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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189002224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900222
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-02
- Tag1890-02-22
- Monat1890-02
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1890
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Erfcketnt tLgltch früh 6'/, Uhr. i'rSaciion und Lkvrdttiou IohonoeSgaffe 8. Sprrchllundrn drr ttrdarNou: vormittags 10—12 Uhr. Nachmittag- b—6 Uhr. I ti tu »Iti«»»»« >ip,»t»»eln SNandrran, ««chl Sch Xet«cll»» ntch, vnS,nrtich. »„ i An»at«e der sür »ie nächftsalgen», Nummer bestimmten Inserate an Lüvchen»a>ru bl« S Uhr Nachmttiaa«, an Lanu» uu» Festtaaeusräh b>«'„9 Utzr. 3» drn Filialr» skr 3>ls.-^iinal»mr: c«ta »Ir««'» «,r«t». («lfre» Hahn). UaiverlitLiSiiraße 1, Lants Löschr. lkatharluenstr. 23 pari, und KöuigSplatz«, nnr bi, '/,» Uhr. 53. fwrigtrLagtblalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels' nnd Geschäftsverkehr. 2rvonnement»prei« vierteljährlich 4'/, Mk. iucl. vringerlobn ö Mk.. durch die Post bezogen Ü Mk. Jede einzelne stummer 20 Pk Bclegexemolar 10 P'. Gebühre» jür Extrabeilage« (in Daaedlati-Fai mal aesaliti ohne PolideiSroeru»g 60 Mk. nur Postbesölberung 70 Mk. Inlerate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schrillen laut uns. Prelöverzeichaiß. Tabellarischer u.Zifsernsatz »ach höher», Daril. Nerlamen anier dem RedacttanSstrich die 4ael-alt. Zeile LOPs, vor deagamiliennachrtchte» die 6 gespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind stet» an di« Exprdtttan t» sende». — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr»«uumer»ollo ober durch Post« Nachnahme. Sonnabend den 22. Februar 1890. 84. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 23. Februar, Bormittags nnr bis Uhr ccössnet. kxpeMlcm des I-elprlxer l'iureblattes. Amtliche Bekanntmachungen. Vkkailiitmchiiit-. In dem Kühlhause de» hiesigen Cchlachthosc- sind fämmlliche Kühlzellcn besetzt und weitere nicht mehr an. zudringen. Ta jedech bereit- mehrere Gesuche um Ueberlaffung von Ksthlrellc» vvrliegen, so habe» wir die Erbauung eine- tweilen Kühibause« für den Fall in Erwägung gezogen, daß sich eine genügende Zahl von Abnuelhcr» findet. Nähere Auskunft über die Zelieneinrlchtung, Höhe de- zu ralilenvcn MieihzinseS u. s. w. erlheilt die Dircction de» Vieh- und Schlachthose». Wir fordern daher Alle, welche Kühlzellrn erniiethcn wellen, insbesondere die Inhaber von Fleisehereien in den neuangeschlossenen, der. am I. Jannar I8ttt noch anjuschliestendcn Vororten nui, A»- nielciingeir wegen Ernuethu»g no» Zellen schrifllich oder nimidUch bis zum 31. März 1890 Nachmittag 4 Uhr bei der Dircclicn dcS Vieh- und SchlachthofcS anzubringen. Leipzig, cm 19. Februar 1890. Der Rath der Ltadt Leipzig. I». 1007. vr. Georgi. Rüling. Vrkanntmachung. Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kennlniß, daß die GschäflSstelle unserer Siadtwafferkunst am 24 d. Monat« von dem Stadlhaas« am Obstmarkt nach dem 1. Obergeschosie de« Gebäude» der alten Thoma-schul« verlegt werden und daß in Folge diese- Umzüge- die Lasse der Tladttvasser- kunst von» 24. bl» mit 27. diese» Monat» sslr allen Verkehr de» Publicum» geschlossen sein wird. Leipzig, am 19 Februar >890. Der Rath der Stadt Leipzig. I» l225. I)r. Georgi. Größe!. Ass. Vas Wahlergelttliß in Leipzig-Stadt. * ES aiedt im Böikcrlcbcn aus- und absteigende Perioden Aus die Zeit der Erhebung Pflegt im ewigen Kreislauf der Dinge eine solche de- Niedergänge- zu folgen. Eine solche Zeit de- Rückgänge- scheint da- Deutsche Reich auch gegenwärtig wieder durchwachen zu sollen. ES ist dem deutsche» Volk eben nicht beschicken, sich aus längere Z it der großen Ereungenschastc», sür die r» vor kaum zwei Jahr zehnten sein Gut und Vlul dahingegeben, in ungetrübtem Besitz zu erfreuen. Die Hydra der innere» Uneinigkeit erhebt aufs Neue lecker denn je ihr^aupt und die gedeihliche Fort' existenz de- Reiche- ist von einem unversöhnlichen Feinde bedroht. Diese traurige Thalsache lehrt uns mit unabweiS- licher Gewalt der gestrige Wahltag. Ncch liegen die Mil» lhcilungen über die Wahlergebnisse erst bruchstückweise vor, aber eS läßt sich daraus bereit- erkennen, daß eS der jahre- laiigeu MaulwursSarbeil der rcich-sciiiblicheu Partelen gelungen ist. in sinnverwirrender Weise aus die Geniülber der Wähler» maßen einzuwirken und große Erfolge zu erringen. Die vereinigten Ordnung-Parteien, so viel steht fest, Hab» starke Einbuße erlitten, der Sieger ist die socicilde», o- kra tische Nmsturzpartci, die heule in der Tkat Anlaß hat, in Freude und Jude! au-z»brechen. Man hatte ja bei dem Fanati-mu- der Socialdemokraten, der vor keinem Mittel mehr zurückscheut und da- allgemeine Wahlrecht dazu a»S. beutet, unter der Arbcilerbevölkerung die denkbar grüßte Unzufriedenheit zu erregen, wobei ihm äußere zufällige U»>> stäuve die Hand reichen, ein bedeutendes Anwachsen der socialdrmokratischc» Stimmen erwartet, wir aber gestehe» ganz offen, daß unsere Befürchtungen durch dir Wablresulkate weit Lbertroffen sind. ES mag vielleicht sein, daß unser Blick etwa» durch die Vorgänge m unserer nächsten Nähe, i» Leipzig und Sachsen, beeinflußt ist, die besonders geeignet sind, verstimmend zu wirke», indessen auch au- den übrigen Theilen de- Reiche- lauten die Berichte vor der Hand nicht besonder» tröstlich. Der Deutsche wird i» Bezug an seinen Charakter bekanntlich mit dem Spottname» de- dculschen Michel» gebänselt. Nun, der dculsche Michel mag Zusehen, wie er die Suppe, die er sich gestern eingebrockt hat, auch au-ißt. Ein leichte- Stück Arbeit, da« können wir ihn, bestimmt in Aussicht stellen, wird da« nicht werden, nnd ohne einige harte Püffe wird e» seiner Zeit nicht abgche», um ihn auS dem hypnotischen Schlafe, in den ihn die socialiftischr» Zauberkünstler versenkt habe», auszurülteln. Selbstverständlich wendet sich unsere Aufmerksamkeit in erster Reihe dem Wablergebniß in unserer Stadt Leipzig zu. Dasselbe ist so unerfreulich, als nur irgend möglich. Mil Denjenigen, die womöglich gar erwartet halte», Leipzig werde den Socialdemokraten wählen, rechte» wir natürlich nicht. Daß aber gestern vrr Thalkrast der re chtlreuen Wäblerschasl in Leipzig eS nicht gelungen ist, gleich beim ersten Anlauf den Sieg z» erringen, sondern daß wir erst noch ei»c Stichwahl zu durchkämpsen haben, um i» den Reichstag einen treu zu ikaiser und Reich stehenden Abgeordneten zu sendrn, da» gereicht Leipzig, r» muß da» offen herausgesagt werden, nicht zur Ebre. Es war zur Genüge bekannt, wie ernst die Candi- ratur Bebel z» nebmen sei. Ie mehr unsere Stadt einen industriellen Eharakter anninimt. desto mehr schwillt in ihr auch dir industrielle Arbciterbevölkerung an. welche so überau» enipsänglich slir Vi» Lockungen der Cocial- demokralie ist. Die Zeiten sind vorüber, in welchen », Leipzig der ruhige, solide u»o niemals von der Sache der Ordnung abweichende Bürger da» große Uebergewicht Halle; sür das Gegeatheil sorgt der stete Zuzug von auSwärt«. Und «uch die letzte Reuh«tag»wahl vor drei Jahren hatte sür drn Canbidaten der Socialkemokratie bereit« an 1 l 000 Stimmen ergeben. Um so beklagen-werther und unverantwortlicher war c» von Denen gehandelt, welche unter solchen Umständen in den Kamps in Leipzig zwischen den Ordnung-Parteien und den Socialdemokraten „och eine an und sür sich ganz aussichtslose ZerspIllteningS-CaaVidatur hineinwarsen. Die 257l Glimmen, welche der Candidat der sogenannle» Deut sch socialen er« halten bat, haben sich, darüber ist kein Zweifel zulässig, im ersten Wahlgang von den Ordnung-Parteien abgesplillerl, und ihnen allein dankt e» Bebel, daß er in unserer Sladl zur Etichwabl gelangt ist. Wa« aber haben die Deutschsccialen erreicht? Nicht-, gar nichlS, all ihr« Arbeit, alle ihre finanziellen Opfer sind vergeblich gewesen, wohl aber haben sie einer Wäblerschasl von 38 000 Personen die unter alle» Umständen alale Nolhwcnbigketl auserlcgt. nochmal» die Mühsal einer Wabbrwcgung durchmacken zu müssen. Bon der Sonder- candidalur der Deutschsreisinnigen, di« ja nicht einmal eine» Achtungserfolg erzielt hat, reden wir nicht weiter, da sie von ihren Urhebern ausdrücklich zu dem bos haften Zwecke ausgestellt war, eine Slichwabl berbeilnhrcn zu bcise». Wohl aber müssen wir eS den mehr als 4000 Wahl berechtigten. die ihre Stimmen nicht abgegeben haben, zum Borwurf mache», daß auch sie einen guten Theil der Schuld an dem unerwünschten Wahlausgang kragen. Wen» wenigsten- die Hälfte davon zur Wahlurne gegangen wäre und dem Cand,taten der Ordnungsparteien ihre Stimmen gegeben bätte, dann würden wir vor der Stichwahl bewahrt worden sein. Es ist geradezu unbegreiflich, wie Jemand, der nicht gerade durch Kraukbeit oder OrlSabwesenheil verhindert ist, an einem solchen Tage allgemeiner Aufregung rubig und glrichgillig zu Hause bleiben kann. E» brückt sich darin die Vernachlässigung einer patriotischen Pflicht auS, wie sie nicht stärker gedacht werben kann. Heute liegen die Dinge thatsächlich so. daß wir unS vor der Haupt- und Residenzstadt de» Lande«, von dem früher wegen seiner einstigen Wahl von Bebel angeklagkcn Dresden, verstecken »lüsscn. In Dresden sind sowohl IN Allstadt als in Neustadl eie Canbidaten der Cartelparkeien glalk gewäblt worben und die Socialdemokraten haben dort da» Nachsehen. Die Gesammthcit der Dresdner reich-treuen Wäblerschasl hat also wachsamer auf der Hut sür da» Baterland gestanden, als da» in Leipzig grschehen ist, und wir beglückwünschen sie dazu ans da» Herzlichste. Wenn einigermaßen daS mora lische Unrecht, in welchem sich augenblicklich die Stadt Leipzig befindet, wieder gut aemachl werden kann, so ist da« nur da durch möglich, daß vei der bevorstehenden Stichwahl der Candidat der Ordnung-Parteien mit möglichst großer M-ch» hcit gewählt wird. Wir hoben besonder« zu den Wählern, welche im ersten Mahlgang sür Herrn Fritsch stimmten, ca« Vertrauen, daß sic nunmehr die Ehre unserer Vaterstadt höher alS jede private Parleiliebhabcrct Hallen und am Wahltage Mann für Mann mit sür Herrn Gustav Goetz summen werten. Vor Allein richten wir aber auch an alle Diejenigen, welche am Donnerstag a» der Wahlurne nicht erschienen, die dringende Ermahnung, am Tage der Stichwahl sich ihrer Pflicht und Schuldigkeit gegen das Vaterland besser zu erinnern. Wem der Rus und die Ehre unserer Stadt Leipzig am Herzen liegt, der tritt als lhätiger Mit helfer nut ein in die Reihen Derjenigen, die bei der Stichwahl », geschlossener Phalanx unser aus seine Reich-treue bisher so stolzes und eifersüchtige- städtische» Gemeinwesen vor * *em traurigen Schicksal bewahren Helsen, daß eS künftig im Reichstag von dem Häuptling der Umsiurzpartci vertrete» wird. Wie würden alle Neider unserer Statt wohl in Spolt und Frohlocken verfallen, wenn eS hieße: In Leipzig ist Beb/l gewählt! Indessen wir wollen diese- Gespenst nicht weiter an die Wand malen, sondern ein sür alle/Mal sagen, daß da- nickt möglich ist. In Betreff der Wahlresnltate in Leipzig-Land und den übrigen sächsischen Wahlkreisen, die zum Theil „ob betiübeiltcr sind, verspüren wir un- die Betrachtungen aus die nächste Nummer. ES möge heute nur mitgrtbcilt sei», daß, wie die Leser wohl bereit- aus de» telegraphischen Mit- ih.iluiigcn in der letzten Nummer ersehen haben werden, die Eartelparteicn in Sachsen 6 Sitze an die Socialdemokraten verloren habe» und daß in 4 Wahlkreisen die sccialistischc» Canbidaten zur Stichwahl stehen. Vach den Wahlen. So weit da- Wahlergkbuiß vorliegl. laßt eS eine nicht unbeträchtliche Vermehrung der sccialdcmokratischcii Abgeord- netc» und die Notdivendigkeit einer großen Anzahl Stich wahlen erkennen. Manche Hoffnung der OrdnungSparlrien ist zerstört worden und ein staiker Zug nach links hin läßt sich nicht leugnen. ES wäre aber unberechtigt und voreilig, daraus aus einen Umschwung der polilischcn Meinungen im Deutschen Reiche zu schließe», da- Wahlergebniß wird viel- mel)r in der Hauptsache aus die Preise der Lebensrnittel rurückuisührc» sei». In dieser Beziehung ist die große Menge der Wähler außerordciillich empfindlich, und die Agilalore», welche aus die inaterielle» Interessen ihre Bemühung'» richte», haben immer leichte» Spiel gehabt. WaS man wttnscht. da- glaubt man, und dc-halb finde» Versprechungen, welche billigere LebenSmiltelpreise verheiße», viel eher Glauben, ai- alle Auseinandersetzungen über die Gründe, welche die Preissteigerung hervorgerusen haben. Statistische lieber, sichte», welche die Preisbewegung zum Gegenstände haben, werden nur von einem kleinen Theil der Leser beachtet, ui» so eifriger werden aber Schlagworte ausgrsaßt und weiter v-rbreilet, welche allgemein empfundene Ukbelstände betreffe». ..Gelrcidezölle.Branntwein-. Zucker- "»' Holzzölle kommen blvS den besitzenden Elasten zu G»le u»0 drücken dasür die Besitzlosen!" La» ist ein gefährliches Schlag- wort, da» überall gläubige Hörer findet u»d gegen da« sich schwer ausiimpien läßt. E» scheint ja so unzweisclliast. Io aus der Hand liegend, daß der Zoll den Preis steigern muß. daß man sich gar nicht die Mühe nimmt, darüber nach- zudenken, ob diese Prei-neig-runa »ennenSwerth ist »uv ob nickt vielleicht directe Steuern zur Ausbringung der NeichS- bediirsniffe weit lästiger und fühlbarer sein würde», ganz ab gesehen davon, daß die Schwierigkeit, richtige Teclaratwncn de- Einkommen» zu erhalle», nahezu unlösbar sind. Es ist ganz unzweifelhaft, daß die Wahlagitation, welche di» Preise der Leben-mittel ,um AuSgang-punct nahm, die Hanptnrsache de» Wahlergebnisse» ist. und daß olle sonstige» Schlüffe, de mau daraus ziehen könnte nnd sicher ziehen wird, den Thal- sacken widerspreche». Aber leider wird die Geiahr, welche burch da« Anwachsen der Socialbemvkratie erzeugt wird, des halb nicht geringer. Die Socialdemokraten und die ihnen nahestehenden Deukschsreisinnigen werden sich aus die Zahlen berufen und vamil den Beweis erbracht zu haben glauben, daß ihre Sache an Macht und Einfluß auf die Masten gewonnen hak. während sür unS nicht der geringste Zweifel darüber besteht, daß ein großer Theil der sür die Wahlcandivaten der Social- demokralie abgegebenen Stimmen von Leuten herrllhrk. welche dir socialistischen Lehren verwerfen und sich besten» dasür be danken würden, wenn Staat und Gesellschaft danach umge- staltct werden sollten. Die Gesinnung der Bevölkerung ist heute genau dieselbe, wie vor drei Jahren. Wenn man mit den Däblern der unteren DolkSclaffcn die Frage erörtert, ob sie vielleicht wünschen, daß die Truppenzahl vermindert werden soll oder ob unsere Flotte ihnen zu groß und zu kost spielig erscheint, dann wird man von der Mehrzahl eine ver neinende Antwort erhalten. Auch darüber herrscht volle Klarbeit im Volke, daß der deutsche SlaalSorganiSnmS ge sunder und widerstandsfähiger ist al« bei den meiste» onberen Staate». Auch so verbohrt sind die Allerwenigsten, daß sie wie Rickter, Bamberger und I>r Barth die deutschen Colo- nirn »> Afrika und i» der Südser wieder ausgegeben zu scheu wünschen, daß ihnen die ganz« Coloinalpolilik blo« als eine kostspielige Liebhaberei erscheint. Wir möchten wohl einmal die Probe machen, ob viele von den Wähler», welche in den beide» Leipziger Wahlkreisen Bcbel und Geyer ihre Stimmen gegeben haben, den Wunsch hegen, daß da« Deutsche Reich nach socialvemokratischem Muster umgejorint werde. Kaum zehn Prccent der Wähler dieser Kategorie sieht aus dem Standpuncl von Bebel und Liebknecht, und wenn Herr Bebel esse» sein will, so wird er sagen, daß er selbst nicht an die Möglichkeit glaubt, dqS Deutsche Reich zu socialisire» und die deutsche Arbeit nach socialistischem R cepl zu organi- strrn. Aber die Frage, ob sie wünsche», baß der Preis der LebenSmiltcl sich vermindere, werben alle socialdemokratischc» Wähler ohne Vorbehalt bejahen. Da- Schlimme dabei ist nur. daß die Erfüllung diese- Wunsches nicht von den Social- vemekralcn abhängt, welche in den Reichstag kommen, ebenso wenig wie von den Freisinnigen, und daß, selbst wenn da» herrschende Steuer- uns WirlbickaslSsystem abgcändert wülve, sich daran» wahrscheinlich ganz andere Wirkungen aus die LebcnSmittelpreise und auf die Verhältnisse der Besitzlosen er geben würten, al- diese jetzt auzunehiuen geneigt sind. Die Abgaben würden eine ankere Form erhallen, ob sic geringer sein würden, ist sehr zweisclhast. Es »st eine bekannte Erscheinung, daß zunächst die Wahl ergebnisse an» de» großen Slädten bekannt werden, und diese ,;-bea im A'lgemeinen kein richtig'- Bild von dem Gesamml- ergebmß. Soviel läßt sich freilich daraus entnehmen, daß der Sieg der OrbnungSparteien nicht so entscheidend ist. wie er vor drei Jahren gewesen ist. aber im Große» und Ganzen wird die Parlcwcrschiebung nicht so bedeutend sein, daß sich daraus ein Umschwung in politischer und wirtbschasllichcr Beziehung ergeben könnte. Tie Ziele, welche sich die ver- biinkelen Regierungen in der innere» und anSwärligc» Politik gestickt habe», werben auch unter dem neu gewählten Reichs tag fcsigehalten werden, eS liegt nicht der mindeste Grund vor, davon auch nur um HaarcSbrcilc abzuwcicheii. Unsere Heerc-vrganisalion stehl aus fester Grundlage, au welcher die Socialeciuokratcn im NeichSlage, und wenn sie auch einen beträchtlichen Zuwachs erhalten, ebenso wenig rütteln können, w:c die Freisinnigen eine andere Steuer- und WirthschastS- vber eine andere Colonialpelilik eiiizuführen vermögen. Wenn wir eS auch in, Interesse der Sache, welche wir ver- lrclc», gewünscht hätten, daß eS anders gekommen wäre, so haben wir koch gar keim- Veranlassung, mit Besorgniß oder gar miithloS in die Zukunft zu blicken. Die neue» Bahnen, welche unser Ihaikräsliger junger Kaiser ein- geschlagen hat, sind in der ganzen Wett als die richtigen ancrkannt worden, um die bestehenden Uebelständc zu be seitige» und den Anforderungen zu genügen, welche die vcr- änöcrlen Formen der industriellen Thäligkcit a» Staat und G sellschasi stellen. Die Einführung der Dampjkrasl und der Elektricität hat die LebenSsonnen verändert nnd die Ver mehrung der Bevölkerung hat den Kampf uni» Dasein ver schärft. Die Ansprüche der Gesaininlheil haben sich in Folge deS Fortschritt» der Menschbcit in einem Maße geüeigert. daß die Befriedigung dieser Ansprüche sich al» unausführbar er wiesen hat. Die Socialdeniokralie ist die Frucht dieser Ver änderungen. und die Gefahren, welche sie mit sich bringt, be leben weit niehr in dem Lärm der Führer, al- in den Ver- yällniffen nnd Zuständen, unter welchen wir heute leben. ES gilt, die Ansprüche der Besitzlosen aus da» richüge Maß zu beschränk-m und sic soweit zu befriedigen, als sich nut den Existenz! -ngungen Ver Gesammlhcit verträgt. An dieser gießen uno 'egenSreich.-n Alisgabe wird gegenwärtig gearbeitet, der gute W.üe. sie sachgemäß zu lösen, ist aus allen Seiten vorhanden, also wird da» Werk auch gelingen. * Leipzig, 22. Februar. * Die Vorlagen, welche de» zu ihrer Lorberalhung be- rusciien Altheilungen de« Staat Srathc» von Seiten der Regierung zu macken sind, sind ziemlich abgeschlossen und werden eheste»» d>n beiden Rcsercnteii zugehen. so daß die selben wahrscheinlich sofort beim Zusammentritt der Ab teilungen am 26. d. M. in der Lage sei» werden, in Jnnclio» zu treten. N .ch Durchberalhung der Vorlagen werden die Rescrenlen über die Verhandlung a» den SlaalSralh Bericht erstatten und alsbanii die Pl-nnrberalhnngen de» SlaalSralhS ans Berufung Sr. Majestät des Kaiser« beginne». * An- dcr »enesten bereit« von un- erwähnten Denk- ichrist der Bnsiedelung-commission sür Posen nnd West Preuße» geht hervor, daß im Jahre 1889 im Ganzen 8 größere Guter und 4 selbstständige Aauernwirlhichaslen angekauit worden sind. Hiervon enljallen aus den RegiernngS- bezirl Mar'en.oerbcr die Güter Groß-Tillitz >m Kreise Löbau und Zbrachlin im Kreise Schwctz mi« einer Gcsammk- släcke von 859 lia, auf de» Regierungsbezirk Bromberg die Rittergüter Czechy im Kreise Gnesen und Wysoka im Kreise Wongrewitz mit einer Gesammlsläche von 632 ba. au den Regierungdezirk Posen die RitterM-r D.-ulsch-Wilkc und Murke im Kreise LHa, SlawoSzewo !i» Kreise Iarolschin und Offowo im Kreise Dreschen mit einer Gesammlflächc von 3308 da; an GntSareal großwirlhschastiiche» Betriebe» wurden milhia im Jahre l889 erworben: 4800 I,a zu einem Kaujprrise von 3 268 250 an bäuerlichem Areal 38 Iia zu einem Kousrreise von 25 059 In, Ganzen wurden von l888 bl» End« 1889 40 898 bi» Rittergüter und Güter sür 24 281 408 und 1326 b» bäuerliches Areal sür 895 184 «4, zusammen 42224 b» für 25 176590 angekauft. Die Vordesitzcr der erworbenen Güter und Grundstücke gehörten sämmtlich dcr polnischen Natiena- »lät an. Angeboten wurde» der BiisiedelungScornmission im Jahre 1889 50 Gitter und 77 bäuerliche Grundstücke, davon auS polnischer Hand 27 Güter und 61 bäuerliche Grundstücke. Daß oer Umfang der Ankäufe 1889 geringer war als i» den Vorjahren, hat seinen Grund in dem Umstande, daß natur gemäß die Zahl der zu einem angemessenen Preise käuflichen Güter abnebmen muß u»v die nunmehr gewonnenen Er- ahrungen aus die Auswahl der Güter beschränkend einwirken. für tl GntScomplexe »nt eioem Flächeninhalte von 7017 Im wurden 1889 die AuslhcilungSarbeiten auSgesührt. Ta Seen. Torsbrüche und Forsten 1372 ln» einnahmen und sür öffent liche Zwecke 326 da au-aeschieden wurden, so konnten 5319 da Lande- zu 316 Änstevlerstellen vertheilt werben. Im Ganze» wurden bis jetzt 15 380 da ausgetheilt und daraus 88l Ansiedlerstellen geschaffen. Von diesen sind 34 Stellen größeren UmsangS, 98 von über 25 da. 320 von 13 bis 25 da, 338 von 4 bis 13 da und 75 bis zu 4 da. Eia wesenlliche« Hemmniß sür die schnellere Durchs«!,, rungl dcr Besiedelung sind die inangelhaslen Vorslulh- verhältmsse Ver zu besiedelnden Gitter; vor Einleilung der Besiedelung muß deshalb bei fast allen besseren Boden arten die Drainage auSgesührt werden. Im Jahre 1889 ineldcten sich iin Ga«r-a 604 Bewerber, nämlich 567 Be werber evangelischer Confessio» mit einem Durchschnitt-Vermögen von 6020 ^ und 37 katholische Bewerber mit einem Tnrck- chnitlSvermögcn von 4300 In de» drei Jahren 1887 biS 1889 wurde» zum Berkaus gestellt 754 Stelle»; davon ivurdcn von Ansiedlern 526 Stellen angckausl, 228 Stellen blieben Ende 1889 noch unbcgebcn. 358 Ansiedler bade» Renleiigitter erworben. Von den Eolonistcn stammen 128 ans Westpcenße», 136 au» Posen, 89 an« Schlesien, 48 an- Brandenburg. 27 auS Pommern. 18 a»S Westfale». 19 aus dcnl Rheinland u. s. s. D>e Bauthäligkeit dcr AnsiedelnngS- cviuniissio» ist weiter anSgedehnk worden; aus 2l verschiedenen Ansiedluiig-güleri, wurden Gebäude ausgesührl: 3 größere Wobnhäuser, 28 Wohnhäuser mit Stallung unter einem Lache, lO Wohnhäuser mit Skall und Scheune unter einem Dache, l3 alleinstehende Stallgebäude, 24 Scheunen, 3 Schmiebe- und 3 Kruggtbäudc und 5 Gebäude, welche Scheune und Slall unter einem Dache enthalten; von diesen 87 Gebäuden sind die meisten bereit» an Ansiedler verpachtet oder derkanst. Zur provisorischen Unterbringung der Ansiedler wurden 96 Holz- oaracken hrrgestellt. » * » * An die Wittwe de» Grafen Andrassy bat, wia schon erwähnt, der Kaiser von Oesterreich folgende- Beileidsschreiben gerichtet: „Liebe Gräfin! Ties erschüttert richte Ich diese Zeilen an Sie. nm Ihnen anläßlich de» Ableben» Ihre» unvergeßlichen Gemahls Meine innigste Theilnahmc au -zulorechen. Ich lühle dle ganze Größe diese» tiaurigen VeilusleS, welcher un» betroffen hat, dcnn in dem Vekklvigirn, n, welchem Sie den gelieblcn Gatten, das Vaterland aber einen seiner größien und besten Söhne beweint, betrauere auch Ich schmerzlich bewegt Meinen geliebten Getreuen, dcr mit leinen, bohen Geiste, vereint mit einem ritterlichen Cbarakler, durch eine Reihe van Jahren einer Meiner besten Berailier war und dcjs » großen, wndrhasi patriotischen und staatSnianiiiiche» Verdienste» in der ganzen Monarchie eine dauernde Anerkennung gesichert ist. T.r Allmächtig,: lindere Ihren und Ihrer Familie gerechten Schmerz, welchen Ich, da« Andenken deö Verewizlcn nnt dankbare» Gefühlen bewahrend, aulttchtig lheilk. Pest. 18. Februar 1890. Franz Joseph m. p." * Die in Pest gefaßten Beschlüsse de» MinisterralheS zur Verherrlichung deS Andenkens dcS Grase» Julius An drassy, welche im Abgeordnetenhaus« vom Ministerpräsidenten Ti-za bekannt gegeben wurden, haben allenthalben einen erhebenden Eindruck gemachl. Die Gesinnung, von welcher diese RegicrungSaction eingcgcbcn war, kommt am prägnantesten in dem Gesetzentwürfe zum Ausdrücke, welchen Herr v. T>Sza im Namen dcS GcsammlministeriuinS unlcrbrcitclc. Der Gesetzentwurf lautet: Ges tzentwlirs, betressrnd da» dem Grasen Julius Andrassy zu errichtende Denkmal. H 1. AlS Anerkennung der Verdienste, welaie Gras Julius Andraffn sich um de» Tbron und das Vaterland erworben bat, ist demselben in Pest auf Slaolstoste» ein Denkmal zu errichte». A. L MitderDurchiiihrunq dieseSGesetzeS wirddaöMinisterium betraut. Die kurze Begründung lautet: Ich erachte e« nicht für nothweudig. diesen Aesetzeaiwurs bcS Vesteren zu begründen. Jedermann weiß, welch' große Verdienste sich Gras Andrassy um das Zustandekommen, die Erhaltung und Festigung der Ueberkinslimmung zwischen Thron und Nation erworben bot; Jedermann weiß, wie viel er zue Förderung der gemeinsamen Jnleressen deS Thrones und dcS VlaateS gethan: Jedermann weiß endlich auch, wie würdig und mit welchem Ersolge er nachmal» i» der Eigenschast eine» Minister» deS Arabern der österreichisch- ungarischen Monarchie die Jnleressen dieser Monarchie und in tuest» die Interessen deS ungarischen Vaterlandes verirrten bat. D eie lteiimiiiß bestimmte mich zur Unicrbrrüung diese» Gesetzentwürfe», und ich ersuche das geehrte Hau», denselben gesalligsl anzunrhiil.n. Pest. 19. Februar I8't0. Kolonial, TiSza, Minister-Präsident. Es war ein weihevoller Augenblick, al» Herr v. TiSza VaS Couvert, welches diese Vorlage in sich barg, aus de» Tffck de- Hanse- niederlcgte. Soivobt i»r Magnatenbause wie im Ubgeordnetenhanic Ware» die Mitglieder zahlreich er schienen. die meisten in Trauerkleidern. — Im Ober bau sc Verla- der greise, nunm>hr vom hohen Alter gebückte Präsi dent Baro» N>kolan- Bay eine Rede, welche den Lebenslauf Andrassy'« in knappen Zügen schilderte und seine »laiinig- sackcn Verdienste pric«. Besondere Beschlüsse hat daS Ober bau- »'chl gefaßt. Im Abgeord»rlc»ba»sc bätte Pechy die Trauersitzung beinahe »in alle Weihe gebracht, so unzulänglich waren seine auS di,sein Anlässe gesprochenen Worte. Minister- Präsident TiSza. die Führer dcr Opposition, Gras Albert Apponyi und Daniel Irauyi. sorgten jedoch tajür. die Schwäche der Präsikial-Knnegebnng durch ihre Worte zu decken. Herr v. T>«za Ihcilte die Borschläge de» Minister- raiheü mit, die einhellig genehmigt wurden. Gras Apponyi äußerte z» denselben im Namen seiner Partei die rückhaltlose Zustimmung, während Iranvi nur bezüglich de« Dcnkmal- grsetzeS bcmerkle, daß seine Partei sich ihre Entschließungen nach dieser Richtung noch Vorbehalte. Hieraus vertagte sich da- Hau- bi- Montag. * Von de» zwei Seelen, welche i» dcr „Neuen Freien Presse" wohnrn, hat sich wieder einmal, wahrscheinlich i„- jolge de- Fasching-, die undentsche durch TacNvsigkeilcn aiiSgezeichnet. Um die neuen Erlasse de« Kaiser- Wilhelm ll. zu loben, versleigt sich ein Leitartikel zu gröb lichen Besch,mvsungen dcr deutschen Armee, während ein
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