mancher Regel auch von uns zu begrüßen wäre. An Brauchbarkeit würden die Regeln dadurch mir gewinnen. Professor Dr. Paul Schumann in Dresden ist einer jener Nachdenklichen: ein praktischer Schulmann, dem beim Unterrichten der Schüler der Widerspruch zwi schen Sprachregel und Sprachwirklichkeit oft schmerzlich offenbar wurde. Seiner vor einigen Jahren erschienenen Broschüre »Deutschtum und höhere Schulen« hat dieser wahrhafte Freund unsrer Muttersprache ein sehr lehrreiches Kapitel: »Sinn und Unsinn im grammatischen Unterricht« als Anhang beigegeben, worin er einige dieser »Unstimmigkeiten« schonungslos aufdeckt. Unter anderm geht er auch der von den Grammatikern aufgestellten Regel, daß das Subjekt des Satzes immer im Nominativ stehen muß, in herzerfrischender Weise zu Leibe und verlangt ihre Einschränkung, wofür er durchschlagende Gründe in vielen der Regel entgegen stehenden Beispielen beibringt. Man muß zugeben: die Logik hat er dabei gewiß auf seiner Seite. Zur Beurteilung dieser Regel, sagt Professor Schumann, betrachte man folgende Sätze: Dieser Zwischenfall wurde in der Folge von keinem Mitglied der Familie je wieder erwähnt — dieses Zwischenfalls wurde von keinem Mitgliede je wieder gedacht. — Das Ereignis wurde eifrig besprochen: über das Ereignis wurde eifrig gesprochen. — Der Mann kann aus seiner Not befreit werden: dem Manne kann geholfen werden. — Wer wird dadurch gefördert -— wem wird dadurch genützt? — Ich friere — mich friert. Diese Sätze unterscheiden sich paarweise in ihrem Inhalte so gut wie nicht, nur in der Form. Es kann aber kein Zweifel sein, daß das Satzhaupt (Subjekt) in jedem Falle dasselbe ist: dieser Zwischenfall: dieses Zwischenfalls — das Ereignis: über das Ereignis — der Mann: dem Manne — wer: wem — ich: mich. Das Satzhaupt steht ebensogut im Wesfall, im Wemfall, im Wenfall wie im Werfall, es kann auch in einem Hauptworte mit Verhältniswort bestehen. Auch die Umwandlung eines Tatformsatzes in einen Leideformsatz spricht für diese Anschauung: genau so, wie ich einen wenfälligen Tatformsatz in einen Leide formsatz verwandeln kann, wobei das ergänzende Hauptwort zum Satzhaupt wird, genau so ist dies bei wesfälligen und wemfälligen Tätigkeitswörtern und bei solchen mit Verhältniswörtern der Fall, z. B.: Der Staat schützt die Denkmäler: die Denk mäler werden vom Staate geschützt. — Sollte das Ministerium dieser Anordnung nicht entsprechen ...: sollte dieser Anordnung vom Ministerium nicht entsprochen werden. — Diese Art Hilfe schadet dem Bittsteller mehr als sie ihm nützt, dem Bittsteller wird durch diese Art Hilfe mehr geschadet als genützt. — Die Buch händler sollen an dem Normalpreis von sechs Schilling festhalten: an dem Normal preis von sechs Schilling soll von den Buchhändlern festgehalten werden. -— Die deutschen Bühnen gedachten des Gluck-Jubiläums: des Gluck-Jubiläums wurde von den deutschen Bühnen gedacht. Man ersieht auch aus diesen Beispielen: das Satzhaupt steht je nach der Fall- haftigkeit des Tätigkeitswortes im Werfall, Wes-, Wem- oder Wenfall, mit oder ohne Verhältniswort. Der Wenfall ohne Verhältniswort kommt in der hochdeutschen Schriftsprache allerdings als Satzhaupt kaum vor, wohl aber im Plattdeutschen. Da hört man: Wen is vor? (== Wer ist vorn?) Man sagt da auch: Du bist einen dummen Kerl. Wer will oder kann einem Plattdeutschen nachweisen, daß er falsch spricht? Man kann nur sagen: Der hochdeutsche Sprachgebrauch ist anders. Bekanntlich hat man nun das Wörtchen es erfunden, um die Regel vom Satz haupt im Werfall aufrechterhalten zu können; also: es wurde über das Ereignis nie mehr gesprochen, es kann dem Manne geholfen werden (wem kann [es] ge holfen werden?), sollte (es) dieser Anordnung vom Ministerium nicht entsprochen werden usw. Ja, wer spricht so in Deutschland? Nur die Grammatiker!