WINTER- PROGRAMM 1928-29 Am Sonnabend, 17. Nov. spricht der bestens bekannte Koll. Karl Koch, Hamburg, über das Thema: »Neue Wege der Satz gestaltung«, mit Lichtbildern. Im Januar wird der uns bekannte Fachlehrer Kollege Lesemann einen Vortrag halten. Wir erinnern hiermit an den ausgeschriebenen Neujahrskarten- Wettbewerb. Einlieferungstermin 29- Oktober. (Siehe Mitteilungs blatt Nr. 38 vom 18. September.) Wettbewerbe sind große berufliche Erziehungsmittel. Durch die neue Satzgestaltung können wir selbst schöpferisch arbeiten. Darum auf zur Mitarbeit! Der Vorstand Entwurf von Paul Gebhardt, Bremen ficli alfo für alle Kollegen, engfte Bekanntfchaft mit der elementaren Typographie anzuknüpfen. Diefe Kenntnis ift gut für die Bedürfniffe des Augenblicks und verfpricht Verltändnis für die zukünftige Weiterentwicklung. — »Die elementare Typographie ift der Satzflil der Epoche bedeutender Umwälzungen auf allen Gebieten der Wirtfchaft, Politik, Kunft und anderen.« Diefe Feftüellung gibt die Antwort auf die Frage: »Weswegen diefe vollkommene Umwälzung? Wäre es nicht möglich gewefen, unter Beibehaltung des althergebrachten Stils den typographifchen Arbeiten gleichfalls ein zeitgemäßes Ausfehen zu geben?« Diefe Umwälzung deshalb, weil das Proletariat ebenfowenig die überkommenen Begriffe von fchön und häßlich übernehmen kann, als in wirtfchaft- licher Hinficht die überkommene Methode der Verteilung des Arbeitsproduktes und in politifcher Hinficht den Staatsapparat. Es gilt, die bürgerliche Kunft als folche zu zerfchlagen und an ihre Stelle einen ganz neuen Typus, die proletarifche Kunft, zu fetzen. Aufmerkfamkeit verdient in diefem Zufammenhang ein Zitat aus dem Oktoberheft 1925 von George Grofz: »Unfer einziger Fehler war, uns mit der fogenannten Kunft überhaupt ernfthaft befchäftigt zu haben.« Auf dem Gebiete der Typographie heißt das: Bruch mit den ge»künft«elten Schriften und Ornamenten. Schluß mit der Symmetrie der Mitteladife. Denn unfre Zeit zeigt nicht ausbalanciertes Gleichgewicht um einen Angelpunkt (Staat?), fondern Kampf, Widerftreit allüberall, Streiks, Meinungskämpfe, Partei- und Richtungs kämpfe. Normierung und Rationalifierung müffen auf die Kunft übertragen werden. Vereinheitlichung, Verein fachung machen die Bahn frei für die zukünftige Geftaltung des größtmöglichen Individualismus auf der Grund lage des Kollektivismus. Der erfte Schritt hierzu ift die Verwandlung des rein fchmückenden Charakters der Ausftattung einer Druckfache in ein aktives, »formierendes« Element. Es gilt zum Beifpiel, bei einem Profpekt für die »Volksfürforge« von der Betrachtungsweife »fchön« und »gefällig« abzugehen. Die fertige Druckfache 8