haupt die Schriftsprache im allgemeinen als eine Hüterin der Sprache in Wort und Schrift anzusehen ist. 2. Verschiedene soziale Einrichtungen und Gebräuche bleiben auch nicht ohne Einfluß auf die Sprache. In Tahiti zum Beispiel werden keine Wörter gebraucht, die irgend wie mit dem Namen des Herrschers oder mit dem seiner nächsten Verwandten in Zusammenhang stehen. (Offenbar will man den geehrten Namen nicht entweihen.) Für die so vermiedenen Ausdrücke werden neue erfunden. — Ein andres Beispiel: Den Kaffemweibem ist verboten, Wörter zu gebrauchen, die an den Namen eines männlichen Verwandten anklingen. Dafür müssen Wörter erfunden werden, die zunächst nur von den Weibern, dann von der Familie und, wenn sie erst ein gebürgert sind, allgemein gesprochen werden. — Bei den südamerikanischen In dianern herrscht bei Männern und Weibern die Sitte der Wortverdrehung zur Belustigung von Gesellschaften. Diese spaßhaften Ausdrücke gehen schließlich in den allgemeinen Gebrauch über. 3. Der Glaube an ein zukünftiges Leben beeinflußt gleichfalls in manchen Gegenden die Sprache. So vermeidet man die Namen der Verstorbenen aus Furcht vor ihrem Erscheinen. Beispielsweise wurde in Madagaskar beim Tode des Häuptlings Rano. dessen Name Wasser bedeutet, für das Wort Rano der Ausdruck Metschaka = Feuch tigkeit angewandt. — In Polynesien unterliegen viele Gegenstände dem »Tabu«, d. h. der Heiligerklärung. Weil diese nicht mit ihrem wahren Namen genannt werden dürfen, müssen dafür neue Bezeichnungen erfunden werden. 4. Offene Feindschaften verwandter Stämme führten dahin, daß man gebräuchliche Ausdrücke der Gegenpartei vermied; deren Lieblingsgegenstände wurden mit Ab scheu behandelt, und für sie wurden neue Ausdrücke erfunden. 5. Die geographische Trennung verwandter Völker durch Bodenbeschaffenheit, vor allem hohe Berge, blieb auch nicht ohne Einfluß auf die Spracheinheit. 6. Neigung zur Bequemlichkeit kann auch für die Sprachveränderung in Betracht kommen. So ist zum Beispiel aus dem griechischen episkopos (lateinisch episcopus) das französische evique, das italienische vescovo, das spanische obispo, das portugie sische bispo und das deutsche Wort Bischof entstanden. — Aber nicht nur die Form, sondern auch die Bedeutung manches Wortes hat im Laufe der Zeit Veränderungen erfahren. Das lateinische Wort jovialis, von Jovis abgeleitet, bedeutete ursprünglich »Göttliches«; heute hat »jovial« die Bedeutung »lustig, gemütlich«. Das Wort Elend (Unglück, Not bedeutend) hieß althochdeutsch ali-lanti oder auch eli-lendi und bedeutete »in einem andern Lande« oder »aus einem andern Lande«. Danach war also ein »Elender« nicht ein Kranker, sondern ein Ausländer. — Auf diese Neigung zur Bequemlichkeit dürften auch die sehr von der Schriftsprache abweichenden süddeutschen Dialekte zurückzuführen sein. 7. Boden und Klima fallen teilweise auch für die Sprachbeeinflussung ins Gewicht. Wie Sprachforscher feststellten, bevorzugen Bergvölker harte Laute, währendVölker der Niederungen und Küsten sich weicher Laute bedienen. Zusammenfassend kann betont werden, daß unschöne Dialekte und Sprachver- wilderungen in niedriger Kultur ihre Ursache hatten, während die höhere Kultur der Zersetzung und den Auswüchsen in der Spracheinheit und -reinheit vorbeugt Und zu dieser Aufgabe sind wir in besondrer Weise berufen. Verschiedenes Eine Lanze für »Belange«, ln der Märznummer des vorigen Jahrgangs unsrer »Fachmitteilungen« bekämpfte Kollege A. Meyer (Dresden) mit Recht die allzu häufige Anwendung des Fremdworts »Interesse« und zeigte an mehreren Beispielen, IO