BEI LA GE ZU NR. 10 DER »TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands t Vorsitzender: Artur Grams, Berlin C 54, Gipsstraße 12, III rechts. Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberüber. Berlin-Neukölln, Bergstraße 76/77, III Oktober 1924. * Sechzehnter Jahrgang * Nummer 10 Etwas von der ostpreußischen Mundart Von Gustav Hüllmann, Berlin. Die ostpreußische Mundart ist nicht eigenwüchsig wie die andern deutschen Mundarten, sie ist vielmehr entstanden aus der Verschmelzung mehrerer deutschen Mundarten zu einer neuen. Aber sie hat doch ein so fe-tes und bestimmtes Eigen gepräge, daß sie mit Recht den Dialekten der alten deutschen Reichsteile gleich gestellt wird. Um 1500 wurden zur Urbarmachung und Besiedlung des Preußenlandes von dem Orden der Deutschritter Kolonisten aus Deutschland herbeigerufen; vorwiegend kamen die Ansiedler wohl vom Niederrhein und aus Niedersachsen und gaben dem Ostpreußischen den Charakter des Niederdeutschen. Der Name Löbenicht (ein Stadtteil in der Hauptstadt Königsberg) weist unmittelbar auf Köln hin. Im Um kreise von Königsberg, besonders in der südlich gelegenen Landschaft Natangen, wird »nd« oft wie »ng« gesprochen, so heißt es»Lingenau« statt Lindenau, »Kinger« für Kinder. Dieser eigenartige sprachliche Vorgang deutet auf das Niedersächsische hin, wo bekanntlich in der Koseform die Endung ing gebraucht wird: Kinning (Kindchen). In Königsberg selbst hört man statt Löbenicht auch Löwening. Das Preußische zerfällt in mehrere Mundarten und weist vielfache Verschieden heiten und Abweichungen auf. In dem ehemals polnischen Ermeland und im Kreise Elbing wird eine eigentümliche, mehr oberdeutsche Mundart gesprochen, das so genannte Hochpreußisch, das von schlesischen Kolonisten herrühren soll. Allen ge meinsam ist aber die gedehnte, breite Aussprache. Im Hochpreußischen sagt der Bürger, der vor dem Großreinemachen ins Wirtshaus flüchtet: »Wo sull ich blaibe? Drübe mache se rain!« Auf dem Lande und in den kleinen Städten spricht man vorwiegend Plattdeutsch. An der Sprachgrenze des Hochpreußischen und des Plattdeutschen treffen sich zwei Jungen; der Plattdeutsche sagt: »Jung, piep moal!«, der Hochpreuße antwortet: »Pfaif du!« — DerElbinger nennt seine Heimat Albing oder auch Aulbing, der Dan- ziger die seine Donzig oder Daunzig. Wie der Königsberger seine Stadt ausspricht, läßt sich nicht leicht wiedergeben, etwa: »Keenigsberg«, auf das scharfe e nach dem K folgt ein schwach klingendes e. In »Keenig'berg« stellt die Hausfrau den »Kees« (Käse) auf den Tisch. Das betonte kurze e wird oft tief aus der Kehle heraus geholt und klingt fast wie a; daher wird dem Ostpreußen oft im Reich nachgesagt, daß er »Arbsen mit Spack für das Baste« halte, und der Mensch aus Königsberg wird zum »Mansch« aus »Keenigsbarg«. Östlich von Königsberg kann man stellen weise bemerken, daß hinter den konsonantischen Anfangsbuchstaben ein j einge schaltet wird, vorwiegend bei Ortsnamen. Die Dörfer: Böttchersdorf und Senkler- krug spricht man z. B. dort aus: Bjettchersdurf, Sjenklerkrug— ein Vorgang, der ans Russische erinnert, auch im Mecklenburgischen beobachtet werden kann.