Der Phototypograph Ständige Beilage zur Zeitschrift .Typographische Mitteilungen' Berlin, Dezember 1932 Heft 12 Ludwig Schierle, Hamburg I. Preisgruppe Klingt es nicht ein wenig überheblich, wenn wir von photo- typographischer Plakatkunst sprechen? Aber reden wir nicht auch heute noch allen Ernstes von der Buchdrucker kunst? Warum sollen wir also unser Licht unter den Scheffel stellen und in unangebrachter Bescheidenheit bei unserm Schaffen nicht auch von Plakatkunst sprechen? Wenn man sich die phototypographischen Plakate des Internationalen Plakatwettbewerbes der Büchergilde Gutenberg betrachtet, von denen in diesem Heft nur eine kleine Anzahl abgebildet werden konnte, so drängt sich doch wohl bei vielen der Gedanke auf, daß wir es auf dem Gebiet der Phototypographie eigentlich schon ein ganz gutes Stüde weiter gebracht haben. Es ist doch noch gar nicht so sehr lange her, seit wir uns mit der Phototypographie besonders intensiv beschäftigten. Um so erstaunter mußte man sein, bei diesem internatio nalen Wettbewerb eine so große Anzahl phototypographischer Plakatentwürfe zu finden. Welcher Beliebtheit sich die Photographie in der heutigen Zeit bei unsern Kollegen erfreut, beweist am besten die Tatsache, daß selbst solche Kollegen an die Lösung der phototypographischen Entwurfsaufgabe herangingen, denen die Gelegenheit zum Vergrößern ihrer Aufnahme fehlte. Sie halfen sich dadurch, daß sie nach dem von ihnen geschaffenen Bild die Vergrößerung aquarellierten. Allerdings wird man ein derartiges Verfahren nur dann an wenden können, wenn man die nötige zeichnerische und malerische Befähigung dazu hat. Wo diese Voraussetzungen zutreffen, da war das Ergebnis durchaus befriedigend. Zwei treffende Beispiele dafür sind die auf den beiden folgenden Seiten wiedergege benen Verkleinerungen jener phototypographischen Plakatentwürfe, die in die erste Preisgruppe mit eingereiht wurden. Die Kollegen können sich durch Augenschein selbst davon überzeugen, daß hier das Fehlen einer photographischen Vergrößerung durch gutes Aquarellieren äußerst geschickt und mit großer Kunst überbrückt wurde. Die Bewertungs kommission hatte keine Veranlassung, derartige Arbeiten aus der phototypographischen Gruppe herauszunehmen und sie in das Gebiet der Zeichnung zu verweisen, weil die kleine Originalphotographie dem großen Entwurf beigegeben war. Bei dem Entwurf „Freude am Alltag” zeigte es sich sogar, daß die aquarellierte Zeichnung für die Reproduktion in Tiefdruck weit besser geeignet war als die photographische Vergrößerung. Dieses Plakat ist nämlich neben einigen anderen ausgeführt worden. In der hier gezeigten verkleinerten Wiedergabe wird man nicht ohne weiteres eine aquarellierte Zeichnung erkennen; man wird vielmehr auf Photographie raten. Das ist aber ein guter Beweis für die künstlerische Durchführung der Arbeit selbst, der wohl kaum jemand den ersten Preis aberkennen wird. Es wird hier durch ein Weg gezeigt, wie eine an sich phototypographische Arbeit größeren Formats mangels einer geeigneten photo- graphischenV ergrößerung auch auf zeichnerischemW ege hergestellt werden kann,wenn der betreffende Kollege über das nötigeKönnen verfügt.Die Idee also ist phototypographisch, während die Ausführungzeichnerisch, oder vielleicht besser malerisch, durchgeführt werden kann. Wer also beide Techniken beherrscht, das heißt wer photographieren und zeichnen oder malen kann, wird am meisten im Vorteil sein und bei entsprechenden Arbeiten seine wertvolle Arbeitskraft in den Dienst unseres schönen Berufes stellen können und damit Erfolge erzielen.