Volltext Seite (XML)
Ständige Beilage der „Typographifchen Mitteilungen" DerSprachwart Monatsblätter für Sprachpflege und Rechtfehreibung Fachmitteilungen für die deutfehen Korrektoren 19. JAHRGANG BERLIN/JULI 1927 NUMMER 7 Erbe über den Duden Von Artur Schwabe, Stuttgart Profeffor Engels Angriff auf „das falfche Deutfeh im Duden“ (liehe Nr. 3 des „Sprachwarts“) erinnerte mich lebhaft an ähnliche Gedankengänge in einem bei der Union Deutfche Verlagsgefellfchaft in Stuttgart erfchienenen Büchelchen: „Fragezeichen zur neueften Geftaltung der deutfehen Rechtfehreibung. Begründet durch einen Rückblick auf die Gefchichte der deut fehen Rechtfehreibung feit dem fechzehnten Jahr hundert. Eine aufklärende Beigabe zu jedem Lehr- und Wörterbuch der deutfehen Rechtfchreibung von Karl Erbe, Gymnafialrektor a. D. in Ludwigsburg.“ Die reiche Anregung bietende und in vielem be herzigenswerte Arbeit erfchien leider zu einer Zeit, die, erfüllt von Kriegsgefchrei und unzähligen Sorgen und Nöten, keinen Raum ließ für fo nebenfächliche Dinge wie das Erörtern von Rechtfehreibungsfragen. Es erfcheint mir aber heute wichtig genug, die Be- anftandungen Erbes, der vor kurzem verftarb, einmal leidenfchaftslos zu betrachten und aus ihnen, wie auch aus Engels Einwänden, nach Möglichkeit zu lernen. Nach Erbes Anficht „erheben fich gegen die neunte Auflage von Dudens Rechtfehreibung die ernfteften Bedenken“, denn „das an fich höchft löbliche Be- ftreben, jeden Stein des Anftoßes zu befeitigen und keinerlei Ungewißheit beftehen zu lallen, hat in diefem Werke ... zu fpitzfindigen Einzelbeftimmun- gen und feinften Unterfcheidungen geführt, deren Erlernung und Befolgung kaum einem Lehrer, ge- fchweige denn einem Schüler oder einem ungelehrten Gefchäftsmann zugemutet werden kann“ (S. 4). Ich befchränke mich bei der Bekanntgabe von Erbes Beanftandungen auf folche Fälle, für die der Buchdrucker von vornherein befondere Teilnahme zeigen wird. Aus den zahlreichen Beifpielen, die Erbe zu jeder Frage anführt, wähle ich nur einige wenige, den Kern der Sache treffende. 1. Deutfche oder lateinijehe Schrifl? Erbe vermag keinen Grundfatz zu entdecken für die Verwendung von Lateinfchrift für: Epitheton ornans, per pedes apostolorum, Status quo, Ultima ratio, ergo, item, Enfant terrible, ä fonds perdu, a fresco einerfeits und von Deutfchfchrift für: Jupiter fpiuoius, 9Jolime= tangere, JSerpetuum mobile, Quiöproquo, ejtta, quafi, ultra, oulgo, ®ros be ÜJtaples, ^uftcmilieu, Sarbcbuforpsrcgiment, ©real ©aftern, ein Cnbit anderfeits. „Die deutfehen Wortbilder ergo, item, Status quo, ©nfant terrible, a öonbs perbu würden gewiß nicht mehr Anftoß erregen als die von Duden gebilligten oulgo, ultra, Guibproquo, 3 u fR= milieu“ (S. 47L). Daß Erbe nicht nur deutfche Schrift für alle Wörter und Wortgruppen aus fremden Sprachen ver wendet, fondern auch den Großbuchftaben für Haupt wörter, die innerhalb der Wortgruppen Vorkommen: in Äorpore, Ärimen läjä SJLajeftatis, cum ©rano Salis, werden Benutzer des Duden mit Staunen ver nehmen. Ob aber die Buchdruckereien, die nach Erbes Wörterbuch arbeiten, diefe Vorfchrift beachten, darf billig bezweifelt werden. Was nun Erbes Einwände gegen die unterfchicd- liche Behandlung gleichartiger Ausdrücke anlangt, fo fcheinen fie in der Tat nicht ganz unberechtigt zu fein. Ich zweifle aber nicht, daß die Bearbeiter des Duden ihre wohlerwogenen Gründe hatten; fie liegen möglicherweife in einer großem oder geringem Fremdheit der Wörter, denen Lateinfchrift im erften Fall und Deutfchfchrift im zweiten entfpricht. Es wäre fehr erwünfeht, daß die Gründe für ein Aus nahmeverfahren irgendwie bekanntgegeben werden, denn es ift keine Frage, daß, wenn das nicht gefchieht, auch bei denen, die die Rechtfehreibung fozufagen handwerksmäßig erlernen müffen, immer wieder Zweifel auftauchen. Die Frage „Latein- oder Deutfchfchrift?“ ift ficher eins der fehwierigften Kapitel unfrer Rechtfehreibung, das der Einigung der verfehiedenen Glieder des zu bildenden Reditfchreibungsrats die größten Hinder nde entgegenfetzen wird. Jedenfalls ftcht der Buch drucker trotz einiger Anfätze zur Umkehr noch immer auf dem Standpunkte, daß Wortgruppen aus fremden Sprachen in Lateinfchrift zu fetzen find. Als Anfätze zur Umkehr bezeichne ich vor allem die Wiedergabe von fremdfprachlichen Zeitungstiteln in Deutfchfchrift entgegen der Vorfchrift des Duden, und zwar nicht nur in den Tageszeitungen, fondern auch in Zeitfchriften und Werken. Daß man aber auf die Akzente verzichtet, dürfte eine vereinzelte Er- fcheinung fein. Diefer Verzicht wird im allgemeinen immer noch als Nachläffigkeit empfunden; und das Beftreben Dudens, die Akzente bei eingebürgerten Fremdlingen, Hauptwörtern wie S3artete, DJegltge einzufchränken oder zu meiden: Gene, 33of)etne, rief bei geachteten Fachfchriftftellern entfehiedenen