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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901030
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901030
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-10
- Tag1890-10-30
- Monat1890-10
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.10.1890
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Erscheint täglich früh 6'/, Udr. Nrdaclion und Lrprdttiou IohanneSgafi« 8. Sprrchllunüril Lrr Nrdartioa: Vormittags 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. tzvr d»e NUckdad« nnftksaadier Manuicrirte wacht sich die Stedaction nicht verLindUcd. Annahme der siir die nächstfolgende Nummer bestimmten Inf erste an Wochentagen bis 3 Uhr Nachmittags, «in Sonn- nnd Festtagen früh bis' .9 Uhr. 2n drn Filialrii siir I»s.-^n»a>>mr: Ltto klemm ü Tortim. (Alfred Hahn), Universttät-straße 1, Louis Gosche» Kathartnenstt. 14 pari, und KSntgSplatz 7, nur bis '/,3 Uhr. SlbonnementSpreis vierteljährlich 4>/, Mk. tuet. Bringerlobn 5 Mk., durch di« V»st bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 PH Bilegeremplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» (in Tageblatt-Format gefaizti ohne Postbesürderung 60 Mk. mit Postbesürderung 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzeile SO Pf. Grogere Schriften laut uns. PreiSverzeichafh- Tabellarifcheru. Zissernfatz nach höhermTar^ Rrelamen unler dem RedactionSstrich die SaefpalL Zeile 50 Pf., vor drnFamiltennachrtcht«» die Kgefpaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind sielS an die ßfip-ktzttiou zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben.. Zahlung praeuuwk-.ranäo oder durch Post« Nachnahme. ^ M. Donnerstag den 30. Oktober 1890. 8t. Jahrgang. Unsere Expedition ist morgen Freitag, den 31. October, Vormittags nur bis V-,3 Uhr geöffnet. Lxpeüitlon äes I^lprlser ?sxtzl)lritt08. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Wegen Einlegung dcS HauptwasserleitungSrohre« wird der Täubcbcnwefl von der Wallwihstraße bis zur Felbstratze vom 30. dsS. MtS. ab auf die Dauer der Arbeiten für allen unbefugte» Fährverkehr gesverrt. Leipzig, am 28. October l890. Der Natb der Stadt Leipzig. IX. 908 t. vr. Georgi. Leist» er. Bekanntmachung. Wir haben beschlossen, die Straßen dcS TophienplatzeS in das Eigenthum der Sladtgemcinbe und zur ferneren Unterhaltung durch dieselbe zu übernehmen. Leipzig, am 18. Oclobcr 1890. Der Statt» der Stadt Leipzig. Ib. 5702. I)r. Gcorgi. Nüling. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Localitäten bleibt die große Rathsstube Sonnabend, den 1. November d. I. geschlossen. Leipzig, den 27. Oktober 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Größel. Bekanntmachung. Wir bringen hiermit zur Kenntniß, daß die Beamtenstcllcn an unserer Markthalle besetzt sind, und geben cS den un berücksichtigt gebliebenen Bewerbern ankeim, ibre Gesuchs- Beilagen in unserer Nuntiatur im Rathhause wieder in Empfang zu nehmen. Leipzig, den 27. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Größel. Bekanntmachung. Bon dem Unterzeichneten Armcnamlc sollen Donnerstag, den i!(». Oktober I8k)tt, Vormittags von kt Uhr an i»n Stadtkttuse hier verschiedene Gegenstände, alü: Möbel, Betten, Wäsche, Kleidungsstücke, H>auS- und Küchengeräthe u. s. w öffentlich versteigert werden. Leipzig, am 25. October 1890. DaS Armenamt. ^ Hcntschel. Artus. Gewölbe-Bermietlinng. Das im Erdgeschosse dcS StockhauseS am Nasch markte links »eben der Hausflur nach dem Salz- gästchen zu gelegene, mit (Hasbelcuchtnngscinrichtung versehene VerkaufSqcwölbe ist vom L. April I8kt> an gegen eiuhalbjaiiriichc Kündigung anderweit zu vcrmietben. Miethgesuckic werden auf dem Natbhause, I. Etage, Zimmer Nr. 8, entgegengcnommen, auch sind daselbst die Ver- uiicthungSbedinguiigen zu erfahren. Leipzig, Len 23. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. In. 7522. vr. Georgi. Pücker. Gewölbe-vermietlMg. DaS z. Z. an die Herren IVOIIcer lUrbarckt vermiethcte (ijetvölbc im alten Bvrsengebäude an der Ecke des CalzgäßchcnS und Naschmarktcs (Stockhauöscite) nebst zu gehörigem RikdcrlagSraum ist vom I. April I8UI an gegen cinhalbjährliche Kündigung anderweit zu vermicthcii. Miethacsuchc werden auf dem Rathhausc, I. Etage, Zimmcr Nr. 8, ciitgegeiigenomuicn, woselbst über die Dcr- micthungSbedingungcii nnd auch sonst Auskunft crlhcilt wird. Leipzig, Len 23. October 1890. Ia 7521. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Pücker. wlchllllngs-vermiethnny. Bon jetzt oder vom I. Januar 189l an ist eine in der 3. Etage des früheren RathbanscS in Lcipzig-Volkmarsdors, Kirchslraßc Nr. 2, gelegene kleine Wohnung gegen viertel jährliche Kündigung anderweit zu vermicthcii. Bezügliche Mictbgesuche werden ans dem hiesigen Nach hause, l. Etage, Zimmer Nr. 8, cntgcgcngenommen. Leipzig, den 23. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig, la. 7548. vr. Georgi. Puckcr. Wülittungs-Bermietliung. Im 1. Stockwerk dcS Hintergebäudes des der Stadt- acmcindc Leipzig gehörigen früheren Gei»ei»deaintShauseS in Leipzig-Gohlis, Kirchplatz Nr. I, ist die reckits gelegene Wobnung jetzt oder vom l. Januar 1891 ab gegen viertel jährliche Kündigung anderweit zu vcrmiclheii. Miethgesuche werden auf dem Rathhause, 1. Stockwerk, Zinimer Nr. 8, cntgcgengenominen. Leipzig, den 23. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 7544. vr. Georgi. Pücker. Ursprungszeugnisse für Uumünien. Laut einer der Handelskammer soeben zugegangenen amtlichen Miltheilung hat die Königlich Rumänische Regierung den Wunsch ausgesprochen, daß in den Ursprungs - Zeugnisse» sür Maaren- endungen nach Rumänien, abweichend von der bisher üblichen Form, ünfttg neben der Ursprungsbescheinigung der Behörde auch die Ur- prungSäLrklärung deS Absenders selbst Ausnahme finden möchte. Es ist deshalb ein neues Formular ausgestellt worden, welches aus der Kanzlei der Handelrkammer zur Einsichtnahme ausliegt und vou welchem Abzüge sür den nächsten Bedarf gegen Erstattung der Selbstkosten daselbst zu haben sind. Leipzig, den 28. October 1890. Dir Handelskammer. A. Thieme, Vorsitzender. vr. Bensel, I. Sk er. HMngkMlung? Montag, den 3. November 1890, Bormittag« v Uhr» olle» aus dem dresdner Bahnhöfe in Leipzig, an der Produclen- ladestrafie in Neustadt 5a0 Llück alte kieferne »nd 500 w dergl. eichene Bnhnschwrlle» unter zuvor bekannt zu gebenden Bedingungen meistbietend gegen ofortige Baarzahlung veräußert werden. König!. Stbth.-Ingcntcurbureau Leipzig ll. Bekanntmachung. Nachdem die Allgemeine Kranken- und BegrLbnißcasse für Schrift- gießer Leipzigs (e. H.) in Leipzig in ihrer Generalversammlung am 20. dS. Mts. ihre Auslösung beschlösse» Hai, nimmt die Unterzeich nete Lasse Veranlassung, die Herren Arbeitgeber daraus hinzuweisen, daß vcrsicherungSpstichtige Miglicder dieser Laste nach der Vorschrift des KrankenvcrsicherungsgesetzeS binnen 3 Tagen, vom Erscheinen dieser Bekanntmachung an gerechnet, mittelst des vorgcschricbeucn Formulars zur Anmeldung zu bringen sind. Bei Nichteinhaltung dieser Meldefrist treten die Nachtheile der 88. 50 und 81 des angezogcnen Gesetzes in Kraft. Leipzig, den 29. October 1890, Tie LrtSkrankcncassc für Leipzig nnd Umgegend. Ehmig, stell». Vorsitzender. Zteckbriefertedigung. Der unterm 16. Juni 1866 gegen den Dienslknecht Paul Mnche (Muchas aus Pschow erlassene, unterm 2. October 1886, 2. April 1887, 12. April 1888, 17. Januar 1889, 22. September 1889 und 15. August 1890 erneuerte Steckbrief ist erledigt. Mücheln, den 27. October 1890. königliches Amtsgericht. Zwangsversteigerung. Im Wege der Zwangsvollstreckung soll das der Friederike Paulinc verehel. Knhlcwtnd gcb. Nösrl in Mlliusdors gehörige, Fol. 13 deS dasigen Grund- und Hypothekenbuchs eingetragene, 33,900 gewürderte, mit 936,76 Steuereinheiten belegte und 10 kn 30,50 ur haltende vandgnt mit «emeindcrecht an hiesiger Gerichisstelle — Burastraße 11, 2 Treppen, Zimmer 4 — roiiiicrstag. den 13. November 18»90, versteigert werden. Gebote sind vor oder in diesem Vormittags 10 Uhr beginnenden Termine bis spätestens Mittags 12 Ilhr anzubringen, und ist von dem Meistbietenden bei dem Zuschläge der zehuie Theil der Lr- slchungSiuinme baar zu erlegen oder sicher zu stellen. Die nähere Beschreibung des Besitzlhiims liegt nebst den Bcr- stcigeruiigsbedinguligcn in der GerichiSschreibcrei — 2 Treppen, Zimmer 5 — aus. Altenburg, am 17. October 1890. - Herzog!. Amtsgericht II». Reichardt. Liebknecht und der Zukunflsstaat. Liebknecht koinmt bei jeder Gelegenheit, wo er öffentlich auftritt, auf seine Rede zurück, die er in Halle über das socialdemokratisckie Programm gehalten hat. Er fühlt eS richtig heraus, daß diese Rede verfehlt war, weil sie die Hauptfrage unbeantwortet läßt, wie sich der Zukunflsstaat ans den heutigen Zuständen entwickeln und wie er geartet sein wird. Tie Nothwcndigkeit, hier daS erlösende Wort zu sprechen, ist ihm um so klarer geworden, als er das eherne Lohngcsctz und die Productivgcnossenschaften aus dem Pro gramm gestrichen hat, ohne die dadurch entstandene Lücke anderweit ausrufüllen. In einer Versammlung der Wähler dcS sechsten Berliner Neichslagswahlkreises bat Herr Lieb knecht deshalb einige Andeutungen darüber gemacht, wie sich der Uebergang aus dem heutigen Staat in den socialdcmo- kratiscben vollziehen wird. Zu dem Ende hat er auf das Beispiel der englischen Gewerkschaften verwiesen, die, sobald sie zur Macht gelangt wären, bloS zu dccretiren brauchten: Bon morgen Mittag 12 Uhr sind alle Fabriken, Werkstätten, Bergwerke u. s. w. Eigenthum des Staates, resp. der in diesen Betrieben beschäftigten Arbeiter. Damit sei der social- demokratische Staat mit einem Schlage hergestcllt, so wachse der socialdcmokratische Staat in die heutige Gesellschaft hinein. Daraus zog dann Herr Liebknecht die Nutzanwendung: „Wenn wir uns erst werden frei bewegen können, dann werden wir auch wisse», waö wir zu thun baden. Wir werden selbst verständlich nicht dulden, daß Diejenigen, die alle Werke schaffen, in ungesunden Kellern und Dachwohnungen cam- piren, da wir aber in erster Linie eine humane Partei sind, so werden wir auch nicht Diejenigen, die bisher die schönen Wohnungen eingenommen, in den Keller oder in die Dach kammer verweisen." Wir verstehen c« jetzt, daß Herr Liebknecht so lange ge zögert hat, mit seiner Weisheit bervorzutretcn, denn damit ist es wirklich jämmerlich bestellt. Sagte nicht Herr Lieb knecht in Halle, baß die Nationalökonomie die eigentliche Grundlage des socialdemokratischen Zukunftsstaatcs sein und daß dieser sich überhaupt auf wissenschaftlicher Grundlage entwickeln werde? Und jetzt erfahren wir von Herrn Lieb knecht, daß der Zukunftsstaat einfach durch die ConsiScation fremde» Eigenthum« entstehen soll. Und waö ist das für ein StaatSwesen? Die Besitzer der Fabriken, Bergwerke und sonstigen Betriebe werden einfach ihres EigenthumS verlustig erklärt und an ihre Stelle treten die in den Be trieben beschäftigten Arbeiter. Diese Arbeiter aber bilden zu gleich den Staat, denn Liebknecht sagt ausdrücklich: „Bon morgen Mittag 12 Uhr sind alle Fabriken w. Eigenthiiin de« Staate« resp. der in diesen Betrieben beschäftigten Arbeiter." Wir hätten wirklich gedacht, daß Herr Liebknecht seine Aufgabe mit mehr Ernst und Gründlichkeit anffaßle, als seine neueste Acußcru.ig über den Zukunflsstaat zeigt. Bon einer staat lichen Organisation ist in dem Zukunftsstaate deS Herrn Liebknecht nicht die Red«, da« macht sich Alles von selbst, die Hauptsache ist, daß die Arbeiter an die Stelle der Besitzenden treten und sich alle die Annehmlichkeiten dcö LebcnS gewalt sam verschaffen, die bisher das Borreckt der Besitzenden waren. Herr Liebknecht will nur aus reiner Humanität die ihres Besitzes entkleideten Fabrikherrcn nicht in die Dach- und Kellerwohnungen verweisen, sondern ihnen wenigstens bewohn bare Räume zum Ausentbalt zugestchen, aber die schönste» Wohnungen erbalten natürlich die Arbeiter, denn sie haben erstens die Macht in Händen, und zweitens sind sie eS, die alle Werthe schaffen. Bei den Engländern bilden wenigstens die Gewerk schaften eine Art von staatlicher Grundlage für die neu n schaffenden Organisationen. Bei unS ist es wahrschcin- ich die socialdemokratische Ccnlralleitung, welche daS neue StaatSwesen organisirt. Mil dem Organisiren wird es aber schwer gehen, denn die Arbeiter werden auf ihr Recht als Mitbesitzer pochen, und eS wird ihnen kaum genehm sein, wenn die Ccnlralleitung eine Verwaltung einsetzt, welche an Stelle des verjagten Besitzers die Leitung der Fabrik übernimmt. Die Frage nach der Vcr- tbcilung des Ärbeitslobnes fügt zu den vorhandenen Schwie rigkeiten eine neue hinzu und außerdem muß doch auch die Zukunft der bisherigen Besitzer sicher gestellt werten. Mil denen wird freilich nicht viel Federlesens gemacht werden, man reiht sie einfach in die Zahl der Arbeiter ein, im besten Falle werben sie bei der Verwaltung verwendet, ihr Recht kann natürlich nicht größer sein als das aller übrigen socialtemokralischen Staatsbürger. Nun kommt aber noch ein anderer sehr wesentlicher Punct in dem Zukunsts- staate zur Erörterung. In diesem Staate gicbt cs nach dem AuSsprnchc Liebknecht s weder eine himmlische noch eine irdische Autorität, ja nicht einmal eine papiernc, wie sie etwa eine Fabrikordnung darstcllcn würde, und doch ist die Vor bedingung der Existenz des ZukunflSslaatcS, daß auch in ihm Werthe geschaffen und der Gesaninilheil zur Benutzung zu gängig gemacht werden. Wie werden also die Arbeiter, die keinen Herrn über sich dulden, in Zucht und Ordnung ge halten, wie werden sie dazu genölhigt, ihre Pflicht zu thnn und zu arbeiten? DaS sind alles Fragen, ans welche unS Herr Liebknecht die Antwort schuldet. Gesetze giebt cS auch im socialdemo- kratischen Staat, denn Herr Liebknecht fordert die Recht sprechung durch das Volk, aber wie man Gesetze geben und sür ibre Ausführung Sorge tragen soll, oknc das Borhanden- seist einer Autorität, darüber verlangen wir auch mit Fug und Recht Auskunft bei Herrn Liebknecht. Wenn wir ikn recht verstehen, so bleibt die Aufrichtung des neuen Zustandes in der Hauptsache dem guten Willen der zur Macht gelangten Socialdcmokraten überlassen; Herr Liebknecht erwartet ja von ihrer Humanität, daß sie die auö ihrem Eigentbnm verjagten Fabrikbesitzer nicht in ungesunde Dach- nnd Kellerwohnungen verweisen werden. Nun aber noch Eins! Wie steht cS mit den Bernss- zweigcn, die sich nicht als Arbeiter im industrielle» Sinne classtficiren lassen? Der Gclehrtenstand scheint ohne Weiteres über Bord geworfen werden zu sollen, da die Socialdcmo kraten sämmtlich geborene Vertreter der Wissenschaft sind, denen als Stern erster Größe Herr Liebknecht voranlcnchtet. Abstufungen von Schulen sind nur insofern nöthig, als sic in ibrcr Gciammthcil dazu dienen sollen, die Erreichung der höchsten Stufe der Vollkommenheit zu ermöglichen, also giebt cS nur Vorbcrcitungöschulen und Hochschulen, die Jeder be suchen kann, sofern er nicht etwa blödsinnig ist. Gearbeitet wird nur so viel, als zum Leben unbedingt erforderlich ist, denn der Mensch lebt nicht, um zu arbeiten, sondern er arbeitet, um zu leben. Alan erkennt auS diesen Andeutungen, daß Herr Lieb knecht auch nicht die leiseste Ahnung von der Schwere der Aufgabe bat, welche er als Organisator des socialdemokralischcn Zukunftsstaats übernommen hat, denn sonst würde er nicht den Uebergang des bestehenden Staats in das socialistische Trugbild in so beispiellos frivoler Weise dargestcllt haben, wie er cS in der Berliner Versammlung vom 27. Oclobcr gctha» hat. Ein lebensfähiges StaalSwesen wird nicht künstlich auf Grund von Hirngespinnsten ausgerichtet, sondern cs entsteht mit Nothwendigkeil aus der historischen Entwickelung. Die Frage, ob die monarchische oder die republikanische Staatsform die bessere sei, kann aufgeworfen werden, denn es bestehen Monarchien und Republiken und sie haben schon nebeneinander im Alterthum bestanden. Der socialistische Staat besteht aber nur in den Köpfen von Leuten mit unklaren Vorstellungen. Wer etwas NeucS schaffen will, muß vor allen Dingen Genie haben, das hat aber Herr Liebknecht ganz sicher nicht. * Leipzig, 30. Oktober. * Die BundcsrathS-Ausschüssc werden dem Ver nehmen nach in den nächsten Tagen mit den Berathungcn einer Reibe von Einzeletats, wie de« Reichskanzlers und der Reickökanzlei deS ReichS-Eiscnbahnainis nnd der Verwaltung der RcichS-Eisenbahncn, der ReichSjustizvcrwaltung und Reichs- druckcrci, beginnen. Die größeren Etats sind soweit vorbereitet, daß sic in rascher Folge an den BundcSrath gelangen werden. Ueber einzelne vor einiger Zeit noch offen gewesene Fragen, wie die der Dicnstalterszulagen rc., dürste ei» Einvcrständniß der bezüglichen RessortS bereits erzielt sein. Es ist mit Sicher heit zu erwarten, daß wenn der Reichstag zu dein ur sprünglich in Aussicht genommenen Termine, dem l 8. November, Zusammentritt, ihm der Reichshaushaltsctat in üblicher Weise wird vorgclegt werden können. * Im Reichstag soll demnächst, wie man hört, von klerikaler und dcutschfreisinniger Seite ein Antrag aus Ver schiebung deS Termins für das Inkrafttreten dcS Invali- dltätSversicherungsgesetzcs eingebrachl werden. Um derartigen Versuchen die Spitze abzubrcchen, wäre cS an gebracht, wenn die kaiserliche Verordnung, welche da« Gesetz zum 1. Januar 1891 in Kraft setzt, jetzt bald erschiene. * Bekanntlich besteht die Absicht, zum Zwecke einer zweiten Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs eine zweite Commission zu berufen. ES verlautet, daß die Frage der Uebcrtragung deS Vorsitzes in dieser Commission dahin gelöst werden dürfte, daß der StaatSsecretair des ReichSjustizamtes den Vorsitz übernehmen soll. * Im ReichstagSwahlkrci« LandSberg-Soldiu hat der dcutschfrcisinmge KammergerichlSrath Schröd er mit einer Mehrheit von etwa- über lt',00 Stimmen gesiegt. E« sind gemeldet 8743 für den deutsckfreisinnigen, 7131 für den con- servalivru Eandidateu Dietz vou Bayer; die socialdemokratischen Stimmen kommen nicht in Betracht. Bei der Wahl im Februar d. I. siegte der deulschsreisinnige Witt mit 12 333 gegen Dietz von Bayer mit 9011 und eine» socialdemokratischen Candidale» mit 232 Stimmen. Es bat also sowohl auf conservativcr als dcutschsreisinniger Seite ein erheblicher Rück gang der Stimmen starlgesunten, auf letzterer Seile ist aber der Rückgang noch weit stärker. Die zur Erklärung dieser Stimmenvcrmindcrung über die Bühne geführten 2000 deutsch- freisinnigen Wähler, welche als ländliche Wanderarbeiter noch zur Karlossel- und Rübenernle außerhalb des Wahlkreise« sich aufhalten, gehören zum ständigen dcutschfreisinnigen Apparat; bisweilen sind eö auch Schiffer, Fischer und Ziegel- brenner. Sie erscheinen regelmäßig, wenn die fortschrittlichen Stimmen zurückgehen. Merkwürdig, daß die Kartoffel- und Rübenernle gerade die deulschsreisinnige Wählerschaft so stark in Anspruch nimmt. * Ueber die vielfache Steuerbelastung des immo bilen Besitzes in Preußen wird der „Post" geschrieben: Der Grundbesitz weist eine doppelte und vierfache Sonverbelastnng aus, »nd zwar: 1) Tie auf den Ertrag des Immobil- gelegte ge wöhnliche Einkommensieiier mit 3 Proc., 2) die Gebaudefieuer mit 4 Proc. aus die Soll-Einnahme, also den Brutto-Ertrag de- Ärund- l desitzeS, gleichvlct also, ob die Liegenschaslen verschuldet sind oder nicht, 3) die Gewerbesteuer a»S dem im Hause betriebenen Gewerbe, l> die Coiuiniinal-Uinlage aus Einkommensteuer, bj die Communal- Umiage auf Gebäudcsieuer, 6) die Lominuiial.Umlage auf Gewerbe steuer. Ter Besteuerung des mobilen Vermögens gegenüber stellt sich das Verhältnis« so, daß dieses 4—8 Proc. von dem ein- lanrten, also muthmaßlichc» Einkoinmen bezahle», während das ü» unverschuldeten Hausbcsitz angelegte Vermögen 18 bis IO Proc., bei einer H'welhelenbelastung bi- zur Halste aber schon 29—30 Proc. an Steuern leisten muß. Außer diesen leuerabgabcn treffen auch den Hausbesitzer noch eine Menge andere Belastungen, und zwar die Auslagen:«I) für Herstellung der Lanalisalisn, 2) sür die Wasserversorgung, 3) für die Bürgersteige, 4> iiir die Unfall- und Feuerversicherung, 5> die Umlage sür die Liraßenreinigiing, 6) für Schornsteinfeger, Müll-, Eis- und Schnee- bescitigungen. Abgesebe» von den > ihrlich vorkommenden Reparaturen bilde» die Gesammtlastcn eine Bürde, welche die Scßhnstmachung fern halten mnß. Ter ehemalige Kanzler Fürst von Bismarck hat die übertriebene Jmmobilbesteucrung in einer seiner früheren Parla- mentsreden mit dem Ausdruck einer ConsiScation, welche damit an dem Vermögen der davon Betroffenen begangen würde, in unzwei deutigster Weise gekennzeichnet. Ebenso hat derselbe in mehreren Zuschriften, so auch vor Kurzem wieder an den „Grund- und Haus besitzer-Verein von Aachen und Burtscheid" bezw. dessen Vorsitzenden Herr» L. vom Hose, leine Anschauung über die Unbilligkeit der Steuer documeulirt. Ta» Schreiben lautet: „Die in Ew. Hochwohigcboren Schreiben vom 28. v. M. aus gesprochenen Ansichten über die Pragravation de- Jmmobilien- Besitzes entsprechen den meinige». — Wenn der Grund- und Häuscr- teuer der Charakter von zuschlagsfähigen Abgaben beiwohnt, wejche aus dem auS dem Grundbesitz bervvrgchendc» Einkommen ruhen, so bilden sie einen Tbcil der Besteuerung des Einkommens des Be teuerten »nd eine Pragravation des Enikoinmens aus Grund- und Hausbesitz. Bilden sie aber eine auf Immission de- Staate? in das Vermögen des Steuerpslichtigen begründele Passivrente, so können ie eine» Gegenstand sär conimunalc Zuschläge ebenso wenig bilden, wie jedes andere ans dein Grundbesitz lastende Passiv»»!." Ls ist zu erwarten, daß diesen Mißstäudeu abgeholscu werden wird. » -!- «- * Im böhmischen Landtag überreichte Graf Kinsky eine Gegenerklärung gegen die jiingezeckische Verwahrung gegenüber dein Obcrstlandmarschall. Dieselbe ist von den Großgrundbesitzern, sämmllicheii Deutschen unk Altczeckcn niitcrzcichiicl und besagt, der ObcrstlandinarschaU habe seine Pflicht erfüllt, indem er die Würde, Ordnung und Ruhe des Lanttagcs aufrecht erhalten habe. * DaS österreichische Reichsgericht entschied, daß durch die Auflösung des Vereins „Pro Patria" eine Ver letzung eines versasiungsmäßigen Rechtes nicht stattgefunden habe. Dagegen sei durch die Nichtbewilligung zur Gründung des Vereins „Lcga Nazionalc" das verfassungsmäßige Recht, Vereine zu bilden, verletzt. * Zn einem Berliner Blatte heißt es: „Die Russi« ficirung der Ostsccprovinzen geht schonungslos weiter. ES soll jetzt auch bei den Gemeinde-Verwaltungen der Gebrauch der deutschen Sprache nach und nach voll verbrängt werden, und der Anfang hierzu ist bereits t worden. Von cinein bloßen „Anfänge" kann leider keine Rede sein. Tie „Verdrängung der deutschen Sprache aus den Gemeinde Verwaltungen", womit hier doch wohl die Städte gemeint sind, hat bereits vor Jahresfrist statt- gefuiidcn. Seitdem muß in den städtischen Vertretungen russisch verhandelt werden." — Dem gegenüber erscheint die geplante Unterstützung russischer Theater in den baltischen Städten nebensächlich. Waö nickt unter gesetzlichem Zwange geschieht, bleibt ohne Wirkung. T)aS hat das Beispiel Polens gelehrt; dieselbe Erfahrung wird man in den Ostsceprovinzcn »nd in Finnland machen. Die „Cultur- kraft" des „russischen Gedankens" steht hinter der des deutschen, schwedischen und polnischen soweit zurück, daß sie Niemanden zu imponiren vermag. Die G.cwalt muß deshalb zu Hilfe komme» und sie lbut es reichlich. * Nach in London einaetroffenen Privalmeldungen auS IakulSk brach eine neue Meuterei unter sibirischen Sträflingen auf einem nach IakutSk fahrenden Dampfer unterwegs auö. Wegen grausamen AuspcitschenS zweier Sträflinge empörten sich die übrigen, griffen die Soldaten an, entwaffnelen sie, banden sie, pcitfchten den Befehlshaber, landeten und ließen den Dampfer mit der Strömung treiben. Als der Dampfer gesunden worden war, wurde die EScorle befreit und der Gouverneur von IakutSk ließ die Flüchtigen verfolgen. Zwei derselben wurden er schossen und fünf cingcfangcn. Vom Minister des Innern wurde eine Untersuchung angcordnct. * In der ersten gemeinschaftlichen Sitzung der beiden niederländischen Kammer» erstattete der Ministerpräsident Mackay Bericht über den Gesundheitszustand dcö Königs. Die Aerztc hätten constatirt, der König sei außer Stande, zu regieren. Der Instizministcr und der Minister der Colonien, die den König persönlich gesehen haben, bestätigen die Aus sage der Aerzle. Ter Ministcrralb verlangt von den General- staaten die nack der Constitution erforderliche Erklärung, woraus die Sitzung bis morgen Nachmittag 2 Uhr ver tagt wird. * Der Abgeordnete Moreau bat bei der französischen Kammer einen Antrag auf Abschaffung oder vielmehr Frcigebung de« Adels ringebracht. Ter Gedanke ist nicht neu. Nach Moreau soll kein Franzose mehr daS Neckt habe», den Adel zu führen, cS sei denn, daß er dafür eine jährliche Steuer bezahlt; wer diese Steuer aber zahlt, hat ganz nach Belieben und nach Vermögen da- Recht, sich zuu^ ständig gemach
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