STÄNDIGE BEILAGE ZU DEN »TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN. Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands Vorsitzender: Artur Grams, Berlin C 54, Gips>traße 12, III rechts. Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberüber, Berlin-Neukölln, Bergstraße 76/77, III August 1926 * Achtzehnter Jahrgang * Nummer 8 Zum »Jammer in unsrer Rechtschreibung« O Von Gustav Hüllmann, Berlin Tn Nummer 4 und 5 der »Fachmitteilungen« spricht Kollege Max Sahlmann über den »Jammer in unsrer Rechtschreibung«. Die folgenden Zeilen enthalten keine Entgegnung auf seine Ausführungen, sie bilden vielmehr den Versuch, in einer kurzen Betrachtung und an einigen Beispielen eine Erklärung dafür zu finden, in welcher Weise Abweichungen von der Schreibweise Dudens entstehen und wo die Widerstände gegen die amtliche — oder sagen wir zunächst noch: halbamtliche — Rechtschreibung zu suchen sind. Wir wollen hier ganz absehen von den Anzeigen. Sahlmann trifft das Richtige, wenn er sagt: »Von einer einheitlichen Schreibung ist liier ganz und gar keine Rede.« Im großen und ganzen kann man behaupten, daß der Auftraggeberzufrieden- gestellt ist, wenn die gedruckte Anzeige den bezahlten Text in der üblichen Schreibweise wiedergibt und keine Verstöße gegen Firma oder Anschrift enthält. Es wird aber immer Geschäftsleute geben, die aus diesen oder jenen Gründen an ihrer eigenen Rechtschreibung unbedingt festhalten und für eine andre Auffassung nicht zu haben sind. Dagegen läßt sich nicht gut ankämpfen. Im Laufe der Zeit setzt sich schließlich auch die Schreibweise einer bestimmten Ware durch, aber es entstehen täglich neue Handelsartikel, und mit ihrer Einführung beginnt das Spiel immer wieder von neuem. Das ist wie eine Schraube ohne Ende. Nun zu den Werken und Zeitungen. Die Hindernisse, die hier einer einheitlichen Schreibung entgegenstehen, sind zurückzuführen auf wissenschaftliche, anders geartete Anschauungen, auf manche weitverbreitete volkstümliche Ausdrucksweise, die sich schwer ändern läßt, und ferner auf Neu- und Umbildungen in der Sprache. Greifen wir für den ersten Fall zum Beispiel das Wort » Aszese« heraus. Es handelt sich dabei gewiß nicht um einen alltäglichen Ausdruck; hin und wieder wird er aber doch einmal angewandt. Professor Harnack — dem man einige Sach- verständigkeit wohl nicht absprechen kann — und bedeutende Philologen lehren und schreiben »Askese«, und es bleibt fraglich, ob sich Dudens Schreibung dieser Auffassung gegenüber jemals gänzlich durchsetzen wird. Man hört auch sonst oft genug von wissenschaftlicher Seite: »Den Duden habe ich auf dem Schreibtisch liegen und mache von ihm Gebrauch, aber ich kann nicht alles ohne Einschränkung anerkennen.« Der Herausgeber eines Werkes, der Verfasser eines Aufsatzes ist meistens mit unsrer Rechtschreibung einverstanden, aberdannkommtdochein Wort,daser genaunach Manuskripthaben will: »Wenn die Schreibung nicht genaunach Manuskript erfolgt, dann glauben die Leser, daß ich eine andre wissenschaftliche Auffassung habe, und das muß ich vermeiden«, so oder ähnlich lautet in solchen Fällen die Begründung der abweichenden Schreibweise. Betrachten wir nunmehr ein alltägliches Wort, allgemein verbreitet und viel angewandt, dessen Aussprache und Schreibung der Vorschrift Dudens widerspricht: