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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188812183
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881218
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881218
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-12
- Tag1888-12-18
- Monat1888-12
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1888
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NW Erste Leilage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. Z- 35Z. Dienstag den 18. Deccmber 1888. 82. Jahrgang. Weihnachtsvorderntung im Pensionat. Boa Jenny Siorde r-Rey. Nackdr,» »«rr»I«» Weihnachten ist da- größte Fest der Christenheit, indem eS die meisten Freuden spendet, ein Tag. an dem alle Soraen Verstummen sollen vor dem fröhlichen Jubel der den Cdrist- baum umtanzenden Kinder, wo Hader und Groll, wenigsten- sllr den Augenblick, unter Knistergold, Silberschaum und Kcrzenschein vergessen sind. Die Vorbereitungen zu diesem hoben Feiertage sind oft nicht solch heiterer Natur, denn die Kunst, zu schenken, ist nicht Jedem verliehen. Biele sind auch aus materiellen Gründen nicht in der Lage, mehr zu geben als gute Wünsche, und laden sich, dasern sie e« doch thun, schwer erfüllbare Verpflichtungen für die Zukunft auf. Die glückliche Jugend merkt von dem trüben Gefolge der Be- scheerung nicht viel, gar nicht-, wenn sie fern dom Elternbause erzogen wird. Die Vorbereitungen haben einen so süßen, eigenartigen Zauber, welcher dem Feste selbst den vornehmsten Reiz verleiht. Kein Kümmern und Erwägen, keine ängstliche Frage »ach dem Preise stört die Schaffentlust oder gebietet einem ThätigkeitSdrang Einhalt. Die Directrice hat am ersten Adventsonntag ihre stimmt» sichen Schülerinnen von der ältesten t»- zur kleinsten um sich versammelt. Der Zeichentisch und die darumstehenden Stuhle, sowie der Flügel sind mit allerlei Handarbeiten be deckt. Nützliche Gegenstände aller Art drängen sich zwischen bunderlerlci Dinge, die mehr elegant al- praktisch genannt werden »lüsten. Kunstvolle Stickereien in allen Sticharten. Strick». Häkei-, Filet- und Flechtarbeiten, die glänzendsten Farben zeigend, wechseln mit Schnitzereien. Bildern. Car» lonnagen und künstlichen BlumenbouquelS ab. Duslige Spitzen sind darüber auSgcbrcilet, und reizend costümirte Puppen und Püppchen bilden eine allerliebste Gruppe um iiue Krippe mit der heiligen Familie und allen Thicren, auS Mocellirdogen zusammengesetzt. Jeder Gegenstand hat eine Nummer, die sich auf einem der Ausstellung beigegebenen Register wiederholt. Die Vorsteherin, allgemein nur kurzweg „Tante Lottchen" genannt, weist nun in kurzen Worten aus die Bedeuiung von Weihnachten als Familiensest hin, die sich in Geschenken für die Angehörigen äußere. Jede Gabe erhält aber erst ihren Werth durch die G suhle de- Geber«. Man könne dieselbe» am besten auSdrücke», indem man die G schenke selbst verfertigt. Je mehr Mühe man sich dabei gäbe, je richtiger sei der Zweck erfüllt. Die Kinder sollten sich nun die ausgestellten Gegenstände gut ansehen und die Geschenke, die sie machen wollten, auSwählen. Diese Wahl nimmt den ganzen Nachmittag in Anspruch. Sie ist die angenehinste und schwierigste B schäftigung zuglech. Jede wählt gewöhnlich etwa-, da- ihre Kräfte übersteigt ober nach Meinung der Lehrerin nicht genügend erprobt. Die Vorsteherin muß in den meisten Fällen entscheiden — damit die bisher Rathlosen hinter ihrem Rücken über die aus- gedrungene Arbeit schelten können. „Ich muß viererlei haben!" rust Elisabeth von der Recke sich vorvrängend, als fürchte sie, eine Andere nehme ihr da- Gewünschte fort. „Wenn ich nur gleich wüßte, waS." „Sieh nur diese entzückende Klammerschürze: Rosenblüthen ans weißem Atlas!" zeigt ihr Gertrud von Siegseld. „Truta! Wo denkst Du hin, meine Mama hängt keine Wäsche aus!" „Dann schenke sie der Rose!" ,E>n Stubenmädchen trägt keine AtlaSschürze." „So! Du willst also nicht? Gut, ich nehme sie für mich sllbst. Wenn bei uns Manöver ist, mache ich einen Sport daraus! Ich habe ein Bild gesehen, wo eine junge Dame aus dem Trockenplatz steht und ein Husarenlieutcnant die Leinen zieht!" „WaS Du sagst! ... Ich überlege mir die Sache »och. . . ." „Nein, jetzt ist e« zu spät." „Truta!" „Meine Damen, streiten Sie sich nicht! Ich bitte sehr, Ihre Auswahl zu lresscn! Die Anderen wollen auch heran", ermahnt die Lehrerin. „Ja, Fräulein, ich weiß nicht, wa« ich der Mama schenken soll. ES ist schon Alles sortgenommen", entgegnet gereizt Elisabeth. „ES fehlt aber dock nicht an Auswahl! Und waS thut es, wei>» Sie dasselbe arbeiten wie Gerteuee!" .,Entschuldigen Sie. Fräulein! Meine Mama trägt Nicht-, was allgemein ist. S e leidet darum auch nicht Etwa- um sich, das alle Welt nachmacht." „Elisabeth, Du bist beleidigend, bin ich „alle Welt"? Unser Adel ist noch älter al« Deiner. Die Grasenkrone ist schon drei Mal in hundert Jahren in unserer Familie ge wesen. . . ." „Meine Damen, ich muß ernstlichst bitten...." Die Climme der Lebrerin klingt sehr scharf. „Fräulein, wenn Sie mich ungerecht insultiren lasten ..." „Fräulein, wenn Sie zugcben, daß ich beleidigt werde!" Die beiden jungen Dämchen schreien eS durcheinander, zucken mit den Achseln und murmeln etwas wie „plebejische« Venchmen", „vulgäre Auffassung", „bei einer Bürgerlichen nicht anders erwarten", „keinen Begriff von StandeS>vcksicht!" Diese Gefühlsäußerungen söhnen die beiden Aiistokratinnen halbwegs miteinander auS. „Was wähle ich nur?" läßt sich Elisabeth wieder hören. Die Lehrerin eilt ihr zu Hilfe: „Dieser Arbeit-korb wäre wirklich reizend..." „En überladenes Ding! Und wie viel Arbeit ist daran! Ich werde bis Ostern nicht fertig damit — und ich habe viererlei!" „Nun dies Albuin?" „Mag sich für da« Wartezimmer eine- Zahnarztes eignen!" „Oder den Toschentucbbehälter, rosa Plüsch und Spitzen." „Da» habe ich im vergangenen Jahr geschenkt." „Dann da- Toilettennccessaire?" „Warum nicht gar eine» Handwerk-kasten?" „Ich weiß bann wirklich nicht." „Da- ist eben da» Traurige." „Eine Decke ist immer ein hübsche- Geschenk. . ." „Wir haben davon so viel, baß wir ganz Afrika einwickeln könnten!" „Ich nehme die- Sophakistcn!" tönt jetzt Gertruden- Stimme vor. „Da» terracottesarbene mit dem vergißweinnichlstrauß will ich gerade haben. Nun sehen Sie, Fräulein, wie eS mir gebt, diese Truta fängt wieder an!" klagt Elisabeth. Die Lehrerin seufzt. „Ich glaubte nicht, daß Tie ein Kisten arbeiten wollten. Sie machten e« nur im vorigen Monat zum Gedurt-lag Ihrer Frau Mama! —" „Ist da- wirklich der Fall? Nun, Sie müssen e» bester wissen." Nach einigem Hin- und Herreden entscheidet sich die Freiin von der Recke für «l»en Tischläuser, Mostulstlckerei aus grau» lemrnem Grund. „Da- ist wohl zur Emballage für Madaga-car?" spottet Truta. welche die Bemerkung der Freundin vorhin gebürt hat. Ein zorniger Blick wird ihr al» Antwort. Die Aus wahl der anderen drei Geschenke geht nicht unter leichteren Verhältnissen von Statten. Eine Lawnlenni-weste wird für den Vater au-gesucht: „ES ist wahr, Papa spielt nicht mehr. Er ist zu corpulent, aber er fühlt sich doch geschmeichelt, daß ich ihn noch für so jugendlich halte." AuS demselben Grunde — dloS aegentheilige Logik — erhält der vierzehnjährige Bruder ein Cigarrenetu,. Der Erbtante bestimmt aber das Edel- sräulein einen Fächer au- Tülldurchzug-arbeit: einen Bibel spruch von Lilien umgeben! Die Lehrerin erläutert, daß in dieser „sinnigen Gabe" sich Erde und Himmel berührten. Den anderen, weniger exclusiven Dämchen wurde die Wahl leichter. Die jüngeren verließen sich aus die wohl meinende Vorsteherin. Die kleinsten sin» am raschesten fertig Sie werden Puppen auSputzen dürse»! Sie hupfen vor Freude im Zimmer umher und fragen Tante Lottchen wieder holt. ob ihre „Bäuerin" auch wirklich hübsch sei» wird, und ob der ..rothe Husar'" zu ihr paßt, welche» Namen da« „Wickelkinv" bekommen soll, und wie lang der Schleier der Braut" sein muß. Sie flüstern noch unter dem Abendgebet von den erschaute» Herrlichkeiten und sehe» im Traum da» Land der süßen Märchen und herzigen Puppen. Tante Loitcken hat jeden Wunsch der Schülerinnen ge wissenhaft zu Papier gebracht und die Nummer deö Modell« beigejügt. Sie begiebt sich am nächsten Morgen selbst nach den verschiedenen Läden, sucht die Materialien aus und ver tbeilt sie an die Clastenlehrerinnen. Diese richte» sie ein. V. h. sie arbeiten so viel vor, wie eS geht, um ihren „Damen" das Schaffen zu erleichtern. Die ersten Arbeitsstunden sind die qualvollsten für die Lehrerinnen. Sie möchten sich verzehnfache», um aus alle Fragen zu antworten und überall hilsceiche Hand zu leisten. Die E.laubniß ist nun auch ertheilt, in de» Unterrichts stunden zu arbeiten. Die Herren Lehrer gerathcn in nicht gelinde Verzweiflung. Sie wüsten die fleißigen Hände in fever Stunde dulden, wo nickt geschrieben wird. Fort währendes Geflüster unterbricht ihren Vortrag. „WaS reden Sie wieder, Amanda?" fragt der Professor ärgerlich eine Schülerin, die sich ganz ungenirt zu einer in der andern Bank Sitzenden wendet. „Herr Professor, ich habe mich verzählt, die Ella muß Nachsehen, wo der Fehler steckt." „Kann bi- nach der Stunde bleiben! —" „Ich werde dann nicht fertig!" „Käthe, Sie Pasten nicht aus!" „Gleich. Herr Professor, neunzehn — zwanzig. einund> Zwanzig — so — nun zwei schwarz .... Sie srugen. He Professor?" „Die Nebenflüsse vom Main!" „Sofort, Herr Professor, ich muß nur vernähen . „Ich kann nicht warten, bis Sie fertig sind!" „Ich bin'«, Herr Professor, also . . ." Die Ausgeruscne nennt alle Gewässer in tadelloser Reihensolge. „Ich glaube, Sie lesen gar ab! Zeigen Sie her — die Karte da —" „Enischulvigen, Herr Professor, da- ist mein Stickmuster. Ein solches wird allerdings herübergereichl. „Klappern Sie nicht so mit den Nadeln! Man versteht nicht sein eigene- Wort. ... Elisabeth, die Gertrud soufflirt Ihnen!" „WaS denken Sie von mir, Herr Professor, sie hebt nur ein paar Maschen auf." Dieser Ton dauert die ganze Stunde über ES klingelt „Aiso, zum nächsten Mal!" . . . De- ProsestoiS Stimme verschwindet unter dem Zuklappen brr Arbeitskästen, dem Geräusch der zusamniengeleglen Nadeln und Scheeren. „Mein Gott, schon wieder eine Stunde um!" seufzt Elisabeth. „Und ich habe noch gar nicht- gemacht." „Nein, dieser langweilige Professor, man kommt nicht ein mal zum Arbeiten. Er hat immer waS zu fragen. Doch erst voihin, woran ich denke!" Wie indiScret, Getruv be klagt sich aus diese Weise, und der Chor rust: „Uuau-stehlich! ES ist zum Tollwerde» in der Weihnachtszeit!" Der neu eintretendr Lehrer denkt es gewiß auch. Er findet den Aufenthalt in einem Bienenstock sicher behaglicher und ist froh, wenn er nach einer Stund« erlöst ist Die Lebrerinnen haben eS noch schwerer. Sie müssen neben den wissenschaftlichen Lektionen auch die Arbeiten coatroliren „Elisabeth, Sie tbun gar nicht-!" „Ich weiß nicht weiter." rr „So kommen Sie doch her!" „Sie haben ja für mich nie Zeit." „Ach, liedeS Fräulein!" schmeichelt eine Andere, „nähen Sie mir doch auch eine Reihe! Sie haben der Truta den ganzen Kelch gemacht!" „Aber. Käthe, Du sollst selbst sticken! Du bist groß genug" Tie Zurechtgewiesene wendet sich schmollend ab. Jede 'Ühlt sich vernachlässigt und die Nachbarin bevorzugt. „Ella, lassen Sie Ihre Zeichnung sehen .... Nein, da- tiinml nicht, Ver heilige Joseph hat zu viele Haare und einen zu blonden Bart." „Er sieht au« wie ein Gardeosficier, blo» verkleidet, ich agle e- schon!" giebl Elisabeth ungefragt ihre Meinung ab. .Du hast ihn auch viel zu schön gemalt", behauptet laut Gertruve. „Und er ist doch nur der Patron der besiegten Ehemänner." .Wo haben Sir da- her?" fragt entsetzt aufspringend die Lehrerin. .Aus dem Figaro." .Wie komme» Sie zu dem?"* .Meine Wolle ist darin eingewickelt.. .." Da- Fräulein nimmt das Papier und verbrennt e-, indem ie sich sagt, daß sie künftighin auch die Maculatur au- einem Tapisseriegeschäst zu prüfen hat. Die niedereren Classen machen den Erzieherinnen nicht so viele Mühe. Die Kleinen werden mit ihren einfacheren Arbeiten leichter ertig und stören nicht den Unterricht. Ein lauteS, fröhliches, echte- Kinderlachen erschallt nur dann und wann, über das ich die Lehrerin selbst freut. Kleine Faulenzerinncn äußern zwar auch manchmal eine Ungezogenheit, sie klingt aber komisch. „Fräulein, >ct> habe mich schon wieder in den Finger gestochen. Die dumme Puppe ist da« nicht Werth!" Da« Röckche» fliegt dabei aus den Tisch. „Du wirst doch weiter nähen! Du mußt eS lernen." „O nein, wir ballen unS Leute!" .... „Fräulein," meldet sich eine andere, „meine Mama sagt, ick muß etwas Nützlichere« machen. Für 2bekommt man die Pappenwäsche fertig und diese Zulhaken kosten schon 3 .6" „Aber Amanda! Du solltest auch nur Fl cker bringen." „Bei u»S giebt eS keine Fl cker, wir kaus-n Alles fertig." „Fräulecn, wen» meine Puppe ihren Geburl-tag hat. kommen Sie dann zum Kaffee?" „Deine Puppe hat gar keinen Geburtstag!" fällt eine Mitfchiilerin ein, „sie ist noch nickt einmal gelaust." Ja, Du hast mir die Zuckerplätzchen ausgegessen, die ich dazu verwabrt halte. Du — Du — Liese!" „Das ist nicht wahr, da« hat die Grete gethan beim Be gräbiiiß vom Dragoner . . ." „WaS? Ihr habt meinen Dragoner begraben? Drum suche ich ihn überall!" weint laut die kleine Besitzerin, Fräulein! Fräulein!" .Er batte die Bräune . . . Wir wollten ihn curiren. — Dina machte den Doclor. . . . Aber er starb. . . . Und er war so schön, der Dragoner!" Liese weint ebenfalls. Tie Lebrerin hat Mühe, die Kinder zu beruhigen, indem sie ihnen versichert, daß der .Dragoner" biS zum Abend auSgcgraben sein wird, wenn sie nur wissen, wo sie ihn hinlhalen. Die Vorsteherin ist bei den ganz Kleinen. Sie flechten Herzen und Buchzeichen au« Papieistreisen, kleben «ine Krippe und Fähnchen oder verfertigen allerliebste Sächelchen au« PapiercanevaS, durch den sie schmale ScideiibSnver zicben Tante Lotlcken erzählt lhnen die WeihnachtSgeschichte. Die Erste erbebt sich: „Tante Lottchen, Du hast unS diese G-scbichte schon im Vergangenen Jahre erzählt. Ist eS denn immer dasselbe? .Kannst Du sie auswendig, kleiner Fürwitz?" Die Ge fragte muß beschämt verneinen. Hundert Fragen unterbrechen die ehrwürdige Vorsteherin. Der Esel interessirt die Kinder am meiste», dann, ob das JcsuSlindlein auch einen WeiSnachtS bäum gehabt und mit Puppen gespielt hätte. Tante Lcttcken setzt diesen Erkundigungen bald ein Zieh indem sie das „WeihnacktSgedichl" vorspricht, da» die Kinder im Chor nachsaaen. d. h. diejenigen, welche eS lernen wollen Jede- kleine Mädchen muß »ämiich ein Zehnpseiinigstück geben für die Armen, denen am Tage vor dem Heiligen Abend im Pensionat bescheerl wird. Tante Lottchen verfertigt ihre Lieder in der Regel selbst. Sie schreibt sie verSweise an die Tafel, von der sie jedes Kind abschreidt, wozu eS einen groß--», mit bunten Blumen verzierten Briefbogen erhält. Die Kleinen kommen sich dabei äußerst wichtig vor, besonder« bei der NamenSunterschrifl. E» ist, al- Unterzeichneten sie eine StaatSuikunde. Wenn die- gefchehcn, liest Jedes laut daS Geschriebene vor. Die letzten Tage vor dem Schluß der Classen kommen so herbei. Ein Schulfest leitet die Ferien ein. Die Zeugnisse find am Vormittag vertheill worden. ArmcKincer erscheinen in Begleitung älterer Angehörigen. Die Säle sind auS- geräumt und festlich geschmückt. Tannen-Guirlandcn, durch Papicrrosen belebt, winden sich bogensörinig um die Wände. Tie Landkarte» und naturgeschichtlichcn Bilder sind zusammen gerollt. Rotbbecrigc Stechpalmenzweige und gelblichgrüne Mistelzw ige hängen an den leeren Haken, stehen in den Fensternischen und aus dem Ösen. Drei mächtige Christ bäume prangen im Glanz bunter Lichter, Fähnchen, Zucker- Werk- und Obste«. Der mittelste hat eine eigenartige Deeo- ration. Er ist ganz mitLameltesädcn überzogen, mit Krystall- spänen bestreut. Lauter Sterne hängen an den Zweigen und unter jedem Stern ein Engel, welcher ein Wachslicht trägt. Ein großer Engel überragt den Baum. Da- Innere seiner Posaune trägt die Inschrift: „Ehre sei Gott in der Höhe!" Eine große Krippe steht unter den Dutzenden Engeln und Sternen, mit der Rückwand an den grünen Baum gelehnt. DaS wächserne JesuSkindlein ruht aus goldig schimmerndem Stroh, zu beiden Seiten bemalte Wachskerzen und die heiligen Eltern in demüthig anbetender Einfachheit, inmitten deS auf sic herabströmenden Glanze». Tante Lottcken sitzt am Harmonium. Die Klänge eines Choral-, den die jugendlichen Stimmen unter ihrer Beglei tung singen, mischen sich mit dem Rauschen in den Bäumen und dem Knistern der Lickte. Es ist ein sehr feierlicher Augenblick, der selbst den Kleinsten unvergeßlich >m Gedächt- niß bleibt. Die größeren Mädchen müssen dann die Gaben verthrilen. Tante Lottchen will sie a» Wohlthun gewöhnen. Nachdem noch jedes Kind eine Tasse Cbocolade und ein Stück Kuchen erhalten, entfernen sich die Fremden. Die Pensionairinncn batten daS ganze Jahr gesammelt, und ihre „Strafgelder" ind mitverwandl, um eben diese Freude den Armen bereiten zu können. Sie haben ihnen warme Sacken und Spielzeug geschenkt. Dafür haben sie auch eine Freude; den» Tante glichen giebt ihnen am selben Abend einen Ball. Nach der Besckeerung ziehen sie sich rasch um. Die Bäume sind in dessen, da doch zwei geplündert wurden, in ein andere» immer gestellt. Die Bänke werden zusammengerückl, mit eppichen überdeckt und bilden ein Podium. Die kleineren Schülerinnen führen lebende Bilder aus, die großen ein Theaterstück. Die Vorbereitungen hierzu gehören mit den Handarbeiten den außerordentlichen „Vergnügungen" der Lehrerinnen, 'in Schauspieler de- HostheaterS hat die Rollen einstubirt und die Bilder gestellt. Die Costüme sind ans der MaSken- verleihanstalt befolgt, und eine geschickte Friseuse thut da» Ihrige — aber: „Ich mußte meine Rolle lernen", ist eine gar bequeme Entschuldigung für mangelhafte Schularbeiten. Und die Rolle geht vor! Da» Pensionat kann doch nickt blamirt werden! ES sind Gäste anwesend. Die Schülerinnen, die nicht beim „Theater" oder dem in den Pause» stall findenden „Coucert" beschäftigt sind, reichen den Tbee herum. Elter», Verwandle und nähere Bekannte sind die Geladenen. DaS reiche Programm ist um S Ubr herunterqehaspelt Dan» wird zu Tisch gegangen. Die Tafel ist in der Bibliothek aufgeschlage». Tante Lottcken bringt dabei ein Hoch auf die Angehörigen der Schülerinnen auS. Irgend ein Vater oder Onkel läßt Tante Lottchen leben; ein Anderer die Schülerinnen, die sämmtlick heule anmulhige und liebens würdige Miene» zeigen. E»« Dritter toastet aus Lehrer und Lehrerinnen und so fort, bis bald Niemand ohne Trink- Ipruch ist. Der Tanz beginnt nun. Polonaise voran Sie geht Urgroßmutter beim Meiiuet. Tante Lottcken schreitet in der stolz und gravitätisch wie die Es findet sich wohl ein nase weises Backsischchen, das sie nachahmt, denn „eS ist doch zu komisch, noch da Rcspect haben zu müssen, wo schon Groß mutter zur Schule ging". DaS F>st ist erst nach Mitternacht auS. Ein lustiger Cvtillon, bei dem eS reizende kleine Andenken giebt, bildet den Beschluß. Tante Lottchen steht an der Thür, leicht aus ibren Kruckiivck gestützt und reicht Jedem zum Abschied die Hand zum Kuß. Die Kleineren sind schon früher mit den Lehrerinnen ver schwunden. Während sie dem nächsten Morgen entgegen- scklasen, der sic in- Elternhaus zurückdringt, sitze» die Gouvernanlinnen, um mit fiebernden Händen die nicht fertig gewordenen Arbeiten der Schülerinnen zu beenden. „Ach! Fräulein, Sie sind gut. Sie sind süß!" rust die vom Tanzen erschöpft herausstürmenbe Elisabeth. „Mama wird «ich unbändig freuen Uber de» schöne» Tisckläufer. . . . Du, Truta. waS ist aber Dein Bruder für ein flotter Studio geworden!" „Brauchst Du noch die Klammerschürze?" „Ach rede nickt, Närrchen!" „Er wird Gesandter werden, weißt Du!" Die Freundinnen umarmei: sich herzlich. Sie verstehen sich. — „Ack. wen» eS doch wahr würde!" „Gute Nacht! Träume süß!" „Ja! Morgen daheim!" „Gute Nacht! Glückliches Erwachen!" „grobe Feiertage gleichfalls! .... Ack! E» war so .... so . ... so .... schön Gute Nacht!" ES ist nun ganz stille, letzte WeihnachtSvorbereitun Die Koffer stehen gepackt, die g tm Pensionat. Höchsten» ein paar arme Lehrerinnen bleiben zurück. Die Anderen fliegen auseinander. Von alle» Lippen enlsährt: „Fröhliche Weih nachten! Glückliches Neujahr! Auf Wiedersehen! Heitere Feiertage!" vermischtes. V Ei-leben, 16. Deccmber. Durch eine öffentliche Be kanntmachung wird gegen eine Belohnung von 30 000 die zum Antritt einer bedeutenden Erbschaft erforderliche Ge burtsurkunde eine» Leopold Ludwig von Beck gesucht, welcher in einein Orte der Grafschaft ManSseld oder an grenzendem Gebiete während der Jahre 1766—1770 geboren sein soll. --- Marburg, 16. Deccmber. Heute Morgen starb der Professor der Chirurgie Geheimrath Roser. --- Braun schweig, 16. Deccmber. DerPrinzregent Alb recht ist nach halbjähriger Abwesenheit heute Nach mittag zu dauerndem Winleraufenthalt hier eingetroffen. --- Wien, 15. Deccmber. Der FestcommerS anläß lich der Enthüllung der Kaiserstatuc in der Universität, welchem ein Tlieil de- Professoren Collegiums mit Rector Sueß und Vicebürgermeislcr I)r. Prix beiwohnten, ist glänzend verlaufen. Die Festrede, welche mit einem Hoch aus den Kaiser schloß, hielt vr. Kolischer. Einen Kosten von mehreren lOO Stück reinwollener doppeltbreiter Sommer-Beige, soeben «»gegangen, deren reeller Werth i Mark 50 Pfg. ist, stelle zu dem ganz enorm billige» Preis von zum Verkauf. Da» Al«id hiervon mit seidenem v«s„k a«1cbma«kvoll in Larton jusammengestellt kostet nur 0 oder >0 Mark. Meter rx» Pfg. Ich empfehle diese Waarc meinen geehrten Kunden als ganz hervor- ragenden GelegenhettSkaufl Geschäftshaus für Sammmdtil und Leiilttlamrtll.
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