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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-12-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188812200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18881220
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18881220
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1888
- Monat1888-12
- Tag1888-12-20
- Monat1888-12
- Jahr1888
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.12.1888
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Dritte Mage M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 355. Donnerstag den 20. Dccember 1888. 82. Jahrgang. Karl Schurz über Deutschland. * 2" einer großen Lcrsammlung in der Steinwayball in New-Vork, in welcher Karl Schurz nach seiner Rückkehr an« Europa von Deutsch-Amerikanern begrüßt wurde, erwiderte er mit folgender, in hohem Grate bemerkend- werlher Rede: Meine Herren! Boa ganzem Herzen danke ich Ihnen für di» überau« warme Begrüßung, dir Sie mir zn Thetl werden lassen nnd die weit über mem Verdienst dinau«geht. Ich schätze dieselbe besonder« doch, da ich w«iß, doß sie von allem politischen und nftigen PaNeigeist frei ist — denn unter Ihnen sind ja die ver- chikdensten Meinungen vertreten — und daß wir, wie wir eben verlamnielt sind, einander nicht« zu bieten haben »l« gegenseitige Hochachtung und Freundichast. (Lrbhaiter Beisall.) Die Herren, welche ihrem Gruß so herzlichen Ausdruck gaben, habe» drr Reise nach Deutschland erwähnt, von welcher ich soeben znrückgekehrt dt», und de« freundlichen Lmpsange«, der mir dort geworden ist. Der Gedanke liegt nahe, mir wenigsten«, daß viel von diesem Lmpsange nicht mir persänlich galt, sondern dem Deutsch-Lmerikanerthum, zu dem Sie Alle ge- hären, und von dem ich nur »in kleiner Ldeil bl». (Beisall.) Al« ich da« letz- Mal die Ehre hatte, de» deutschen Berelnen »,n New- Kork gegenüberzusteden, hatten sie mich mit dem Auftrag« au«- gezeichnet, den Gefühlen Auädruck zu geben, welch« der Dod de« ersten deutsche» Kaiser« de« neuen Reiche«, unter dessen Aeaide die lang gehegte Sehnsucht der Deutschen nach nationaler Einheit de- friedigt worden war» in dem Herzen der deutsch-geborenen Bürger Amerika« erregt hatte. Ich darf Ihnen versichern, daß, soweit meine persänlich« Lrsahrung in Deutschland reichie, die Lympaihie, welche die Deutsch-Amerikaner ihrem alten Laierlande bewahrt haben, dort in allen Kreisen, hoch und niedrig, arm und reich, den lebhaftesten Widerhall gesunden hat. (Großer Beisall ) Wir Deuisch-Amenkaner dürsen mit vollem Rechte Line« von na« sagen: uniere Lieb« zu dem alten Baterlande da» der treuen Loyalität und Bürgerpflicht, welche wir dieser Republik, unserem neuen Baterlande, schulden, niemals im Wege gestanden. Wie lies der Deutsch-Amerikauer auch jede« Unglück beklagt, welche« da« alte Vaterland getroffen; wie herzlich er auch über leben deutschen Sieg im Felde und jeden Fortschritt in der nationalen Entwickelung ge» jubelt: wie hoch er auch die großen Männer gepriesen, welche da« deutiche Volk au« seiner Zerrissenheit und Schwäche der Einheit ent- gegengesühit — seien sie nun Könige oder Minister oder Feld herren oder volkesübrer; wie warm auch seine Wünsche sein mägen sür da- küustige Gedeihen der Freiheit und Macht der deutschen Ration: — uie ist e« dem Deutsch-Amerikaner in den Kinn gekommen, die Bereinigten Staaten von der alten, weisen Politik der Fernhallung von europäischen Angelegenheiten ob- drängen, sie zur Beeinflussung de« Gange« der Dinge im alten Baterlande versühren oder ihre Neutralität in den Händeln der alten Welt im Geringsten compromitiiren zu wollen. (Beisall.) E« hat un« Genüge geiha», die alte, natürliche und beiderseitige ersprießliche Freundichast zwischen den Bereinigten Sioaten und Deut'chland zu hegen und zu pflegen, und c« ist unser Aller heiße ster Wunsch, daß diese Freundichast wie in der Vergangenheit, so in aller künitigen Zeit sorigrünen und blühen möge. (Stürmischer Beisall.) Da die« unstreitig so ist, so düisen wir un« dem Geiühl, welche« wir der alten He»»aih bewahrt haben, auch al« loyale amerikanische Bürger um so rückhaltloser hingeden. (Beifall.) Manche von Ihnen kennen unzweisilhaft die Empfindung, welche Denjenigen beschleicht, der nach langer Abwesenheit den Loden de« deutschen GedurtSlande« wieder betritt; wenn er wieder die Lust athaiet, die ihn in der Kindheit umweht; wenn er die Strohdächer und die rothen Ziegel der alten heimischen Dörfer au- dem Grün der umgebenden Obstgärten w edererblickt; wenn er di« Wälder und Felder und Ströme und Berge und Burgen wtedersieht, die einst seine jugendlich« Pdantasie bevölkerte. Nicht Wenige von un« sind ja über die ersten Iugendschwärmereien hinan«, «der schämen wir »»« dessen nicht, wenn bet dem Anblick drr alten Heimath unsere Herzen lebhafter schlagen und da« Blut wärmer durch die Adern rollt, und man »»« Deutschen nachsagt, daß wir niemals aufhören, rin wenig sentimental zu lein. (Beisall.) Da« weiß ich, daß Jeder Von Ihnen mir von Herzen beistimmt, wenn ich jetzt wiederhole, wo« ich ost auSgerasen: „Da« alte Deutschland ist doch ein wunder schöne« Landl" (Enthusiastischer minutenlang anhaltender Beisoll.) Sie erwarten gewiß von mir hier keine eingehende kritische Beleuchtung der politischen Zustäade Deutschland«. Nur Eine« Mächte ich hervorheben. L« ist eiue bekannte Thatsache, daß der Deutsche im Au«laadc nur die bedeutenden Ereignisse, die hervor ragenden Resultate, die großen Entwickelungen in drr Geschichte de« alten Baterlande« in« Auge faß» und an den Fragen minder ougen- sälligec Bedeutung, welche die Streitpunkte zwischen den Parteien bilden, verhälinißmäßig wenig Interesse nimmt. Wenn er nun, al- Deutsch-Amerikaner zum Beispiel, da« dortige Wesen im Detail beobachtet, so findet er. daß mit den Anschauungen und Denkweisen, die ihm in der freien Bew gung unsere« hiesigen Gemeinwesen« ein- gewachsen sind, Manche« nicht übereinstimmt und Einige« gar seltsam controstirt. Er findet, daß dort die Bewegung in der Richtung freier Staat-eiarichiungen langsam und zögernd erscheint, — nicht allein in den regierenden Kreisen, sondern, wa« ihm merkwürdiger vorkommt, auch in dem Verlangen, den Wünschen einer Mehrheit des Lolke«. Weitere Beobachtung entdeckt den erklärenden Zusammenhang. Wer aus die Be schichte der deutschen Zerrissenheit, Ohnmacht und Schmach zurückblickt, die dem Jahre 1866 vorherginq, al« der Deutsche al« solcher kein Vaterland halt« und Deutschland nur ein geographi scher Begriff war; al« mancher Patriot in trcstloser Seldstironie da« eigene Elend veripottete und die Zukunft nur wie »ine öde Wiederholung der Bergaoqenheit vor sich sah — wer sich dessen erinnert und dann betrachtet, wie plötzlich, in wenigen Jahren, die zeriisseoea Fetzen in eia große«, wuchtige« Ginz-- verwandelt worden sind, — wie der »tust so arme deutsche M chel mit einem Ruck die alte Zipfelmütze abgeworfin hat und »un aus einmal öl et» Mann dasteht, der den Boden Europa« zittern ni'cht, weun er den Fuß aus die Erde stampsl (stürmischer Beifall) wer da« betrachtet, der kann e« sich wohl erklären, daß da« deuische Bolk mit einem Stolz, der nicht ganz frei von Bewunderung >st, von brr ueuea Errungenschaft erfüll, ist - daß die nauonale Idee und die Sorge um die Erhaltung und Befestigung de« Errungenen alle andere» politischen Interessen überragt und überschattet; daß dem großen Staatsmann, dem „eisernen Kanzler" (Händcklalscheu), von dem da» Bolk sich sagt, daß oh»- sein Genie, seinen Muth und seine Thatkrast da» Große nicht vollbracht worden wäre, eine enthusiastische, in elazelnen Fällen soft fanatische Anhänglichkeit bewahrt und Folge geleistet wlrd; daß dieser große Staatsmann tu der Thal der mäch- tigste Minister geworden lst, den die Geithichte von Jahrhunderten gesehen hat, mächtig nicht dlo« in der Gunst feine« Monarchen, oder über die Staaiömafchiue, oder über eine Partei, sondern über da« Herz und den Geist von Millionen — eine Autorität ausübend nicht allein über den willen, soader» selbst über die Gedanken de« Volke«, so durchschlagend, so absolut, wie sie selten ein Sterblicher besefs.n (Beisall). Der politische Instinkt eine« Volke« saßt gewöhnlich nur einfache und naheliegende Ziele zur Zeit in« Auge. Da« deutsche Bolk ist in der Periode der nationalen Eoniolidirung begriffen. Erst wenn e« sich an da« Errungene al« etwa« Selbstverständliche« und Gesicherte« gewöhnt hat, wird e« mit voller Undlsangenheit de« Urtheil« sich weiteren Problemen hingeben. (Beisall.) E« ist mir vergönnt gewesen, zwei größeren Scenen von ge- schichtlicher Bedeutung beizuwohnen, welche sür die nationale Ent wickelung bedeutsam waren. Die eine trug sich zu in den, berühmte» Weißen Saale de« königlichen Schlosse« in Berlin. Es war die Eröffnung de« erste» Reichstag« unter dem jungen Kaiser Wilhelm II. Ich sah dort den deutschen Kaiser umgeben von den Fürsten des Reich« und unter diesen Fürsten Mitglieder von Dynastien, deren einige in nicht gar sernliegender Vergangenheit durch kleinlich selbst- süchtigen Ehrgeiz die traurigste» Eapitel der Geichichie drvischer Zer- riflenhett gefüllt batten, und die jetzt, der nationalen Bewegung folgend, in den Hochruf aus den deutschen Kaiser einstimmten und Io der deutschen ReichSeinhei« ihre Huldigung dardrachten. (Beifall.) Die andere Scene spielte sich ab in der schönen Stadt Hamburg — ich sage der „schönen", denn man könnte sie vielleicht die schönste der deutschen Städte nennen. (Beifall.) Sie muffen mir'« zu gilt halten, wenn ich von Hamburg mit einer gewissen persönlichen Wärme spreche, den» ich bin, wenn auch nicht ein Hamburger Sohn, doch, so zu sagen eia Hamburger Schwiegersohn. (Beisall) Dort wurde mir da« schönste Glück de- besten DbeilS meine« Leben« geboren; dort iahen meine Kinder auf einem öffentlichen Platz da« Denkmal >bre«Groß vater« stehen, eine« der tüchtigsten und nützlichsten Bürger jene« Gemeinwesen« in der ersten Hälste diese« Jahrhundert«, und dort leben mir jetzt noch besonder» liebe Verwandte und Freunde in ansehnlicher Zahl — In Hamburg war'«, der freien Hansestadt, in weicher der alte unabbängige Bütgerstolz noch in frischer Blüibc steht, dort war'«, wo der deuische Kaiser zum Feste de« Zoll- anschlusse« erschien. Ich lab die Straßen. Brücken, EanLle, User, Fenster und Dächer mit einer Volksmenge gefüllt, die man aus mehr al« zweihunderttausend Köpfe anschlug. Ich sah diese« Volk dem jungen Kaiser mit brausendem Euthusiatmu« en«gege»iudeln nicht seinem angestammten Herrscher, denn Hamburg ist nie drr preußische» König-grwalt untergeben gewesen — soadern dem Haupte de« Reich«, der verkörperten Erscheinung der nationalen Einheit und Größe. (Beisall.) In Berlin die Huldigung der Fürsten, tu Hamburg die nationale Begeisterung eine« freien, an eigene Regiernng gewöhnten Volke«. (Beifall.) Aber e« ist nicht allein die politisch nationale Entwickelung, e« ist auch die ökonomische, die Veränderung in der Physiognomie de« Lande«, die dem Besucher in Deutschland in die Augen fällt. Er sieht Städte von einem Wach«ihum an Menschenzadl, Ausdehnung und Pracht, welche« ein Messen mit amerikanischen Maßstäben wohl vertragen kann. Er sieb» Berlin, welche« nicht allein die Hauptstadt eine« großen Reich«, sondern da« finanzielle Lentrum de« euro päischen Lontineniö geworden ist. (Beifall) Er sieht eine Ent- saltung der Industrie, welche nur eine« langen Frieden« bedarf, um sich den größten Dheil de« Weltmärkte« zu erobern. (Beifall.) Er sieht einen Handel, der seine Arme immer weiter über alle Meere auSftreckt. Er sieht freilich auch Brmuth, genug und zu viel. Aber der unbesangene Beobachter kann sich dem Eindruck nicht ver- schließen, daß sich der allgemeine Kohstand in den letzten Jahr- zehnten in Deutschland bedeutend gehoben bat. und daß, wa« von dem Verschwinden de« Mittelstände« gesagt wird, in Deutschland wie anderswo eine Fabel ist. (Beisall.) Er findet in fast allen Elaste» der Grsellschast ein Krastgesühl, eine StrebenSlust, eine Energie, die nicht verfehlen können, bei ungestörter Eniw ckelung Deutschland nicht nur in militairiicher, sondern in ökonomischer Beziehung weitaus an die Spitze der kontinentalen Nationen zu stellen. (Großer Bestall.) Wohl mag e« sein, daß da« alte Vaterland neuen Prüsungen entgegengeh». Die wärmsten Wünsche und Hoff- nungen der deutsch geborenen Bürger Amerika« werden ollweg mit ihm sein. Mögen ihm die Segnungen de« Frieden« lange erhalte» bleiben — und r« ist nicht nur meine, sonder» di« allgemeine Ueber- zeuqung, daß jeder Deutsche, vom Kaiser und Kanzler di« »um lrmften Bauern die Erhaltung de« Frieden« ehrlich wünscht. (Lauter Beisall.) Möge sich seine nationale Einheit und Machtstellung ungeschwacht erhalten und befestige». Und möge sich in dem fest aufgebauten Houie ein freie«, dem Cha rakter und llulturgrad« de- deutschen Balte« entsprechende- SiaatSleben entwickeln — nicht nach bloßer theoretischer Schablone oder bloßem fremden Muster, sondern herau-wachlend an der Denkweise, den Sitten, den geschäftlichen Borau«ietzungen, den Bedürfnissen der deutschen Ration — (brausender Bestall), denn nur so entstandene Sta t-elnrichiungen baden seile Dauer und ieqeu-reiche Wiikung. »Wiederholter Beifall.) Un« aber, den Deutsch-Amerikanern, liegt die Pflicht ob, auch in unseren Leben«- kreiseu die Ehre de« deutschen Namen- dochzuvalten. Da« werden wir nicht thun, indem wir al- Deutschgedorene un» blo« testen rühme«, wa- von linieren EtomnieSgenossen Große« gethan worden ist ober gethan werden mag. Wir weiden e« tdun, indem wir in un« die besten Züge de« amerikanischen Charakter« vereinigen. (Großer Beisall.) W r werden e« thun, indem Jeder von un« als treuer patriotischer Bürger dieser Republik nach Kräften und mit eh-lichem Streben Da- zu ersorschea sucht, wa« da« allgemeine Interesse erheischt, und dann, seiner rechtschaffenen Ueberzeugung mannhaft solgeud, seine ganz« Pflicht thut. W r können uns de alten Baterlande« nicht bester würdig zeige«, all indem wir zu de- neuen Baterlande« besten Bürgern zählen. — (Langanhalteader Beifall.) Entscheidungen des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) I-. Leipzig, 17. December (Majeftät-beleidigung.) Die „Nordhauser Zeitung" brachte in ihrer Nummer vom 13 Juli d. I. einen Artikel, welcher mit den Worten begann: Der Pariser „Matm" läßt sich au« Berlin folgende Sensation-ent« berichten. Nach Mit- theilung de« Berichte« folgte noch eine redaktionelle Notiz, in welcher der Entrüstung über den französischen Bericht Au-druck gegeben wurde. Der Bericht selbst ging dahin, daß Fürst Bi-mirck dem Kaiser Wilhelm 1. eine Darlegung über die auswärtige Politik, be stimmt sür seinen Enkel, zuqestellr habe, daß wider sein Erwarten diese« Schriftstück in di« Hände de« Laster« Friedrich und dann nach England gelangt sei, wodurch drr deutschen Politik große Schwierig keiten eutstonben seien. Da die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung' von dieser französischen Nachricht edensall« Notiz genommen hatte, glaubte der Rcdacteur der (freisinnigen) „Nordhäuser Zeitung", vr. kühne, edensall« unbedenklich in seinem Blatte die Angelegenheit zur Sprach« bringen zu können. Ec glaubte ui» so weniger irgend Jemanden dadurch zu beleidigen, al» er durch die Bor- und Nach bemerkung keinen Zweifel darüber auskommen ließ, daß er die Nach- richt al« unwahr und verwerflich ansehe. Während dir ,.Norddeutsche Allgemeine Zeitung", die allerdings den französischen Aitikel etwa« gemildert wiedergegeben hatte, unbehelligt blieb, wurde vr. Kühne von der „Nordhäuier Zeitung" wegen Majestäiebeleidigung angeklagt und am 10. Oktober de-tzalb zu Feftungshast verurtheilt. E« wurde eine Beleidigung de- Kaiser« Wsth.lm II. und seiner Mutter al- scstg stellt erachtet. Zwar wurde dem Angeklagten geglaubt, daß er nicht die Absicht der Beleidigung gehabt habe, ober da« Bericht hielt e« für erwiesen, daß er sich de« beleidigende» Charakter« der Notiz bewußt gewesen sei. — Herr vr. Kühne hatte gegen da« Unheil Revision eingelegt, welch« in der heule vor dem 3. Strasienate de- Reichsgerichte« staltgeuabten Verhand lung von Herrn RechtSanwalt vr. Scheeren vertreten wurde. Der selbe nahm in erster Linle daraus Bezug, daß da« Rc,ch«gericht iu einem früheren Unheile ,u«geiprochen habe, in der weiteren ver- drritung derartiger Aeußerungeu könne unter gewissen Umständen eine Majeftät-beleidigung nicht gesunde« werben, wenn mit Rücksicht auf den offensichtlichen Zweck der Weilerverbreitung das Bewußtsein der Beleidigung ausgeichlosten erscheine. Ein solcher Fall ober, be merkte er, läge hier vor. Der Angeklagte habe sich aus den 8 183 berufen, indem er behauptete, er habe die kaiserliche Familie gegen die französischen Insinuationen in Schutz nehmen wolle». Wenn aber da« Landgericht diesen Einwand alS unbegründet zurückgewiksen habe, so habe e« den Geist jener R>ich«gerichk«-Enllcheidung ver kannt. Beleidigungsklagen gegen französische Blätter anzustellen, sei au« Verschiedenen Gründen unthunlich. aber den französischen Ver- leumdungen müsse in Deutschland entgegengelretcn werden, und die deutsche Presse befinde sich daher im Stande der Nothwehr. Wolle i»an eine solche Noihwehr nicht anerkennen, so würben später in der Geschichte solche tendenziösen und lügenhaften Nachrichten, well unaiigesochten, sür wahr gellen. E« sei deshalb noth wendig, daß solche Nachiichten tiefer gehängt würden. Ueb>i,en« werde da« allgemeine Recht-bcwußlseln e« aufsillend finde», daß die Wiedergabe desselben Berichtes in dem einen Blatte ftrosbar, in dem andercn Blatte dagegen nicht strafbar seit, solle. — Der Reich«» »Walt erwiderte hieraus Folgende«: E« ist möglich, rast hier und da die heutige Entscheidung als eine präjudicielle an- gesehen werden wird, allein, wenn die« der Fall st», so doch nur deswegen, weil die Leute den Slrasproceß wenig kennen, denn sonst würden sie zu dem Resultate kommen, daß dem Reichsgerichte nur die Ausgabe obliegt, zu untersuchen, ob in Nordhausen eine Maje- stät-beleidigung sestgestellt ist oder nicht. Sine weitere Tragweite kann da« Uitheil nicht hoben; denn dadurch, daß dieser Artikel ab geurtheilt wird, kann man sür einen andern Artikel, der mit diesem nicht einmal irrntisch ist, gar nicht« folgern. Lin besondere« ge schichiliches Interesse knüpft sich an die Adurtheilung de» Nordhäuser Blatte- nicht. WcShalb der Herr Bertheidiger geglaubt hat aus- führen zu müssen, daß unser Kali r wehrlos wäre, wenn nicht andere Blätter, namentlich die Nordhäuser Zeitnna, sich seiner an- nehmen, kann ich nicht recht einiehen. Glücklicherweise hat da« Kaiserhaus noch andere Mittel als gerade das Nordliäuser Blatt, um sich gegen derartige Angriffe zu verlheidigen. Wer politische Geschichte studiren will, der wird sich wohl dazu nicht gerade des Nordhäuser Blatte« bediene», da« zu einer Presse gehört, deren Charakier er doch kennen must. EiwaS anderes ist e« mit der Frage, ob Wiederholungen von Beleidigungen keine Belei digungen sind. Der vom Herrn Berideidiger ongezogene Au-sviu-h de« Reich-gerichls trifft dann nicht zn, wen» der criminelle DoluS anstandssrei sestgestellt ist. Festgestell» ist, dost eine Beleidigung vorhanden ist, wenn auch nicht die Absicht dabin ging, zu beleidigen. Wenn der Angeklagte auch nicht den ipeciellen Willen gehabt hat, z» beleidig-», so ist er sich doch Nich den Feststellungen bewußt gewesen, daß der obgedruckte Artikel beleidigend war und daß er ihn trotz de« beleidiginben Inhalts veröffentlich! hat. Wenn er sich daraus berusen hat, daß er dem Artikel ein Bor- und Nachwort gegeben bat, womit er eine gewisse Verwahrung einlegen wollte, so kann ihn das nicht entschuldigen. Da könnte schließlich jeder Redacieur, der seinen Lesern eine pikanle Waare vorsetzen will, es ebenso machen und sich dadurch gegen die strasrechllichen Folgen seines Thuns decke». Sobald der Dolus ei». want«srei sestgestellt ist, kan» über das llrlheil des Reichsgerichts ein Zweifel nicht entstehen. E« bleibt noch die Frage übrig, ob der 173 anwendbar war, allein in dieier Beziehung ist die Praxis des eichsgerichl« 'seststekeiid. und danach war die Anwendung jene« Paragraphen ausgeschlossen. — Da« Reichsgericht pflichtete diesen Ausführungen bei unb verwarf deshalb die Revision als unbegründet. vermisch tes. Halle a. S. 18. December. Mit heute nahmen die Borstellunqeu de« Vr. Han« Hcrrig'sche» We>b»acht«sesl- spiele« „Die Christ»acht" im große» Saale VeS „Prinz Carl" hierseldst ihre» Anfang. Die heutige Vorstellung, vo» ca. 2000 Personen, säst durchweg Schülerinnen ver hiesigen Schulen, besucht, ging unter der bewahrten Leitung de« Heirn Oberregisseur Kafka trefflich von Statten. Im Ganzen siiiven kt Borstellungcn, darunter 3 K»ikeroorstelln»gen. statt, der Reinertrag wird gleichmäßig zn», Besten de« Pestalozzi Zweigverein« Halle und der Halleschen Waisenstislung ver wandt. 2m Ganzen wirken a» 80 P rsonen (Lehrer, Lehrerinnen, Bürger und Mitglieder des hiesigen Turnverein» „Friesen") mit, die keinerlei Kesten dafür in Ansatz bringen. — In da« hiesige Gerichlsgesängniß wurde gestern ein tkjähriger Bursche. Namens Fleischer den hier, cingelieseri, der in der letzten Zeit nicht weniger kenn 20, lheil« leichte, tkeilS schwere Diebstähle anSgesührl bat. Die aus Läden, Wehiiräumen, Keller» rc. entwcndelc» Sache» repräscnliren einen Werth ve» zusammen ca. lOOO Eine Anzahl Per sollen kamen wegen diese« Burschen in Verdacht, die Dieb stähle anSgesührl zu haben, ein Glück daher sür diese Leute, daß der Bursche endlich - erniitlelt ist. — In der Boden kammer eine« Grundstück« i» der Fnedricbstraßc fand man beule einen von auswärts nach bicr gekommenen Barbier- gehilse». >8 Jahre alt, erhängt vor Der Leben-müde hatte sich auch noch die Pulsadern durchgeschnille» --- Stuttgart, 17. December. Die Jury der Welt ausstellung in Barcelona hat der Firma Ed. Loeslunv in Skull gart sür ihre ohne Zucker coirdensirke und sterili- sirte M lchconserve, die unter dem Namen Reine Aigauer Nahm-Milch im Handel ist, den höchsten Preis, die Goldene Medaille, zuerkannt. — Diese Milch ist jetzt bei den meisten großen Daiiipsergesellschasten an Stelle der Schweizer Zuckermilch im Gebrauch; von keutschcn Linien ist c« vor Allem der Norddeutsche Lloyd »n B>einen, der seine »ach Oilasien fahrenden Dampfer niil Loeslniik'scher Misch versiebt; dieselbe verträgt die Reise um die Welt ob»« die geringste Verände rung unb bietet zu jeder Ze l und in jede», Klima de» Ge nuß einer anögezeichnele», reinen und fettreichen Aipcnmilch. Ans dem Geschäftsverkehr. 1 Unter denjenigen Festqeschcnken, de einem praktischen Zwecke dienen sollen, ist ein Hut immer eine willkommene Gabe, gn dieser Hinsicht bietet die bekan iie Firma „Theodor Rostner", lieichsstraße Nr. 6, eine gros,artige Auswahl; He rrenhütc, stets und weich, in de» neuesten Formen »»d Farben und z» olle» Preisen; Knabcnbüle und K »abcninützen. Mädchenhüte in duiiderterlel reizenden Mustern sieht man n» Schausenster ausgestellt. Wegen vorgerückter Saison werde» die garnirtcn Damen Hute z» sehr reducirten Preisen auoverkaust, eine günstige Gelegenheit, einen solchen zu erwerben. Eine Specialiläi der Firma sür die Weihnachtszeit ist der Artikel Puppe» und Puppcnhüte, die in großartiger Auswahl ausgestrlli sind. Ein Besuch diese« Etablisse ment« ist daher bestens zn kinpsehlcn. Tatzgätzchen Rr. 7 — parterre — Ln »ro» I Stage (Fabrik Joachimsthal bei Carlöbad). 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