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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901008
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901008
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-08
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1890
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I. §N>M W kkWtl «l>ljkd>l!>I Illid Ai>)kl>>nür. 281, Mill«il> de» 8. Nckdkl 18S». In großer Zeit. EriLhluag au» dem Jahr« 1870 von Willibald Menke. Nachdruck »«Idolen. (Fortsetzung.) 6. „Wir haben den Krieg!" DaS war das erste Wort, welche» Herr Liedke von seinem Sohne Hörle, als er die Schwelle seine» Hanse« überschritt. „Um Gotte« willen! Was ist geschehen?" „Ihr wäret kaum eine kalbe Stunde fort, als ein Tele gramm de« Herrn von Malten aus EmS ankam, da« den Krieg als unvermeidlich bezeichnte und un« zugleich seine Ankunft schon für den Nachmittag ankündigtc." „Er ist schon hier?" „Mit seiner Frau." „Warum bast Tu mir keinen Boten geschickt?" „Weil ich Euch eine vergnügte Stunde nicht stören wollte. Da ist Herr von Malten." In der Thal war Herr von Malten, der die Stimme seines alten Freundes erkannt hatte, ihm in daS Borzimmer cntgegengekommen; in demselben Augenblicke traten auch die übrigen Tbcilnehmcr der Landpartie ein. Laura flog ihrem neuen Papa, den sie mit einem herzlichen Tu anretete, an den Hals und eilte dann in den Salon, um Isidora zu begrüßen. „Bersparen wir uns die Familiengcsüble auf eine spätere Stunde!" meinte Herr Liedke. „Es gilt das Vaterland! Was ist geschehen, alter Freund? WaS für Nachricht bringst Du uns?" „Die ernstesten von der Welt. Es ist mehr als wahr scheinlich, daß der König sckon beute oder morgen von Ems nack Berlin abreist, um dort die MobilmachungSordrc zu unterzeichnen. Heinrich, Du reisest beule Abend mit mir nack Frankfurt." Herr von Malten sah auf die Uhr. „In zwei Stunden mußt Du bereit sein." Man war in den Salon tingetreten. Trotz der Mahnung dcS Herrn Liedke behaupteten die Familien- gcsühle doch ihr Recht. Laura batte ihre neue Mama ausgesucht; die schöne Frau küßte daS junge Mädchen, auf dessen heitere Stirn sich jetzt eine leichte Wolke ge lagert hatte, auf Stirn und Mund. Während Paulinc ibren Papa herzlich umarmte, begrüßte Heinrich zuerst seine Mutter, der er rcspeetvoll die Hand küßte, und dann die Schwiegermama. Madame Liedke, eine corvulcnte Dame, von deren Lila-Häubchen zwei lange gelbe Bänder aus die beiden geringelten Lvckcn siele», die wie Pfropfenzieher an den Obren herabhingcn, saß neben Isidora auf dem Sopha; sie halte das Sopbakissen binter ihren Rücken geschoben und ohne an der Unterhaltung thcilzuncbmcn, die sich nun entspann, ließ sie ihre braune» Auge» von Einem zum Andern im Kreise umherwandcrn. Neben Herrn Banderstraß saß die junge Frau Liedke, eine zarte Blondine, an die sich ein Knabe im Alter von fünf Jahren anlcdnte. An diese Sopbagruppc schlossen sich die Eintrelenden an und daS Ereigniß des TageS bildete selbstverständlich den ausschließlichen Gegenstand der Unterhaltung. Herr von Malten berichtete in der klaren und ruhigen Art, die ihm eigen war, über jene denkwürdigen Momente auf der Emser Brunnenpromenade, die die Exposition eines so großartigen BölkerdramaS bilden sollten. Schon kurz nach Mittag hatte er von einem höheren Officicr erfahren, daß der König durch seinen Adjutanten dem französischen Gesandten hatte sagen lassen, daß er in der Angelegenheit der spanischen Candidatur nichts mehr mit ihm zu verhandeln habe; und da die französische Regierung offen bar nur nach einem Vorwand zur Kriegserklärung suchte, so hatte man erreicht, was man von dieser Seite angcstrebt hatte. Ein ungeheurer Frevel an dem Frieden der Völker war in der kleinlichsten Weise inscenirt worden, zwei große Nationen wurden durch ein erbärmliches Intriguenspiel, das in der Weltgeschichte nicht seines Gleichen findet, in einen mörderischen Kampf getrieben, dessen Ende nicht abzu sehen war. Man verdammte diese erbärmliche Comödie, die der große Wcltrcgisseur an der Seine inscenirt hatte, und man zollte der männlichen und ehrenfesten Haltung des großen Königs die lebhafteste Anerkennung, keineswegs aber hatte die Nachricht in diesem Kreise gleich von Anfang an eine gehobene und begeisterte Stimmung geweckt. Jeder empfand mehr oder weniger die Nähe schicksalsschwerer Er eignisse, wie einen Truck, der auf dem Herzen lag. Zu der Sorge um da» Vaterland trat bei den Männern auch noch die Voraussicht einer schweren GcschästSkrise. Laura hatte die Hand iyreS Verlobten gefaßt und sab still vor sich hin: Pauline stand hinter ibrem Vater und hatte den Arm aus seine Schulter gelegt; Wunderlich schaute durch das Fenster in daS Städtchen hinab, in dem jetzt überall die Lichter er glänzten und aus dessen Straßen ein verworrener Lärm her vorschallte: Madame Liedke fuhr manchmal mit dem Tucke nach den Augen, wenn sie auf dem jungen Paare ruhten, dessen VerlobungStag ein weltgeschichtliches Datum bezeichnete. Man sprach nur leise; manchmal stockte die Unterhaltung. Jeder fühlte die ganze Größe der Gefahr; war man doch hier, an dem Ufer deS schönen Stromes, nach dem die Begehrlichkeit deS Erbfeindes schon so lange auSblickte, dem ersten Ansturm deS Krieges ausgesetzt! Herr v. Malten erklärte, daß er schon am nächsten Tage nach Paris reisen werde; er habe, fügte er hinzu, bedeutende Fonds in einem Pariser Localunternehmen angelegt und er müsse den Versuch machen, dieses Capital so schnell als mög> lich zurückzuziehen. Er fragte Madame Liedke, ob er seine Frau bei ikr zurücklassen könne — ein Vorschlag, welcher natürlich bereitwilligst acccptirt wurde. Laura nahm neben Isidora Platz, um ihr die Freude darüber auszudrücken, daß sic die neue Mama einige Zeit in ihrerMähe haben würde; als sie ihren Bräutigam wieder aufsuchte, war er ver schwunden. Herr Liedke zun., der jetzige Chef der Firma, ein statt lieber Mann mit hlondem Haar und rötblichem Vollbart, gab der Ansicht Ausdruck, daß die Gcwißyeit des Krieges doch immer noch nicht vorhanden sei, eS sei ja möglich, daß die französische Kammer sich mit dem zufrieden gebe, Wa rna» in diesem diplomatischen Streitfall, welcher sich um die spanische Candidatur des Prinzen von Hobenzollern drehte, bereits erlangt Halle, und der Kaiser werde nicht wagen, einen große» und entsckeitungSvollcn Kamps gegen den Willen der Mebrbeit der Volksvertretung zu führen. Herr v. Malten widersprach aus daS Lebhaftste. Er hatte Briefe aus Paris erhalten, welche die Stimmung als sebr kriegslustig schilderten. Die Journale hetzten znm -Kriege auf und die Mameluken des Kaiserreiches, welche die Mehrheit der Kammer bildeten, waren bereit, dem Ehrgeiz der kriegslustigen Hofpariei zu Liebe das Wohl de« Vater landes ans das Spiel zu setzen und der abenteuerlichen Politik des Cabincts HcercSfolge zu leisten. „Zweifeln Sie nicht daran" — schloß Herr v. Malten — „in drei bis vier Wochen haben wir die Franzosen hier am Rhein." „Und wir jagen sie dann wieder über die Grenze zurück!" ließ sich auf einmal von der Thür deS Nebenzimmers her eine wohlbekannte Stimme kören. Ein stattlicher Officicr in hellblauer Uniform war dort erschienen. Er legte die Hand an die Mütze und meldete: „Heinrich v. Malten, Ncservclieutcnant im fünften Dragoncr- regiment." „Bravo!" rief Herr Liedke aus. „Wer wettet mit mir, daß die Franzosen gar nickt an den Rhein kommen?" Laura war an die Brust ihres Bräutigams geflogen. „Nein, wie Du anSsicbst!" rief sie aus. „Warum hast Du mir denn gar nickt gesagt, daß Du Deine Uniform bei Dir hast? Du hättest sie länger anzieben müssen. Nein, wie die Dir gut siebt! Komme dock einmal näber an daö Licht. So! Jetzt laß Dick betrachte». Ja, ich wußte ja gar nickt, daß Du ein so scköner junger Mann bist. 'WaS Papa? Hab' ich mir einen Jungen ausgesucht?" „Für Dick wäre cS besser, liebes Kind, er hätte gar nicht daS Reckt, eine Uniform zu tragen." „Warum denn, Papa? Ick will gar keinen Bräutigam, der zu Hause bleibt, wenn es den Kampf für das Vater land gilt." „Bravo, Laura. Dafür muß ich Dich wieder rinnial küssen." Und er schloß sic stürmisch in seine Arme. „Siebst Du, Mama, kaum habe ick mich mit einem jungen Fabrikanten verlobt und da laß ich mich schon von einem Ofsicier küssen", scherzte das junge Mädchen, das seine heitere Laune wieder gewonnen Halle. „Nickt wahr, Heinrich, Dir wird nichls geschehen, wen» Tu in den Krieg ziehst?" „Wir wollen'S hoffen." „Nein, ganz gewiß nicht. So wie Tu jetzt vor mir stehst, so wirst Du eines Tages wieder kommen und sagen: Deutsch land ist frei und groß und ich Hab' auch dabei mitgcholsen. Und wie stolz werd' ick dann auf Dich sein." Laura halte kaum die letzten Worte gesprochen, als vom Garten her Gesang zu ihnen heraufsckaUte. Es war dieselbe Melodie, die sie kurz vorher gehört hatten, diesmal von einem wohlgcscknltcn Quartett vorgctragcn; feurige, energische Rhythmen, die weithin durch die Stille des Abends klangen: „Es braust ei» Ruf wie Donnerschall, Wie Schwertgcklirr und Wogenprall." — „Seltsam! Was ist daS nur für ein Lied?" — fragte Herr Wunderlich. „Tie Melodie klingt mir neu und fremd und doch ist mir, als batte ich sie früher einmal gehört." „Unser Fabrikquartelt!" — rief Laura aus. „Gehen wir auf die Terrasse hinaus." Man öffnete die große nach dem Garten führende Thür dcS Salons und trat auf die Terrasse hinaus. Fast der ganze freie Platz am Fuße der Treppe war mit Fabrik arbeitern angesüllt, die sich, farbige Lampions in die Höbe haltend, im Halbkreis ausgestellt batten; vor ihnen hatte das Quartett seine Ausstellung genommen, dessen Stimmen jetzt in dem Refrain ansklangen: „Lieb Vaterland, magst ruhig sein, Fest steht und treu die Wacht ain Rhein." Woher habt Ihr daS Licd?" — fragte Herr Wunderlick, als der Gesang verklungen war. „L> wir Habens schon a»nn secksundseckzig gesungen" — antwortete der Dirigent des Quartetts. „Damals hats nicht viel Anklang gefunden, aber seit beute Nachmittags ists wie durch ein Wunder in Jedermanns Mund." Eine Rakete zischte aus; auf dem Nasen sah man die schlanke Gestalt Strebcmann's sich im Dunkeln hin- und her- bewegcn. „Aha!" rief Liedke aus. „Da bat sich das Strcbc- männchcn wieder einmal ausgezeichnet. Bravo, Strebe männchen." Eine Rakete folgte der anderen, bunte Sterne verstreuend, die in der klaren ruhigen Nachtluft zerflossen, Feuerräder gossen ihren Sprühregen über den Rasen und Leuchtkugeln ließen die Bäume und Büsche dcS Gartens in wechselnden Farben erscheinen. Dazwischen erklangen die Gesänge des Quartetts, das schließlich noch einmal die „Wacht am Rhein" anstimmen mußte. Als der letzte Farbcnschimmer des bengalischen Lichtes verglüht war, brachte Strcbcman» ein Hoch auf das Braut paar aus, in daö die Fabrikarbeiter begeistert einstimmtcn. Die Menge, die sich am Parkthor angcsammclt batte, um daS Schauspiel des Feuerwerks zu bewundern, zerstreute sich mit den Arbeitern und trug die Klänge dcS patriotischen Liedes weiter, dem ein großer Augenblick die Weihe eines Nalionalgesanges verliehen batte. Die kleine Gesellschaft blieb noch einige Augenblicke auf der Terrasse versammelt. Schweigend blickte man in die dämmernde Nacht hinaus. Ein Heller Lichtschimmer bezeichnete die Lage der Stadt an der Mündung der Mosel, wo Tausende von Menschenberzcn jetzt ebenso patriotisch erregt und von Sorge und Zuversicht bewegt waren, wie unsere Freunde. Der Mond trat hinter den Wolken hervor und warf sein Licht auf die Fläche dcS RbcinS, von der ein Heller Silbcr- strcifcn zwischen den Häusern und Bäumen hervorblickte. Dort floß der schöne Strom, um dessen Ufer der Kampf entbrennen sollte, in majestätischer Ruhe dahin, als vertraue er dem starken Arme des Volkes, das sich anschickte, das Schwert zu seinem Schutze zu ziehen. „Kinder" — rief Herr Liedke aus — „wir stehen an der Schwelle einer großen Zeit. Gott schütze unser größe- deutsches Vaterland!" Am anderen Morgen war Herr Liedke in seinem ArbritS- cabinel mit dem Schreiben einiger Briefe beschäftigt, als Laura eintrat. „Guten Morgen, Papa" „Guten Morgen, mein Kind. Hast Du schon gefrühstückt?" „Ja, mit Frau Isidora. Findest Tu nicht auch, Papa, daß meine zukünftige Schwiegermama merkwürdig still und ernst geworden ist, noch ernster und ruhiger als damals, wie wir sie kennen lernten?" „Du lieber Gott, wer ist jetzt heiter in einer solchen Zeit" — sagte Herr Liedke seufzend, während er einen Brief schloß. „Da hast Du Recht, Papa. UebrigenS. was ich sagen wollte, — ich habe einen Entschluß gefaßt, Papa?" „Nun?" „Ich werde mich verheirathen." „Ich denke auch. Dazu bast Du Dich ja verlobt." „Ja. Aber schon in den nächsten vierzehn Tagen." „Waö fällt Dir ein?" Herr Liedke halte sich umgekehrt und einen erstaunten Blick auf sein Töcklerchen geworfen, das, die Hände über den Rücken zusammcngclcgt, ruhig im Zimmer auf und ab ging. „Ja, Papa, in spätestens vierzehn Tagen muß ich ver- heiralhct sein." Herr Liedke setzte seinen goldenen Zwicker auf, als wollte er sich davon überzeugen, daß das junge Mädchen, welches so sprach, wirklich seine ?Tocktcr sei. „Bist Dn toll, mein Kind? Glaubst Du, man könne sich so rasch verhciratkcn, wie man sich verlobt?" „Warum denn nickt, Papa? Es gekört doch nichts dazu als ein Priester!" „So, und Deine Aussteuer? Und die Förmlichkeiten, die damit verbunden sind?" „Die kürzt man ab. Und die Aussteuer schaffen wir mit Bequemlichkeit an, während ick verheiralhct bin!" „Ah, das ist mir neu. Und dann — er muß ja doch mit in den Krieg!" „Eben deswegen, Papa." „Das ist eine Laune von Dir, die —" „Nein, Papa, keine Laune. Ich habe den festen Entschluß gefaßt, als er mich gestern Abend beim Abschied noch einmal aus seine Uniform drückte. Siehst Du" — fuhr sie fort, indem sie sich in den Fauteuil neben den Papa setzte — „ich weiß, daß fast jede preußische Officicr«!. raut vor den Altar tritt, wenn der Verlobte in den Krieg zieht, und dieser durch die Tradition geheiligte Brauch gefällt mir. Es ist mir, als könnte ihm nichts passiren. wenn er als mein Mann den Feldzug mitmacht, denn der liebe Gott wird mich doch nicht in so frühen Jahren schon zur Wittwe machen?" „Aber, liebes Kind, cs kann ihm doch immer etwas Mensch' lichcö zustoßen und dann —" „Nein, Pava. ES wird ihm ganz gewiß nichts passiren Ick habe ein so festes freudiges Vorgefühl unsere« glücklichen Wiedersehens, daß es unmöglich eine Täuschung sein kann. Ich bin nun einmal ein Kind dcS Glückes, »nd gerade mir sollte ein so großes Unglück zustoßcn? Wenn cs Menschen giebt, die die Vorsehung zum heiteren Lebensgenüsse bestimmt hat, und deren Pfade sie daher, damit sie dieler Bestimmung gereckt werden können, mit Rose» bestreut, so gehöre ick dazu. Ich bin in Glanz und Neichthum geboren, in Glück und Heiterkeit ausgewachsen, der schöne Rhein ist meine Heimath und meine Ellern sind die liebsten, besten Menschen der Welt, die jeden Wunsch ihres Kindes erfüllen, wenn er so vernünftig ist, wie der, den ich Dir eben geäußert habe. Nicht wahr, liebes Papachen?" Sic setzte sich auf sein Knie, schlang ibren Arm um seinen Hals und überhäufte ihn mit Liebkosungen. Wie hätte Papa Liedke da »och fest bleiben solle». „UebrigenS", sagte er, „geht mich die Geschichte gar nichts an. Sprich mit Mama." „O mit der werde ich schon fertig werden. Also Dn stimmst zu, Papa?" „Meinetwegen, das heißt, mach', waö Du willst. Mir soll'S recht sein." „Danke, Papa!" Sie gab ihm noch einen herzhaften Kuß und Ilog davon. Wenige Augenblicke darauf klopfte eS leise an die Thür. Herr Strcbcmann steckte den Kops herein. „Darf ich einen Augenblick stören, Herr Liedke?" „Nur immer näher! WaS bringen Sie denn, Strebe' Männchen?" „Ich wollte nur fragen, ob Sie vielleicht etwas Neues wissen, Herr Liedke." „Nichts, als WaS die Zeitungen gemeldet haben." „Der Krieg ist also eine entschiedene Sache?" „Kein Zweifel mehr. In diesem Augenblick hat der König vielleicht schon die MobilmachungSordrc unterzeichnet. Na, Sie brauchen ja nicht mit, Strebemännchcn!" „Daö nicht. Aber ich könnte ja als Freiwilliger mitthun!' „Na, das 'werden Sie doch Ihrem guten Papa nicht anthun. DaS einzige Söhnchen! Die Angst, die er aussteben würde! Die würde ihn ins Grab bringen. Na und die Mama erst, deren Stolz Sic sind." „Sie haben Recht, Herr Liedke. Und dann — offen ge standen — ick fühle auch keinen Beruf für das rauhe Hand werk der Waffen. Wenn ich mir denke, daß ich so einem fremden Menschen gegenübcrstehe, der mir eigentlich gar nichts gethan hat, und dieser Mensch fällt mit dem Bajonett gegen mich aus —" „Sic sind am Ende kitzlich, Herr Strebcmann?" sagte lachend Herr Liedke. „Aber man muß ja nicht mit den Waffen im Felde stehen", fuhr Strebemann fort. „Man kann sich ja auch sonst nützlich macken." „Gewiß; in der Krankenpflege zum Beispiel." „Da fällt mir ein, Herr Liedke. Ich habe meinem Vater soeben meine Schulden gebeichtet." „WaS? Sie haben Schulden?" „Fünfhundert Thaler." „Aber Mensch, wo haben Sie denn in meinem Hause Gelegenheit gesunden, Schulden zu macken?" Herr Strebcmann lächelte pfiffig. „Ick Hab' ja gar keine Sckulte», Herr Liedke. Aber Sie wissen ja, wie mein Vater ist. Er batS wabrschcinltck in seiner Jugend etwa- toll getrieben und da meint er, ich müßte es ebenso macken. Er hat ja auch Ihnen geklagt, daß ich ein Philister sei, der nicht« mitmache und fedcsmal, so oft ich nach Hause komme, fragt er mich, ob ich denn keine Schulden hätte, wie eS sich für einen rechtschaffenen jungen Mann an- wohl habendem Hause gehöre Aber ick bab' nun einmal keine Freude an den Zechgelagen und lustigen Streichen meiner Bekannten. Ich lebe hier bei Ihnen wie ein Kind vom Hause, ich habe Freude am Geschäfte und in meinen Muße- tundcn beschäftigen mich meine Studien und Liebhabereien. Ich bi» glücklich und zufrieden dabei; warum soll ich Schulden machen?" „Sie haben ganz Recht, Herr Strebemann. Lasten Sie lch von Ihrem Papa nur nicht auf schlechte Wege führen." „Aber warum soll ich ibm nickt den Gefallen thun und ihn einmal Schulden für mich zahlen lasten? Ich habe mir nämlich Folgendes ausgedacht, Herr Liedke: Wer unter die Soldaten will, der muß ein Gewehr haben, sagt ein altes Lied, aber er braucht auch Cigarren, und wenn Deutschland nur 500 ONO Mann an den Rhein wirft, so macht daS ungefähr fünf Millionen Cigarren per Tag, wenn ich für jeden Mann nur zehn Stück rechne. DaS muß aufgebracht werden, Herr Liedke, und, sehen Sie, dafür bin ich der rechte Mann Die fünfhundert Thaler, mit denen Papa Schulden für mich zahlte, die ich gar nicht gemacht habe, machen schon, daS Mille zu zwanzig Thaler gerechnet, fünfundzwanzig Mille auS. DaS ist »nmer ein hübscher Anfang." „Bravo!" rief Herr Liedke auch. „Notiren Sie auch für mich fünfzig Tbaler." „Tanke schön, Herr Liedke. Und Sie, Herr Wunderlich, wie viel geben Sie?" „Was denn?" fragte Wunderlich, der soeben cingelrcten war. „Er sammelt nämlich KricgScigarren", erklärte Herr Liedke. „Für unsere Soldaten, Herr Wunderlich. Hundert Stück könnten Sie auch spendiren. Macht zwei Tbaler." „Hier, mein edler Jüngling" — sagte Wunderlich, indem er seine Börse zog und ihm das Geld überreichte. „DaS ist der erste vernünftige Gedanke, de» ich von Ihnen gehört habe." „Wollte Gott, ich könnte einmal von Ihnen dasselbe sagen" — cntgegncte Strebemann. Herr Liedke lachte, Wunderlich erhob seinen Stock, aber im nächsten Augenblick war Strcbcmann schon zur Thür hinaus. Im Garten begegnete er Isidora. Sie trug ein schwarzes Kleid und ein Fichn von derselben Farbe um daS dunkle Haar, dessen Locken auf den Nacken kerabsiclen. Er trat verlegen zur Seile und zog seinen Hut ; sie dankte mit einem leichten Kopf nicken, während ihre großen dunklen Augen nur flüchtig die Erscheinung dcS jungen Mannes streiften. Aber dieser eine Blick genügte, um das entzündliche Herz Strebcmann's in neue Flammen zu setzen. WaS für ein Weib! — sagte er leise vor sich hin. Er sah ihr lange nach, bis ihre majestä tische Gestalt hinter de» Pflanzen der Treppe verschwand, die zur Veranda binausfükrlc. Auch als er dann träumend und sinnend im Garten umherging, verfolgte ihn ihr Bild noch. Er war beute nickt in der Stimmung, das prosaische Comptoir aufzusuchen. Er erfreute sich ja als Volontair einer privilegirten Stellung, war nickt so streng wie seine Comptoirgenosscn an die GcsckästSstnndcn gebunden, warum sollte er beute von diesem Vorreckt nickt Gebrauch machen? Seine Seele war patriotisch geschwellt und durch die Er scheinung Isidora's poetisch angeregt, und in dieser Stimmung hätte er Geschäftsbriefe schreiben und trockene Zahlen addircn sollen? Er suchte einen verschwiegenen Winkel des GartenS auf, der ihm ein trauliches Verstell bot. Wie oft schon hatte er in der von Reben umzogenen Laube den Muse» verschwiegene Qpfer gebracht, ohne daß ein neugieriges Auge aus der nüch ternen Alltagswelt ihn gesehen hätte Wie manches Gedickt an Laura war dort, so lange diese Liebe sein Herz noch füllte, seiner Feder entflossen! Hierher lenkte er auch jetzt seine Schritte; hier zog er den treuen Genossen seiner einsamen Stunde, daö rothe Notizbuch, aus der Tasckc, und »achtem 'er Tinte und Feder hervorgeholt, die er stets bei sich führte, setzte er fick in die Positur eines dichtenden Jüngling-, dessen Auge in schönem Wahnsinn rollt, während die Feder mit raschco Zügen, nur selten stockend, über daS Papier gleitet. (Fortsetzung folgt.) vermischtes. --- Wien, 6. October. Der deutsche Botschafter Prinz Rcuß richtete an den Gründer der freiwilligen RettnngS- gcsell schast, Grasen Wilczck, ein scbr verbindliches schreibe», in welchem er demselben mittbcilt, daß Se. Majestät der deutsche Kaiser, Allerhöchstwelchcm daS segensreiche Wirken der Gesellschaft vielfach zur Kenntmß gelangt sei, derselben 500 .// zur geeigneten Verwendung zugewicten habe. Graf Wilczck dankte dem Prinzen Rcuß für diese Mittheilung und bat demselben, seinen und der Gesellschaft Dank für die Gabe Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm zu unterbreiten. ---- Radmer, 0. October. Bei der heutigen Jagd im Weißenbachl, an welcher auch der Prinz Arnulf von Bayern thciluakm, wurden 47 Gemsen zur Strecke gebracht. Um 7 Ukr Abends fand ein Diner statt, zu dem auch der BezirkSbauptman» zngezogcn war. Die Tafelmusik wurde von der Leobencr StadtcapcUc ausgcführt. Für morgen ist eine Jagd am Gcrstenbcrgc angcsctzt. Eö bestätigt sich, daß Ihre Majestäten der Kaiser Wilhelm und der Kaiser Franz Josef am Mittwoch gemeinsam die Rückreise antreten werden. Regen- un- Wintermäntel in enormer Auswahl, elegantem Schnitt u. dauerhaften Stoffen zu stLUllvllü btlllAsu kreisen. I mil Petersftrasre 42. 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