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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010034
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901003
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901003
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-03
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1890
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täglich «V. Uhr. Urdartion und Lrpeditum IohanneSgafl» 8. SprrchNundk» drr Urdaclion: Vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« b—6 Uhr. AM «t» UUa,»v« kt»gk>,n»«kr Moiiulcrtplr dt» U»»ctu>n »Ich« »«rdmdllch. ft« »«««»«, »er skr »te «ichftf.lsentz« «u»»er tzefti««»en S«s»r«te «« w«chent«,en »t» » Uhr «achmtttaa«, an kann- uud Festtagen frkh dt»/,» Uhr. In den Filialen für Jus.-Annahmr. ktt* * Ule««'« Sarltm. (Alfretz Hahn). Uoiversttätsstraß« 1, Laut» Lösche» UaHartaeustr. 14 Part, und König-Platz 7, «ur bi» '/,S Uhr. MMgerTagMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd GeschSstsverkehr. lucl. Briagerloha b Mk.» durch dt« bezogen 6 Bit. Jtd« einzelne Nummer 20 Belegexemplar 10 Pf. Lebilhrru tür Extrabeil aa«» (in Tageblatt-Format gefalzt! ahne PostbeiSrdernng «0 Mt. «tt Poslbesürderuag 70 Mk- Inserate «gespaltene Petitzeile U0 Pf. «rohere Schriften laut uns. Preisverzeichnis. Tabellarischer». Zisserusey nach höher«Lari^ Uktlameu unter demRedaction»strich dt« 4a«^«lt. geil«SOPf.,vordenFamtlt»a»achrtcht«» die Sgespaltene Heil« 40 Pf. Inserate sind stet- an die Erpetzttttz» »» senden. — Rabatt wird nicht gegeben.. Zahlung praeouinerirnäo oder durch Post» Nachnahme. 276. Freitag den 3. October 1890. 8i. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. ÄOO Mavk Belohnung. Gestern Abend gegen >/«8 Uhr hat ein Unbekannter ein achtjährige« Mädchen, welches er an der Elke drr Ritterstraße und de« Rittcrplatzes an sich gelockt und sodann auf den Armen in die Promenade am Schwanenteich getragen hat, daselbst auf einer Bank zu vergewaltigen versucht und dasselbe sodann durch lebensgefährliche Messerstiche verwundet. Der Unbekannte hat, so viel bis jetzt ermittelt ist, braunen Rock und braunen Hut, sowie dunklen Bollbart getragen, während das Mädchen mit braunem Lamaklcid, schwarzer Schürze, rothen Strümpfen und Lederschuhcn bekleidet ge wesen ist. ES ergeht hierdurch an Jedermann das dringende Er suchen, jede Wahrnehmung, welche zur genaueren Beschreibung und Ermittelung der Person de« ThätcrS dienen kann, unge säumt in der nächsten Polizeiwache oder in der Criminal- abtheilung des Polizeiamtcs, Wächterstraße 5, zur Anzeige zu bringen, und sichern wir hierdurch demjenigen, durch dessen Angaben die Ermittelung des ThätcrS gelingt, die oben auö- geworfene Belohnung zu. Leipzig, am 2. October 1890. DaS Polizei-Amt der Stadt Leipzta. VIl 2399. Bretschneider. B. Bekanntmachung. Die Leuchtkraft des städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom 22. bis 28. September d. I. im Argand- brcnner bei 2,5 Millimeter Druck und 150 Litern stündlichem Consum daS 18,6fache der Leuchtkraft der deutschen Normal kerze von 50 Millimeter Flammenhöhe. DaS specifische Gewicht stellt sich im Mittel auf 0,455. Leipzig, am 1. October 1890. DeS NathS Deputation zu den Gasanstalten. Bekanntmachung. Die Lieferung von 2N0 austetsernen Schleusten- deckeln soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen und Zeichnungen für diese Lieferung liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RathhauS, 2. Stock werk, Zimmer Nr. l4, aus und können daselbst eingesehen oder gegen Entrichtung der Gebühre» im Betrage von öO welche cvcnt. in Briefmarken einzuscnden sind, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Lieferung von Scbleustendeckcln" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 15. October 1890, Nachmittags 5 Uhr cinznrcichcn. Der Rath behält sich daS Recht vor, sämmtlichc Angebote abzulchnen. Leipzig, den 26. September 1890. DeS NathS der Stadt Leipzig Id. 5387. Strastenbau-Deputation. Gesucht wird der am 14. October 1864 in Neuschönefeld geborene Gärtner Johannes Eugen Heintze, Welcher zur Fürsorge für seine von ihm verlassene und der öffentlichen Unterstützung am,eimgcfallcne Familie anzuhalten ist. Wir bitten um dessen eventuelle Anherweisung mittelst ZwangSpaffes. Leipzig, am 1. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armen-Amt.) X. R. IV, 11LI/2387. Ludwig-Wolf. Dolge. Gesucht wird die ledige, am 14. März 1857 in Lobeda geborene Dienstmagd Minna Marie Mngdalene MoseS, welche zur Fürsorge für ihr hier in Wagenpflege befindliches Kind Richard Moses anzuhalten ist. Leipzig, den 25. September 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. (Armenamt.) A. IVa, 1798/90. Ludwig-Wolf. Hr. Kaiser Wilhelm in Wien. Nur ein Aufenthalt von wenigen Stunden war für den diesjährigen Besuch Kaiser Wilhelm's bei seinem Freunde und Bundesgenossen Kaiser Franz Josef der Stadt Wien gewidmet, aber welcher Jubel, welche Begeisterung erfüllte Wien, wie festlich war der Empfang, welchen die Hauptstadt deS öfter- rcichischen Kaiserstaatcs dem deutschen Kager bereitet bat! Die Aufforderung des Oberbürgermeisters von Wien, dem Kaiser Wilhelm eine würdige Aufnahme zu bereiten, traf mit den Empfindungen der Bevölkerung zusammen, sie batte alle- gethan, um dem Gaste ihres Kaisers zu zeigen, wie willkommen er ihr sei und daß ihr nichts mehr am Herzen liege, als mit dem deutschen Nachbarliche Freundschaft und BundcSgenossenschast zu pflegen, zu erhalten und zu befestigen, die beide» Böller fühlen sich eins, wie^ sic ja auch in der Hauptsache eine- Stammes sind. Diese Empfindung ist bei der Fahrt Kaiser Wilhelm'« durch die Straßen Wiens wieder mit voller Kraft zur Erscheinung getreten, Wien betrachtete diesen Tag als einen Festtag ,m ganzen Sinne deS Wortes, es war der Geist der Bruderliebe, welcher daS festlich geschmückte Wien durchdrang, als es dem deutschen Kaiser und dem König von Sachsen die Grüße des Willkommens darbrachte. Slld- deutschland war dabei durch den Prinzen Leopold "on Bayern vertreten, so daß auch äußerlich kund wurde, daß es daS ganze Deutsche Reich ist, als dessen vornehmster Vertreter Kaiser Wilhelm von Wien gefeiert wurde. Wie sick die Kaiser Wilhelm und Franz Josef auf dem Manövcrfrlde begegnen, um die Leistungen der deutschen Truppen zu beobachten, wie sie vereint bemüht sind, den europäischen Frieden aufrecht zu erhalten, so nehmen sie auch menschlich innigen Autheil an den ihre Familie betreffenden Vorgängen. Zwischen dem Antrittsbesuche Kaiser Wilbelm's in Wien nach Uebernahme der Regierung und dem gegen wärtigen Besuche beim Kaiser Franz Josef liegt ein tirf- traurigeS Ereigniß, drr Tod deS Kronprinzen Rudolf, de« einzigen Sohnes de« österreichischen Kaiser-, welcher nach menschlichem Ermessen dereinst den Thron der Habsburger besteigen sollte. Als Kaiser Wilhelm noch Prinz war und noch Niemand ahnen konnte, daß sein erlauchter Vater so schnell und früh von tückischer Krankheit dahingerafft werden könnte, verkehrte er in herzlicher Freundschaft mit dem jetzt ver blichenen Kronprinzen Rudolf. Die beiden Prinzen tauschten ihre Ansichten uud Empfindungen aus, sie gingen zu- ammcn auf die Jagd und genossen daS frischpulstrende ?cben, was sie durchglühte, in vollen Zügen. Da kam der furchtbare Schicksalsschlag, welcher den Freund von der Seite des Freundes riß, dem Vater der Sohn, dem Lande den Thronerben raubte, auf den von allen Seiten o schöne Hoffnungen gerichtet waren. Kaiser Wilhelm wurde bei der ersten Nachricht von dem Geschehenen von jähem Schmerz durchzuckt, er wollte persönlich nach Wien eilen, um durch die Theilnahme an der Bestattung des Freundes öffentlich Zeugniß abzulegcn für die Schwere deS Verlustes, welchen er u beklagen batte. Der tiefgebeugte kaiserliche Vater ver änderte die Ausführung des EnschlusseS, die Größe seine- Schmerzes litt keinen Zeugen, er fühlte die Nothwcndigkeit, den Schlag, von dem er getroffen worden, allein zu tragen mir seiner Gemahlin, der von gleichen Gefühlen bewegreii Müller des Kronprinzen. Kaiser Wilhelm hat eS sick aber bei seiner diesjährigen Anwesenheit in Wien nicht nehmen lassen, binabzusteigerr in die Gruft der Kapuziner, wo die Gebeine seines dahingeschicdencn Freundes ruhen, um ihm ein stilles Gebet zu widmen. Diese Handlung der Pietät hat den Kaiser tief ergriffen, und er hat dem, was ihn bewegte, durch die Worte an den Pater Guardian, den treuen Wächter der Kaiscrgruft, Ausdruck verliehen: „DaS war ein sebr schwerer Gang". An den thatkräftigen jugend- rischen Kaiser, der gewohnt ist, sich seinem schweren Herrscber- beruf mit ganzer Seele, mit seiner ganzen Kraft und Fähig keit zu widmen, traten ans Augenblicke die Schrecken des Todes heran, er sah die lange Reihe der Gräber deS Hauses Habsburg und als letztes das Grab seines Freundes, der eine voraussichtlich glänzende Laufbahn selbst unterbrochen und ihr ein vorzeitiges Ziel gesetzt hat. ES müssen eigenartige Ge danken und Gefühle gewesen sein, welche den Träger der deutschen Kaiserkrone in der dunklen Gruft durchströmten, die Vergänglichkeit alles Irdischen wird ihm kaum jemals vorher lebendiger zum Bewußtsein gekommen sein. Doch cs waren nur einige flüchtige Minuten, wenn sie auck aus der Erinnerung dessen, der sie erlebte, nicht so bald verschwinden werden, die Anforderungen deS Tages w'chten ihre Wirkung geltend. Von der Hofburg ging es nach Schön- bruiiii unter den begeisterten Zurufen der Bewohner der Mariahilfer Hauptstraßen durch die Vororte Fünfhaus und SechShauS nach dem Schlosse, was eine so wechselvolle Ver gangenheit hat. Kaiser Franz Josef bewirtbete dort seinen aiserlichen Freund, den König Albert von Sachsen und den Prinzen Leopold von Bayern, wo im Anfang dieses Jahr hunderts der große Kriegshcld Napoleon I. Hof gehalten und seine Macht dem österreichischen Kaiserstaate fühlbar gemacht hatte, ebenso wie er eS in Berlin aethan hat. ES war histo rischer Boden, auf dem sich die erlauchte Jagdgesellschaft zu- sammengefnnden hatte, dir jetzt im Wiener Wald dem edlen Waidmannswerke fröbnt. ES wird von Wien und Schönbrunn nichts berichtet, was als politisch im eigentlichen Sinne gedeutet werden könnte, und doch ist der Besuch Kaiser Wilhelms in Wien von größter politischer Bedeutung. Man lese nur, was die Wiener Blatter darüber sagen, die osstciösen wie die unabhängigen, und man wird daraus entnehmen, welchen Werth sie aus die innige, die beiden Kaiser verbündende Freundschaft und Bundes genoffenschaft legen. ES ist jetzt nicht mehr von der Er neuerung des Bündnisses nach Ablauf der verabredeten Frist die Rede, das Bündniß wird vielmehr allseitig als fest und unauflöslich angesehen, Deutschland und Oesterreich-Ungarn sind nicht bloS vertragsmäßig zu gegenseitiger Waffen brüderschaft verpflichtet, die Erfüllung dieser Pflicht dünkt ihnen als etwas Selbstverständliches, Unerläßliches, worauf der Wechsel der Zeit keinen Einfluß übt. Eine solche Bundesgenossenschaft führt zu einer Gemeinsamkeit der Interessen, welche für beide Thecle von unschätzbarem Vor- tbeile ist. Daran kann weder Neid noch Verleumdung rütteln, für Zwischenträgereicn ist überhaupt kein Boden, und deshalb werden sie gar nicht versucht. Ein Verhältniß, dessen Gut artigkeit und Friedlichkeit stets erneute Versicherungen bedarf, erfüllt seinen Zweck nicht vollständig, eS bleiben immer Zweifel an seiner Aufrichtigkeit und vor allen Dingen an seiner Dauer bestehen. Wir wollen hier keine Vergleichungen anstelle», ob wohl sie nahe liegen, sondern uns de- vor uns Liegenden, was wir besitzen »nd dessen Dauer uns verbürgt ist, freuen, das hilft uns über manche unerquickliche Dinge hinweg. Nur eins dürfen wir nicht unerwähnt lafsen, und daS ist die günstige Wirkung, welche die Tage von Rohnstock und Wien auf Italien äußern müssen. Unser zweiter Verbündeter befindet sich heute in einer KrisiS, die hoffentlich bald ihr Enke erreicht yaben wird. Es ist kaum möglich, die Ersprießlichkeit und Nothwendigkeit deS Drei bundes öfter und lauter zu betonen, als eS von Seiten unserer italienischen Verbündeten geschehen ist, und doch hat ein Thei! der Italiener noch in diesen Tagen mit einer unbegreiflichen Hartnäckigkeit am Dreibunde gerüttelt. Wir verweisen unsere italienischen Verbündeten auf die Ereignisse, welche kurze sechs Stunden des l. October in Wien zu Tage gefördert haben, damit sie daraus ersehen mögen, waS ihnen fehlt, um dieselbe Stufe zu ersteigen, auf welcher sich Oesterreich-Ungarn als Mitglied des Dreibünde- befindet. * Leipzig, 3. October. * Es wurde schon erwähnt, daß vom Bundes rat he bald nach der Wiederaufnahme seiner Sitzungen in die Be- rathung zweier kaiserlicher Verordnungen ein- geireten werden würde, von denen die eine daS Verfahren vor den Schiedsgerichten für die JnvaliditätS- und Alters versicherung, die andere die Formen de- Verjähren« und den GefchäftSgang des ReichsversicherungSauites bezüglich dieser Versicherung regeln solllrn. Der Eniwurf der erstgciiannlcn Verordnung ist »unmehr dem BundcSrathe zugegangen. Der selbe leknt sich im großen Ganzen an die Verordnung über das Verfahren vor den aus Grund de« Unfallversicherung-- gesetzes errichteten Schiedsgerichten vom 2. November 1885 an. Wir jetzt verlautet, wird uu» auch die Einbringung der zweiten Verordnung an den BundeSrath nicht mehr lange auf sich warten lassen. * Die „Germania" befürwortet die Rückberufung der Jesuiten mir der Behauptung, e- herrsche im katho lischen Volke eine wahre Sehnsucht nach diesen OrdeaS- euten. In Wahrheit ist daS Gegentheil der Fall, sofern man unter dem katholischen Volk nicht die berufsmäßigen Hetzer und ihren blindfanatisirten Anhang versteht. In den jenigen katholischen Kreisen bis tief in die Geistlichkeit hinein, welche wirklich nach kirchlichem Frieden streben, herrscht Besorgniß, ja Angst vor der Rückkehr der Jesuiten, weil man tets, wo immer sie nur auftraten, die Spuren ihrer Wirk- amkeit in ihrer fanatischen Aufhetzung de- confesiionellen Laders und meistens auch in einem höchst verderb lichen Widerstreit gegen die katholisch - kirchlichen Auto ritäten, Bischöfe und Pfarrer, erblickte. Wo die Jesuiten auftreten, da ist der konfessionelle Frieden unheilbar zer- tört, das weiß man in allen gemischten Gegenden. Eö ist recht bezeichnend, daß die ultramontane Agitation den Augen blick für geeignet hält, solche Forderungen, die früher mehr in dekorativer Weise auftraten, jetzt ernstlich zu erheben und damit den Reichstag anzugclicn. DaS ist bisher nicht ge- chehcn, der Reichstag ist niemals veranlaßt worden, sich mit der Aufhebung deS Jcsuitengesetzes zu beschäftigen. Aber in dem Reichstag deS GcgencartelS ist freilich auch ein Volum j^u Gutlsten der Jesuiten möglich! Wenn endlich die „Ger mania" die Maßregel mit dem herrschenden Priestermaiigel u begründen sucht, so möchten wir rathcn, sämmtliche katho- ische Geistliche aus der politischen Agitation und der TageS- iresse abzurusen, dann wird für die Seelsorge kein Mangel mehr sein. * Wir lesen in der Kölnischen Zeitung": I» Sachen der Kritik der Geschworenensprüche seiten« der SchwurgerichtSvorsitzendcn ist die auch von un« als bevorstehend gcineldeie Verfügung de« preußischen Justiz- minister« nunmehr ergangen. Dieselbe ist mit dem gleichen Wort laute an die Gerichte und an die Beamten der Staaisanwalischast erlassen. ES wird darin einyfohlen, von einer Beurtheilung der Geschworeneniprüche im GerichiSiaal überhaupt Abstand zu nehmen, zu welcher das Recht in der deutschen Strasproceßordnung an keiner Stelle bestimmt verliehen sei. weder den, Vorsitzenden, noch viel weniger den Beamten drr Staatsanwaltschaft. Die Stellung der letzteren zu den Geschworenen wird als eine vollends jeder Ueber- ordnung entbehrende hingestellt, während der Vorsitzende deS Gerichts in der ihm zur Pflicht gemachten Rechtsbelehrung, weiche dem Spruche der Geschworenen unmittelbar vorhergeht, stets nur die den Gegen stand der Verhandlung bildende Sache zu erörtern habe, ohne dem erwarteten Unheile vorzugrrifen oder aus frühere Entscheidungen zurnckzukommen. Dennoch stellt sich auch die Verfügung aus den ^chi.bpunJ. daß es unter Umständen geboten und unvermeidlich sei» wird, iin Laufe der Rechtsbelehrung auf einen Jrrthum hinzu- weisen, welchem die Geschworenenbank in einer früheren Sache ganz unzweiselhasr verfallen ist; in diesem AuSnahmesalle soll aber die Hinweisung sich von sachlicher und gemäßigter Form nirgends ent fernen. Selvstverständlich wird ein Gleiches vorgeschrieben für den im Gesetze selbst vorgesehenen Fall, da auf einen Mangel deS Spruches in der Fonn oder in der Sache voin Vorsitzenden auf merksam gemacht werden muß, damit die Geschworenen zur Abhilfe schreiten (8. 309 der Strasproceßordnung). Den Gebrauch, am Schlüsse der Tagung der versammelten Geschworenen einen Rück- blick über alle vom Schwurgericht erledigten Sachen zu geben, in welchem die Vorsitzenden in der Regel auch den wohlverdienten Dank für die treue, ausdauernde Arbeit auszusprcchcn pflegen, findet der Justizministcr unbedenklich in der Voraussetzung, daß auch bei dieser Gelegenheit der Vorsitzende sich einer jeden Besprechung der abgegebenen Sprüche ans ihren Werth hin zu enthalten weis;. UebrigenS wird, wie wir zum Schlüsse bemerken, vom Rhein her ein Anlaß zur Beschwerde und damit zum Erlaß der ergangenen Verfügung unseres Wissens kaum Vorgelegen haben. * Den Befürchtungen, daß in Bayern unter dem neuen CulluSminister ein Umschwung der Regierungspolitik zu Gunsten des Centrums erfolgen könnte, tritt der „Fränkische Courier" in einem Artikel entgegen, in dem sich folgende An führungen finden: „So lange der Prinz-Regent die Zügel der Regierung in leinen Händen hält, wird auch in dieser Richtung (die durch die Antwort aus das bischöfliche Memorandum gegeben ist) an eine Aenderung nicht zu denken sein; er erachtet sich als „Reich-Verweser" um so fester an den Wortlaut und Inhalt der Verfassung gebunden; Rechte der königlichen Prärogative hat der Verweser um so heiliger zu halten. In dieser Beziehung theilt auch sein Sohn, Prinz Lud wig, durchaus die Anschauung seines Vaters. Gcgcntheilige ultra montane Hoffnungen und Vermuthungen werden von der Zukunft bitter enttäuscht werden; in dieser Richtung, wird uns versichert, könnten die Liberalen in der SlaatS- und Kirchcnrechtssrage ruhig der Zukunft entgegensetzen." Zu diesen Ausführungen bemerken die „Münchener Neuesten Nachrichten": „Wir haben Grund zu der Annahme, daß das fränkische Blatt diese feierliche Versicherung aus genauer und zuverlässiger Kenntniß der Thatsachen schöpft." * Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß bezüglich der künftigen Gestaltung der Verhältnisse von Hela». land dem Reichstage noch in der laufenden Session Gesetz Vorlagen zugeben werden. Wenn jedoch kürzlich in der Presse schon ganz bestimmte Angaben m jener Richtung gemacht und unter Anderem als feststehend gemeldet wurde, daß die Insel in da« Verwaltungsgebiet von Schleswig-Holstein, dem eS vor der englischen Occupation angehort hatte, einaereiht werden würde, so war daS jedenfalls verfrüht. Wie der „Schlesischen Zeitung" versichert wird, stehen cndgiltige Be Müsse darüber noch aus und eS werden die bezüglichen Erwägungen und Berathungcn erst »ach der Rückkehr des Kaisers nach Berlin stattfinden. Zur Zeit ist es noch ebenso wahr' scheinlich, daß Helgoland der Verwaltung der Provinz Hannover, der die Insel räumlich näher gelegen ist, überwiesen werden wird. Die weitere Frage, ob und m welcher Weise Helgoland militairisch nutzbar gemacht werden soll, wird wohl noch längere Zeit offen gevalten werden, da zu ihrer Beantwor tuna eingehende Prüfungen der örtlichen Verhältnisse von sach verständiger Seite erforderlich sind, die längere Zeit in A» spruch nehmen und um so vorsichtiger zu behandeln sein werden, als die Ansichten über den militairischen Werth der Jnjel einander zum Theil geradezu entgegenstehen. Jeden falls entbehrt die neulich von einem hannoverschen Blatte gebrachte Meldung, daß für die Befestigung der Insel bereits un Lause der nächsten RcichStagSscssion Gcldforderuiigeu ge stellt werden würden, der Ihalsächlichcn Unterlage. Höchst»,,- iönntc eS sich zunächst nur um die Bewilligung der Mittel für die erforderliche Untersuchung der einschlägigen Verhält niffe handeln. ^ » * Im ungarischen Abgeordnctenhause wurden zwei Interpellationen wegen Gebrauchs der deutschen Sprache im Verkehr« mit de» gemeinsamen Ministerien :md den öfter- reichischen Behörden eingebracht. Ugron und 16 seiner Ge nossen verließen den Club der ungarischen UnabhängiakeitS- partei und werden ihren Austritt anmelden, da die Partei daS von Jranyi eingercichte Parteiprogramm, in welchem die Personalunion nicht ausgesprochen wird, während Ugron die« wünschte, angenommen Yak. — In dem Club der gemäßigten Opposition hielt Graf Apponyi eine Rede, in welcher er er klärte, daß seine Partei dem Ministerium gegenüber ihre ab wartende Haltung bewahren werde. * DaS Ri gas che Bezirksgericht verurtheikte, W4» schon kurz erwähnt, u. a den Pastor Wegener zu EeckS wegen gesetzwidriger Einsegnung einer gemischten Ehe zu wei Monaten Gesängniß und Verlust der geistlichen Würde, beschloß jedoch gleichzeitig, da-Urtheil dem Kaiser zu unter breiten und dessen Abänderung in Entfernung vom Amte aus die Dauer eine- Jabres zu beantragen. ES ist daran zu erinnern, daß im Falle deS kurländischrn Pastor« Tiling, der vom Mitauschen Bezirksgericht zu vier- monatigrr Gefängnißbaft vcrurtheilt wurde, eine ähnliche Berufung an die kaiserliche Gnade die Folge hatte, daß daS Urtbeil verschärft wurde, indem der Kaiser befahl, daS gerichtliche Erkenntniß zu vollstrecken, außerdem aber den Pastor Tiling hinfort nie mehr zur Bekleidung eines geistlichen Amts in den baltischen Provinzen zuzulassen. Von sich a»S hat dann der Vorsitzende deS General- consistoriumS, Wirkt. Gcheimrath von GierS, diese kaiser liche Entscheidung wiederum weiter verschärft, indem er auch dem Petersburger und dem Moskauer evangelisch- lutherischen Consistoriuin empfahl, Pastor Tiling bei Besetzung einer frciwerdendcn Predigcrstellr nicht zu berücksichtigen. * Nach der „Politischen Correspondenz" hat der russische VcrkehrSminisler Hüddenet Commissare nach den baltischen Provinzen und Polen entsandt, um die Eisenbayn- deamteu in der russischen Sprache zu prüfen. Diejenigen, deren Kenntniß ungenügend befunden wird, sollen sofort ent lassen werden. * Das „Journal de St. Pöteröbourg" dementirt die aus italienischen Journalen in andere Blätter übergegangene Nachricht, daß Rußland zum Zwecke deS ScbutzeS des industriellen EigentbumS ein Rundschreiben an die Mächte gerichtet habe. Ferner constatirt das Journal, daß dem Explodiren einer Patrone unter dem Wagen des Königs von Serbien keinerlei ernste Bedeutung beizumessen sei, und daß eS sich dabei lediglich uni einen Zufall gehandelt habe. * Gelegentlich der Coblenzer Katkolikcnversanimlung em pfahl Cardinal Lavigcrie die Gründung eines Missions hauses im Dorfe Maricnthal im Grvßherzogthum Luxemburg. Graf Spee, päpstlicher Kämmerer, hatte vor einigen Jahren eine Besitzung in Maricnthal angckauft, um daselbst ein Kloster zu errichten; wie cs jetzt heißt, hat Graf Spee die Besitzung an die Dominicaner vermiethet, mit dem Vorbehalt, daß sie später dem Cardinal Lavigerie den Platz räumen. Einige Dominicaner richten die Anstalt gegenwärtig sür die Ausnahme von MissionSzöglingcn ei». An Anmel dungen soll kein Mangel sein, indeß sollen nur Deutsche aus genommen werden und soll auch nur deutsches Capital zur Gründung der Anstalt herangezogen werden. Nachdem die Missionare in Maricnthal vorgebilket worden, sollen sie einige Zeit in den Seminaren deS ErzbiSthums Algier verweilen, um alsdann in Deutsch-Ostafrika Verwendung zu finden. * Der schweizerische BundeSrath hat bis jetzt noch kein osficiellcS Gesuch a» England um Auslieferung Castioni'S, dcS angeblichen Mörders Rossi'S, gestellt, da, entsprechend dem Formalismus deS englischen Gerichts verfahrens, das AuSlieferungSbegehren von einem die Schuld des AuSzuliesernden möglichst genau und bestimmt darstellen den Actenmaterial begleitet sein muß. Diese Auslieserungs frage scheint daS diplomatische CorpS in Bern sehr zu lntcressiren. * Der Abschluß eines Vertrage- zwischen dem italieni schen Marineministerinm und der „SoeistL äi rions kvvornls" steht unmittelbar bevor. Nach diesem Ver trage soll daS Schiff-material der Gesellschaft, mit Ausnahme der für den tranöatlantischen Dienst unerläßlichen Anzahl von Schiffen, in Kriegszeiten zur Verfügung dcS MarincministerS gestellt werden. Die bierzu erforderliche Umwandlung der Fahrzeuge soll der Gesellschaft mittelst einer Subvention er möglicht werden, wie dieselbe auch sür den Fall von Verlusten und Havarien eine Garantie erhalten soll. Die Dampfer der Gesellschaft würben im Kriege den Truppentransport besorgen und sollen im Nothfallc auch arniirt werten, um den Dienst als Kreuzer zu übernehmen. * Der britische Journalistenverband (Institute of Journalists), dem jüngst ein königlicher Frei- und Scdutzbrief verlieben worden, kalt gegenwärtig seine erste JabreS-Conferenz in Birmingham. Der Vorstand empfing Zuschriften vom Prinzen von Wales, von Lord Salisbury) Gladstone und dem Afrika reisenden Stanley, worin den Bestrebungen des BerbandeS, dem Journalislenstand zu größerem Ansehen zu verhelfen, Er folg gewünscht wird. "Präsident Harrison hat die Tarifbill unterzeichnet.— Der Congreß hat sich vertagt. Zur Lage in Portugal. * Der Auftrag zur Neubildung des portugiesischen CabinetS ist vom Könige dem bisherigen Vertreter Por tugals beim Heiligen Stuhle, Herrn Ferrao de Carvalho MartenS, erthcilt und von letzterem auch angenommen worden. Herr MartenS würde, wie eS beißt, neben dem Vorsitz im Ministerrath auch daS Ressort der auswärtigen Angelegen heiten übernehmen, während für daS Portefeuille deS Innern aleichfallS schon ein Name, und zwar der dcS Grafen Casal Nibciro, genannt wird. Unter den kritischen Zeitumständen erscheinen beide erwähnten NessonS als die dornenvollsten und verantwortlichsten, mit ihrer definitiven Besetzung könnte so nach die CabinetS - Neubildung in der Hauptsache als glücklich vollzogen gelten. Für die auf dem Spiel siebenden Interessen der dynastischen und nationalen Politik erweist sich der endlicke Abschluß de« gouvernemcn- talen Provisorium- als ein unabweiSlicheS Bcdürfniß, da jede Berzözeruna den leitenden Kreisen als Mangel an Ent schlossenheit, Festigkeit, Zielbewußtsein und Mutb auSgelegt wird und zur Steigerung der rcvolutionaircn Leidenschaften beiträgt. DaS Auftreten der Erecutivorgane gegen die Ur heber der vielfachen Ruhestörungen der letzten Wochen bat den Mangel einer festen Zügelführung ohnehin nur zu deutlich erkennen lassen; fast unter den Augen der Behörden wurd«
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