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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901008
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901008
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-08
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1890
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Erscheint täglich stuh 6'/, Uhr. llrdlirtion und Lrprdition IohanneSgasse 8. Lprrchllundru drr Urdartion: Bonnittag- 10—12 Uhr. Nachmittag» 5—6 Uhr. tzt» tu NUSsiad« Vt-I>ulcr«»t» tu RUacNon nicht »admdlich. st« cimigtr TagMall vroonnemenrspreis vierteljährlich «»/, Mk. kiel. Brinaerlohn 5 MI., durch di» Post bezöge» 6 MI. Jede einzelne Nummer 20 Pj. Belegeremplar 10 Pf. Gebühren für Sxtrabril aaea (in Tagrblatt-Format gefalzt) <hne Postbeförderung SO Mk. Annahme »er für hie nächstfolgende Nummer beftfmmten Anferate an Wochentagen di» 2 Nhr Nachmittag», an So»»- nnd Festtagen früh dt» '/,V Uhr. 3n drn /ilialrn für Ins.-^nnahme: Ltto Slcmm'S Lorttm. «Alfred Haha), Universitätsstraße 1, Lonia Lösche, kathariuenstr. 14 pari. und König-Platz 7, nur bi- ' ,Z Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. »U Postbesürderuug 70 Mt. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröber» Schriften laut auf. Prei-verzeichnih. rabellartjcheru. Ziffernsatz nach hötzermTarcj. liektamen unter demRedartiou-slrich die -aespalt. ZetlebOVf.vordeuyamtltennachrtchtea die SgespaUen. geile 40 Pi. Juserat, sind stet- au di« Expedttton zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praovumerundo oder durch Post« Nachnahme. 281. Mittwoch den 8. Oktober 1890. 84. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekalllltmachlllig, die Anmeldung zur KirtteenvurstandSwahl in der Mnttbninemeinde betreffend. Nach Ablauf ihrer AmtSdauer scheiden aus dem Kirchen vorstand der Matthaikirche demnächst auö: Herr Rittergutsbesitzer und Buchhändler A. Ackermann- Teubner, » Geheimer Commerzienrath W. Dodel, » Stadtrath ivk. Poblentz, « Kaufmann P. R. Püttner, » Klempnermeistcr C. 4t. Nudolpb. » Schloffermeister I. Tchwartze und » Stadtrath I. C. Ullriey, deren Wiederwahl gesetzlich zulässig ist. ES soll daher die Wahl von sieben Kirchenvorstehern durch die Gemeinde statlfintcii. Stimmberechtigt sind alle selbstständigen, in der Mattbäi- aemcinde wohnhaften Männer evangelisch-lutherischen Be kenntnisses, welche das 25. Lebensjahr vollendet haben, ver- heiralhet oder nicht, mit Ausnahme solcher, die durch Ver achtung des Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel öffentliches, durch nachhaltige Besserung nicht wieder gehobenes Aergerniß gegeben haben oder von der Stimmberechtigung bei der Wahl der politischen Gemeinde ausgeschlossen sind, sowie derer, welchen durch Beschluß der Kircheninspection die kirchlichen Ehrenrechte entzogen worden sind. Alle Gemcindegliedcr, welche ihr Stimmrecht auSüben wollen, haben sich entweder mündlich oder schriftlich anzu melden. Mündliche Anmeldungen werden in der Sakristei der Matthätkirehe Montag, den 18. und Dienstag, den 14. Oktober d. IS. ununterbrochen von Vormittag» 10 Uhr bis Nach mittags S Ubr enlgcgengenommen. Schriftliche Anmel dungen mit genauer Angabe: 1) des Vor- und Zunamen», 2) des Standes oder Gewerbe-, 3) des GeburtStageS und JahreS, 4) der Lvohnung, können an den gedachten beiden Tagen ebendaselbst oder auch schon früher in der Expedition der Kirche niedergelegt werden. Zur Matthäigemeinde gehören nachstehende Straßen und Plätze: Gewölbe - Bermiethung. DaS im Vrdgcschvffe deS TtockhausrS am Nasch markte links neben der Hausflur «ach dem Salz- gaßchen zn gelegene, mii GasbelruchtungSeinrichrung versehene VcrkausSgcwvlbe ist vom I. April 1801 an gegen cinhalbjahrliche Kündigung anderweit zu vcrmietbcn. Mictbacsuche werden auf dem Rathhaust, 1. Etage, limmer Nr. 8, cnigegciigenommcn, auch sind daselbst die scrmicthungSbedingungcn zu erfahren. Leipzig, den 3. Lctober 1890. » 0087. Der Natb der Stadt Leipzig. I)r. Tröndlin. Pücker. Auenstraße, An der Elster, Dahnhosstraße 13—19, Barfußgäßchen 2—10, Berliner Straße, Blücherplatz, Blücherstrage, Brühl 1—2l und 2-18, Erlenstraße, Eutritzscher Straße, Erercirplatz, Färberstraße, Fleischerplatz, Gr. Fleischergaffe, Lessingstraße 2—32, Liviastraßc, Löbr'S Play, Löbrstraße, Löhrstraße, Aeußere, Lortzingstraße, Markt 4—9, Naundörfchen, Ncukirchhof, Nordvlatz, Nordstraße, Packbofstraße, Parlhenstraße, Pfaffendorfer Straße, Plauensche Straße 1—IS, Ranstädter Sleinweg, Roscnthalgaffc, Olr. Fleischergasje, lltosenthalaas Kl.Fleischergaffe9—31 u.2—20, Sedanstratze, Frankfurter Str. 1—11,2—30, Schießstandwachc, affllatz, Fregestraße, Funkcnburgstraße, Gerberstrane, Gneisenaustraße, Gohltser Straße, GothischeS Bad, Gustav-Adolphstraße, Hamstraße, Humvoldtstraße, Iacobstraße, Katharinenstraße 1—31, Kcilstraße, König Iohannstraße» Leibnizstraße, Schn Tbcaterpla Thcateraaffe, ThomasiuSslraße, von derFrank furter bis Lesstngstraße 1—7 und 2—6, Töpferstraße, Uferstraße, Bor dem Rosenthalthor, Waldstraße, Wettiner Straße, Aorkplatz, Dorkstraße, Zöllnerstraße. Die stimmberechtigten Glieder unserer Gemeinde fordern wir hierdurch dringend auf, sich an der bevorstehenden Wahl recht zahlreich zu betheiligen und zu diesem Zwecke ihre Anmeldung in einer der gedachten Arten rechtzeitig zu bc wirken. Leipzig, am 26. September 1890. Der Kirchenvorstand ,n St. Matthäi. k. Kaiser. Z. Bekanntmachung. Das 28. Stück des diesjährigen Reichsgesetzblattes ist bei unS eingeganaen und wird bis zum 8. November dS. IS. auf dem RathhauSsaale zur Einsichtnahme öffentlich auShängen. Dasselbe enthält: Nr. 1917. Allerhöchster Erlaß, betreffend die Festsetzung des Zinsfußes für die zufolge der Allerhöchsten Er lasse vom 17. Deccmber 1888, 7. September 1889 und 17. März 1890 noch zu begebenden Anleihe betrage. Bom 17. September 1890. Leipzig, den 4. Oktober >890. Drr Rath der Stadt «etprig. Vr. Tröndlin. Pücker. Bekanntmachung. Die Leuchtkraft des städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom 20. September bis S. Oktober d. I. im Argandbrcnncr bei 2,5 Millimeter Druck und 150 Litern stündlichem Eonsum das 18,7fache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von 50 Millimeter Flammenböhe. DaS sßecisische Gewicht stellt sich im Mittel auf 0,449. Leipzig, am 7. October 1890. DeS RathS Deputation zu den Gasanstalten. Bekanntmachung. Da» dem Bezirksverbande Leipzig-Land gehörige, an der Kirsch bergstraße zu Möckern gelegene Grundstück Nr. 54 des Brand- Kataster-, bestellend aus einem geräumigen Vordergebäude mit Keller-, Erd- und Obergeschosse», einem Zlallgebäude unb einem roßen, schön gelegenen Garlcn mit herrlicher Aussicht aus die ilsteraue, soll Montag, den 20. Virsc» Monats, Vormittags in ver Zeit von 11 bi» 12 Uhr. im EiynngSsaalr vor ililtcrzrichnric» Königlichen Amtshanptmannschaft öffentlich versteigert, der Zuschlag aber sür den Fall Vorbehalten werden, daß keine genügenden Gebote erfolgen. Reflektanten werden ersucht, zu diesem Bersteigerung-termine sich kinzufindeu, wegen etwa vorder zu ertheilender näherer Auskunft in der Sache aber an die Unterzeichnete AmtShauptmannschast sich zu wenden. Leipzig, am 3. October 1890. Königliche AmtShauptmannschast. 1)r. Platzin ann. Oeltk'onttietie Urindel^lolniinstull. ^tunolckuiu?on rum Lilltntt« in dis 1>ebrIIuu»-l1dtdol1»oa, absr nur noch kür den Unterricht in den >'uotn»Itt»x»!>1uodeo 2—4 Ubr), »erden Oleo-itao:, den 7., und ällttnveli, den . October, von 11—12 1'Iir Vnrmlttnx» sntxrexen xsnommen. ^ukunlimeprilkunx: Ooimerututt. den 9. October, trüb 7 Uhr. ^«erl 4V«I»uui, Oirsctor. Die Erstarkung des Ultramontanismus. Seit geraumer Zeit vollzieht sich langsam, aber mit un heimlicher Sicherheit die Wiedcrerstarkung des ultramontanen Geistes. Die Anzeichen dieses Vorganges treten überall zu Tage, cs ist das Walten einer über die ganze Erde verbrei teten, einheitlich geleiteten, zielbewussten Macht, welches sich zeigt, wobin man die Blicke wendet Nach der Aufbebung der preußischen Maigesetze hat sich daS Papstthuin der sociale» Frage als wichtigen AgitationSmitlelS bemäcktigt und die .Kunde verbreitet, daß ibm allein die Mittel zu Gebote tchen, das Nebel an der Wurzel zu fassen und auSzurotten. Wie das geschehen soll, ist den Borkämpsern dieses Gedankens wohl selbst nickt klar. Man sagt, daß der Papst schon lange an einer Encyklika über die sociale Frage arbeitet, daß er aber auS Gründen, welche nickt angegeben werden, den Zeit punct der Veröffentlichung immer noch hinausschiebe. Es ist offenbar die christliche Liebe, welche den unausführbaren Forderungen der Socialistcn als Einigungsmittel und als versöhnende Kraft gegenüber gestellt werden svll. Diese Liebe ist aber auch alö Grundlage der christlichen Lehre vom Pro testantismus anerkannt, also besteht in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen den beiden Eonfessionen. DaS Papstthum bat aber einen besonderen Grund, seinen hervorragenden Beruf zur Lösung der sociale» Frage zu verkünden, weil cS die Herrschaft über die Scbnle anttrcbl und zur Förderung seiner sonstigen, auf geistige Weltherrschaft gerichtete» Be strebungen die Rückbcrufung der aus Deutschland verbannten Jesuiten und der ihnen verwandten geistlichen Eongregalioncn wünscht. Dieser Zusammenhang ist soeben durch die Versammlung in Köln in gemcinverstandlichcr Weise targethan worden In der einstimmig angenommenen Resolution heißt es ans drücklich: „Zmmcr bedrohlicher wird der Ansturm gegen Altar »nd Thron, gegen alle Autorität in Staat und Kirche, gegen die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung. Ter Scrlsorge-KlcrnS reicht, zumal in den rasch anwacksenden große» Stätten, nicht mehr anS, um der religiösen Verwil derung breiter BolkSkrcisc, welche die Abwendung von Z»d>t und Sitte zur Folge bat, zu Verbindern: er bedarf in den katholischen Gegenden der Ergänzung und Unterstützung durch OrdenSgenossenschaflen wie die Jesuiten, Nedemptoriste» nnd Lazaristen, welche vor ibrcr Austreibung durch eine nndnld samc und kurzsichtige Gesetzgebung, namentlich in den dichtbevölkerte» Zndustricbezirle», so viel zur Erhaltung eines guten Geistes unter der Arbciterbevölkcrung bei- aetragc» haben." Damit svll also bewiesen werden, das; der Socialismus in den Industricbezirkcn durch die Ausweisung der Icsnitc» nnd verwandten Orden erst groß gezogen worden und zur Ausbreitung gelangt ist. Wir meinen, daß die Reichsregierung sür solche Beweisführung kein Verständnis hat und die wird, obwohl wirkt wird »nd schon die Anerkennung der Altkatbolikcn als besonderer Religionsgesellschatt erreicht worden ist, gegen welche sich Minister v. Lutz, so lange er noch gesund war, stets mit allen Kräften gestemmt bat. Auch daß sich die katholische Kirche so eifrig mit der Be kämpfung der Sclaverci beschäftigt, ist ein Ausfluß des SvstemS, den Bedrängten stets als Helferin a»S der Noch zu erscheinen. Wer wollte diese Hitsc nicht lobend anerkennen und ihr den beste» Erfolg wünschen! Wir sind nur durch die Erfahrung gcnöthigt, hinter diesen Bestrebungen noch etwas Anderes zu suche» als die christliche Liebe in ibrer edelsten Form, weil die Geschichte dcS PapsttbnmS lrbrl, daß die Herrschaft über die Geister der oberste Zweck all seines TbnnS von Anfang an gewesen ist. Die römische Kirche hat cS verstanden, große Reichtbümer und dadurch Macht und Ansehen zn erwerben, und der Jesuitenorden hat gerade in dieser Beziehung stets die besten Dienste ge leistet. Kann man sich vorstellen, daß alle dies« Katholiken Versammlungen, welche seit dem Jahre 1870 in vielen Ländern, bciondcrs aber in Deutschland, veranstaltet worden sind, dazu dienen sollte», die christliche Liebe zu fördern, wäh rend sic dock alle darin übercinstimmten. die Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papstes zu fördern? In Ucberein timmung damit hat die römische Curie Alle- gethan, um dem Dreibund entgegen zu arbeiten, und die gegenwärtige dem Bunde feindliche Bewegung in Italien bat keinen mächtigeren Bundesgenossen als de» Papst. Mtt welkster Beflissenheit ist daS Gesetz bezüglich der frommen -Stiftungen und daS neuitalienische Strafgesetz bekämpft worden, zu welchen Ausfällen gegen die italienische Negierung sind die Empfänge der italienischen Pilger «n Rom mißbrauch, worden! Die italienische Negierung läßt alle dieje Dinge möglichst unbeachtet und beschränkt sich darauf, den An maßungen der Kirche die Wege zu verlegen und den Staat mehr und mehr von der Kirche unabhängig zu machen. Da« Papstthum hat ein naheliegendes Interesse, die Grenze zwischen seiner kirchlichen und politischen Thätigkeit möglichst u verwischen, der Staat hat dagegen die Ausgabe, diese :eiden Seilen der päpstlichen Macht streng a»Seinander zu »alten und jeden Ucbergriff auf sein eigenes Gebiet schroff urückzuweisen. Wie schwer ist daS aber, und wie oft gelingt cS dem Pavstthum, unter kirchlichem Aushängeschild politstchc wecke zu fördern, welche den StaatSregierungen die größten inderniffe in der Erreichung des StaatSzweckcS bereiten. Der Ausstand im Canlon Tessin war eine ultramontane Kraftprobe, weil er durch die Mißachtung gesetzlicher Vor christen durch die ultramonlane Regierung veranlaßt worden ist. Dieser Ucbermuth hat sich jetzt gerächt, durch die Volks abstimmung vom 5. October »st der von liberaler Seile gestellte Antrag auf Revision drr Cantonalverfassiiiig ange- nomnicn und dadurch die Regierung vom Volke besiegt worden. Die Negierung hatte den Antrag im Vertrauen auf ihre Macht unbeachtet gelaffen, die liberale Partei batte darauf mit der Beseitigung der Regierung geantwortet. DaS war ein Gcwaltact, der nickt zu billigen ist, aber die beseitigte Regierung suchte ihren Uebcrmuty auch der Bundcögcwalt zegenüber geltend zu mache», indem sie jede Verhandlung vor chrer Wievcreinseyung ablebnte. Demgemäß setzte der Bundesrath eine commissarische Regierung ein bis zur Ent- cheidung des Streitfalles. Die Abstimmung hat ohne jeden Druck von irgend einer Seite in voller Freiheit stattgefunden und mit dem Siege der Antragsteller geendet, und dieser Sieg ist zugleich eine Niederlage des Ultramontanismus. Die Schweiz' hat in den Kämpfen des PapstthumS um die Weltherrschaft stets eine hervorragende Rolle gespielt, die ultramontane und die liberale Partei haben sich aufs Heftigste Hesel tet, die Waage bat oft geschwankt, die Vertreter der römischen Kirche haben zeitweise daS Feld räumen müsse», aber immer haben sie daS Haupt aufs Neue erbeben, wie daS Beispiel deS Bischofs Mermillod lehrt. Die Niederlage deS Ultramontanismus in der Schwei; ist in einer Zcstlagc wie die gegenwärtige von größter Bedeutung, und sie wird auch sicher nickt ohne wohltbätige Folgen bleiben. DaS Ereigniß der Abstimmung vom 5. October bat nicht sowohl eine locale als eine vrineipielle Bedeutung, eS bat sich gezeigt, daß die liberale Partei, wenn sic einig ist, auch unter lliigünstige» Umständen Erfolge zu erringe» vermag. Die Lässigkeit »nd Unthätiakeit der liberalen Partei bat Belgien dem ultramvntancn Regiment überantwortet, unter dem cS schwer zu leiten hat, nnd selbst in dem republikanischen Frankreich ist die Macht des PapstthumS noch heutigen Tages sehr groß. Wir haben in Deutschland alle Ursache, allen Zweigen der politischen Tbätigkeit des PapstthumS unsere größte A»s- merksamkeit zuzuwcntcn, der Rest dessen, was wir von den Errungenschaften der siebziger Jahre noch übrig haben, ist sehr gering und darf nicht serner verkürzt werden. Mit der Zurückberufung der Jesuiten und der Ueberaiilwortung der Schule an die Kirche würde alles daS, waS mühsam in ernster Zeit aufgebalit worden ist, wieder zerstört werden. Aber unsere Ueberlirferunacn machen cs »nnivglick,, daß ein solcher rcrbänanißoollcr Umschwung jemals emlrctcn kann, er würde die Abdankung des deutschen KaiserlhiimS zn Gunsten des PapstthumS bedeuten, und diese ist undenkbar. , Zurückberufilng der Jesuiten niemals zulassen in Bayern dafür seit geraumer Zeit eifrig ge lt von den Befürwortern dieser Maßregel auch lichkeit an den Fürsten vertraulich daS Ansinnen gestellt worden war, gewisse Factoren durch die Unschädlichmachung Slücker'S willfähriger zu stimmen. Die Antwort de« Fürsten lautete indessen entschieden ablehnend. Damals bereit- stand in Mener Blättern die Meldung, Hosprediger Stöcker befinde sich vor einer Katastrophe, «l- der Fürst übrigen- von derselben Seite aus die traurige Figur, die Stöcker im ilroceß Bäcker gespielt hätte, aufmerksam »«macht wurde, erwiderte nescr achselzuckend: „Darüber sind die Ansichten getbeilt" unb lehnte ede fernere Erörterung des Thema- rundweg ab. Anscheinend hat Stöcker von diesem Hergang in nicht ganz zutreffender Weise später Kenntniß erhalten und sich eingebildet, Herr v. Puttkamer habe sich olchem Ansinnen widersetzt." Dazu bemerkt die „Post": Die RemtntScen» de- „Reichsboten", daß tu den ersten Tagen der Regierung Kaiser Friedrich'- die Rede davon gewesen sei, Herrn Stöcker au- seinem Hosamte zu entfernen, haben wir schon erwähnt. Wir erhalten au» dteiem Anlässe einen Brief, der die Angabe de- „Reich-boten" ergänzt und dem wir Folgende« ent nehmen: „Der Wunsch, Herrn tzofrediger Stöcker aus einem Hosamte zu entfernen, ging vom Kaiser Friedrich -ersönltch auS. Dieser war noch Kronprinz und weille in San Remo, alS er bei seinem Vater, dem Kaiser Wilhelm l., Schrille deswegen that. Ter Kaiser, an den die Sache direct gelangte, zeigte einzugeden, Leipzig, 8. Lctober. * Auch die „Berliner Politischen Nachrichten" melden, daß der königliche HanSminister Herr von Wedel! PicSdori in nächster Zeit auS seiner jetzigen Stellung scheiden nnd vcrmuthlich die Stelle deS Lbcrpräsidciilcn der Provinz ^achsc» übernehmen wird. * Tie Mittheilung, daß der StaatSsecretair Od von Stephan auf Helgoland sich befinde, beruht, wie der „Nationalzeitmig" mitactheilt Wird, aus einem Irrtbum, »nd bezieht sich auf einen Pvslrath, der dorthin gesandt war, «in die postalischen und telegraphischen Einnchlungen in Augenschein zu nebmen. * Für Aussuhrnng der Volkszählung im deut schen Reiche sind sür Preußen soeben die ersten grundsätz lichen Verfügungen der Landrathsämter nnd Kreisausschüsse ergangen. Es kommt wieder daS bewährte Snstcm der Zählkarten in Anwendung. Jede Gemeinde ernennt bis zum l5. November eine Zählcommission: diese bat die Ge meinde in Zäblbezirke einzutbcile», welche in der Reget nickt mcbr als 40 Hansbaltuiigcn umfassen dürfen, und ferner die erforderlichen Zähler nnd deren Stellvertreter zn ermitteln und anznstellen. Alle« die« muß bis spätestens den 19. November geschehen sein. Den Zähler» werden dann zwei Zähler-Controllisten sowie die erforderlichen Zählkarten der verschiedenen Gattungen hebäntigt. 7 Zähler hat die von ihm auSgesültten Zablbriese vom 28. 30. November persönlich von HauS zn Hau« an die HauS haltungSvcrstände auSzutbeilen und riese Über die Ausfüllung zu belehren. Vom l. Tccember 12 Ubr Mittaas ab beginnt die Wicdereinsammlung der auSgcfüllten Zählbriefe durch die Zähler, welche bi« zum 2 Deccmbcr Abend- beendet sein muß. Die Zählbriefe u. s. w. sind bis zum 5. Tccember an die Zählcommission bczw. an die Lrlsbcbördc abzugebcn Nun folgt die Prüfung der Zählbriefe durch die Zähl commissivn, deren Ergebniß bis svätcstens den 22. Decembcr den Behörden zu übersenden ist. Bis zum 31. Deccmber d. I muß das ganze Zäblgeschäft abgeschlosien sein. * Die Nackricht dcS „ReickSboten" von der vom Fürsten Bi-marck angeblich geplant gewesenen Ausweisung de« Hofpredigers Stöcker wird lebhaft commentirt. Den Lesarten, die bis jetzt in die Presse gelangt sind, fügt die „Saale Zeitung" folgende hinzu: „Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei der ganzen Geschichte um eine Verwechselung oder besser um einen Irrlhum, solern bereit- I8et4 von einer einflußreichen, der hohen Finanzweit angchörendcn Perjöm ich nicht aba aus den Wunsch seine- Sohne- der geneigt, . . . , auch durch die Ansicht der Kaiserin unterstützt wurde. Indessen, ehe in der Angelegenheit etwa- geschehen konnte, trat der Tod da- wischen; so kam eS, daß erst unter Kaiser Friedrich die Frage ringlich wurde." * In Köln wurde kn einer Versammlung drr CentrumS- partri die dem Reichstag zu unterbreitende Maffen- petilion um Nückberiifung der Jesuiten festgestellt. Tie Stimmung war eine scbr gehobene. Der LandtaaSabgeord- nctc Bachem meinte unter Anderin, man solle teckzig bis biiildert Jesuiten nach Köln zurückberusen, dann würden daS nächste Mal nicht die Hälfte der socialdemokratischen Stimmen vergleich zu drn jüngsten Wahlen daselbst abgegeben, und cm anderer Landtagsabgeordneter, Herr Fuchs, erklärte: Wir sind alle Jesuiten und lassen u»S todtschlagen für die Jesuiten." * Die Linke der Berliner Stadtverordneten-Ver- ammlung bat folgenden Antrag eingebracht, welcher iäcksten DonncrSIag zur Verhandlung gelangt: „Den Magi- trat zu ersuchen, mit der königlichen StaatSregierung wegen lebernahme der Markt-, GtsundbeitS- und Baupolizei, sowie Ken erwehr in städtische Verwaltung in Verhandlung zu treten." Zu den Unterzeichnern des Antrages gehören auch die Abgeordneten Herme« und LangerhanS. * Aus politischen Gründen ist aegen einen GerichtS- rath in Königsberg in Preußen auf dessen Antrag DiSciplinar - Untersuchung cmaeleitet worden. Tie „KönigSbcrger Harlung'sche Zeitung" berichtet darüber: Gegen einen hiesigen Richter ist, wie wir hören, Tiscipliiia» Untersuchung eir zeleitet worden. Derselbe wird beschuldigt dadurch, ,,I) daß er dem notorisch regierungsfeindliche Tendenzen verfolgen- den Wahlverein der deutschen freisinnigen Partei als Mitglied beigetreicn; 2) daß er in einer am 11. Juni d. I. stall gehabten Versammlung diese- Vereins wiederholt als Redner aus- etreten und einen Gesetzentwurf der Regierung in agitatorischer Leise bekämpft hat keS haiidelt sich um die Militairnovelle), die kflicht verletzt zu habe», die ihm sein Amt auscrlegt, bezw. durch sein Verhalten außer dem Amte sich deS Vertrauens, das sein Berus erfordert, unwürdig gezeigt zu haben." Aus Anlaß dieser Be- schuldigungen hatte der betreffende Richter von seiner Vorgesetzten Behörde eine Mahnung erhalten. Ta er die Berechtigung derselben nicht anzuerkcnnen vermochte, beantragte er selbst die Tisciplinar- Untersuchung. Unter vorstehender Motivirung ist ein zur Ver- Handlung der Sache vor dem Tisciplinarscnai de- hiesigen Lber- landcsgerichiS Termin zum 30. Lctober anberauml worden. * In der MontagS-Abendsitzung deS Landtages von Lippe- Detmold stellte bei Fortsetzung der Berathnng über daS RcgentschastSgcsey die Linke den Antrag, eS möge die Be stimmung der Vorlage, welche dem Füllten die Befugniß zur Berufung eines Regenten aus der Zahl der successicnS- bcrcchtigten Agnaten d»S fürstlichen Hauscö einräumt, durch die Einrichtung eine- vom Landtag gewählten Regentschaft« ralbö beschränkt werden. * Unter der Ucberschrist „Einst und Jetzt" bringt der „Schwäbische Merkur" folgende zeitgemäße Betrachtung: In unserer Jugend Tagen, da ei» cinigeS deutsche- Vaterland noch ein bloßes Gedankending, bei bessere» und schwungvolleren Naturen ein Gegenstand der Sehnsucht und Hoffnung war, da be geisterten wir il»S für jenes bekannte Lied von Dingelstedt „Tie Verbannten", i» welchen, der Tichter V dunkle Ehrenmänner, und zwar einen Russen, einen Spanier, einen Grieche», einen Schweizer, einen polnischen Juden und einen Teutschen, in irgend einer Schenke ziisammcnlreffen und ihr Schicksal erzählen lässt. Alle sind aus ihrem Vaterland vertrieben und jeder beschließt die Erzählung seine« Abenteuer leben- mit einemFluch aufsei» Vaterland, bis die Reihe des Erzählens an deuTeulschen kommt, dem die Spießgesellen zurusen: „Komm'Deutscher, »imnl dein Glas zur Hand und thue, wie wir lhaten, rus Zeter aus dein Vaterland, da- Land, das dich verrathen l" Ter Deutsche aber ruft mit hocherhobencr Stimme: „Das wolle Gott im Himmel nicht, daß Solches je geschehe! Nein, wer mit deutscher Zunge spricht, ruft Deutschland niemals wehe! Und wenn ich sie, die mich verstieß, nie Wiedersehen werde, i»ei» letzt' Gebet nnd Wort bleibt dies: Gott schütz' die deutsche Erde!" — Mit schmerzlicher Wehmuth haben wir uns diese» herrliche» Lieds erinnert, als wir in den Berichten über die Feier der Auf- Hebung des SocialistengesetzeS, die in verschiedenen Berliner Locale» von de» Socialdemokraten zum Theil mit „Hissen einer rolhen Fahne" veranstaltet wurde, lasen, daß in einem dieser Locale der Gesang des sogenannten Weberstedts mit tausendstimmigem Beifall »nd Jubel ausgenommen worden sei, dessen Schlutzrcfrain lautet: „Deutschland, wir webe» dein Leichentuch, wir weben hinein den zwiefachen Fluch!" Als Deutschland noch keine Nation war, sondern ein machtlose», in sich zerrissenes, den Spott der Nationen herausfordernde» Gebilde, da hieß es: „Mein letzt' Gebet und Wort bleibt die»: Gott schütz' die deutsche Erde!" Und heute, da wir endlich und endlich nach langem Hoffe» und Ringen eine geachtete Nation geworden sind, da bringe» es Bürger deS Deutschen Reiche» serng, zu singen: „Teutichland, wir webe» dein Leichentuch und weben Rneln den zwiefachen Fluch!", und Die daS singen, werden von lausenden bejubelt! Es Ist ein Anblick, der die bittersten Empfindungen er- regt, und dieser Eindruck verschärft sich bei der Erwägung, daß ein Franzose oder ei» Engländer so etwa- doch niemals fertig bringen würde, geschweige eine au« Tausenden bestehende französische ober englische Versammlung. Das Bitterste indessen ist der Gedanke, daß wir uns sagen müssen: Tie so gesungen haben und Diejenigen, die Beifall geklatscht haben, sind doch meist nur bcthörte Leute au» den Volksschichten, denen eine selbstständige Einsicht in politische Ver- hältnisse mangelt: aber was soll man von Denen denken, die, als Führer anderer Parteien, e» fertig bringen, mit den Leitern solcher Versammlungen posttische Bündnisse zu schließen? * Der Herzog, von Nassau erklärte» dem „Rbei- niscken Kurier" zufolge, daß er unter keinen Umständen nochmals die Regentschaft von Luxemburg übernehmen würde.
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