DAS SCHIFF BEIBLATT DER TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN • HEFT I «JANUAR 1929 SCHRIFTLEITUNG: ERNST PRECZANG BERLIN SW 61, DREIBUNDSTRASSE 9 GESANG AN DEN HAMMER Kehre ich heim zu den Müttern, kehr’ ich auch heim zu dir, Amboß, stille Dulderin; ruhender Werkschoß. Kehr’ ich heim zu den Müttern, kehr’ ich heim auch zu dir! Breit leuchtet mir entgegen deine schimmernde Bahn, Singende Sibylle, Gütig und fraulich hingegeben ziehst du mich an. Mutter Amboß, einst schrie um dich hin der Gefesselten Qualgestöhn. Auf dir sind geschlachtet worden, Opferstein, deine Bekenner! In den Flammen des Feuers rann das Blut, rotgoldnes Gleißen, Die Geister der Erschlagenen schrien aus dem Werk um Rache. Die Geknechteten schrien nach Freiheit, Und der Kampf um dich, Mutter, begann! Wir haben gekämpft den guten Kampf um dich, Mutter, Die Schmiede sind gefallen im Kampf um dich, Mutter! Mit unsem eignen Hämmern erschlagen, um dich, Mutter! Einst hat der Un-Menseh von dir aus die Welt erobert, Es klagen dich an die Völker aller Rassen, Zeiten und Zonen, Alle Schlachtfelder der Welt, alle rasselnden Ketten der Gefangenen! Alle Gitterstäbe von Kerkermauem, vergewaltigte Mutter! Aller Völker und Menschen Empörung galt dir und dem Schmied. Wir haben gebüßt in Ohnmacht und Verzweiflung. Unsere Herzen, umbrandet von aller Völker Empörung, erglühten. Wir sind in Blutschuld und Wissen Mensch geworden; Im Kampf haben wir das Erbe der Schuld abgebüßt: Wir haben den Un-Menschen erschlagen, getötet den Feind der Völker! Die Opferpriester der Götter erwürgt, die Vernichter irdischen Glücks. Nun rauscht um dich hin, Mutter, das Lied der befreiten Erde! Mutter Amboß, glückliche, erhabene Mutter, nun schwingen, von dir gesandt, Boten der Befreiung, Flugzeuge, silbern hinein in den Äther, Metallene Tauben des Friedens. Ozeanschwimmer, stählerne Schiffe, starke Verbrüdrer! Lokomotiven, Güterzüge, Weizen, Wolle und Öl! Pflüge und Motoren, Helfer der Menschen, Dynamos, Brücken und Schienen, Und vor allen der bindende bauende Zement! Erz und Kohle! Eisen! Brüdergeschenke! Freundschaftstausch! Bündigkeitsversprechen! Wir hämmern die heilige Familie der Menschheit zusammen: Kemzelle neuen Wachstums, sprießender Keim, werdender Welten baum: In unserm Schatten verjüngen die Völker sich, Raum schaffen wir der Ausbreitung, unter der alles bestrahlenden, belebenden Sonne: Ur-Ahn Feuer! Vater Hammer! Mutter Amboß! Sohn Schmied! Heilige Familie des Werkes! Zusammengeschlossen mitten im Kampf aller gegen alle! Schöpferisch mitten im Chaos der Zerstörung! Ausstrahlend zeugerisch Leben! Erweckung, Befruchtung, Geburt! Unwiderstehlich, ansteckend von Gesundheit, Epidemie des Erfolgs! In Marsch gesetzt vom immerfort sich erneuernden Kosmos! Überall sprießend, sich grüßend, im Ruhrgebiet und in der Borinage, InSchlesien und Berlin, in den Eisenhütten um Cheffield und Chikago, In Asien und Australien, in Kapland und Marokko, Und du, jugendlichstesVolk, Rußland, dämonisch gebärend, brüllende Fülle! Rom der neuen Welt, von dessen Fahnen das Bild des Hammers, unseres Vaters Hammer, strahlt Im Namen des Vaters: Dem Glauben der Vergangenheit, der gemarterten, geknechteten, an den Sieg des Rechtes! Im Namen des Sohnes: der Gegenwart, der unablässig ringenden, in der Hoffnung brüderlichen Frieden! Im Namen des heiligen Geistes: der brüderlichen Liebe zur Zukunft voll menschlicher Freude! Nun töne, Mutter, das neue Lied, daß die Menschheit süß erschrickt! Aufhorcht, auf Hammer und Amboßklang, den Fanfaren unseres Werkherzens! DenTrommelgesang, der den Heerzug der Liebesarmee begleitet! Voran! Wir Schmiede stehn, zu neuem Werk geweiht, bereit! Nun hämmert, ihr Hämmer, das neue Lied in die neue Zeit! Heinrich Lersch (aus demWerke »Mensch im Eisen«, das in einer Neubearbeitung demnächst im Verlag der Büchergilde Gutenberg erscheint) 1