STÄNDIGE BEILAGE ZU DEN »TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN Fachmi Heilungen für die deutschen Korrektoren Herausgegeben von der Zentralkommission der Korrektoren Deutschlands Vorsitzender: Hans Grunewald, Berlin S59, Fichtestraße 32. — Verantwortlicher Schriftleiter: Friedrich Oberüber, Berlin-Neukölln, Eergstraße 76/77, III Dezember 1926 * Achtzehnter Jahrgang * Nummer 12 Titel- und Namenbiegung Von Alfred Meyer, Dresden Wir geben hier wieder einmal einem Mitarbeiter das Wort, der auch früher schon seine abweichende Meinung in sonstigen Sprach- und Schreibgepflogen heiten vertreten hat (vgl. zum Beispiel »Fachmitteilungen« Jahrg. 1921, Nr. 7; Jahrg 1922, Nr. 7; Jahrg. 192+, Nr. 12). Wenn wir ihm nicht immer zu folgen vermögen, so liegt das wohl nur an unsrer Rückständigkeit. Die Schriftleitung. DerSchriftleiter unsrer Fachmitteilungen hat wiederholt die Meinung vertreten, daß Firmen und Titel stets gebogen werden müssen. Wenn er sich zur Stütze seiner Ansicht auf die amtlichen Sprachregeln (? »Amtliche« Sprachregeln gibt’s leider nicht. Schriftl.) berufen hätte, würde ich ihm nicht widersprechen. Da er aber so gelassen das Wort ausspricht: »Wer andrer Meinung ist, entbehrt jedes Sprachgefühls oder versteht wenig von der deutschen Sprache«, so zwingt er mich zur Verteidigung meines Sprachgefühls und meiner deutschen Sprachkenntnis. Bevor ich das Trennende betone, will ich das Einigende hervorheben. Auch ich würde nicht sagen oder schreiben: Direktor der Deutsche Bank, des Geheime Rat, des Herr Oberbürgermeister. Auf Leute, die das für richtig und gut halten, trifft Kollege Oberübers Kennzeichnung vollständig zu. (Na also! Die betreffende Be merkung im »Fragekasten« war doch gerade durch die vom Kollegen Meyer an geführten Fälle veranlaßt. Schriftl.) Man darf sich in der Sprache nicht zu weit von der Allgemeinheit entfernen, da diese sonst niemals nachkommt. Das Sprechen in Formen, die von der Gesamtheit abgelehnt werden, wirkt lächerlich und er stickt den guten Kern. Die Biegungs-Endung beiHerm und bei Eigenschaftswörtern wegzulassen, widerstrebt jedem gesunden Sprachgefühl.Dennoch gibt es Ausnahmen. Tch halte für durchaus richtig: Die Leipziger Neueste Nachrichten schreiben. Durch Neuesten würde der Titel unnötig falsch wiedergegeben und Irrtum erweckt. Sage ich: Hast du schon die Neuesten Nachrichten gelesen?, dann könnte man denken, daß ich irgendwelche neu aufgetauchte Meldungen meine. Spreche ich aber: Hast du schon die Neueste Nachrichten gelesen?, dann weiß jeder, daß die Zeitung Neueste Nachrichten gemeint ist. Nur nicht zu schulfuchsmäßig! Wenn aber Kollege Oberüber weiter schreibt: Niemand sagt in der lebendigen Sprache: der Bericht des »Lokalanzeiger«, dann trennen sich unsre Wege. So sprechen sehr viele, und mit vollem Recht. Das Biegungs-s ist überflüssig und klingt schlecht. Den Wesfall deutet doch schon das Geschlechtswort an; man braucht daher den Fall nicht noch durch Anhängen der Biegungs-Endung kenntlich zu machen. (Also weg mit dem Wesfall-s beim Dingwort! Schreiben wir: des Pferd, des Tisch; denn den Wesfall läßt doch schon das gebogene Geschlechts wort erkennen! Schriftl.) Es geschieht ja auch nur den heiligen Regeln zuliebe und weil ein veralteter Sprachgebrauch es vorschreibt. Was ist denn Sprach gebrauch? Nur die leidige Gewohnheit, nicht selbständig zu denken und sich an