STÄNDIGE BEILAGE ZU DEN »TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN i 1 n [Z h >2 n tß w id 9 V £« 9 s tov am Faclimitteilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands Vorsitzender: Hans Grunewald, Berlin S59, Fichtestraße 52. — Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberüber, Berlin-Neukölln, Bergstraße 76/77, III Oktober 1926 * Achtzehnter Jahrgang * Nummer 10 7lir Rparhtnncrl Der auf dem Sechsten Deutschen Korrektorentage 2 o ’ der Zentralkommission der Korrektoren Deutschk zum Vorsitzenden Deutschlands im Verbände der Deutschen Buchdrucker gewählte Kollege Hans Grunewald, Berlin S 59, Fichte straße 32. hat am 1. Oktober d. J. sein Amt angetreten. Alle für die Zentraikommission be stimmten Zuschriften organisatorischer und tariflicher A rt sind nunmehr an ihn zu richten. — Für die »Fachmitteilungen« bestimmte Zuschriften sowie Anfragen bei Zweifelsfällen in Sprache und Rechtschreibung richte man nach wie vor an den Schriftleiter, dessen Anschrift am Kopfe der »Fachmitteilungen« vermerkt ist. (Den Anfragen ist Rückporto beizufügen.) Er siedelte über — er übersiedelte Eine Streitfrage zwischen Nord und Süd Kürzlich hatte ein im »Neuen Wiener Journal« beschäftigter Kollege die Kor rektur eines von Frau Dr. Elsa Bienenfeld verfaßten Aufsatzes zu lesen. In diesem Aufsatz kam der Satz vor: »Er (nämlich Konradin Kreutzerl übersiedelte von Wien nach Riga.« Der Wiener Kollege korrigierte richtig nach Duden: »Er siedelte von Wien nach Riga über.« Von der Verfasserin des Aufsatzes erschien andern Tages folgende Notiz in dem genannten Journal: — »Er übersiedelte. In dem Aufsatz ,Da leg’ ich meinen Hobel hin . . stand der schöne Satz: ,Konradin Kreutzer siedelte von Wien nach Riga über. L Ich stelle fest, daß ich ,üb er siedelte 1, geschrieben habe, aber vom Korrektor nach den sogenannten offiziellen Sprachvorschriften Dudens und Wustmanns das zusammengezogene ,übersiedelte 4 in das nachklappernde ,siedelte über 4 zerlegt wurde. Meinem Sprachgefühl nach muß es trotzdem nicht ,siedelte über 4 , sondern ,übersiedelte 4 heißen. E. B.« Damit nicht genug, folgte bald darauf in derselben Zeitung von Frau Dr. Bienen feld unter der Überschrift »Die Ehe der Silben« ein längerer Aufsatz, in dem sie weit ausholend zu begründen versuchte, daß und warum einzig und allein »er über siedelte« richtig, »er siedelte über« dagegen zu verwerfen sei. Da diese sprachliche Auseinandersetzung in einem mitunter recht netten Plauderton gehalten ist und schließlich eine Verständigung über »übersiedelt« oder »übergesiedelt« zwischen Nord und Süd doch einmal zustande kommen muß, drucken wir den Aufsatz hier ab. Frau Dr. Bienenfeld schreibt: Die deutsche Sprache verfügt über eine Institution, die ebenso fragwürdig ist wie die Ehe: die zusammengesetzten Zeitwörter. Eine Gruppe der zusammen gesetzten Zeitwörter hält fest wie eine gute Ehe, nichts kann sie auseinander bringen. Eine andre Gruppe nimmt es mit der Treue so wenig genau wie Ibsens Nora, jeder Teil fühlt das Bedürfnis, sich selbständig auszuleben, bei der geringsten Veränderung der Konjugation läuft eins vom andern weg. Man kann dann die Be standteile mühsam zusammenklauben. Einer dritten Gruppe der zusammengesetzten Zeitwörter ergeht es wie den Dispensehen in Österreich. Sie wissen nicht, ob sie vor dem Gesetz zusammenbleiben dürfen oder auseinander müssen. Die Schul meister der Sprache verfügen mit richterlicher Autorität die Trennung, während