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Das Schiff
- Bandzählung
- 1929
- Erscheinungsdatum
- 1929
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 6055-26.1929
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512045739-192900008
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512045739-19290000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512045739-19290000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 2, Februar
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Titel
- Das Schiff
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DAS SCHIFF BEIBLATT DER TYPOGRAPHISCHEN MITTEILUNGEN ® SCHRIFTLEITUNG ERNST PRECZANG, BERLIN SW 61, DREIBUNDSTRASSE 9 ZWEITES HEFT • FEBRUAR 1929 Arbeiterbildung und Literatur 1. Die Tradition VON DR. KARL SCHRÖDER, BERLIN Die geiftigen Anidiauungen einer Zeit beruhen nicht nur auf dem Heute. Sie find aber auch nicht einheitlichen Charakters. So leben in der Gefellfchaft, der wir angehören, zahlreiche Menfchen mit Anfchauungen, die nur wenig entfernt find vom Geift unferer Väter und Urgroßväter. Anderen begegnen wir, die wefentlich vom Ge dankengut des gegenwärtigen Tages zehren; und dann wieder finden wir folche, die zu beftimmten Erkenntniffen, auch über den Tag hinaus, gelangt find und diefen Erkenntniffen Bahn zu brechen fich mühen. So ift das Geiftes- gut der Gegenwart, im großen gefehen, eine Mifchung aus Tradition, Tag und Zukunft, ein lebendiger Strom aus geifern, heute und morgen. Auf allen geiifigen Gebieten — wie man auch fagt: in allen Ideologien — tritt das zutage. Auch auf dem Gebiet der Erziehung und Bildung. In der Bildung und Erziehung unferer Gegenwart find alfo zahlreiche Elemente wirkfam, die eigentlich der Ver gangenheit gemäß find. Dem ungefchulten und naiven Menfchen von heute wird es beim eriten Gedanken an eine »Bildung« vor Einführung der allgemeinen Schulpflicht fo Vorkommen, als wäre damals — fagen wir im fogenannten Mittelalter — von Bildung der großen Maffen keine Rede gewefen. Er ilt gewohnt, unter einem »gebildeten« Menfchen nur den zu verliehen, der »richtig lefen, fchreiben und rechnen kann«. Aber das ilt ein Irrtum, und fchon ein dunkles Gefühl, gefchweige denn ein vertieftes Nachdenken, wird uns davon überzeugen, daß gewiß diefe eben genannten Fertigkeiten eine bedeutende Rolle fpielen können, daß aber der Kern aller Bildung und Erziehung anderswo zu fuchen ift. Ein kurzer Blick auf das Mittelalter nun wird uns zeigen, daß mit ihm eine ganz befondere Art Bildung verbunden w r ar. Das Mittelalter ift wefentlich beherrfcht vom fogenannten Feudalismus, an dem uns vor allem eine Art patriar- chalifcher Herrfchaftsform auffällt, bei der — immer im großen gefehen — die Gefellfchaft eine Art Pyramide darftellt, deren Spitze abfolute Herren find, und deren breite Bafis von den großen Maffen ziemlich rechtlofer und ausgepowerter »gewöhnlicher« Menfchen gebildet wird. Das Mittelftück der Pyramide fetzt fich dann zufammen aus denzumeift mit den abfoluten Herren eng verbundenen höheren Ständen, den Adligen mit »blauem Blut«, hinter denen dann wieder breitere Teile verfchieden begüterter Stände flehen. Um eine folche Herrfchaft aufrechtzuer halten, eine Herrfchaft, bei der die niederen Stände, die unterften Klaffen als Menfchen zweiten Ranges mit nur »rotem« Blut angefehen wurden und zur höheren Ehre ihrer Beherrfcher unerhörte Lallen zu tragen hatten, dazu war eine befondere Bildung und Erziehung notwendig: eine Erziehung zu abfoluter Difziplin, zur unbedingten Anerkennung »gottgewollter« Obrigkeiten, eine Erziehung zum Kadavergehorfam, oder, wie wir auch fagen, eine autoritäre Erziehung. Eine folche Bildung aber ift auf die Dauer nur durchführbar mit Gewalt und mit bar- barifchen Strafen. In der Tat belehrt uns ein Blick auf die Gefchichte, daß das Mittelalter eine barbarifche Straf- juftiz durchführt, in der Prügel, auch öffentliche Ausprügelungen, gang und gäbe find, und in der der Tod durch Schwert oder Strang noch als milde Formen der Bildung der Maffen anzufehen find gegenüber den entfetzlichen Todesarten durch Rädern, Pfählen und »langfames« Feuer, oft genug nach monatelangen teuflifchen Folterungen. Neben diefer weltlichen »Erziehung« aus dem Geift des Autoritätsbegriffs fleht die im Kern gleichgeartete Erziehung durch die mittelalterliche Kirche. Auch Ge erzieht autoritär, erzieht zur Anerkennung der »Obrigkeit, die Gewalt über uns hat«, zur unbedingten Anerkennung der Gottesftatthalterfchaft der Kirche und der Päpftlichkeit. Auch fie droht wieder und wfieder mit ewigen, höllifchen Strafen, und entfetzensvolle Schreie gequälter Menfchen dringen aus den Folterkammern und düfteren Katakomben der Inquifition, übertönen das praffelnde Flammen- faufen unzähliger Scheiterhaufen. Ein Blick in den »Himmel« diefer Kirche aber zeigt, daß auch dort mit Gott, Erzengeln, gewöhnlichen Engeln, Heiligen, hoher Geiftlichkeit, niederer Geiftlichkeit, Adel und gewöhnlichen Sterblichen die Klaffen gefellfchaft der Erde wiederkehrt. Von der Wiege bis zum Grabe, ja von der Empfängnis im Mutterleibe an bis über das Grab hinaus wurden alfo im Mittelalter die Maffen gebildet, autoritär gebildet, wobei gewiß nicht immer »Welt« und »Kirche« einig gingen, aber zuletzt im Gleichen fich fanden. Mit dem Auftauchen einer kapitaliftifchen Wirtfchaftsordnung und der fogenannten bürgerlichen Gefellfchaft verfchiebt fich das allgemeine Bildungsprinzip in gewiffer Hinficht. Ohne hier von einer oder mehreren Perioden
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