venn gar zu deutlich erinnerte eS mich an ein andere«, vaS — eS möge» wohl fünf» oder sechsuiidzwanzig Jahre her sein, auch zwischen zwei Kiudern gesübrt worden. Zu Königsberg in Ostpreußen war'S, wo ein zehn Jahre alter Knabe und ein etwa vier Jahre jüngere- Mädchen in einem kleine» schattigen Garten beisammen saßen und mit wichtiger Miene sich erzäblten, daß am morgenden Tage Kronprinz Friedrich Wilhelm, des König- Wilhelm Sohn, in Königsberg eintrefsen werde, um der Einweihung deö neue» UmversitälSgebäudeS beiznwohnen. .Herrlich wird'S sein", sagte die Kleine — nennen wir sie Grete — .viele Dutzende von jungen Damen in weißen Kleidern sollen den Prinzen empfange», und die eine von ihnen — die Helene Wille», Du kennst sie ja — wird ihm ein Gedicht aussagen und einen prachlvollcn Strauß überreichen. Gestern war sic bei der Großmama und da hörte ich. wie sic'S erzählte. Sie sagte, bas Gedicht sei scbr lang und ganz furchtbar schwer, und sie hätte die schrecklichste Angst, mitten drin stecken zu bleiben. — So waS Dumme-; ich würde nicht stecken bleiben — icd nicht — daS weiß ich sicher!" „DaS weißt Du gar nicht", remonstrirte der Knabe. „Wenn Du erst in die Schule gingest, wie ich, dann wüßtest Du, wie leicht Einem so waS passiren kann. Und nun gar, wenn man vor einem wirklichen und leibhaftigen Prinzen steht — dann kommt noch die Angst dazu und — brrr — aus iss«!" Gret zuckte verächtlich die Schultern. »Angst? Aber LouiS, wovor denn? Der Prinz soll ja so gut sein — jeder Einzige sagt'« — warum sich also vor ihn, fürchten?" »Ja, Du hast freilich Courage", meinte Loui», „aber —" »Nun, ich will Dir'S beweisen, daß ich noch mehr Courage habe, als Du glaubst. Hör' mal, was ich mir au«» gedacht — aber Du »lußt'S auch Niemand vcrrathen — wirst Du'S nicht?" „Niemand", betheuerte LouiS feierlich — „ich schweige wie daS Grab." Und nun steckten die Kinder die Köpfe zusammen, und Trete vertraute dem Geführten ihren großartigen Plan an. Mit offenem Munde und von leisem Schauer überrieselt, hörte dieser zu, von Zeit zu Zeit seinen Gefühlen durch Geberden de« Schreckens und der Verwunderung Lust machend. Augen blicklich dünkte ihm der Kiemen Vornehme» zu waghalsig und abenteuerlich, um eS in Ausführung zu bringen, zum Schluß jedoch siegte wie immer der um vier Jahre jüngeren Gefährtin Ueberredungskunst über seine» Kleinmulh. Den übrigen Theil des Tage- sah man die Kinder in irgend einer Ecke der großniülterlichen Wobnung zusammen- hocken und etwa» niederscbreiben — daS beißt, LouiS schrieb und Grete dictirte, denn sie selbst war ja noch zu jung, um mit der edlen Kunst des Schreibens vertrant zu sein. Aus Großmama« und der Tante» Fragen, waS man denn da so eifrig triebe, lautete die Antwort, daß man einen Storch male — ein dazumal beliebtes Kinderspiel, welche» darin bestand, daß der Eine au» einer gewissen Anzahl von Striche», deren Reihenfolge der andere bestimmte, eine Figur zusammen stellte. die mit Zuhilfenahme von Phantasie snr einen lang beinigen Löget gehalten werden konnte. Großmama und Tanten begnügten sich mit dieser heuchlerischen Versicherung, aber wir, die lvir'S bester wissen, wollen dein geneigten Leser im vertrauen erzählen, daß cS sich um ganz etwa« Andere- als um die Herstellung eines Storche- handelte, nämlich um «inen Entwurf zu einem Briefe an den Kronprinzen, in welchem letzterer ergebenst angeflebl wurde, den grausamen Lehrern der Stadt anzubeseble», ihren Schüler» wärend der Anwesenheit de- Fürsten Ferien zu geben. Dies Schriftstück, welche« von Loui» sauber aus einen reich mit Gold und Rosen verzierten Papierbogen adgeschriebcn wurde, lautet« ungefähr folgendermaßen r „Hochverehrtester, gnädigster Herr Kronprinz, Da alle Menschen sägen, baß Sie so sehr gut sind, möchten wir, meine Freundin Grete und ich, Sie gern um etwa« bitten. Wir Gymnasiasten möchten nämlich gern für die Tage, die Sie, huldvollster Herr Kronprinz, unS die Ehre geben, in unserer Stadt zu verweilen, Ferien haben, damit wir Sie un« doch recht genau anschen könne». Der Herr Direclor aber will nnö nur für morgen Vormittag, wenn Sie in die Stadl einziehen, Ferien geben. Wenn Sie nun aber bei dem Herrn Direktor ein gnleS Dort für u»S cin- leglen, so würde er es gewiß thnn, Venn ei» Wort von Ihne» ist doch ein Befehl für jeden preußischen Unlerlhan, unk einem Beseht von Ihne» muß doch jeder preußische Unterthan ge horche». Nicht wahr, gnädigster Herr Kronprinz. Sie werten uns voch unsere Bitte nicht abschlagen ? Wir hoffe» so sehr darauf »uv möchten sehr traurig sei», wenn nun bock nichts daraus würbe. Verzeche» Sie doch nur diesen Brief, wir bitten Sie recht sehr darum. Wenn ich erst groß und Soldat bin. werde ick auch sehr tapfer für Sie, gnädigster Heir Kronprinz, kämpfen und Ihnen zeigen, vaß ich Ihnen sehr dankbar bin und kein preußischer Unterthan und Soldat Sie mehr liebt als ich. Ich zeichne mich, als Ihr, gnädigster Herr Kronprinz, getreuester Unterthan und Sextaner LouiS " Der letzte Pass»-, in welchem der jugendliche Schreiber seinem zukünftige» Herrscher versprach, dereinst Blut und Leben sür ihn zu wagen, imponirle den Kindern naincnllich. Uebcrhaupt waren sie ausnehmend zufrieden mit ihrem Brief, und nur die eine Besorgniß quälte sie. daß derselbe möglicher Weise nicht frei von orthographische» Fehler» sei» möchte. Doch, da ließ sich nun einmal nichts »lache», denn daS Meisterwerk Großmama oder den Tanten znm Corrigire» zu gebe», ging nicht an — kannte man doch genügend deren vorurlheilüvollcn Starrsinn, welcher «S »>ci»alS zugelassen haben würde, Vaß das Schreiben in die Hände deö Fürsten gelangte. Um die Mittagszeit deS folgenden Tage« standen LouiS und Greie hochklopsenbc» HerzcnS in den ersten Neiden der dickt gebrängien Bevölkerung, welche die Ankunft des Prinzen erwartete. Und endlich war der große Angenblick gekommen! Unter den dröhnende» Juhclrufcn deö Pnblicumö kam der prinzliche Wagen, von stattlichen Bor» und Nachrciter» be gleitet, langsam dahergefahreii. Zwei Herren saßen im Fond — reckt« ein schöner ritterlicher Mann in vollster Jngcnd- krast, dessen edles, von blvndem Bolibart umr.:l»»leS Antlitz, freundlich grüßend, sich »ach beiden Seite» wanne, und tiuks ein ältlicher Herr in purpnrrolhem, tala>ähnlichem Rock, mit einem schwarzeil Sammelbarctt auf dem ergrauten Haar. „Jst's der?" flüsterte LouiS, vor Aufregung am ganzen Leibe zitternd, seiner kleinen Freundin, auf den Purpur- gckleidctcn weisend. „Wie dumm Du fragst!" erwiderte diese, nickt miuder erregt. „DaS ist ja der Professor Rosenkranz. Der schöne Herr in der Uniform ist dock unser Kronprinz. O. wie freundlich er blickt, wie gut! Nun mack' aber schnell, bevor er vorbei ist." Und in ihrem Elser den Arm des Knaben in die Höbe reißend, veranlaßt« sie diesen, der noch immer zögerte, ob er die große Thal thun sollte oder nicht, den Brief in den Wagen deS Kronvrinzen zu schleudern. Gespannten Blickes sahen die kleinen Bittsteller noch, wie der fürstliche Herr daS Schreiben aushob. erbrach und mit lächelnder Miene laS — dann war der Wagen ihren Blicken enlschwunden und der feierliche, mit so viel Angst und Hoff nung erwartete Moment war vorüber. „Hast Du gesehen, wie er lächelte, als er den Brief laS?" fragte Grete, nachdem sie sich ein wenig von ihrer Aufregung erholt. „O gewiß, er war nicht böse über unsere Bitte und wird sie sicher erfüllen." Und ihre Zuversicht täuschte sic nicht. AlS LouiS sich am nächsten Tage zur gewohnten Zeit nach dem Ghninasiui» begab, wurde ihm, sowie den andern Schülern der Anstalt vom Direktor eröffnet, daß aus den Beseht Seiner könig lichen Hoheit deS Kronprinzen säinnilliche Schulen Königs bergs während der Däner deS hohe» Besuchs geschlossen bleiben sollten. „Einer meiner Zöglinge soll ein Bittgesuch, welche- dieses Resultat zur Folge gehabt, in den Wagen Seiner königlichen Hoheit geworfen haben", schloß der Direclor seine Ansprache an die Schüler, indeß sein Blick lächelnd zu LouiS hinüberflog, der ganz rolh vor Freud» und Seligkeit im Hiiitergrnnde der Aula stand. .Welcher von ihnen mag cS wohl gewesen sein?" AlS die Knaben sich dann aber, nachdem sie »och ein begeistertes .Hoch" aus den gütigen KöuigSsohn auSgcbracht, entfernen wollten, hielt der Direclor LouiS bei der Hanv zurück. .Hast Du aber wenigstens gut und orthographisch geschrieben, Junge?" fragte er. .Ach. schön habe ich schon geschrieben und schön war der Brief überhaupt", versickerte der Kieme, „aber orthographisch — ja. wie'S damit auSgesehen hat, bas — das weiß ich selbst nicht", schloß er ehrlich. Ja, mit der Orthographie jenes Meisterwerkes war cS in der Thal böse bestellt gewesen — auch wir könne» nicht umhin, eS zu gestehen — aber besseimngeachtet hatte der Brief seinen Zweck erfüllt und viele Tausende von Kinterherze». die in dem Wunsche, den geliebten Fürsten wieder und wieder sehen zu dürfen, bang gepocht hatten, überglücklich gemacht. Am glücklichsten aber doch LouiS und Grete! »Ich b», zuerst auf die Idee gekommen und ich habe mir auch auSgebacht, waö Lu geschrieben", triuniphirle die Kleine, und Louis ließ ihr bereitwillig diesen Ruhm, sich selbst mit dem Bewußtsein tröstend, baß er rS gewcfe», der de» Brief zu Papier gebracht und ihn dem Prinzen zugeworfc». Zur pnrlamentarijchen Lage. ** Berlin, 20. November. Die heutige Audienz des Nei chSlagSpräsidiumS beim Kaiser währte, wie wir bereits telegraphisch gemeldet, beinahe eine Viertelst» >ke und trug einen besonders herzlichen Charakter. Von der hoben Werthschäyung, welche Kaiser Wilhelm ll. dem deutschen Reichstage zollt, zeugt cS. daß er daS Präsidium in der großen GeneralSunisorm deS Garte du CorpS-Regiments empfing. Sc. Majestät hatte dazu den Stern dcS Schwarzen AblerordenS angelegt und bei dem Empfange den Helm in der Hanv. Der Kaiser unterhielt sich aus daS Leutseligste mit Jedem der drei Herren und zeigte sich über deren Privalverhält- nisie wohl unterrichtet. Bei der Begrüßung wie bei der V- rab- schicdung reichte der Kaiser jedem der drei Präsidenten huldvoll die Hand. Der Kaiser kam auch auf politische Dinge zu sprechen, doch sind die Angaben, welche ein extrem conservativcS Blatt, der „Ncichöbotc", hierüber verbreitet, ganz unbegründet. Gerade wegen der Erfahrungen, welche man wiederholt mit einer leichtfertigen Presse gemacht hat, daß entstellte oder ganz unwahre und erfundene Berichte über Aeußerungcn Allerhöchste. Personen verbreitet wurde», und zwar meist mit absichtlicher Tendenz in dieser unwahren Weise verbreitet wurde», sind die Präsidenten des Reichstag« diesmal übcrein- gekommen. die bisher üblich gewesenen vertraulichen Mit- tdeitungen an die Presse zu unterlassen. Wenn, wie man sieht, gleichwohl von dem Organe deS Herrn Stöcker wieder ein entstellter Bericht veröffentlicht wird, so ist er wenigstens von vornherein als ein solcher gekennzeichnet. Nicht wie sonst wurde das Präsidium deS Reichstags auch heute im Anschluß an die Audienz bei dem Kaiser auch von der Kaiserin empfangen. Ihre Majestät war am Empfange behindert und wird die Herren an einem der nächsten Tage zu besonderer Audienz befehlen. Die ElatSberathung dürste dieses Mal schneller von Statten geben atö in früheren Jahre». Mit der ersten Lesung hofft man in parlamentarischen Kreisen in zwei Tagen fertig zu werden, so daß man noch diese Woche a» die zweite Bcrathnng hcrantritt. Cs werden dieselben Capitcl wie in früheren Jahren der Budgctcommission überwiesen werden, nämlich die Etat« der Militair- und Postverwaltnng im gcsammtcn Extraordinarium, sowie die Zölle, Steuer», AnSwäriigcS Amt re. Daß Herr v. Bennigsen den Vorsitz der Budget-Commission wieder übernimmt, ist von allen Parteien freudig begrüßt worden. Hierdurch ist die beste Bürgschaft für sachgemäße und schnelle Förderung der Geschäfte dieser wichtigsten Commission und deS HauseS gegeben. Aber Herr v. Bennigsen, welcher übrigen- bereits Sonnabend Abend in Berlin eiiigetrossen ist, wird sich mit derselben Hingebung wie vordem den parlamentarischen Geschäften überhaupt »iid de» Interessen der nationalliberalen Partei winnen. Er bleibt deren anerkannter erster Führer und hat bereits zwei Sitzungen der Fractivn präsidirt. Die Befürch tungen unserer politischen Freunde, wie die Hoffnungen und Epeculationcn »nscrcr Gegner, daß diese wertyvollste Kraft dem parlamentarischen Lc^en stnsolge seiner Ernennung znin Oberpräsidenten entzogen werden könnte, waren also ganz grundlos. Tic parlamentarische Campagne dürste übrigens an Leb haftigkeit keineswegs hinter früheren Jahren zurückstchen, wenn auch durch die Zusammensetzung deö Reichstags dafür gesorgt ist, daß die oppositionellen Reden nicht „in den Himmel wachsen". Aber wie verlautet, werden vom Centrum und von den Socialdeinokraten noch einige „Ueberraschungen" durch Anträge und „Anfragen" vorbereitet, und den Soeial- demokratcn wird niemals die Unterstützung der „Freisinnigen" fehlen, waS nicht Wunder nehmen kann, wenn man sicht, wie sich erst i» den letzten Tagen wieder die Demokralen und „Freisinnigen" bei den Sladtverordnetenwahlen in Frank furt a'M^ verbündet habe», und wie Herr Barth sich nicht scheut, ossen die Parteinahme sür den Welsen gegen einen Nationatiiberalen zu predigen. Nun, unS kann eS recht sein, wenn der „Freisinn" so sortsährt, sich und seine letzten zer störenden und reichSscindlichen Ziele immer mehr bloß zn legen. Künftig wird den Herren auch der Schein eines Ver wand- zur Beschwerde fehle», wenn sie von allen Patrioten nicht nur alS verkappte, sondern alS wirkliche Republikaner und Reichsfeinde bezeichnet und bis aufs Blut bekämpft werden. Xl-O. Berlin. 26.November. Lieber welsischal» national- liberal! Einen überaus schmachvollen Artikel veröffentlicht der Reichstagsabgeordnete Barth in seiner „Nation" über die Stichwahl in Melle-Diepholz. DaS »anze Gerede dcsHerrn hat keinen andere» Zweck und Sinn, alS die dortige» Deutich- sreisinnigen zur tbatkrästigen Unterstützung des wölfischen Candidaten alS deS „kleiner,» UebelS" <ni>z»sordern. Mit klaren Worten wird daS freilich nicht gesagt, dazu sind solche „eherne Charaktere" doch zu vorsichiig und lürchien zu sehr, sie möchten bei den besseren Elemente» ihrer eigene» Partei Widerspruch finden. Aber sür Jede», der zu lesen und mit Worten «inen Sinn zu ver binden vermag, ist die Aussorderung, sür den Welfen e i» z » t r e t e u , klar. Wir haben lange nichls Widrigere- ge- lesen als diesen kalten Spott über die „nationale Senti» Mentalität", den sich Herr Barth erlaubt. „Mögen unsere Frrunde in Melle-Diepholz", schließt er seinen Artikel, „uiibesümmert ui» das nationale Geschrei und unbeeinflußt von irgend einer Nmmosiiäl die Wahl treffen! Die Centralleüung beeinfluß« sie ln keiner Weise." D. h. in Wahrheit, sie th»t alles Mögliche, zu Gunsten des welsische» Candidate» zu wirke»; sie th»l dies öffentlich i» ihrer Presse, und waS sie im Geheime» thun wird, kan» man sich danach ansinalen. „Wenn die geringste Geiadr vorhanden wäre", meint Herr Anrlh, „daß durch die Wahl des Welsen die Chancen einer Wieder herstellung des Königreichs Hannover wachse» würden, io könnte keine Rede davon sein,daß der Weist srcis>»»igerscitS »nierstützt würde." Wir gl üben freilich auch nicht,daßdasKönigrcichHannover wieder hergeslellt wird, wenn Herr v. ArnSwaldt >» den Reichstag ciozieht. Aber das wissen wir sicher, wenn solche Gesinnungen, wie sic Herr Barlh vor trägt, iin ganzen deutschen Volke zur Herrschaft gelangien, io wären allerdings alle unsere nationalen Errungenschaften seil 1866 ge- sährdet und bedroht, alle particularistischen rcichzersetzenden Be strebungen würden mächtig emvorschießen und im Hintergrund erschienen wieder der deulsche Bundestag, vielleicht auch mit dem Königreich Hannover. Zun, Glück ist die Mehrheit des deulsche» Voiles lange nicht so des nationalen Empfindens bar. wie diese verbissenen ParteimSiiner; das hat sich in den wiederholten ver- nichlendcn Urlheilcn der Wahlen ergeben. Wir möchlen auch sehr bezweifeln, ob in der ganzen deulsäisreisinnige» Partei solche An schauungen, wie sie die Herren Barth und Richter vorlragen, Zu stimmung finden. Peinlich berührt eS freilich, daß wir nirgends in der delitlchsrcisiniiiaen Presse Widerspruch gegen die Parole gesunden haben: Lieber weislich als nationallibcral! Tie „Freisinnige Zeitung" weiß bereilS Mittheilungen über die Stellung der »ationalliberalc» Fractivn zu der Alters- und Invalidenversicherung-Vorlage zu machen. In Wirklichkeit da» in der nationalliberalen Fraktion eine Be sprechung deS fraglichen Gesetzentwurfs »och gar nicht stattgesuiide». Alle Ausstreuungen über ihre Licllungnahme sind also müßige Erfindungen. Ter Adg Vr. Baurschnildt, Landrath in Peine, ist zum Obcrregiernngsratd in Magdeburg ernannt worden. Damit ist da» Neichstagsmandat für de» 14.Wahlkreis der Provinz Hannover (Gishorn-Peine) erledigt. Der Wahlkreis ist de» Nalionalliberale» vo» den Welien stet« stark bestritten und von letzteren auch zweimal. 1678 und 1884, erobert worden. 1887 hatte Baurjchinidl 13 848 Stimmen gegen LV27 deS welsische» und 1058 des socialdemokra- tische» Candidaten. Nachdem soeben ausgegebenen neuen Mitglirderverzetch- niß deS Reichstags zählt die deutschconservative Fractivn 73 Mitglieder und 2 Hospitanten (dazu kommen aus de» in de» letzten Tagen stattgehabten Wahlen noch 2 Mitglieder), die Reichs- Partei 30, daS Centrum 06 und 3 Hospitanten, die Polen 13, die Nationalliberalen 02 und 3 Hospitanten, die Deutschsreisüinigen 36, die Socialdcniokraten 10 Mitglieder. Zu keiner Fractivn gehören 22 Miigheder. Erledigt sind gegenwärug 6 Mandate (Hannover 5, Breslau 7, Düsseldorf 0, Oberpsalz 1, Gumbinnen 6, Baden 7). Literatur. 8naw enlczne. Roman von Ernst Wichert. Leipzig, Carl Meißner. — Es ist ein ungemein anregende-Problem, dar Wichert als Griindmotiv seines neuesten Werke» erwählte, und sür das männliche wie für das weibliche Lesepublicum von gieichem Jiitelkss- — ein Vorzug, den man bekanntlich nicht jedem Roman nachrühm, n kann. Unser Auior bedandelt hier die schon vielfach erörterte Frage, ob ein wiffenschasllich gebildeter Man» von vornehmer Geburt »ind Sinnesart dauernd an einer Frau Genüge finden kann, die ein »ein äußerliches, sinnliches Wohlgefallen bei ihm erregte, eine praktisch verständige Lebensauffassung besitzt, reinen Herzens und laulern Charaklers «st, dagegen mit ihrer iiitevectuellen Bildung, ihren socialen Begriffen aus einer lieseren Stufe steht als er. und serner, ob es Ihm je gelingen kann, sie zu sich emporzuziehen. Wildert beantwortet diese Frage im verneinende» Sinne und weiß sei,, Nr- theil in der ihn stets auszeichncnden geistvolle» Art der Beweis- süorung als logisch geschulter Denker und ei» Mann von geprüfter Lebenserfahrung z» Motionen. Hierdurch gewinnt der Roman einen Werth, der ihn weit erhebt über die meisten Erscheinungen der belletristischen Literatur, welche nur den Unlcrhaltungs- trieb zu belriedigcn streben, oder aber in krankhaft pessimistisch r Verneinung-- Sucht nur geeignet sind, alle ethischen Begriffe zu verwirren, denen eS ober nie gelingen wird, Wahrheit und Klarheit zu verbreiten. DaS Wichert'sche Werk dagegen übt eine» positiv fördernden, die allgemeine Lebensauffassung, den Begriff der Ehe läuternde» Einfluß a»S und weiß sich nebenbei noch durch semc künstlerische Anssührung auch nach anderer Richtung hin die volle Butheilnahme des Lesers zu sichern. Die beiden Hauptfiguren des Romans sind so geartet, daß sie von vornherein daS Interesse aus sich lenke»; keine im Leben ungewöhnlichen Erscheinungen und doch solche, die, wo immer wir ihnen auch begegnen mögen, unser Wohl gefallen errege» durch ihre sittliche Reinheit, ihre zieldewußte Willens stärke und ihr warmes Empfinden, Außergewöhnlich kan» man nur die dichterische Darstellungskullst nenne», mit welcher Wichert diese Figuren, insbesondere die des Mädchens aus dem Volke, ausgesuhrl hat. Diese Charakicrzeichnung ist so zutreffend, erscheint auch in den feinste» Zügen so getreu der Wirklichkeit abgclauscht, entfaltet sich in so folgerichtiger Weise aus den gegebenen, ursprünglichen Verhältnisse», dr.ßsjch dcmLeser unwillkürlich da-Gesühl ausdrängt, erhübe kshier mil einem Wesen vo» Fleisch und Blut und nicht nur mit einem Phantasie- gcbildc zu thun. Ungemein reizvoll ist das Erwachen der Neigung in den, Baro» zu der jugendlichen Kamnierzose geschildert, die Situaiio» ergicbl sich hier in größler Natürlichkeit, wie weiterhin daS Näher- treten der Beide» zu einander. Vollkommen der Wirklichkeit ent sprechend ist bann daS Wesen de» Mädchens seiner veränderten Lebenslage gegenüber entwickelt. Bon frühester Jugend an zur Selbstständigkeit, zur praktischen Verwcrthung der körperlichen Kräfte erzogen, vermag eS nicht mehr die enger gezogenen Grenzen seines geistigen Fassungsvermögens zu erweilern. Vermag eS nicht und will es auch nick», weil e§ die Notlnvendigkeit dasür nicht de- greist. Hier vertritt Wichert folgenden Grundsatz: „Zwei Menschen, denen vom Geschick ihre Daseinsauigabc in ganz verschiedenen LebenSkreijen gestellt ist, die von früher Jugend an mit anderer leiblicher und geistiger Speise genährt sind, deren praktische An schauungen infolgedessen so weit von einander stehen als ihre Ideale — ihre Bahnen können sich wohl einmal kreuzen, nimmermehr aber dann zuiammknlaufen". Und er stellt serner als unüberwindliches Hinderiiiß zu einer glücklichen Vereinigung zweier so verschieden ge- arteier Naturen hin, daß „dem Mädchen aus niederem Stande der freie Blick ins Leben fehle, die Ungebundenheit der Empfindlingen, die sorglose Heiterkeit deS Gemüthe», wie sie den Schovßkindern der Gesellschaft eingegeben sind. Eine enge Häuslichkeit, pedantische Erziehung, eine kümmerliche Ansbildnng der natürlichen Anlagen, eine stete Rücksichtnahme aus beschränkte Verhältnisse müssen der an sich liebenswürdigsten Persönlichkeit in den Augen der vom Geschick Bevorzugteren etwas Gedrücktes geben." Der Autor legt diese und ähnliche Aeuhelunge» einem getreuen Eckart in den Mund, dem eS auch mehr als den Lamenialionen der adelstolzen Mutter gelingt, eine Lösung des Verhältnisses, wen» auch indirect, herbeizusührcn. und eine Lösung, welche bei de», Leser die vollste Befriedigung wachruft. Ter Baron findet die ihm in Stand und Bildung ebenbüriige Gefährtin und daS Bürgermädchen den Man», der ihm volles Genüge bietet, wie er volles Genüge findet: 8u»w euioue! bl-e. » * . Kcdichte von Frida Schanz. Leipzig, Verlag-Handlung vo» I. I. Weber. Mit dem Portrait der Dichterin in Photo- gravure; elegant gebunden. — Die vielfach in Zeitschriften aller Art zeistreuieii poetischen Gaben der vielgenannten und -beliebten Dichterin sind hier in cinei» ungewöhnlich elegant und geschmackvoll ausgcstattclen Bande vereint und finde» derart die ihnen in reichstem Maß- zukommende volle Würdigung. Frida Schanz ist eine echte Dichterin. Was ihre Verse <iuszeick»iet, ist der echt lyrische Zug, welcher Reim und RhylhmuS durchdringt und bewegt und zwanglos Bild und Gedanke zum Ausdruck bringt. Wie Rückerl's Lyrik Len Reichthui», Plal-n's Dichtung die Reinheit der Form erkenne» küßt, so hat sie mit Geibel den Wohllaut der Form gemein. Von ihr darf eS nicht heißen: „Weil ein Vers Dir gelingt in einer gebildeten Sprache, Die sür unS dichtet und denkt, glaubst Du schon Dichter zu sein". sondern ihre Poesie ist der unmittelbare Ansdruck ihres dichterischen Empfindens. Wer über diese- Geheimniß, da- mancher Dichierling vergebens z» ergründen strebt, gebietet und mit der schönen Form die schöne Seele z» vermähle» weiß, der ist ein echter und ganzer Poet; wir rechnen daher auch Frida Schanz den besten Dichterinnen seit den Tagen der Romantik zu- Die Ausstattung des Werke- durch die Weber'sche VerlagShandlung ist geradezu mustergiltig und wird sicherlich dazu beilragen, da- schöne Auch ans vielen Wcihnnchtsiiichen heimisch zu machen. DaS Schlußgedicht dieser Sammlung: „Licht", ein Märchen- gkdicht von Frida Schanz, ist auch in einer Einzelausgabe bei Emil Rolh, Gießen, erschienen. Ll-e. » Bei S. Hirzel erschien Arabella Stuart, Trauerspiel von Heinrich Kruse, und bei Rudolf Mückenbergcr, Berlin, Aättzselbitch für 2«»« und Alt von Earl Leo. LsHUvrrlren bas Stück 2 50-»b HavIrsnlTissvn ba» Stück »-»» ^l das Stuck 25-40 .4 LeHdsrügs Bezug mit Kiffe» 3.80—20 ans den besten Jnletftoffcn mit ante» Fevern »esüllt das Gebett ba» 20 4l bi» 150 Llsppilsvlsvn das Stuck 4 50-2« /l ba» Stück r.ro-» llvLt-llamasls, bunt varrirt Iminen, empfiehl» in reichster An»»atzl ffffllkslm Uvnlrva, 8rmmW ZlW K, Mlimmillll.
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