W H BEILAGE ZU NR. 7 DER »TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands Vorsitzender: Artur Grams, Berlin C 54, Gipsstraße 12, III rechts. Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberüber, Berlin-Neukölln, Bergstraße 76/77, III Juli 1924 * Sechzehnter Jahrgang * Nummer 7 Die hannoversche Sprache Von Georg Schräder, Hannover In den verflossenen Jahrzehnten wurden die verschiedenen Mundarten oft ver ächtlich angesehen, und es wurde alles getan, um sie zum Verschwinden zu bringen. Es galt als fein, nur Hochdeutsch zu sprechen. Die Gleichmacherei feierte Triumphe, nicht nur auf dem Gebiete der Sprache, sondern auch auf allen andern Gebieten: der Baukunst, der Kleidung, der Schule usw. Deutschland war in der Rolle des Emporkömmlings, der die alten Lebensformen, die die Wurzeln seiner Kraft bildeten, verachtete und sich mit Gewalt eine neue Kultur aneignen wollte. Das, was im Laufe der Jahrtausende organisch gewachsen war, wurde als unpassend beiseitegeworfen. Das neue Kleid paßte aber nicht, man merkte überall, daß der einzelne noch nicht hineingewachsen war. Man braucht nur daran zu denken, daß wohl die meisten Volksgenossen überhaupt nicht richtig Deutsch sprechen, obwohl wir die so hochgepriesene Volksschule haben. Dabei ist aber nicht zu bestreiten, daß die einheitliche Sprache unbedingt not wendig ist; bildet sie doch das stärkste Band, das die Deutschen umschlingt. Die Förderung des Hochdeutschen verträgt sich aber sehr wohl mit einer sorgsamen Pflege der Mundarten. Auch heute noch hat das Hochdeutsch seine Wurzeln in den einzelnen Mundarten und zieht seine Kraft aus diesen. Bei den meisten der wirklichen Dichter kann man ohne weiteres aus ihrer Sprache erkennen, aus welcher Gegend sie stammen. Man braucht nur an Raabe oder Keller zu denken. Wieviel neue, glückliche Ausdrücke hat Spitteier uns geschenkt, diemeist auf seine Schweizer Heimat zurückgehen! In den letzten Jahren haben die Mundarten eine starke Förderung erfahren. Um nur ein Gebiet zu betrachten: wir haben eine Entwicklung der plattdeutschen Lite ratur erlebt, die zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Aber das Plattdeutsche ist im Begriff, eine reine Literatursprache zu werden. Im Volke selbst wird nur noch r wenig Plattdeutsch gesprochen, und dieser Niedergang des Plattdeutschen ist wohl 1 nicht aufzuhalten. Auf den Dörfern sprechen die Kinder jetzt meist nur noch Hoch deutsch, das sie in der Schule lernen, und nach ein paar Jahrzehnten wird das I Plattdeutsche als lebendige Sprache wohl verschwunden sein und nur noch in der I Literatur fortleben. In den Städten, die ja mit dem Lande eng verbunden sind, ist es natürlich genau so. Auch hier werden die Mundarten zurückgedrängt, das Hochdeutsche triumphiert. Hier ist die Mundart im Begriff, zur Sprache des niedem Volkes herabzusinken. Die ältera Leute sprechen wohl noch Dialekt; wenn sie ausgestorben sind, wird y er wohl auch verschwunden sein. Es sei nun die Sprache in der Stadt Hannover betrachtet.