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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010074
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901007
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-07
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1890
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Erscheint täglich früh 6»/, Uhr. KeLaction und Lrprdition Johannesgasse 8. Lprrchstundrn drr Urdartiou: VonnittagS 10—12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. Ulr rt» NUck-ad« ei»e«i««drrr Nl-Milcrchl, ««cht sich du >tet»ctw» »icht »erdu>tl,ch. «-nahm« »er für die nächstfolgende R»m,ner besttmmte» Inserate an Wochentagen »t» S Uhr Nachmittag», anSonn- »nd Acsttagrnfrüh bis' ,V Uhr. In drn Filialen für Ins.-Änualime: Ltta Ulrmm'S Sorttin. c-llfre» Haha). Universitätsskraß« 1, Laut» Löscht, Lathorinenstt. 14 pari, und König-Platz 7, mir bis ' ,3 Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Skbonnement-prei- vierteljährlick 4>/, Mk. tml. Bringerlohn 5 Mk., durch di« Post bezogen 6 Ml. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühre» lür Extrabeilage» (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Pvstbesörderung SO Mk. mit Poslbeförderung 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzelle 20 Pf. Gröber« Schriften laut uns. Preisverzeichnis,. Tabellarischer u. Zisfernsatz nach höherm Tarif. Nerlamen unter dem Nedactionsstrich die »aespalt. Zeile 50 Pf., vor den Fa milien Nachricht«» die Sgespaltene Zeile 40 Ps. Inserate sind siet» an die Expedition za senden. — Rabatt wird nicht gegeben.. Zahlung praeuumerauäo oder durch Post» Nachnahme. 28«. Dienstag den 7. October 1890. 81. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Erledigt hat sich die am 2. diese- MonaiS erlassene Bekanntmachung de» Unterzeichneten PolizriamtS, die Vergewaltigung eines achtjährige» Mädchens am hiesigen Schwancnteiche betreffend, durch die Ermittelung und Aufgreifung des ThäterS. Leipzig, am 5. October 1890. DaS Polizeiamt der Stadt Leipzig. VII. 2399. - Bretschneider. B. Erledigt hat sich unsere wegen des Handarbeiter- Franz August Lchleenvotgt an- Auerstädt unterm IS. vorigen Monat- erlassene Bekanntmachung. Leipzig, am 30. September 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. R. I. 1421 ä. Armenamt. Ludwig-Wolf. Diebstahls-Bekanntmachung. Gestohlen wurden laut hier erstatteter Anzeige: 1) etn Holjkosfer, rothbraun gestrichen, darin 5 Kleider» ein grün-, ein roth-, ein braunwollene-, ein blaucarrirtwolleneS, ein blaugedrucktes, 2 halbwollene Hauskleider, ein schwarzes Ttoff- Jatket, ein schwarzes Plüsch-Jacket, ein Paar Tamcii-Prome- naVrii-Lederschiihe, mehrere rothe Varchrnthcmden, Tchürren, Strümpfe und div. Kleinigkeiten, am 1. d. M.; 2) ein Kleid von schwarzem Kaschmir mit schwarzen Knöpfen und Pvsamentenbrsay, ein schwarzer Frauen-Paletot mit schwarzem Pliischkragen und Aufschlägen, ein Winternbcrzteher vou braunem Sioff mit schwarzem Sammetkragen, 2 Reihen schwarzen Knöpsea und schwarzem Wollatlasfuiter, am 26. v. M.; 3) ein Sommcrübcrzieher von braunem, gestreiftem Stoff, mit braunem, halbseidenem Schooßsutter und gelbgestreiftem Aermel- fulier, Stoffhcnkel und Hornkiiöpfen, am 30. v. M.; 4) ein ziemlich neues Manns-Jackct von schwarz, und weiß, aesprisseltem Stoff mit einer Reihe Perlmutterknövfe uud Stoff- Henkel mit dem Namen „llulius VoiKt, Ltülteritr' , vom 22. bis 28. v. M.; 5) ein dunkelblauer Tommerüberzteher, getragen, mit einer Reihe schwarzen Knöpfen, mit verdeckter Batterie und Kettchenhenkel, vom 27. bi- 28. v. M.; 6) ca. 2 Lullend Paar Vllckskin- und Kammgarnhofen von verschiedener Farbe, am 27. v. M.; 7) ein Lamrn-Mantel von schwarzem gepreßten Stoff, ohne Futter, mit ca. 10 cm breitem Besatz und schwarzen überzogenen Knöpfen, ein Sonnenschirm mit schwarzsetdcnem Bezug, gelbem gedrehten Stab mit gebogenem Griff, eine silberne Laulkn-Vylinder- Uhr mit Goldrand und anhängender Toudlö-Uhrkette von langen breiten Gliedern mit einem mit rother Perle versehenen kleinen Medaillon, ein breiter goldener Armreif, gerieft und gravirt, sowie ein glattes Tonblö-Armband, vom 26. v. bis 2. d. M.; 8) eine goldene Nemontoir-Ankcr-Tavonnettc-Uhr mit Sprung, decke! und anhängcndcr starker goldener Panzerkette, am 28. v. M.: 9) eine goldene Remontoir-Savonnette-Nhr mit der Nummer 123282, innerhalb der letzten 2 Monat«; 10) eine silberne Eylindernhr mit Goldrand und Secunde, gelbem Zifferblatt und der Abbildung einer Burg auf der Rückseite, am 29. v. M.; 11) ei» goldener Ring mit langem, querliegendem rothen Stein und 4 Perlen, am 20. v. M.; 12) ein Korb mit 12 Metzen Stein-Pilze» vom 29. bis 30. v. M.: 13) ein Rtndcr-Birrtel, 75 Kilo schwer, vom 27. bi« 28. v. M.; 14) ein vierrädriger Kinderwagen mit Bicyklerädern, gelb bronzirt, blau ausgeschlagcn und mit olivfarbigen Vorhängen, am 3. d. M.; 15) ein Regenschirm mit schwarzem Gloriabezng, schwarzem Stab und Achalgriff in Krückcnform, am 28. v. M.; 16) ein Spaztrrftock von gelbem Rohr mit Silberknopf, mit dem in Monogramm eingravirtc» Buchstaben „0. kV" und ,^f. L." und der Widmung: „2um ^näeulivu", am 28. v. M.; 17) 2 Holzräoer» 60 cm hoch, mit Eisenbeschlag und eisernen Reifen, vom 2l. bis 24. v. M.; 18) eine Gondel in der Grütze für 7 Personen, mit schwarzem Bordrand, innen blau- und graugestrichen, am 27. v. M.; 19) ein Wintrrnbcrzieher von dunkelgrünem Stoff, mit roth. nnd grüncarrirtem Schootz. und Hellem Äermelsutter, schwarzen Steinnußknöpsen und Kettchenhenkel, vom 6. bis 7. Juli d. I.; 20) ein Sommerüberzieher von braunem rauhen Stoff, mit bellen,, schwarzem, schwarz, und rothgeltreistrm Futter und einer Reihe braunen Stcinnutzknöpfen mit verdeckter Batterie (im Henkel der Name: ,Jingo Zärlmg, Plogwitz") am 4. d. M.; 21) ein Lacket und eine Weste von dnnkelarauem Stoff, eine dunkle Ltoffhose, eine schwarze defect« Tuchhose, ein Notizbuch mit einer Mitgliedskarte und einem Militatr-Pah auf „Otto ziarx" und einem ZehntcllooS der Sächsischen Landeslotterie Skr. 48 123, am 4. d. M.; 22) ein Lamen - Regenschirm mit schwarzseidenem Bezug, schwarzem Stab mit rundem silbernen Griff und zwei braunen Quasten, am 5. d. M. Etwaige Wahrnehmungen über den Berblieb der gestohlenen Gegenstände oder den Thätcr sind ungesäumt bet unserer Kriminal- Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 6. October 1890. Las Polizei-Amt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung: De. Schmtd. W Die Lage in Frankreich. Die Note, welche wir dem Verhalten Frankreichs seit längerer Zeit au-stellcn dürfen, lautet „zufrieden" dis ans da« englisch-französische Abkommen in Afrika, da- jedoch vorläufig eine leere Form ist, die ihres Inhalt- noch darrt. Einige kleine Verstöße sind auch in Bezug aus den internationalen Verkehr gemacht worden, wie der Trin.kspruch Ferron's bei dem militairischen Festmahl in Janzon und durch die Reise deö französischen Abgeordneten Ridot nach Italien, um Kund gedungen für eine italienisch-französische Verbrüderung hervor zurusen. Im Ganzen darf man aber sagen, daß Frankreich ,m Vergleich zur Vergangenheit sich unter der gegenwärtigen Präsidentschaft einer größeren Zurückhaltung befleißigt. Es wäre ungerecht, den Präsidenten Carnot auf Kosten seines Vorgängers zu verherrlichen und Grevy für da- verant wortlich zu machen, was unter seiner Regierung gesündigt worden ist. Dir Verfassung weist de» Präsidenten in Frankreich eine wesentlich repräsentative Nolle zu, sein wichtigste- Recht besteht in der Ernennung und Entlassung der Minister, im Uebrigen ist er ohne Einfluß auf die Geschicke de- Lande«. Grevy war machtlos den Ausschreitungen der Presse und der Menge gegenüber, während der Anwesenheit deö Königs AlfonS XII. von Spanien in Paris hat er seine Ohnmacht, den Gast de- französischen Volkes vor Beleidigungen zu chützen, offen eingeräumt. Das ging offenbar zu weit, bei etwas größerer Vorsicht hätte der Skandal im <kahre l884 in der Thai vermieden werden können. Aber Grevy faßte eine Aufgabe in dem Sinne auf, daß er jede persönliche Initiative zu vermeiden und lediglich der öffentlichen Meinung zu folgen habe. Leider machte er darin eine Ausnahme, soweit sein Schwiegersohn Wilson in Betracht kam, und das führte mit Notbwendigkeit seinen Sturz herbei. Carnot hat eine andere Auffassung seines Pflichtenkreises, er betrachtet sich nicht ausschließlich als den Vertreter Frankreichs nach außen, sondern er hat auch das Streben, überall im Lande selbst anregend zu wirken durch persönliches Erscheinen dei Gelegenheiten, in welchen daS National-Bewußtsein schärfer hervortritt, oder wo schädliche Einflüsse zur Abwehr auf fordern. Carnot hat eS nicht verschmäht, den Boulangismus persönlich zu bekämpfen, ihm da cntgcgenzntrelen, wo er Boden gewonnen hatte und die Herrschaft zu erringen trachtete. DaS war eine wirksame Vorbereitung auf die nachfolgende Action der Regierung, welche in der Errichtung eines Staatsgerichtshofes und in der Erhebung der Anklage gegen Bonlanger und seine Mitschuldigen ihren Höhepunct und zugleich iyrcn Abschluß fand. Frankreich hat noch heute an den Nachwehen der boulangi- stiscken Bewegung zu leiden, sie hat auch den Grasen von Paris in ihren Niedergang verwickelt und ist dadurch wieder zu einer gewissen Bedeutung erwacht. Die Enthüllungen Mermeix' wurden ursprünglich mit gerbeilten Empfindungen ausgenommen, man widmete ihnen im AnSlande nur geringe Beachtung, allmälig wurde das Ausland aber genöthigt, der Sache größere Aufmerksamkeit zu schenken, weil sie in Frank reich selbst große Aufregung erzeugten. Die Person Boulanger'S tritt dabei vollständig in den Hintergrund, im Gegentheil haben die Merineix'schcn Enthüllungen die Erbärmlichkeit dieses Abenteurers nur noch stärker zum Ausdruck gebracht, aber die Artikel Mermeix' haben den Erfolg gehabt, daß sie den Grafen von Paris an- seiner Zurückhaltung herauSgelockt nnd ihn zu Bekenntnissen getrieben haben, durch welche er die An wartschaft auf die Krone Frankreichs für alle Zeiten ver wirkt hat. Er nennt Boulanger eine Waffe, welche ihm die Republik selbst geliefert und deren er sich bedient habe, um die Sache der Monarchie zum Triumphe zu führen. Diese- seltsame Bekenntniß hat aus die Royalisten nicht den Eindruck gemacht, welchen der Graf von Paris davon erwar tete, eS hat vielmehr die Partei der Auflösung nahe gebracht. Eine große Anzahl von Orleanisten, man spricht von 80, hat sich vom Grafen von Paris loSgesagt und will sich zu einer republikanisch-conservativen Gruppe vereinigen, der Rest hat aus Veranlassung des Abgeordneten Cazrnove de PradineS die Notbwendigkeit anerkannt, daß der Graf von Paris zu Gunsten deö Herzogs von Orleans abdanke. Hier liegt also eine Sprengung der Monarchiftcn-Partei vor, wie sib seit der Errichtung der Republik des 4. September 1870 noch nicht beobacktet worden ist, der Graf von Paris hat durch seine Ungeschicklichkeit und seine Charakterlosigkeit etwas erreicht, was selbst seinem hochkirchlichen Verwandten Grafen von Cbambord durch seine Bigotterie niemals gelungen ist: die Anhänger drr Monarchie zum großen Theile der Republik in die Arme zu treiben. Die Bonapartisten hüllen sich diesem tiefen Fall deö OrleaniSmuS gegenüber in tiefes Schweigen, sie sind durch den BoulangiSmuS nicht entfernt so compromittirt wie die Orleanisten, nnd sie begen offenbar die Hoffnung, daß die Entbüllungen Mermeix' dazu beitragen werden, die Bonapar tisten in der öffentlichen Meinung zu heben und sie als die alleinigen und ernst zu nehmenden Vertreter deS monarchischen StaatSgedankenS erscheinen zu lasten. DaS Schweigen der Bonapartisten in diesem Augenblicke ist Wohl berechnet und wird seine Wirkung auf zahlreiche Franzosen nicht verfehlen. So wird denn die »och immer nicht gelöste Frage, ob Monarchie oder Republik, auch die am 20. October zusammen tretenden französischen Kammern wieder in hervorragender Weise beschäftigen. Den Bemühungen der Regierung zum Trotz, welche die Arbeiterfrage nnd die Frage der Handels verträge in den Vordergrund der parlamentarischen Be rathungen stellen will, werden sich die Lagucrre und Laisant, die Laur und Mermeix vordrängen, um den Skandal aufs Neue in die Kammer einzufübren. DaS Ministerium bat in richtiger Erkenntniß die Verfolgung der Mitschuldigen Boulanger'S durch den StaatSgcrichtshof abgelehnt, weil diesen dadurch eine ihnen nicht zukommende Bedeutung ver schafft werden würde, diese Herren werden aber ans eigener Veranlassung dafür Sorge tragen, daß sich die öffentliche Meinung mit ihnen beschäftigen muß. Sehr ergötzlich ist eS, in welcher Weise die bevorstehende Action vorbereitet worden ist. Zuerst eine Artikclreihe im „Figaro", deren Verfasser der Boulangist Mermeix ist, dann Verhängung des Bannes über Mermeix durck seine bisherigen Genossen. Dann Auf forderung an Laur durck 1200 seiner Wähler, sein Mandat niederzulegen, und als wirksame Verzierung der ganzen Ver anstaltung eine Reibe von Zwe kämpfen, bei welchen Mermeix die Hauptrolle spielt. Das Ausland sieht diesem Treiben kopfschüttelnd zu, die Franzosen dagegen scheint eS thcilö zu interessiren, theils zu belustigen, auf alle Fälle gewäbrt es ihnen Stoff zur politi schen Erörterung, zur journalistischen und zur witzelnden AuSbcntnng. Die Franzosen bedürfen irgend eines Stoffes, welcher sie anregt, sei eS nun im guten oder im schlechten Sinne. Die Enthüllungen Mermeix' sind so ein Stoff, und deshalb ist er der Mann des Tages. Sein Erfolg gewinnt an Bedeutung dadurch, daß er auch eine ernste politische Seit« hat, und daß die Republikaner dadurch Gelegenheit finden, die Orleanisten wegen ihres Mißerfolges zu ver spotten. Im Hintergründe tauchen aber bereits neue Prä Wildenten in den Perfoncn des Herzogs von Orleans, Victor und Louis Napoleons auf. Der Letztere erhält dadurch einen besonderen Nimbus, daß er Oberstlieutcnant in eineni russi schen Dragoner-Regiment ist, also in der Schwester-Armee der französischen, wie sie Ferron genannt hat, und deshalb wird auch der Telegraph in Bewegung gesetzt, ui» die Rück kehr de« OberstlieutenantS LouiS Napoleon vom Urlaub zu seinem Regiment zu melden. Für die nächste französische Kaminersession fehlt eS also nicht an pikanten: Stoff, wclcker die von ernsten Berathungen untrennbare Langeweile nicht aufkommen läßt. * Leipzig, 7. October. ^ Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" chrcibt — ersichtlich officiöS: Ein Theil der ausländischen und auch der deutschen Presse hat an die Thatsache, das, die österreichischen Minister bei Ankunft des Kaisers Wilhelm in Wien nicht anwesend waren, allerlei Kommentare knüpfen zu sollen geglaubt. Wir bemerken hierzu, datz Se. Majestät der Kaiser Wilhelm bereits vor zwei Jahren seinen osficicllen Besuch in Wien gemacht hat, bei dem nicht nur die gemeinsamen und die österreichischen Minister, sondern auch der ungarische Ministerpräsident anwesend waren. Diesmal hat Kaiser Wilhelm lediglich einer Einladung des Kaisers Franz Josef zur Jagd Folge geleistet und dabei Wien passirt. Di« Blätter, die sich über die Abwesenheit der öster reichischen Minister wundern, haben unsere- Wissen« darüber, daß di« pceutzischea Minister nicht in Rohnstock waren, nicht- zu de- merken gehabt. Es ist bedauerlich, daß in deutschen Zeitungen, wie z. B- in der Münchener „Allgemeinen Zeitung" der Anlaß zu Insinuationen hinsichtlich des Grafen Taafse benutzt wird, die ein falsches Licht auf die deutsch, österreichischen Beziehungen zu werfen ge- eignet sind. Wenn die genannte Zeitung äußert, „Graf Taafse muß also als Träger einer Enwtckelung der österreichischen Tinge angesehen werden, welche in den Augen Deutschlands der bestehenden Allianz nicht zuträglich ist", so erwiedern wir hieraus: Die Thättgkeit des Grasen Taafse liegt lediglich aus dem Gebiete der innere» öfter, reichischen Politik. Daß sich Deutschland in diese niemals einmischen wird, bedarf keiner besonderen Versicherung. * Die gelegentlich der Feier der zwanzigsten Wiederkehr de»Jahrestage« derUebergabe von Stratzburg bei dem am 28. v. MtS. stattgcfundenen Festbankct de-Badischen Zeib»GrenadierregimentS von dem Großherzog von Baden gehaltene Rede ist von der „Karlsruher Zeitung" vom 30. v. MtS. ihrem Wortlaut nach wieder gegeben worden und lautet wie folgt: .Meine lieben Freunde! Ich danke Ihnen Men, daß Sie Mich in dieser freundlichen und liebevollen Weise hier empfangen haben. Ich scheide von Ihnen in der Zuversicht, daß nicht nur diese Bilder aus alter Zeit ihren Eindruck machen werde», sondern Ich bin über- zeugt, datz Sie auch diese ehrenvolle Vergangenheit hoch zu halten wissen. Ich weiß, daß es in Ihrem Herzen steht, die Vergangenheit hoch zu halten, hoch zu halten die Zeilen, die uns groß gemacht haben. Tragen Sie diesen Geist in Ihre Heimath zurück und verbreiten Sie ihn da, wo Sie zu wirken haben. Uebertragen Sie ihn aus die Jugend, übertragen Sie ihn insbesondere derart, daß noch viele Generationen an die große Zeit sich erinnern werden, wenn eS nur noch Geschichte ist, damit ste die ganze Kraft in sich aufaehme», die aus dieser Zeit auch auf uns übcrgegangen ist. Ich scheid« von Ihnen, Meine Freund«, mit dem Gruß», mit dem wir uns immer wieder begegnen werden, als treue, badisch« Soldaten, als treue, deutsche Männer, eS ist der Gruß, der sich in dein Ruse ausdrückt: Hoch und immerdar hoch lebe unier deutsches Vaterland I Aber insbesondere rufe ich freudig hoch, daß ivir einen deutschen Kaiser besitzen, dem wir unsere Huldigung darbringen. Ich fordere Sie auf, das dreimalige Hurrah hören zu lassen, init welchem Alt und Ju»a auch die Waffen ergreifen und jederzeit bereit sein wer- den, für bas Deutsche Reich, für Kaiser und Vaterland einzntreten. Ein dreimaliges Hurrah Kaiser Wilhelm H." * Nach Ablauf des Socialisten-GesetzeS forderte das Präsidium des gesammten braunschweigischen Land- wehr-BerbandeS die Krieger-Vereine des Landes auf, unbekümmert um den etwaigen Vorwurf, daß in den Vereinen Politik getrieben würde, mit Strenge darauf zu kalten, daß offene wie verkappte Socialdcmokraten weder in die Vereine ausgenommen, noch in denselben, wenn sie bereit- darin vor handen, weiterhin geduldet würden. * Der der „Gemäßigten Opposition" angehörende ungarische Reichstags-Abgeordnete Abranyi, welcher sich durch seine freckcn Lügen bezüglich des ihm angeblich von dem Fürsten Bismarck bewilligten Interviews vor aller Welt blamirt hat, und welcher daraufhin in ganz richtiger Schätzung seines moralischen WertheS erklärt hatte, daß er sein Mandat als ungarischer Volksvertreter nieder legen werde, hat am 1. October an die Wähler des Kcczeler Wahlbezirkes ein Schreiben gerichtet, in welchem er mittheilt, daß er infolge des ihm ertheilten Vertrauensvotums von der Absicht abstebe, sein Mandat niederzulegen, und daß er das selbe im Sinne de- Beschlusses seiner Wähler bcibcbalten werde. Thatsächlich ist der treffliche Herr im Reichstage erschienen und hat sofort am Eröffnungstage durch Stellung mehrerer geharnischten Interpellationen den Beweis geliefert, daß seine Kraft noch ungebrochen ist. * Wie aus Reval berichtet wird, hat der Chef des GonvernemenIS von Esthland eine größere Commission, be stehend anS RegierungSbcamtcn und Vertretern der Stadt, behufs genauer Durchsicht der Städteordnung ein gesetzt. Dieselbe bat ikre Sitzung im Revaler Schlöffe bereits begonnen. Zu dieser Maßregel wurde infolge eine- Circulars des Ministeriums de- Innern an die GouvernementschefS geschritten, in welchem dieselben ersucht werden, ihr Gutachten darüber abzu^ben, welche Abänderungen in der zur Zeit be stehenden Stadteordnung sie ihrer Meinung nach für unauf schicbbar und dringend nothwendig halten. * Nach einer Meldung aus St. Petersburg wird der Aufenthalt der kaiserlichen Familie in Skjernjewice, wohin sich dieselbe demnächst beliebt, ungefähr zwölf Tage dauern. Nach der Hauptstadt durfte die kaiserliche Familie gegen den 17. Oktober zurückkebren, voraussichtlich ans dein Umwege über Sebastopol, wo sich dieselbe vom Großsürsten- Thronfolger »nd dem Großfürsten Georg, die am 21. October ihre große Seereise antreten, verabschieden dürfte. * Die nach der Session der Generalräthe an den französischen Minister deS Innern eingcsandten üblichen Berichte constatircn sammtlich, daß die deparlemciitalen Ver sammlungen inmitten der vollständigsten Ruhe getagt und berathen haben. Die allgemeine Vcichwichtigung »uv Be ruhigung der Geister, die sick im Lande kundgicbt, haben ihre Rückwirkung in Le» Gencralrälben gehabt. Diese hielten fick sorgfältig innerhalb der geschäftlichen Fragen »nd nirgends hat die Opposition politische Zwischenfälle erhoben, aus genommen in zwei oder drei Fällen, wie z. B. im (General rath deS Sartbe-DepartementS. Es ist da» erste Mal seit 1870, daß solches in dieser Allgemeinheit hat constatirt werden können. * Auf dem Kirchencongreß in Hnll bildete kürzlich der bekannte Vorschlag deS ArchidiakonnS Farrar von West minster, mönchische Brüderschaften in der englischen Staatskirche cinzusübren, einen der Hauptgcgenskände der Berbandlnngen Farrar begründete nockinals seinen Plan, der schon 1847 im Kirchcnparlameitt von Cantörbury zur Sprache gekommen sei und die Unterstützung einiger der angesehensten Bischöfe gefunden habe. Hätte eS solche Brüder schaften gegeben, so meinte er, so wären weder Methodisten, noch die Heilsarmee je aufgekommen. Die Hochkirche habe Newman verloren, weil eS >br an Hochherzigkeit und Muth gefehlt habe. Ein Funke Begeisterung sei mehr Werth als anze Wagenladungen von Vorsicht. Der Bischof von iverpool und Lord Norton stimmten Farrar bei. Der Pastor W. H. HutchingS betrachtete gleichfalls solche Brüderschaften als bestes Mittel, die Volksmasscn unter den Einfluß der Kirche zu bringen. In die Brüderschaften könnten sowohl solche ausgenommen werden, welche sich für ihr ganzes Leben, wie solche, welche sich nur für einen gewissen Zeitraum auf die drei MönchSgelübde, Arinuth, Keuschheit und Gehorsam, verpflichten. * DaS Jahr, da« die erste Landesvcrtretung in Japan sehen soll, bringt der Bevölkerung diese- östlichen Reiches «ine Reihe harter Prüfungen. Unter der vorjährigen Miß ernte in Reis haben die ärmeren Claffen noch immer zu leiden. Man hat berechnet, daß der Ausfall im Ertrage dieser wichtigsten, hier zugleich Brod und Kartoffeln ersetzenden Frucht gerate soviel beträgt, wie 8 Millionen Menschen durchschnittlich in einem Jahre verzehren. Da können auch die von der Regierung importirten Mengen von chinesischem und koreanischem RciS nur einen vcrhältnißmäßig geringen Rückgang deS Preises bewirken. Dann kamen in den Monaten April und Mai, in einer sonst trockenen Jahreszeit, ungeheure Regengüsse und verdarben die Gcrstenernte. Der August ist wiederum recht unfreundlich. In zwei nörd lichen Provinzen hat er bereits verheerende Ueberschwem- mungen gebracht. Im Iwate-Ken sind am 13. August zwei bedeutende Flüsse, der Myako - gawa und der Omoto-gawa, über ibre Ufer getreten und haben ihre engen Thäler b:S an die Dächer der niedrig gelegenen Dörfer mit Wasser angesüllt. In Fukushima-Ken haben am 12. August der Abukuma-gawa und Su-gawa plötzlich ausgedehnte Ueoerschwemmungen an- gericktet und, soweit bis jetzt Nachrichten vorliegen, acht Menschen ein nasses Grab bereitet. Dazu ist nun noch die Cholera gekommen, die von Nagasaki aus, wo ihr bereits mehr als 1000 Menschen erlagen, sich über die ganze Süd- inscl Kiuschiu verbreitete und außer einigen Punkten der Inlandsee auch bereits Kobe, Dokobama und Tokyo erreicht hat. Ueberall sind die Behörden aufs Eifrigste bemüht, das Weiterumsichgreifen dieser schrecklichen Krankbeit zu verhindern. Einstweilen ist die Anzahl der Opfer in diesen Centren de« Verkehrs, besonders in Tokyo, verhältnißmäßig gering. Hoffentlich bleiben die rastlosen Bemühungen der Staats- und Municipalbehörden von Erfolg gekrönt. Militairisches. * Im Hinblick auf die Gerüchte über bevorstehend« Personalveränderungen in den höchsten militai- rischen Stellungen schreibt man der „Schlesischen Ztg.* aus Berlin: Die in der Presse verbreiteten Gerüchte über einen bevorstehenden Wechsel in den höchsten militairischen Stellungen sind, abgesehen vom Krieg-Ministerium, als reine Kombinationen zu betrachten, die mit der Wirklichkeit nicht« gemein haben. Tahin gehören besonders auch die Meldungen von der angeblichen Absicht des Chefs des Großen Generalstabes, Grasen Waldersee, von seinem Posten »urückzutrcten. In gut unterrichteten militairischen Kreisen ist keine Thatsache bekannt, auf welche ein solcher Entschluß zurückgeführt werden könnte. Abgesehen davon, daß der persönliche Verkehr des Kaiser- mit dem Grasen Waldersee noch während der letzten Manöver sowobt in SchleSwig-Hotstein wie auch in Schlesien, wo der Chef deS Großen Generalstabes stets in unmittelbarer Nähe de« Kaisers weilte, ein offen- kundig herzlicher war, steht eS außer Zweifel, daß der Kaiser die hervorragende Kraft des Grasen heule ebenso hochschätzt wie zu der Zeit, als die Ernennung desselben zum Chef deS Generalstabes erfolgte. Daß auch in militairischen Kreisen die Meinungen in Bezug aus Einzelheiten der Lösung strategischer und tactijchcr Auf. gaben bisweilen auseinander gehen, soll nicht bestritten werden; cs ist dies aber eine Erscheinung, die nur in den seltensten Fällen zu Conslictrn führt. Ein völliger Mangel solcher Meinungsver schiedenheiten würde schließlich auch zu einer routinenhasten Be- Handlung mtlitairischer Fragen führen, bei welcher ein Stillstand und damit ein Rückschritt i» der Entwickelung unserer Wchrverhält- »isse unausbleiblich wäre. Solcher, für unser Heerwesen jedenfalls nur segensreichen Art waren auch die Meinungsverschiedenheiten, welche sich zwischen dem Grasen Waldersee und General von Leszczynskl bei den Kaisermanövern in Schleswig-Holstetn gezeigt haben. Zu erwähnen ist hierbei, daß abweichend von der sonst in Bezug aus die Kaisermanöver herrschenden Praxis die Anlage der Manöver in Schleswig-Holstein und die damit in Zusammenhang stehenden strategischen Maßnahmen nicht vom Großen Geiieralstabe, sondern vom rommandircnden General des IX. Armeecorps von Leüzczhnski in Gemeinschaft mit dem commandirenden Admiral von der Goltz ausgearbeitet worden sind. Es geschah dies wohl mit Rücksicht aus die Cooperation der Landtrupven mit der Marine. ES ist richtig, daß General Graf Waldersee mit einzelnen Anordnungen des commaiibircilden Generals nicht völlig ühereinstimmte: allein von irgend welchen Gegensätzen kann nicht die Rede kein. Die abweichenden Ansichten kamen aus dem Manöversclde selbst zur eingehenden Be- sprechnng und Erledigung, ohne daß auch nur einen Augenblick ein» Verstimmung bemerkbar geweien wäre. * Auf dem krupp'schen Schießplätze in Meppen finden gegenwärtig große Schießübungen statt, zu denen viele aus- ländische Lsficiere sich eingesunden haben. Wie schon vor längeren Jahren, treffen die sämmtilchen Bctheiiigten täglich mit Extrazug in Münster ein, um am folgenden Morgen zum Schictzplatze in Meppen zurückzufahren. * Aus demReichslande, 2.October, wird der„Magdeburgischen Zeitung" berichtet: In den letzten Tagen kamen die nach beendeter Dienstzeit entlassenen elsaß-lothringischen Reservisten aus ihren in Altdeutschland stehende» Truppenthetlen nach ihrer Heimath massenweise zurück. Ich habe viele derselben gefragt, wie es ihnen jenseits des Rheines gefallen, und ausnahmslos eine recht befriedigte Antwort erhalten. Diese jungen Leute haben sich durchgängig eine vollkvmmcii deutsche Denk- und Lebensweise angewühnt, fprcchen auch recht gut den hochdeutschen Dialect. Tie Bedeutung dieser Thatsache für die Gcrmanisation des Reichs- landes ist nicht hoch genug anzuschlagen, namentlich wenn man be- denkt, das; bisher etwa 100000 junge Elsaß - Lothringer in der deutschen Armee gedient haben. Schade ist eS, daß nicht einige Regimenter der hier zu Lande ain meisten beliebten Waffengattungen, der Kürajsicre und Hujaren, in Elsaß-Lothringen stehen: da» würde de» Antrieb zum freiwilligen Eintritt in unser Heer ivesentlich ver stärken. Man kan» jetzt bereits sagen, daß wir hier bezüglich der Recrutirungsverhältnisse ungefähr aus den normalen Stanbpunct ge- langt sind. Die Gestellungen finden regelmäßig statt; auch den von Zeit zu Zeit stattsindeiiden Nebungen der Reservisten und Landwehr- teule entziehen sich nur wenige, obgleich diele Uebungen häufig in eine Zeit fallen, in der die ländliche Bevölkerung schwer vom Hau« abkommen kann. Lie Militairverwoltung sollte in dieser Hinsicht inehr Rücksicht auf die hiesigen Verhältnisse nehmen. Tie Erntezeit ist eben hier eine andere als in Norddcutschland."
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