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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188812191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881219
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881219
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-12
- Tag 1888-12-19
-
Monat
1888-12
-
Jahr
1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1888
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Vierte Anlage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger LS4. Mittwoch ven 19. December 1888. 8L. Jahrgang. Die dei-eu Violinen. von Hermann Heiberg. «»chdena »«ei,,!-». .Komm'! Spiet«!" sagte die alte Frau und lehnte sich in den Stuhl zurück Sie sag am geöffneten Fenster, um die milde Lust ein;uatbmkn. uod verlangte nach sanstrn Melodie», die ihr kranke« Gemüth besänftigten. Nun erklangen die einschmeichelnden Töne einer Violine und drangen hinaus inS Freie. Dir Frau sah auf den Manu, ihren Sohn, der am Tage vorher heimgekehrt, mit zärtlichen Blicke«. Er war gekommen, ohne daß sie cs wußte, lag plötzlich vor ihr auf den Knieen und umfaßte sie. In dem kleinen Städtchen hatte er seine Äugend verlebt, und nachdem er sein wildes Knabe,»Herz auügetobt und bei seinein Vater gelernt, die Wanderung in die Welt augetreten. Der Letztere, ein Mu siker, war plötzlich zur Ruhe gegangen; die Frau, die zurück- blieb, zehrte von dem Wenigen, da- sie besaß, und al- es dahin, sandte HanS Händel, wa» sie brauchte. Bisweilen hatte er Ausschnitte au- deu Zeitungen ge schickt; sein Ruhm und Ruf ging allmälig durch die ganze Welt. „Brauche so viel Du magst. Ich Hab« immer. Laß eS Dir an nicht- abgehen. Und ärger« Dich nicht über di« Miether. Bewohne unser HeimathhauS allein. Nimm eine Gesellschafterin, «mgieb Dich mit Dienstboten. Sei ein Brr' schivenker. wenn Dein Wohlergehen dadurch erhöht wird." So hatte «S »st in den Briefen gelautet. Aber die alte Frau dachte ander-. Sie nahm voll Dank, aber gab nicht» Unnütze- auS. Und bei der Aufforderung, die Wohnung in ihrem Häuschen ungenutzt stehen zu lasten, schüttelte sie den Kops. Da» hieß Erwerb mißachten. Spar samkeit brauche man nicht nur zu üben für sich. War etwa» da, dann gab'» Menschen genug, würdige, die e» nöthig hatten. Nachdem der Mann eine Weile gespielt, winkle sie ihm und bat, daß er aushüren möge. „ES war schön", sagte sie. „Aber die Erinuerungeu an Deinen Vater wurden allzu lebhaft geweckt. Mein Gemüth braucht uach der Krankheit Besänftiguug — da» zu viel macht mich unruhig." Der Mann legte da» Instrument fort, ließ sich neben ihr nieder und drückte ihre Hände. „Meine Mutter!" sagte er weich. „Wenn ich Dich nur wieder gesund wüßte —" „ES wird — ich fühl' eS, Hau-. Wenn Du nicht ge kommen, wäre ich vielleicht gestorben — an Sehnsucht. Nun weiß ick. daß ich wieder genese!" In diesem Augenblick ward die Stubenthür unter einer hastig bervorgestoßenen Entsckuldigung rasch auf- und eben so schnell wieder zugemacht, und ein Mädchenkops mit neugierig funkelnden Augen zeigte sich und verschwand. „Wer war da»? Bon denen oben? Wa» sind'» für Leute?" sragte Han». „Ja, die neuen Miether, der Organist mit seiner Tochter Specia." „Nette Menschen?" „Es sckeint — etwa» sonderbarer Art siud sie. Der Vater ist häufig fort. Specia singt viel, übt mehrere Instrumente und scheint ungewöhnlich musikalisch " „So, sok" gab der Mann halb angeregt, halb zerstreut zurück. Wenig später ward geklopft und Freund« traten ein. die von Han» Händel'» Eintreffen gehört. Sie zogen ihn bald mit sich fort, und ihn drängte eS auch, die allen Plätze, au die sich die Erinnerungen seiner Jugendzeit knüpften, wieder zu sehen. Al» Händel kurz vor Mittag zurückkchrte und deu Weg durch den Garten de- Hauses nahm, sah er rin Mädchen, es war Specia, an einem der Kirsckbäume stehe», Früchte herab- reißen und naschen. Ihre Bewegungen hatten etwa» Knaben- hafte», aber waren doch unendlich anmuthig. „Guten Tag!" bob Händel au und trat dem Kinde, da» ihm den Rücken zugewandl dastaud, leise näher. Ohne zu antworten, flog sie zurück, warf Kerne und Kirschen wie rin ertappter Dieb von sich, und über da- von dunsten Haaren umrabmte Gesicht mit der scharfgeschnittenen Nase flnihete eine dunkle Rölhe. Der Mann lackte. „Mil Verlaub! Siud Sie die Toch tcr de« Organisten? Wohnen Sie bei meiner Mutter?" Die Angeredete nickte kurz: säst wie ein unrrzogeue» Kind. „Ja. Specia Rast heiße ich", gab sie dann ohne verlegen heit zurück. „Specia? Woher haben Sie diesen Namen, wenn'- ge staltet ist. zu fragen." „Nach einer Violine, die mein Großvater besaß", er widerte sic mit einer tiefen, heiser klingenden, aber eigenartig schönen Stimme. „Nach einer Violine?" „Ja, sie war sehr kostbar, und weil mein Großvater da» Instrument so sehr liebte, bat er meinen Vater, mich Specia zu nennen." „Hm — und Sie liebe» Musik?" Mit einem vor Begeisterung funkelnden Au-druck im Auge beantwortete Specia Händel'» Frage. „Ja. und ick möchte so spielen können wie Sie, — und langgezogen. O, wie schön — wie wuuderschvu — und hoch" — .Nun?» „Ich ärgere mich! Bitte, spielen Sic nicht mehr. — Gehen Sic bald weder kort'?" HanS scklltt.ltc den Kops. „Wie krau» Ihre Gedanken sind, mein Fräulein Sind Sie eine Deutsche? Wo lebten Sic früher?" „In Venedig war mein Vater zuletzt. Aber er ist rin Deutscher au« dieser Gegend. Al» ihm ein Freund schrieb, er könne hier eine Anstellung und Beschäftigung erhalten, be> warb er fick sogleich." HanS bewegte mit dankender Geberde den Kops uud, Wieder an ihre Worte ankuüpsend, sagte er: „Weshalb ärgern Sie sich denn über mein Spiel? We-» bald soll ich sortgebc»?' Da» schöne Mädchen schob zunächst nur die Lippen hin und her. Zugleich aber trat etwa» Böse» io ihre gleichsam allen äußerlichen Dingen abgewandlen, io sich gekehrten Augen Zuletzt stieß sic heftig heran»: „Ich b>» — eifersüchtig. — Ich kann — kann «» nicht ertragen" — „Dabei werden Sie nie borwärt- kommen. Druu nicht wahr. Sie spielen selbst?" „Ja", ries sie und öffnet« den au-druck»vollen Mund, tu dem prachtvolle Zähne erschiene», uud deu» e»a leben-warmer, heißer Athen» entströmte. Alle- au diesem Kind« war kräftig, natürlich »ad von eigener Irl „Damit Sir nicht mehr eifersüchtig werden, müssen Sie tüchtig lerunr." Specia »ab hieraus keia« Antwort, aber sie richtete ihre Augen mit fragendem AuSvruck auf Händel uod sagte: „Nicht wahr, S>« werdra nicht medr spielen?" Han- sah da- K»d au und schüttelte den Kopf, al- ob et» Thbricht«, kh-richtr- geredet Hab« »Bage» wir «»mal ander-. Sie soll« mir etwa- Var- Dill». uud Mi, w»Kw> zusammeu musicireu." „Ndiu, »ei, — ich kauu uichtk Sie Pud dach der be« -Ah-chd Du»- HHadat? G« sogt« »t» mei» Vater. Ich lg» viel vou Ihnen, immer wünschte ich. Sie einmal spielen z» füren und nun — nun —" „Sonderbare- Kind", flüsterte Händel. Er konnte ihr Wesen nicht begreifen „Wenn ich täglich sechs Stunden übe. wcrdc ich e- so weit bringen können wie Sic ? Ich möchte etwa» Großes werde», auch die Welt durchstreifen, und Alle sollten sage», Specia Rast spielt wie Ha>« Händel." Und plötzlich ihm näher hintretend, küßte sie stürmisch seine Rechte und flüsterte in einem flehenden Tone: „Und nicht wahr. Sie spielen nicht mehr, bitte — ich war so krank, ich weinte, als ich Sie förte. und herunterlausen mußte ich. um Sie zu sehen." „Hören Sie. Fräulein Specia", entgcgnete Händel, seine Hände zurück; ebend, „ich will Ii-nen Unterricht geben, wäh rend ich hier bin. Täglich eine Stunde. Möchten Sic daS?" Sie sah sinnend gerade aus. Eben sckwebte» über den Rasen im anmuthigen Zickzack zwei weiße Schmetterlinge. Die Bewegungen der zierlichen Geschöpfe, deren Farben durch die goldenen Strahlen der Mittagssonne gestoben wurden, schienen allein ihre Gedanken zu beschäftigen. „Nun? Sie erwidern nichts?" „Ich denke sol" hob daS Mädcke,, an „Wenn Sie mich lehren, werde ich glücklicher sei», als wenn meine Mutt r wieder auS dem Grabe auswacktc und sich zu unS gesellte. Gehen Sic aber dann fort und ich muß ikrc Anleitung ent behren, werde ich mich grenzenlos uiiglücklich fühle». Nein, ich will nickt, ich danke. Ich kann nicht —" „Wie kann man eine so beiße Seele für die Kunst be sitzen, so verkehrte Wege ri»schlagen und zugleich so nüchtern wägen?" „Ja, daS ist eSl Mein Vater schilt täglich über meine Sonderbarkeiten. Ick möckle auch ander» sei», doch gelingt e» mir nickt. Ost bin ick so grenzenlos unglücklich. daß >ck weit sortlansen »löchle, um nur mit mir allein zu sein. Niemande» zu quälen." Plötzlich standen die dunkle» Augen Specia'S voll Tbräuen. ihr Wese» halte clwaS unendlich Rührendes. Der Mann stand stumm neben dem reizenden Geschöpf und wußte nicht gleicb etwa- zu erwidern, und als er nun -b.» von der Magd zu T>ich gerufen ward, »ahm er die- als Vorwand, bot ihr die Hand und trat in» Haus. Ain Abend hatte» sich einige Gäste cingesunde» und HanS spielte fast eine Stunde.j Mehrmals hörten sie über sich ein Geräusch, al» stampfe ein Mensch ungeduldig und zornig mit dem Fuße; e» störte so sehr, daß die alte Dame nach Fortgang dec Freunde sagte: „Lästig sind die oben mit ihrem Lärm — diese Specia ist ei» unbaiidiaeS Geschöpf —" Die Zimmer, die -Händel'» bewobnte». lagen tbeilS nach der Straße. theilS nach dem Garte». .HanS hatte sich in demselben Gemach eingerichtet, in dem er einst al» Knabe über den Schularbeiten gesessen. So niedrig wa c» die Fenster, daß man bequem binein und hinauSsteige« konnte. Jeden Morgen spielte er, oft auch, wenn seine Mutter eS verlangte. Einige Tage nach der Unterredung mit Specia stand er abermals in seiner Stube und geigte. Au» dem Instrument klang eS wie Weine» und Schluchzen, zuletzt wie ein u»r endlich schwermüthiger Verzicht. Als er zufällig den Blick binau» wandte, sah er zu seiner Ueberraschung Specia mit ihren boshaft funkelnden Augen vor sich, und al» sie sich beobachtet sah. entfloh sie mit den Bewegungen eine» vcrf»lgten Knaben. Der Mann lachte. DaS sonderbare Kind! A» diesem Tage lernte er auch seinen Mitbewohner, de» Musiker Herrn Rast, einen kleinen, ernsten Man» mit gra» melirlem Haar, etwa» stark acceutnirter Aussprache und dunkler Gesichtsfarbe, kennen, und da sie sich Beide gegenseitig sehr wohl gefielen, verabredete» sie einen Spaziergang. AlS HanS wieder nach Hause kam, inü Zunni-r trat und sein Blick zufällig aus seine in dem offenen Kaste» liegende Geige fiel, sah er zu seiner unmulbige» Ueberraschung. daß die Saiten zerschnitten, offenbar mit eine», scharfen Messer zerschnitten waren! Da- war doch über die Gebühr! Der Mann schültctte zornig den Kops und inackle schon einen Schritt, seine Mutter zu befragen. Aber er hielt inne. entschloß sich rasch, stieg die Treppe hinauf und sragle die Mag» nach Specia. Rast hatte sich vor dem Eintritt in» .Hau» von ihm getrennt, da er noch der Borprobe für ein Eoncert in der Kirche beiwohnen wollte. Ja, Specia sei zu Hause, erklärte die Magd. AlS Han» eintrat. lag sie aus dem Sopba und schlief Aber sie ruhte nickt wie andere Menschen, sonder» hatte das Gesicht ties indieK-sien gedrückt und war so fest eiiigcschlum mert, daß sie bei seinem Eintritt nicht erwachte. Nrben ihr auf dem Tisch lag eine Violine und stand ein Schreibgeschirr, da» sichtlich eben benutzt war. Aus einem Blatt Papier aber, dessen mehrfach geänderte Schrift zu lese» Händel nickt widerstehen konnte, stand: „Da Du mich lehrtest, zweifeln an mir selbst, D'rum haste ich Dicht Und hüte Dichl So lang Du weilst hier, will ich auch nicht spiele», singen, Mich gar veripotte» wollen, Soll Dir nicht gelingen l" Händel la» noch einmal, sah aus da» schone, schlanke Kind, da» wie eine büßende Magdalena dalag. schlich dann auf ven Zehen fort und sagte der Magd: „Die Dame schläft fest. Ich will sie uicht stören. Ich komme ei» ander Mal wieder." Seltsamer Weise überfiel ihn vou diesem Tage an eine fast furchtsame Scheu, seine Violine in die Hand zu nehmen. Sowie e» ih» trieb zu spiele», gedachte er de» Märchen» oben und — verzichtete. Seiner Mutter siet da» auf und sie fragte Aber er wich au». „Ich mag nicht. Ich will einmal ganz Ruhe haben" gab er zur Antwort. Aber während er bi»her nur über da» seltsame Kind den Kopf geschüttelt, erfaßte ihn uun ein heftiger Drang, sic ein mal singen und spielen zu höre». Er überlegte auch die Möglichkeit, in ihre Nähe zu gelange», uud trug, iveil da» sich uicht von selbst machen wollte, zuletzt Rast sein Ansuchen vor. „O. welche Ehre! Gewiß, gewiß! Natürlich, Herr Händet", gab dieser zurück. „Gleich heute soll Specia Ihren Wunsch erfüllen! Ick bitte, seien Sie und Ihre Krau Mutter heut Abend unsere Gäste." Hau» Händet verbrachte die Stunden voll Unruh«. Da» Mädchen kam ihm nickt au» dem Siu«. ja r» drängte sich arwaltsa« uud gegen seinen Wille« immer wieder m seine Gedanke« und Vorstellungen. Ll» endlich die Stunde gekommen war. stieg er mit einer starken Befangenheit die Treppen empor. Ihn renke der Zwang, den er Specia aufgelegt, indem er sich au ihre« Vater gewandt. Ader die Dinar gestalteten sich bester, al» Händel erwartet batte. Da» Mädchen war freilich von einer eigenlhümlich zurückhalteuden Art und schien deu Gast nur zu beacht», weun er mit ihr sprach, aber sie war ua-rme,» sreundlich um dir alle Frau und rrwie« ihr jede Ehrerbietung. Nach «bgedeckter käset rief ihr Vater: „Nnnt Singe, Special" Da trat Ae nn» «lädier «zd sang mit «in« tief da« G.'müth bewegenden Stimme ein von Juli«» Rodenbcrq gedichtete- Lieb: „So brich mei« Herz, wenn Du willst brechen, Nicht stückweiS wie ein Sonnenstrahl Da« Ei« zeri-richt aus Berge-flächen. Wen»'- sein muß, brich mü einem Mal.' Händel sagte nicht»; ihr G sang uod ihr Vortrag waren vollendet. „Sie wollten auch Specia aus der Violine hören ?" hob bann der Mann sreundlich an. „Specia, hole Drine Naincn». schwester und geige." Da» Mädchen biß die Zähne zusammen, die Mienen ver- insterterr sich, und aus der Stirn erschienen drohende Falten. „Nun, Kind?" „Der Geige seblen zwei Saiten, Papa." „Ah! — Vielleicht ist'» meiner Tochter erlaubt, aus der Ihrigen zu spielen, mein Herr? Da- würde Specia eine unverarßliche Ehre sein." „Rcinl ich danke! ick Will nicht!" rief da» Kind, und die Augen funkelten. Sie fügte auch nicht» hinzu und verließ da» Gemach. Händel, peinlich berübrt, redete dem Manne, der heftig werden wollte, zu. und Rafl gab sich auch zufrieden und erklärte: „Ich kann nichts mache», ich sag' c» offen, wenn sie nicht will." — Am folgenden Morgen griff Händel doch wieder „ach seinem Instrument und spielte. Alle», waS seine Seele be wegte, legte er binein, und wundervoll klang die Musik. Il er geendet batte, war ihm leicht ui»S Herz, plötzlich schien eS. als sei Alle», waS ihn bedrückt hatte, gewichen. Aber er kannte nicht, obwohl viel erfahren, die grausamen Neckereien de» Liebesgottes. Im Lause de» Tag» kam'» wieder über ihn uud zuletzt gab'» nur einen Gedanken; er wollte, er mußle Specia sprechen. Diesmal war ihm der Zufall günstiger. Im Garte» fand er daS Mädchen an derselben Stelle, an der er sie zuerst gcscben. Sic stand auf dem Rasen und guckle be weg»» zslo» in die Sommerlust. „Ich freue mich. Ihnen einmal wieder zu begegnen. Fräulein Specia!" hob er an. .Sie schauen den Vögeln am H mmel zu ? WaS bewegt Jbre Gedanken?" „Daß ich, wie Sie, seit möchte, frei sei», keinen Zwang fühlen —" „Wer beengt Sie? Ich bin betrübt, daß Sie nicht glück lick sind —" Sie ging auf seine Rete nickt ein, aber ganz ihrer Art entsprechend, wandte sie sich plötzlich zu ihm und stieß mit scharfer, flehentlicher Betonung heraus: „Bitte — wann gehen Sie?" „Bin ich Ihnen denn so schrecklich? Thal ich irgend etwa», was Sie wirklich verletz-» konnte? Mein a»n»S Mädchen. Sic sind krank und Niemand fühlt mit Ihnen so sehr wie ick —" Specia zog die Schultern. „Ich sagte Ihnen dock, daß ick weinen muß, daß ich mich verzehre, wenn Sie spielen. Und Sie thaten eS!" „Ja. ich that r». obgleich Sie mir die Saiten zerschnitten. Ist Ihre Bitte nickt tbörickt und halten Sie ein Reckt, in mein Gemach zn dringen zu solchem Tünn? Wenn ich Ihne» nicht sc gut wäre, ick hätte Sir bestraft —" Sic aber zuckte abermals die Achseln und sagte: „Wa« ist mir das Alst»! Ruhm, Ruhm! EttvaS können! O Gott, weshalb gabst Du mir diese furchtbare Qual —" „Sie wird sich also lösen, wenn ich fort bin? Wirklich?" „Ja!" sagte daS Mädchen s,st und sah de» Mann lcidcn- schaslöloS, ja. mit hartem Ausdruck an. „Gut, so will ich gehen, weil — weil — ich — Sie liebe — Specia —" Er sprach niit leiser, tiefbewegter Stimme und schritt lang- sani von ihr fort. Wenige Tage später reiste Händel ab. er folgte den Aus- i'ortcrungeli seiner Agenten, die ihn für Eoncerle bestimmten, iliiv er thai» »nt einem gewaltsame» Trotz, objchon ihn die Bitte» seiner Mutter rührten. „Du gehst, mein Han»? Wann sehe ich Dich wieder? Vielleicht nie —" „Dock, doch Mutter!" entgegnete der Man» zerstreut und in sich gekehrt. „Wer weiß, vielleicht komme ick früher als Du gedacht." Der Sommer war verzogen, der Herbst mit Sturm und Sonnenschein »n wechselnder Laune gewichen und hatte zuletzt dem nngistüi» auslrctenden Winter Play gemacht. Trunle» im HanS sab'S traurig an». D e alte Frau lag abermals krank. Sie hing mit allen Fasern ihrer Seele an dem Sohn, und er hatte sie säst ungeduldig abwehrend ver lassen. Nun nabte sich da- neue Jahr; die WeihnachlSbäume stauben schon wieder, ihre- Schmuckes entkleidet, aus den Hof-» und in den Gärten Und da plötzlich klopfte e» an die Thür be» kleinen Hause», und HanS Händel trat ein und siet, wie im Sommer, vor seine Mutter aus die Knie. „Ich bin abermals dal Bevor ich auf längere Zeit gehe, wollte ick Dick noch einmal sehen! —" Inzwischen halte Specia wiedrr zn ihrer Violine gegriffen und gijpukl. Immer hörte die alle Frau zu, und ihr Herz bebte bei den Töne». DaS Mävchcn spielte da» Instrument wie rin Meister. Immer schöner ward'», osl sang die Geige Melodien, die der Frau innerste» Herz ergriffen. — Und ihre Gedanken waren zu HanS gezogen und zu rem Kinde. Sie lirble eS jctzl, weil eS Da» schätzte, wa» ihr Svh» über Alle« hcch hielt. — Er hielt auch mit Fragen nach denen oben nicht zurück, obgleich er in einem gleicbgiltigc» Tone sprach. „Sie spielte den ganzen Tag, und schön, herrlich, Han». — di» plötzlich Alle» verstümmle. Seit Wochen hörte ich sie nickt mehr singen und spielen. Alle» ist stumm, wie todt droben. Er sagt« nicht». — Am folgenden — am Neujahr» tage — stand er in seinem G»mach und e» ergriff ihn all gewaltig. Nach der Melodie: .Wach aus mein Herz und singe!' spielte er ei» alle» ReujahrSlied: „Wir gehn dabin und wandern, Bon elae« Jahr »nm andern, Wir leben unv gedeihen, vom alte» bi» zum neuen." Und nochmal» und abermals ging der Bogen über die Saiten, b>« plötzlich, al» er mitten darin addrach, dieselbe Melodie über ihm ertönte, ja, da ansetzte, ,v« er ausgehürt. und so rein uud herrlich strömte ell au» dem Instrument, daß d-m ohuehin bewegten Manne schier die Thräncn tu» Auge trateu. »Ah, ah, Specia, meine Specia —' ries er erregt, war die Geige snrt und warf sich lauschend aus eiaeu Stuhl. Aber nun ward'» droben still, doch hörte er nach kurzer Weile, daß Jrmand die Trepp« herabka« «ad sich Schritte gegen fein Gemach wandten Der Mann sprang empor. Sie wa?-! Sein Gefühl sagt« «- ih«, — er wollte ihr eatgeneneile«. Aber da öffnete sich schon die Thür, «ad Specia stau» vor ihm, d,e Violine in der Hand. Ihre Gestalt zitterte, dle Flügel ihrer scharf geschnitten«» Nase bebten, und ihre Hände streckten sich au«. „Siez Sie Vpacia — Au» spielten Sie «icht oben?" riq Häudei Mck-beeauschl. Sie aber bückte sich säst knieen» zu ihm herab und flüstert« d niütbig: »O. vergeben Sie — und hier — hier — ist die Geigel Schließen Sie sie ein. — Da Sic gingen, griff ich wieder nach meinem d sten Freunde, aber er gab mir nickt, wa- ich suchte. Ich verlangte nach —Anderem —ganz Anderem —- nach —" Die Stimme erstickte. Er aber hob sie stürmisch auf u»d suchte ihr Auge. „Specia! —" flüsterte er. Da siel sic ihm sl»»»i, uin den HalS, und ihre weichen Lippen drängten sich zu den sciniaen. Drinnen aber faß die alte Frau, und ihr Auge ward wicber klar. Da» neue Jahr hatte Alle- Alle» gebracht, wo nach ihr Herz verlangte. Leipziger Fröbelverei«. Leipzig, 18. December. Am Sonntag Abend sah de« Volk».Kindergarten de- Leipziger Fröbelverein- in der Ulrnh-gaste eine srüdlnh«. lachende Kinderqemeind« in leine» Räumen. Sali e- dach, wieder einmal da- herrliche Weihnacht-fest zn feiern, da» an dieser SiLiie schon so os« Alt und Jung erhoben und erquickl hat. Der Bolk-kindergarten der UlrichSgaste, eine der segen-reichsten Schöpfungen in unserer Stab», ist rasch empor- gewachsen, und eS mochten wohl an die 1(10 Kinder sein, welche diesmal mit ihren Müttern an der 'chlichien, stimmung-volle» Ldnstbescheeruag theilaahmca. Die Feier wurde durch Gesang ein- gelcttet. Dana hielt Frl. Angelika Hartman», die Mit begründers» de» FrübelvereinS, bereu Verdienste um da» Kinder- garirnwesen Leipzig- schon os« an dieser Stelle hervorgehoben worden sind, eine herzliche Ansprache an die Berlamineltev, in der sie auch der Zwecke und Ziele de- FröbelverciaS mit beredtem Munde gedachte. Die Weihnachtszeit, so sübrte sie au», ist eine selige Zeit. Ihr Zauber verbreite» sich über alle Berhältniste. Freude, Friede. Glück und Segen trügt sie in die Familien. Die süßesten Er»»ncr»nge» an die Weiünochl-zeit nehme» wir bi- in- späte Alter mit hnlüber. Deshalb spenden Eltern ihren Kindern aller Orten an vielem Feste die icichsten Liebesgabe». Auch der Fröbelvercin betrachtet sich al» eine große Familie, die an solche» Tagen ihre Kinder »» Kinder garten um sich versammelt, ui» in ihrir Mitte da- schöne Fest zu feiern uud den »leinen einige Stunden harmlose» kindlichen Froh sinn- zu gewähren. Wa solche Principle» im „Kindergarten" ver treten werde», da zeigt er sich so recht al- waülthuende Ergänzung de- Familienleben». und wirkt namentlich in Boikskretsen dadurch so iegen-reich, daß einer sorgenden, pflegende», weibliche»« Hand, der Kindergärtnerin, die »st an Stelle »er Mutter walle» muß, da- Kind übergeben und von ihr seiner Natur »nd seinem W ien nach breioflußt wird. Der echte Kindergarten ist also eine ErziebungSftätte im wahrste» Sinne de» Worte-, und deshalb so wichtig, weil hier der erste »ad so- mit haltbarste Eindruck aus das Kind auSgeüdt wird. Die Erziehungsmittel de- Kindergarten-, die einmal dazu dienen sollen, de- Kinde- Sinne zu enlwickclu. seine Beobachtungsgabe zu schärie», seine Sprache zu fördern, seinen Thäligkeit-irieb zu i-elriedige» und sein sittliche- Be, mögen dadurch zn wecken, die aber auch andererseits seine kürpcrliaien Giitbmaß n kräiligeu und entwickeln ollen, sind immer einsacher und sinnvoller Natur. Der KiNver- garte» Hai da- ideale Zi l einer harmonischen Entwickelung de- tindlichen Wesen- vor Augen, uud diele- ätiel sucht er mit seine» Erziehung-mitteln. B wrgung-spirlen, Beschäsiiguugsmittela u. s. w. zu errriMen. Der Boriiand de« Fiöbe verein- hat seit einem Jahre eine» Zöglinge,, ti» Kindergarten auch täglich eine Poit ou Milch verabreich:,, listen uud wird auch weiterhin diese Wohlihat de« Kleinen gewähre», da er hastt. dadurch nach besonders der Auf gabe einer „ivoll-.rzirhungSsiättr" gerecht zu werden, indem er ei» sür deu kindtichen Organismus so wichtige» Nahrungsmittel verab reicht. Tie mit dielen Einrichtungen verbunaeiren Ausgaben ober wollen gedeckt sein, und der Fröatlverei» schuldet daher Allen, die ihn la lhatkräsiig unterstützen, den wärmsten Dank. Frl. Har« manu grdachlc nun Aller, die sich um deu Fröbel- vercirr auch i» diesem Jahre verdient gemacht habe». Insbesondere tvurde dem Rath der Stad« Leipzig ein Tank dargebracht, der dem Bereu» eine jährliche Unterstützung von 6(10 ^i gewährt, des gleichen allen Denen, die die Solisten de- F, SbelvereinS «hell- al- Milwirkendr, «Heils als Besuchende so thatk,ästig unterstützte». Die Weihuachl-bescheeruiig hatte sich noch besonder- dankc»-wert»er Liebesgaben von Seiten der Herren Fabrikbesitzer Scheller (Firma Häuser), Meißner L Buch. Lörsch L KornillS, Lüttke, Lresessoc ttr. Biederma iiu, Bäckermeister Arnecke, sowie der Dame» Irl. Gerhardt, Frau Edert, Frau Keilbcrg uud Frau Engier zu erneue». Nach der A,«spräche wurden die kleinen Truppen herumgesührt, »in in einer Reihe sinniger Sp ele zu zeigen, wa- sie in» Kinder- garlen g,lernt. Im Gelang und He,sagen kiudlrcher Gedichte er wiesen sich Knabe» und Mädchen auß,rordentlich tapfer. Auch ein iliputanischer „Knecht Rupprecht" piijcatirie sich dem hcttcre« Kreise. Rach deu Spielen folgte eine Erquickung mit Milch und G.bäck und daraus die Beicherruag selbst. ES waren maniiigsallige Spielsachen. Bilaerbüchrr, Stolle» u. s. w. verlockend out den Tafeln au-gebre«let. die sicherlich alle Kinderherzen in hohem Maße ersieu« laben Besonder- festlich war auch wieder der Weihnachtsbau« au-g-stattet. Aus dem Geschäftsverkehr. f ES giebt wohl wenig Geschenke, welche unsere« Damen eine so gioße Freude bereiten, als Blumen. Ein geschmackvoll gebun dene- Bonqiiet, ein reich b lähender Blumenstock, ein zierlich arrau- girle- Blumenköibche», eine reizende Blumengarnilnr für B llkleider sind hrirlicher Schmuck eine- s.den Weihnacht-lücheS. Wir uebmen dah-r Veranlassung, alle» Denen, w iche ein derartige- Weihnachts geschenk spende» möchten, aus da- Geschält der Geßrüöer Gertd. Naschmarkt 2ü. ausliierksom zu machen, deren Jnbaber bemüht sino, jede Weltmächten ei»e Ausstellung zu arrangiren, wie sie imposanter nicht gedacht werden kann und auch diesmal wieder die allgemeine Aufmerksamkeit der Borübergehenden festest. Als Neuheiten heben w r die unvergänglichen Blülbenzweig» her vor, ferner al- GeschüslSspecioliläteii Jardiniä en in Majolika. Gaid- stäbchea >e., sowie reizend arranglrte RippsaMen von Porzellan, Makartbouquet- nebst stilvollen Balcu, und künstliche Decoratw»»- pfl.inzen, den nolürlichen ans- Täulchendfte nochzeahmt. AVer nicht allein die Luttivirung de- scinften Geschmack:» uud die Anwendung der besten Qualität Ist es. welche der Firma einen ouSaedch ten Kundenkreis »erlchosfl hat, sondern auch da- Priucip, sich Mit eiuem beichkidcnen Gewinn zu begnüg,» und bet alledem die Kuadschast streng reell und solid zn bcdicuen. f Die höchste Freude in dem Herzen eine- Jungen erregt wohl al- Weibnachl-qescheuk ein Beloc iped; wir wollen hierdurch ans da« Sileste «nd gr'ßle F ahrra d-Speclalgeschäst vo» P«ul F«cke äd T». ütiiweisei» welche« in seinem verkaus-toeal am Dor»theenplatz 1 eine großartige Au-wadl anlzuweiie» hat. E« bietet sich daselbst Gelegenheit. Zwciräder «ad Dreirädee aller Art direct von den Fabrikanten z» kansen. Die neue Preisliste ist edensall- erschiene» und wird grati« abgegeben. k Zur Vervollständigung de- Weihnacht-Iische- wird In vieleN Familien auch »ine fette Gon« oder em seifter Haie. bezw. andere» Wild «nd Geflügel gewählt und bowlt der Hiu-leau eine nicht minder große Freud» ol- mit manchem anderen Selchenk berrüet. D»«ha>b mach u wir einen Hwwei- aus die ans« R ichhaltigstc ciu-- oeftottelen Gelchäsk-Ioealilöle» der Wild- und Glstügelhandlung »«» >lch«rp Müller, Schnhowchergäßche» s, ansmerksam, welche «rest liche preiswerth« Waarr führt. f Li» »»schenk, wo mit »an grvße Freude mache» kann, tst sicher ei, Lanarirnbvgel. Wir ratbr» olle» Denen, welche sich Merz, »ntichließen, bi» bekannte Handlnng von Obcar Mein hm», Uninersität-straße 18, zn besache,. Ln-Hnnderte, von Kkble, bteser »eine« Lieblinge schwirrt »n« ein herrlicher Gesa», entgegen; e« ftn» sch», hübsche Vögel »«, 6 an z» Hab,». Aber nach Vvgrltanee in allen Fog»»- nn» »» allen Vreise, stnb >» großer >»e»atzi da, sawie all« »rbenkltche» z»» nnb Vstegr aller Sind-»- «ab Garlenvögel geb-rrste» Htls-mitwT M» Bestich baseitst § sicher zn empsrhle».
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