DAS FACHSCHULWESEN IM BUCHDRUCKGEWERBE TYPOGRAPHISCHE MITTEILUNGEN SECHSUNDZWANZIGSTER JAHRGANG • MAIHEFT 1929 ZUR METHODIK DER EIGNUNGSPRÜFUNGEN e erste FORTSETZUNG A. Die Experimental-UnterfuchungenvonDr.O.Lipmann Der Mangel an männlichem Arbeitsperfonal während des Krieges zwangzur Einftellung weiblicher Hilfskräfte als Gehilfen. Der Verein Berliner Buchdruckereibefitzer beauftragte 1917 Dr. O. Lipmann, aus der Reihe der fich Meldenden die geeigneten Bewerberinnen herauszufinden. Die Eile, mit der die Unterfuchungen felbft vor genommen werden mußten, hatte gewiffe Mängel der Unter- fuchungsmethoden zur Folge, die vom Verfaffer offen zugegeben werden. Die verwendeten Methoden waren folgende: 1. Die Prüfung in Rechtfehreibung. 2. Das Lefen undeutlicher und lückenhafter Texte. Ein folcher Text wurde laut vorgelefen, die Fehler und erforder lichen Hilfen gezählt und mittels der Stoppuhr die benötigte Zeit gemeffen. Der Text beftand in einem handfchriftlichen Manufkript, das fchlecht gefchrieben, bekleddl und mit fchmalen Papierftreifen kreuz und quer überklebt war. 3. Das Buchflabieren. Hierbei follte nicht die Rechtfehreibung nochmals geprüft werden, fondern die Fähigkeit, mit wenig Auffaffungsakten ein möglichft großes Stüde Text aufzunehmen und in Einzelbuchftaben zerlegt wiederzugeben. Zu diefem Zwecke wurde eine Art Setzkaften gebaut mit den Buchftaben (Papptafeln!) A, D, E, I, N, R, S, T, U. Nach einem Vorverfuch zur Einübung mußte folgenderSatz gefetzt werden: »Die neuen Reiter rafteten diesfeits des Sundes unter den drei Tannen an der See. Da trat ein Riefe unter den runden Aft der Tanne und redete Ge an: Die treuen Dienfte des Ritters Ernft find uns teuer.« Mit der Stoppuhr wurde nun wieder die benötigte Zeit gemeffen. Ferner beobachtete man, wie oft in den Text gefehen und wieviel Buchftabierfehler gemacht wurden. 4. Abfehreiben. FolgenderSatz war abzufchreiben: »Wohl jedem, der Fühlung mit dem Buchgewerbe hat, ift es zum Bewußtfein gekommen, daß in der Buchherftellung, foweit es fich um Satz und Druck handelt, feit einem reichlichen Dutzend von Jahren eine ganz erhebliche Umgeftaltung vor fich gegangen ift.« Wiederum wurde die ge brauchte Zeit, die Zahl der Auffaffungsakte fowie der Abfchreibe- fehler feftgeftellt. Auf Grund der Ergebniffe diefer Prüfung empfiehlt Dr. O. Lip mann, die Aufnahme von Bewerbern für den Setzerberuf von fol genden Leiftungen abhängig zu machen, wobei es fich zunächft nur um Erwachfene, nidit um Lehrlinge, handelt: 1. Zahl der Rechtfchreibungs- und Satzzeichenfehler in einem Diktat. 2. ZahlderFehler und der erforderlichen Hilfen beimVorlefen eines undeutlichen und lückenhaften Textes. 3. Auffaffungsakte und Fehlerzahl beim Buchflabieren einesTextes. 4. Zahl der Auffaffungsakte beim Abfehreiben eines Textes. 5. Dauer des Vorlefens, Buchftabierens und Abfehreibens. Dr. Lipmann fchneidet noch die Frage an, was zu gefchehen habe, wenn ein Prüfling in einem Prüfungsgegenftand völlig verfagt. Diele Frage ift natürlich von prinzipieller Wichtigkeit. Dr. Lip mann ift der Meinung, daß keine der für den Schriftfetzerberuf er forderlichen Eigenfchaften von fo ausfchlaggebender Bedeutung ift, als daß fie nicht durch eine andere ergänzt oder teilweife ausge glichen werden könne. Dies ift auch fchon nachgewiefen. Diefe Tat fache wäre alfo in Zweifelsfällen zu berückfichtigen. 125