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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-02
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.10.1890
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr Redaktion und Lrvrdition . Johanne-gajs« 8. SPi-elliftvilürn der Reduktion: Vormittag- 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. FRr ti« NitSaade cmiriaadtrr Manoicrivte macht sich die Redacuon nicht verbindlich. «nnadme »er für dt, nichfts«l,e«t>e R»mmer bestimmten Anserate an Wochentage» dis L Uhr Rachmtttag», an L onn- und Festtagen früh dis /,v Uhr. 3n den ^ilinlrn für 3ns.-Ännahme: Otto klemm« Lsrttm. (Alfred Haha), UnlversilLt-straß« 1, Loni» Lösche, Satharinrnstr. 14 pari. und SSoig-platz 7. nur bü '/^ Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. NbonnementSprei- vierteljährlich 4»/, Mk. inet. Vringerlohn 5 Mk., durch di« Post bezogen 6 Mk. Jed« «inzeln« stummer Ä Pf. Belegerenrplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeil aae» (in Taaeblatt-Format aefalzts Ohne Postbelörderung 60 Mk. »rtt Postbeförderuag 70 Mk. Inserat« 6 gespaltene Petitzeile SO Pf. Grüße« Schriften laut uns. Prei-verzeichniß. Tabellarischer». Zisfernsa- nach hüherm Tarif. Reklamen »nt« demNrdactionostrtch die «gelpalt. ZeiledOPs.vordenyamtlten Nachrichten die Sgespalten. Zeste 40 Pf. Inserat« sind stet« an di« 8«P«Vtti»a z» send«». — Rabatt wird «icht gegeben.- Zahlung pe»«uum«r»a<lo oder durch Post» Nachnahme. 275. Donnerstag den 2. Octobcr 1890. 8t. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Dir Lieferung von 2U0 gußeisernen Tchleußen- deckelu soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Lieferung liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, NathhauS, 2. Stock werk, Zimmer Nr. )4, auö und können daselbst eingesehcn oder gegen Zurichtung der Gebühren im Betrage von 50 welche event. in Briefmarken einzusenden sind, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Lieferung von LePleußeudeckeln" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 15. October 1890, Nachmittags 5 Uhr einrureichen. Der Rath behält sich daS Recht vor, sammtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, den 26. September 1890. DcS Nathü der Stadt Leipzig Id 5387. Straßenbau-Deputation. Bekanntmachung. Der in dem der Stadtacmeinde Leipzig gehörigen HauS- grundstückc Akarkt Nr. 14, reehtö neben dem HauS- eingange gelegene erste BerkaufSstand ist von, I. Januar I8U1 an gegen einhalbjahrlichc Kün digung anderweit zu vcrmiethen. Miethgcsuchc werden auf dem Rathbausc, I. Etage, Zimmer Nr. 8, entgegengcnoiniiicn, woselbst auch die Vermiethungs- bevingungc» zu erfahren sind. Leipzig, den 27. September 1890. Der Nath der Stadt Leipzig. Ia. 4720. l)r. Georgi. Pücker. Gesucht wird der am 28 August 1850 in Kupsaal bei Eilenburg ge borene Schneider Johann Ara«; Löffler, welcher zur Fürsorge für seine der hiesigen Armenpflege anheimgcfallene Familie anzuhalten ist. Wir bitten, denselben im Betretungsfalle sofort zwangs weise anherzuweiscn. Leipzig, am 29. September 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Älrmen-Amt. X. R. V, 1363. Ludwig-Wolf. Feiler. Nachdem der bisherige Referendar beim königlichen Amtsgericht Etolpen, Herr Wilhelm Raimund Tegner, an, heutigen Tage als Criintiialcommtssar bei dem Unterzeichneten Polizeianite in Pflicht genomine» worden ist, wird Solches hierdurch zur össeullichen Kenntnis! gebracht. Leipzig, am 1. Octobcr 1890. Ta» Poltzeiamt der Stadt Leipzig, v. R. 4427. Br et sch neider. Bekanntmachung. Die Universitäts-Bibliothek ist vom 1. October an jeden Wochentag früh von 11—1 Uhr geöffnet. Bekanntmachung. Die für die bevorstehenden Gcmeindcwahlcn ausgestellte Wahl liste wird von Donnerstag, 2. Octobcr d. I. ab, 10 Tage lang in der Vorhalle der Synagoge zur Einsicht für die Gcincindeinitglicder auSliegen. Innerhalb derselben Frist kann gegen die Aufnahme oder Weg lassung eines Namens schriftlicher Einspruch bei dem Unterzeichneten Vorstande erhoben werden. Gemäß z. 54 der revtdirten Gemeinde-Ordnung wird Vorstehendes hierdurch bekannt gemacht. Leipzig, den 1. Octobcr 1890. Der Vorstand der Israelitischen ReltgiouSgemeinde zu Leipzig. Bekanntmachung. Für da» hiesige Krankenhaus wird sofort eine ältere kranken- Wärterin bei freier Station und 300 .X Jahresgehalt gesucht. Bewerbung-gesuche sind mit Zeugnissen umgehend etnzureichen Plagwiv-Leipzig, am 1. October 1890. Der Gemeinde-Vorstand. LichoriuS. Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen Mülstenbesitzer Carl Mtgeod an» Friedeberg NM., geboren am 16. Februar 1846 zu Königs- berg i/Pr., welcher sich verborgen hält, ist die Untersuchungshaft wegen betrügerischen BankeruttS verhängt. Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in das Gerichts- Gefängnis, zu Fricdeberg N,M. abzulicsern. Fricdeberg N M., den 29. September 1890. Königliche» Amtsgericht. Beschreibung: Alter: 44 Jahre; Statur: stark, mittelgroß und sehr breit schulterig; Haare: ziemlich voll, dunkelichwarz; Gesicht: rund, voll, Sprache: ostpreußischcr Tialect: Bart: Schnurrbart und Fliege; Augen: dunkelblau. Besondere Kennzeichen: einige Fingerspitzen der rechten Hand sind zerquetscht. Zur Gejammtlage. Wir treten jetzt aus der militairischen Periode in die parlamentarische ein. Noch im Laufe dieses Monats werden die französischen Kammern eröffnet und einen Monat später der deutsche Reichstag. Wahlen haben soeben in Serbien stattgesunden und sind für den November in Italien ange kündigt. Im Deutschen Reich ist die Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Einfübrung des JnvaliditätSgesetzeS für die Arbeiter und auf die Arbeiten gerichtet, welche im preußischen Finanzministerium »nd in der Coionialabtheilung des Aus wärtigen Amtes sertiggestellt werden. Urberall herrscht die größte Regsamkeit und die emsigste Thätigkeit, um den riesigen Anforderungen zu entspreche», welche die reißend schnelle Ent> Wickelung der Zeit an uns stellt. Dir sociale Frage bildet den Mittelpunkt aller dieser Bestrebungen. Den arbeitenden Classen soll gewährt werden, was möglich ist, um sie vor Noth zu schützen, sie sollen für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit »nd dcS Altcrö eine Beihilfe erhalten, durch welche sie in den Stand gesetzt werden, der Zukunft mit geringerer Sorge als bisher entgegen zu eben, und durch die Steuerreform soll eine gerechtere Ver- theilung der Abgaben erzielt werden. Dazu treten in Preußen noch eine Landgemeinde-Ordnung und ein Volksschulgesetz, Reformen, welche langgehegten Wünschen entgegen kommen. Von socialdemokratischer Seite erwidert man alle diese Be mühungen durch spöttisches Lächeln und durch die unzufriedenen Worte: .Zu wenig!" Die Socialtemokratie will überhaupt vom Staate, wie er ist, keine Zugeständnisse, sie will ihn viel mehr durch eine neue StaatSform ersetzen, in welchem daS Proletariat die Gesetze vorschreibt. Ten Willen dazu hat die Socialdemokratie seil langer Zeit kundgegebcn, aber was sic erreicht bat, beschränkt sich auf Streiks und aus eine tief gehende Beunruhigung, von welcher Staat und Gesellschaft ergriffen sind, nicht weil sie für ihre Existenz fürchten, sondern weil sie genölhigt sind, Zeit und Arbeit zur Bekämpfung von jftstrebungcn zu verwenden, deren Verwirklichung eine voll- 'tändige Unmöglichkeit ist. DaS Gebiet, auf welchem Ver besserungen ausführbar und wünschenöwerth sind, ist so groß, daß eS wahrlich genug zu thun giebt, und daß die social demokratische Agitation wohl Aufregung und Verirrung chafien, aber nichts Lebensfähiges ansrichten kann. Die Frage des ArbeilerscbntzeS ist von den Negierungen und Volks vertretungen aller Großstaaten in Angriff genommen worden, dabei möge die Socialdcmokralie helfend und fördernd zur Seite stehen, statt sich mit unfruchtbaren Erörterungen üver eine neue Wcltordnung zu befassen. Die sociale Frage steht im Zusammenbang mit den internationalen Beziehungen, nicht im socialistischen Sinne und nach der Richtung hin allein, welche durch die Bestre bungen zur Gewährung eines ausreichenden Arbeiterschutzeö ihren Ausdruck finden, sondern außerdem und weit wirksamer durch die Opfer, welche die stete Kriegsbereitschaft von uns Allen verlangt. Moltke sagte einst im Reichstage, daß die Ausgaben für Kriegszwecke schließlich alle Völker wirthschaftlich zu Grunde richten müßten. Diese Ausgaben sind es, welche zur steten Erhöhung der Steuern treiben, und dadurch wird den Socialdemokraten daS bequemste Agitationsmaterial ge liefert. Es giett zwar geflügelte Worte auS der Vergangen heit, welche die Kriegsbereitschaft von einem andern GesichtS- puncte beleuchten, wie das bekannte .Gegen Demokraten helfen nur Soldaten", aber dieses Wort entstand zu einer Zeit, in welcher die siebenden Heere kaum den vierten Theil ihres jetzigen Bestandes hatten. Woran wir beute leiden, ist der wirthschastlichc Schaden, welchen große stehende Heere stets mit sich bringen. Wer trägt aber die Schuld daran, daß wir diesen Schaden Jahr auS Jahr ein tragen wüsten? Die Ant wort darauf lautet: Frankreich, und erst in den letzten Tagcu hat sich CriSpi dahin ausgesprochen, daß der Friede gesickert ist, wenn Frankreich ruhig bleibt. Es ist eine sattsam bekannte Thatsache, daß die beutigc, weit über alles Maß hinaiisgebendeKriegSbereitschastEuropaS in dem Streben Frank reich- seinen Ursprung hat, die verlorene leitende Stellung in Europa wieder zu gewinnen. Die Socialdemokraten fordern uns iniiner ans, den Franzosen Elsaß-Lothringen wieder zu gebe», dann werde aller Streit und Hader ein Ende habe», ie vermögen uns aber keine Bürgschaft dafür zu leisten, daß die Franzosen sich damit zur Ruhe geben würden. Die Ratbgeber wissen außerdem, daß ihr Ratb niemals befolgt werden wird. Waö soll man aber dazu sagen, wenn die Italiener, unsere Verbündeten, die Franzosen ermuntern, sich Elsaß-Lothringen wieder zu holen, damit sie selbst bei dieser Gelegenheit Triest und Trient erhalten können? Wir ersehen daraus leider, wie nothwcndig die gegenwärtige Kriegsbereitschaft ist, und daß wir nur unsere Interessen ausö Spiel setzen würden, wenn wir allein im Vertrauen auf unsere Vaterlandsliebe und auf die militairischen Erfolge der Vergangenheit uns einer Sorglosigkeit hingcben wollten, welche nur die Hoffnungen unserer Feinde stärken und ihren Uebermuth hcrauSfordern könnte. Man spricht jetzt wieder von dem europäischen Gleichgewicht, aber dieses Gleichgewicht wird nur durch die militairischen Rüstungen aufrecht erhalten, welche je nach den zu Gebote stehenden Kräften ans allen Seiten gemacht werden. Der die Kraft betreffende Punct ist sehr brennend, cS ist klar, daß Deutsch land die Rüstung für seine Verbündeten zum Theil mit bc sorgt, denn weder Oesterreich-Ungarn, noch Italien sind Deutschland in dieser Beziehung gleich. DaS ließe sich aber »och ertragen, wenn dann Italien wenigstens den Grad von politischer Zurückhaltung und Klugheit üben wollte, der von einem solchen BundcSvcrhältniß untrennbar ist. Kann man sich etwas ThörichtercS Vorsteven, als die fortwährenden ,rredentistischen und franzosenfrenndlichen Kundgebungen der italienischen Radicalen und Demokraten? Man wird darauf entgegnen, daß die Regierung und ihre Anhänger dem Drei bund treu ergeben sind. DaS ist aber sehr zweifelhaft bezüg lich der Volksvertretung, denn CriSpi hat offenbar große Besorgnisse in Bezug auf die Wahlen, sonst würde er nickt den Vorschlag gemacht haben, sie bis zum Frühjahr zu ver tagen. Ja, die Schwierigkeiten der Lage sind so groß, daß er »icht einmal deö Erfolges einer Bankctrcde sicher wäre, die für Florenz geplant ist und sie von einem Termin zuni andern verschob. Wir glauben trotzdem nicht, daß der Bestand dcS Drei bundeS gefährdet ist, aber wir halten cS für sehr angebracht, unsere italienischen Bundesgenossen an den Ernst der Lage zu erinnern und ihnen den Rath zu ertheilen, nicht mit dem Feuer zu spielen. Wir haben schon zu einer Zeit auf die Gefahr hingewiesen, welche eine Erneuerung der irrcdcn tistischen Agitation dem Frieden Europas bringen könne, als noch von keiner anderen Seite derartige Befürchtungen gehegt, wenigstens nicht öffentlich ausgesprochen wurden Heule liegt die Sache so, daß in Italien selbst Wohl begründete Besorgnisse wegen de« Ausfalls der Neuwahlen herrschen. Das ist die Gefahr der gespannten Lage, in welcher wir leben, daß sie durch jeden unerwarteten Zwischenfall fich zur Katastrophe gestalten kann Au' allen Seiten ,st Zündstoff angesammelt: Auf der Balkan Halbinsel, in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal Dazu kommen die fortwährenden Reibereien mit England, welche auch die Friedlichkeit der Lage nicht erhöhen, und im Innern die Schwierigkeiten, welche die socialistische Bewegung verursacht. Wir haben un- allmälig daran gewöhnt, au einem Bulcan zu leben, der jeden Augenblick zum AuSbruch kommen kann, aber diese Gewöhnung kann unS nicht über die Thatsache täuschen, daß wir fortdauernd in Gefahr schweben. Es bleibt uns demgegenüber nur übrig, stet« die Augen offen zu kalten, unseren Weg mit Rübe und Besonnenheit weiter zu verfolgen und un« für alle Möglichkeiten in Bereit l schast zu halten. * * Leipzig, 2. October. * Dem Reichstag dürften auch im nächsten Etat wieder ziemlich beträchtliche Forderungen für coloniale Zwecke vorgclegt werden. Die neue Organisation von Ostafrika nach der Pacification und dem Abkommen mit England, ebenso die Entschädigung des Sultans von Zanzibar für die Abtretung der Küste werden in finanziellen Forderungen zum Ausdruck kommen. Von Seiten de« auswärtigen Amtes wird bekanntlich ein festes und bestimmtes Colonialvrogramm vor bereitet, so daß eingehenden Verhandlungen üver diese Tinge im Reichstag entgegengesehcn werden kann. — Waö nun peciell die Verwendung dcS NeichScommissarS anlangt, so kann nach der .Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" von „Auseinandersetzungs-Schwierigkeiten" nicht die Rede sein, so lange über die zukünftige Organisation des ost afrikanischen Küstengebiets, für welche durch Freih. v. Soden »nächst Material gesammelt wird, noch nichts Bestimmtes eststeht. Die Stellung des Herrn von Wissmann als RcichS- coinmissar in Ostafrika ist, wie die „Kreuzzeitung" richtig be merkt, bis zum 3l. März 189 t sestgclegt. Bis dabm wird also eine Acndcrung in der Stellung deS Herrn von Miss- mann nicht ciutrcten, der übrigens, wie wir erfahren, auch demnächst auf seinen Posten zurückkehrt. * Zu den Vorlagen für BundeSrath und Reichstag wird, wie mehrfach erwähnt, eine Novelle zum Kranken« cassengesetz gehören. Gegen das Gesetz, wie eS vom Reichstag beschlossen worden, erhoben sich alsbald von ver- chicdenen Seiten Beschwerden; man wollte indessen für daS Neformbcdürfniß zunächst praktische Erfahrungen machen und bolte sodann Gutachten auS Interessentenkreisen ein. Auf die Ergebnisse derselben gestützt, ist man an die Reform des Gesetzes herangctrcten, welche übrigens schon vor längerer Zeit abgeschloffen war, allein angesichts dringenderer Aufgaben immer wieder vertagt werden mußte. * Der BundeSrath hat bekanntlich in seiner Sitzung vom 24. April d. I. einem Ucbercinkommcn zwischen Deutschland und den Niederlanden zum Schutze verkuppelter weiblicher Personen die Zustimmung ertheilt. Ein gleiches Uebercinkomincn ist am 4. dS. zwischen Deutschland und Belgien unterzeichnet worden. Der BundeSrath ist er licht worden, auch diesem Ucbereinkommen die Zustimmung ertheilen zu wollen. Der in deutschem und französischem Text vorgeleatc Vertrag umfaßt 7 Artikel und bestimmt im Wesentlichen Folgende«: Frauen und Mädchen au« einem der vertragschließenden Länder, welche sich in dem anderen Lande der Prostitution htngeben, müssen ich einem Verhör zu dem Zwecke umerwersm, um scsizustellen, woher sie kommen und wer sic bestimmt hah ^ihr Heinicithlaiid zu verlassen. Die hierüber aufgenommenen Verhandlungen sollen den Behörden des Landes, dessen Angehörige die gedachten Frauen »nd Mädchen sind, mitaelheilt werbe». Auch verpflichten sich die vertragschließenden Theile, diejenigen WcüSversoiicii, welche gegen ihren Willen genölhigt werden, sich der Prostitution hiiizugebe», aus ihren Antrag oder aus Antrag derjenigen Personen, unter deren Gewalt sic stehen, an die Grenzen ihres Heimaihlniides zu bringe»; erner in Fällen, in denen eS sich um noch minderjährige Mädchen handelt, solche Mädchen auf Antrag der Ellern oder VormüiiLcr nach ihrem Heimathlande zurückzusenden. Der bezügliche Schrift wechsel soll möglichst auf directem Wege erfolgen. Tie erwachsenen Koste» sollen, falls sie nicht von den Mädchen, deren Angehörigen oder Wirlhcn erstattet werde» lünnen, dein Lande zur Last stillen, welche- die Heimschasfung bewirkt Hai. DaS Abkommen wird rati- ficirt und die Ratifikationsurkunden werden i» Berlin sobald als möglich ausgewechselt. * Die angeblichen Briefe der hoch seligen Kaiserin Alignsta, die vor einiger Zeit in der „Täglichen Rundschau" veröffentlicht wurden, werden von Personen, die der Ver ewigten als Familienglicder oder durch Dienst nahe gestanden babcn und mit ihrer AuSdruckSwcise, ihrem Stil und auch mit der äußeren Form ihrer Correspondenz vertraut sind, in der Gestalt, wie sic veröffentlicht worden sind, nach wie vor als unecht betrachtet. Zu den Zweifeln, die sich aus Aeuherlichkeiten (z. B. die Namen der angeblichen Adressatinnen) stützen, gesellen sich auch solche innerer Natur. Die hochsclige Kaiserin wußte wohl, welche Bedeutung ihren Aenßerungen bcigelegt oder untergeschoben werden konnte, und daher konnte sie in ihren Aeußerungcn über schwebende Fragen Ol die diskreteste, zurückhaltendste Frau, ja geradezu als surcht- sam gelten, namentlich Privatpersonen gegenüber. Nach der Erfahrung der Leute, die die Kaiserin kannten, hätte eö ihrer Gewohnheit widersprochen, wenn sie Briese i» diesem Stile und in diesem Umfange an Privatpersonen gerichtet Hütte, um sich über Antisemitismus und Kulturkampf schriftlich zu ergehen. Gegen Fürstlichkeiten und namentlich fürstliche Frauen von lebhaftem Interesse und gleichem Bestreben auf dem Gebiete werkthätiger Liebe mag vielleicht jene Zurückhaltung weggefallen sein, und diese Annahme könnte auf die Bermuthung führen, daß die fraglichen Briese Erzeugnisse einer compilatoriichen Hand seien, eine Zusammen- stcllung von einzelnen dem Sinne und der Zeit nach auS dem Zusammenhänge gerissenen Stellen einer Korrespondenz, wie sic die Kaiserin mit einer nun auch verstorbenen fürstlichen grau gesührt haben mag. * Genosse Liebknecht wird am nächsten Sonntag in einer in Bochum stattfindendrn Bergarbeitervcrsammlung sprechen. Diese Rede wird nach einer Mittheilung der ..Kölnischen VolkSzcitnng" als AuSgangSpunct einer großen socialdcmo- kratischen Agitation im Kohlenrevier angesehen. O O O * Dic ofsiciöse .Wiener Abendpost" schreibt: Se. Majestät der deutsch» Kaiser trifft morgen als Gast unseres Allergnädigsten Monarchen in Wie» ein. So oft der Herrscher des befreundeten Nachbarreiches in Osterreich-Ungar» er- scheint, freuen sich die Völker diese- Staates, ihre Sympathie Ist dem Kaiser Wilhelm, dem hohen Zielen zustrebenden Herrscher, zuge wendet, Allerhöchstwclcher noch jüngst den Gefühlen der Freund schaft für unseren erhabenen Monarchen einen so rückhaltlos warmen Ausdruck gegeben hat. Al« diese Worte bei uns bekannt wurden, erfüllte eine freudige Genugthnung unsere Herzen. Wir Alle sind stolz auf Se. Majestät, unsern Kaiser, wir lieben unser Vater land, und wer diese auSzeichncnd ehrt, dein gehört unser Herz und Geist und wir geben btt der jetzigen Gelegenheit unseren Gesühten begeistert Ausdruck. Die kund«, S». Ma>eslät der deutsch« Kaiser werde unserem geliebten Monarchen neuerdings einen Besuch ab statten und Wien berühren, verbreitete daher Freude in allen Kreisen der Reichshauptstadt, und cinmüthig wurde der Beschluß gefaßt, di» Stadt festlich zu schmücken, um dem Kaiser einen Seiner würdigen Empfang zu bereuen. Mit Wien ist ganz Lestcrreich-Ungarn einig an diesem Tage der Freude Es gedenkt dcS hohen Frieben-ziele! beider Majestäten, ihrer steten Sorge, das Wohl ihrer Völker zu fördern, und ist ties bewegt von den Worten, dic Se. Majestät der deutsche Kaiser in Gravcnstein gesprochen hat, als er „die engen Beziehungen innigster Freundschatt und sestester Waffenbrüderschaft" mit unserem erhabenen Kaiser laut verküodete. Solche Worte bleiben den Völkern Oesterretch-Ungarn» unvergeßlich, und Wien im Namen der Angehörigen de- Reiche- wird morgen begeistert ausrusen: „Hoch lebe der Gast, der Freund uusrrr« Allerguädigste» Herrn und Kaisers, hoch Kaiser Wilhelm!" * Nach Drahtmeldungen a»S Ersingian isl die La^e in Erzerum eine sehr ernste. Die Zusammenziehung russischer Truppen an der Grenze dauert fort, eS verlautet, daß bereits 72 000 Mann dort zusammcngezogcn seien. Tic Türken ürchten, bald angegriffen zu werden, und versetzen die Kurden ni Bereitschaft, Widerstand zu leisten. Täglich kommen euro- iLische Familien in Ersinaian an, welche aus Erzeruin aus Furcht vor Massenmord flüchten. * Eine große Staatsfrage ist nunmehr gelöst, eine StaatS- rettung vollbracht: die Uniform für Carnot ist gr ünden! Die Franzosen lassen keine Gelegenheit Vorbeigehen, ich über die Uniformsucht Anderer lustig zu machen, namentlich Deutschland als daSReich der Uniformen zu kennzeichnen. Aber auch in Deutschland giebt e« kaum mehr Uniformen als hier in Frankreich, und die Republik pflegt das Uniformwescn eben ö eifrig wie die OrdenSregen, welche jetzt gar nicht mehr auf hören. Ein Ofsicier hat die angedeutetc StaatSrettung voll bracht; der jetzige Präsident der Republik hat sogar das Recht, zwei Uniformen zu tragen, eine bürgerliche und eine militairische. 1!US Ingenieur dcS Straßen- und Brückenbaues hat er nicht bloS eine Uniform, sondern auch, nach der bestehenden Wcbr- ordnung, daS Recht auf Ernennung zum Oberstlieutenant der Landwehr, folglich auch daS Recht, dic entsprechende mili tairische Uniform zu tragen. Er hat nun die Wahl. Ta er Staatshaupt ist, folgt der Generalsrang von selbst dem- eniaen dcS Obersten. An Sternen und Ordensbändern, um seine Inisorm herauSzuputzen, fehlt eS ihm am wenigsten. Die Sacke ist gar nicht so unwichtig, wie Ferncrstehende sie auffassen mögen. Im Grunde waren eS der wohlabgerichtcte CircuS- rappen, die strahlende Uniform mit glitzernden OrdenSsternen und besonder- der wallende Fcderbusch, welche den BonlangiSmuS möglich machten, der einige Jahre lang alle öffentlichen Gewalten im Schach hielt und schließlich nur durch die Flucht deS funkelnden, großsprecherischen Generals gescheitert ist. Kein Volk läuft mehr der Uniform, dem Federbusch nach, als die Franzosen. Wenn Carnot in GcncralSunisorm durch die Pariser Gaffen reitet, wird das Volk ihm zujauchzen wie je einem Herrscher, da er sich schon längst durch sein übriges Verhalten allgemeine Liebe und Achtung erworben hat. Dann wird kein Boulangcr mehr möglich sein. Dic Sache mag Fremden etwas spaßig Vor kommen, aber man darf sich darauf gefaßt machen: wenn Carnot dem allgemeinen Wunsche entsprechen will, dann legt er Uniform an. Deshalb liegt da- Ercigniß durchaus nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. * Die „Riforma" erklärt, daß die Mittbeilungen über das Interview St. CöreS mit demMiiiistcrpräsitciittcnCriSpi, oweit dieselben durch telegraphische Meldungen bekannt geworden seien, sehr grobe Unrichtigkeiten enthalten und in den meisten Puncten sogar sehr wesentlich von der Wahrheit abweichcn. * In Ausführung eines schon vor längerer Zeit an- gekündigten Entschlusses hat die italienische Regierung nunmehr eine diplomatische Action behufs wirksamerer Be kämpfung der Cholera eröffnet. Die darüber aus Bern vorliegende telegraphische Meldung dcfinirt den Standpunct de« italienischen CahinetS dahin, daß die internationale Con vention von Pari«, vom Jahre 1852, aus Grund deren die in Rede stehende Materie bislang völkerrechtlich geregelt war, den modernen Anforderungen nicht mehr entspreche und einer gründlichen Reform unterzogen werden müsse. ZurHerbciführung einer solchen wird die Berufung einer neuen, von sachver ständigen Dclegirtcn aller intcrcssirtcn Staaten Europas und Amerikas zu beschickenden internationalen Confcrcnz in Vor schlag gebracht. Daß Maßregeln, welche bebnsS Abwehr der Cholera vor beinahe vierzig Jabren getroffen wurden und nach der damaligen Entwickclungsstufe der Hygieine, sowie der internationalen VcrkehrSorganisation allenfalls genügen mochten, beute nicht entfernt mehr inS Gewicht fallen rönnen, liegt auf der Hand. Damals tappte man über die Ursachen und daS Wesen der Cholera noch vollständig ii» Finstern, von einer planmäßigen Bekämpfung des UcbclS auf Grnnd erprobter wissenschaftlicher Methoden konnte also noch keine Rede sein. Ebenso steckte der internationale Verkehr, verglichen mit seiner heutigen Intensität, Schnelligkeit und Vielseitigkeit, sozusagen in den Kinderschuhen; was damals an prohibitiven Maßnahmen gegen den gemeinsamen asiatischen Feind der Cultnrnationen Europas inS Werk gesetzt wurde, war der Hauptsache nach äußerlich-formaler Natur; in der Türkei und in Egypten ist eine wirksame Verhinderung der Einschleppung deS JnfectionSstosscS ans Grund der Pariser ConvcntionSbcstimmungen vom Jabre 1852 einfach ein Ding der Unmöglichkeit, zumal da jede effrctive Controle der dortigen LandeSbcbörden durch compctentc abendländische Fachautoritäten fehlt. Daß hierin ein durchgreifender Wandel geschaffen werde, ist ein oftmals geäußerter Wunsch der Mcdiciner und Hygieiniker sowie nicht minder der ofsiciellcn Kreise fast aller an der Sacke interessiere» Staaten. Wenn die Erwägungen, welche 1852 zur Ver handlung und zum Abschluß der internationalen Pariser Choleraconvcntion führten, stark genug waren, entgegen- stehenden Einfluß zu überwinden, so müssen sie heute mit vervielfachter Kraft dem italirnischerseitS angeregten Zu sammentritt einer neuen internationalen Commission zu analogem Zweck die Wege ebnen. DaS Material, welche« seiner fruchtbringenden Vrrwcrthung zu Nutz und Frommen des GesammtwohleS der civilisirten Welt harrt, liegt zu sofortigem Gebrauch gesichtet in den Acten der Sanitäts- und Grenzüberwachungsbehörden vor: eS handelt sich nur um den allscitiaen ernsten und ehrlichen Willen, zur Erreichung dcS gesteckten Zieles nach Kräften mitzuwirkcn, wenn eS sein muß, selbst unter Bringung einiger Opfer. In dieser Voraus setzung kann daS Vorgehen der italienischen Regierung dauernden Segen stiften. * Die Aufregung der japanischen Bevölkerung über die Frage der Revision der Verträge, bei welcher cS sich haupt sächlich darum handelt, ob die Ausländer der Jurisdiction der japanischen Gerichte unterstehe» sollen, nimmt noch zu. Neuerdings sind Drohbriefe an den Vorsitzenden der Ver sammlung der Ausländer vom 11. September gerichtet worden.
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