Typographische Milteilungen typo 3 Zeitschrift des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker, Berlin 30.Jahrgang März 1933 Ständige Beilagen Die Entwurfstechnik Der Phototypograph Das Fachschulwesen Der Sprachwart Mit den auf den folgenden Seiten veröffentlichten Antworten schließt nunmehr die Umfrage, die der Vorstand des Bildungs verbandes der Deutschen Buchdrucker veranstaltete; im Januarheft erschienen die ersten Antworten; im Februarheft folgte der zweite Teil; der vorliegende letzteTeil wird in gleichem Maße das Interesse der Berufsgenossen finden. graphiker jan tschichold, der bekannte Vorkämpfer der neuen typographie, münchen 1. der typographische stilwandel, der „neue typographie” heißt und in der Umfrage mit dem ausdruck „sachliche typogra phische gestaltung” gemeint ist, kann schon deshalb nicht zum Stillstand gelangt sein, weil er noch kaum in fluß gekommen ist . wir dürfen uns doch nicht darüber täuschen, daß von einer durchdringung mit den neuen ideen und gar von ihrer praktischen Verwirklichung nur bei einer minderheit von kollegen gesprochen werden kann . man verwechsle nicht den stilwandel mit einer mode, die nach kurzer zeit verschwindet . es handelt sich gar nicht um das neue um seiner selbst willen, sondern um das richtige, das gute . der kampf richtet sich nicht gegen alles alte, sondern gegen das unbrauchbare, schlechte, und nicht zuletzt gegen das falsche neue! wünschenswert wäre die Wendung vom unangenehm monumentalen zur nichts-als- sinngemäßen optischen form . die aufgabe derjenigen, die dem neuen Stil zugetan sind, heißt Vertiefung, und im übrigen wollen wir für Verbreitung sorgen . etwas neues ist nicht zu erwarten und gänzlich überflüssig, da das neue bisher nur außerordentlich wenigen in fleisch und blut übergegangen ist, bei diesen allerdings dafür um so reichere früchte trägt. das bedürfnis nach einer netten alwechslung im bloß modischen sinne bezeugt Oberflächlichkeit und mangelndes Verständnis für die bedeutung des stilwandeis . nur die „schlechte konjunktur” hemmt die auswirkung des neuen. 2. die Weiterentwicklung der form wird in der bildung differenzierteren (verstandeneren, verfeinerten) aufbaus bestehen, an stelle der alten Schriften, die jetzt teilweise nur aus wirtschaftlichen gründen weiter benutzt werden und benutzt werden müssen, wird allmählich eine groteskfamilie mit allen abarten und in großen mengen treten. 3- die grotesk ist in gar keiner weise „überwunden”! leute, die das behaupten, gleichen dem swinegel des märchens „der wettlauf des hasen mit dem swinegel”! sie haben nie gekämpft, stets aber überwunden . lange hinaus wird die grotesk der gültigste Stilausdruck der zeit in der schrift bleiben. 4. ich glaube nicht an eine stärkere anwendung der fraktur in nächster zeit . die Verwendung ganz geringer dosen in neuer typographie ist berechtigt, wenn die fraktur als kontrastschrift verwendet wird . eine brachlegung aller früheren Schriften ist so absurd, daß man wohl nicht dagegen Stellung zu nehmen braucht . auch mit alten Schriften lassen sich durch kontrastierung (das wichtigste kunstmittel der neuen typographie) neue Wirkungen erreichen . gegen eine anders gemeinte Verwendung der fraktur aber wird jeder lebendige mensch einspruch erheben müssen. Auf die Umfrage antworteten: Seite 65 Graphiker Jan Tschichold, München Seite 71 Kollege Erich Bock, Erfurt 66 Dr. phil. Herbert Hauschild, Leipzig 72 Professor Ernst Aufseeser, Düsseldorf 67 Schriftgießerei D. Stempel, Frankfurt a.M. 72 Professor Walter Tiemann, Leipzig 68 Dr. E.Tuchmann, Berlin 73 Professor Georg Trump, Berlin 68 Graphiker Heinrich Jost, Frankfurt a.M. 73 Dr. phil. Otto Bettmann, Berlin 69 Professor H. K. Frenzei, Berlin 73 Bauhauslehrer Josef Albers, Berlin 70 Graphiker Herbert Bayer, Berlin 74 Zusammenfassung der Schriftleitung