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Ständige Beilage der „Typographischen Mitteilungen " DerSprachwart Monatsblätter für Sprachpflege und Rechtschreibung Fachmitteilungen für die deutschen Korrektoren 19.JAHRGANG MÄRZ 1927 NUMMER 3 Profellor Eduard Engel als rechtlchreiblicher Eigenbrötler Im Februarheft des „Uhus“, eines im Ullftein- Verlag in Berlin erfcheinenden „Monatsmagazins“, veröffentlicht Profellor Eduard Engel einen fechs Seiten umfaffenden Auffatz unter der Uberfdirift: „Das falfche Deutfeh im Duden.“ Um die allgemeine Aufmerkfamkeit auf diefe Veröffentlichung des be kannten Schriftftellers zu lenken, hatte der rührige Ullftein-Verlag den größten Teil des Engelfchen Auf- fatzes fchon vorher, am 29. Januar, in der viel- gelefenen „B. Z. am Mittag“ abgedruckt. Wer aber wirklich eine Aufzeigung des „falfchen Deutfeh“ im Duden erwartet hatte, wird nach dem Leien der mit lo großem Tamtam angekündigten Ausführungen des Profeffors Engel lehr enttäulcht gewelen fein. Der einzige Vorwurf, der Duden wegen feines „falfchen Deutfeh“ gemacht wird, befteht darin, daß diefer das fogenannte Knufperchen nicht „Kex“ (fo Engel!), fondern Kek benannt wiffen will. Im übrigen gefällt fich Engel in wütenden Aus fällen gegen die amtliche Recbtfchreibung und gegen den hervorragendften Ausleger diefer Rechtfehreibung: Duden — ohne freilich viel Beweife für die Berechti gung feiner Schimpfkanonade beizubringen. Engel ärgern hauptfächlich die Schreibweifen „Thron“ und „ich fahre rad“ fowie die Trennung nach Sprech- filben (Sdirei-bung). Das wird dem Lefer recht augen fällig in Form einer abgebildeten Schiefertafel mit Kreidefchrift vorgeführt, worunter die entfprechenden Bemerkungen abgedruckt find. Einige weitere Aus führungen richten fich dann noch gegen die Klein- fchreibung in flehenden Wendungen, gegen die Groß- fchreibung der Anredefürwörter in Briefen und gegen die Schreibung des Wortes Lorbeer. Ferner bemängelt Engel die unterfchiedliche Groß- und Kleinfchreibung der von Perfonennamen abgeleiteten Eigenfchafls- wörter (ciceronianifcfae Beredfamkeit, katonifche Strenge, Salomonifche Gefetzgebung, Sixtinifche Madonna, pythagoreifcher Lehrfatz, voltaifche Säule), er tritt für die Schreibweife „Büro“ (anftatt: Bureau) ein und verurteilt die Regeln über das Auslaffungs- zeichen. Damit habe ich alles Wefentliche auf gezählt, was Engel am Duden mißbilligt. Nun ift es ja kein Geheimnis, daß auch wir Buch drucker, und befonders die Korrektoren, an der gegenwärtigen Recbtfchreibung fo manches auszu fetzen haben. Das ift in unferm Fachblatt wieder holt zum Ausdruck gekommen. Auch wir ftreben eine Vereinfachung mancher zu verzwickten Unter- fcheidungen an, befonders aber eine noch größereVer- einheitlichung. Und hier fcheiden (ich unfre Wege ftreng von den. Pfaden, die Engel einzufchlagen be liebt. Zur genauen Kennzeichnung, wohin die Fahrt nach dem Wunfche des Profeffors Engel gehen foll, gebe ich den betreffenden Teil feiner Ausführungen hier wörtlich wieder: „So könnt ich noch viele, viele Seiten lang mit Beifpielen fchulmeifterlicher, vielmehr behördlicher Willkür — die Schule gehorcht ja nur der Behörde —- aus dem fürchterlichen Duden fortfahren, wenn ich nicht die öde Langeweile folches Aufzählens von Tor heiten fürchtete. Ich habe auch die angeführten Bei- fpiele nicht zur Belüftigung oder zum Ärgernis der Lefer vorgeführt, fondern ich möchte nützen. Gefühlt wird die Unerträglichkeit der fprachmeifterlichen Hudelei, die in dem Namen Duden zufammengefaßt ift, von Unzähligen; aber der Einzelne ift dagegen machtlos. Ich will aufrufen zu einer entfchloffenen Umkehr auf dem Wege der Knebelung jeder ver nünftigen Freiheit in unfrer Rechtfehreibung. Die Allgewalt des von Willkürlichkeiten und wirklichen Fehlern ftrotzenden Duden muß gebrochen werden. Ordnung und Einheitlichkeit im Wichtigen find not wendig, peinliche Kleinigkeitskrämerei aber ift nicht notwendig noch nützlich, fondern eine Pein für alle Schreibenden, befonders für die Schüler. — Eine neue Beratung über die deutfehe Rechtfehreibung muß jetzt, nach 25 Jahren der Dudenfchen Büttelei, ver- anftaltet werden. Richtfchnur für folche Beratung muß fein: Freiheit in allem Nebenfächlichen, Freiheit in allen unentfehiedenen Zweifelfragen. Möglichfte Zufchüttung von Fehlerquellen dadurch, daß man überall, wo es ohne jeden Schaden zuläffig ift, zwei Schreibungen für gleichberechtigt erklärt. Was ift richtig oder richtiger: Lorber oder Lorbeer? Ich weiß es nicht und fchäme mich meiner Unwiffenheit nicht; ich bin mit ihr in fehr großer und fehr guter Gefell- fchaft. Ich fchlage im Duden nach, finde Lorbeer und bin fo klug als wie zuvor. Ich hatte geglaubt, Lorber fei ebenfo gut, und ich glaube das auch nach der Be lehrung aus Duden. Was in aller Welt liegt daran, ob ich, ob ein Schüler, ob ein Gelehrter Lorbeer oder Lorber fchreiben? Wenn gar nichts darüber gefagt, nichts befohlen, nichts verboten wird, fo wird die Weltordnung nicht im geringften geftört, und der deutfehen Bildung gefchieht nicht der kleinfte Schaden.“ Hier muß dem Herrn Profeffor mit aller Deutlich keit und beftimmt gefagt werden: Wir bedanken uns