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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189011096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901109
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-11
- Tag1890-11-09
- Monat1890-11
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1890
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Erschein ftZH S'/, tAgllch «'/, Uhr. »nt Lr»edUi«, Joh«»e«g°sse 8. SPrechstua-en der Kedtttion: Vonntttags 10—12 Uhr. N«ch»ttt«gS 5—8 Uhr. - »»»rLW««Lr"-- de» fLr »te «ichftfnlient« N»«»cr t«ftt»«ten Inserate a» kS»chrut«>rn »t« S Uhr Rachmttt«^, anßnnm» «atz Festtagen srüh bt»Uhr. 3a Len Filialen für Ins.-Annahme: vtt« »l«««'» Lertlm. (Alsrct Hahn). Univ«rsität«strabr 1, Lauts Lösche, U»th«rt»«»str. 14 pari, und kSaigSplatz 7, nur bi« '/.S Uhr. MMtr.TilgMM Anzeiger. Organ für Politik, Lscalgeschichte, Handels- «nd Geschüstsverkehr. WObouuemLNtDhtNOÜO vierteljährlich 4'/, Mk. tncl. Bringerlohn 5 Mt., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegerenrplar 10 Pf. Gebühre» für Extrabetl «a»» li» Taaediatt-Fvrmat geialzli Ohne PostdesSrderung KO Mt. «tt Postdesorderang 7V Mt. Inserate 6 gespaltene Petitzeile SO Pf. «rüher» Schriften la»t »»s. Prei«v«»tch,kh. Tabellarischer u. Ziffer»!«« nach HSHer», Tarif. 1lertn»ea IN irr dem ArdacttoaSstrkch dl« 4«ipalt. Zeile SO Pf, v»r den Familien Nachricht«» die Sgespaltra« Zeile 40 Pf. Iuferat« sind stet« a» die 8vprSttt*> zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben., Zahlung prnemuvenmiio oder durch Post» Nachnahme. ^-313. Somrtag dm 9. November 1890. 84. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Geffentliche Sitzung -er Stadtverordneten Mittwoch, de« 13. Nove«brr LSVV, Abend» 0>/, Uhr. t« Gnnle der vormalige« HandelsbSrfe «»» Naschmarkte. , Tagesordnung: I. Bericht des Verfassung»- und Finanzausschusses über: Anstellung von 3 Expedienten für das Leihhaus und die Sparkasse. II. Bericht de- Schul- und DerfaffungSauSschuffeS über die Vorlage, betr, einen Entwurf einer Schulordnung für die Stadt Leipzig mit Ausschluß der tzA 32—35 Bekanntmachung, die RirchenvorstandSwahl,« St. Petri betreffend. Nach unserer Bekanntmachung vom 18. Oktober d. I. scheiden nach Ablauf der gesetzmäßigen Wahlperiode aus un serem Kirchcnvorstandc aus die Herren: Hofbaumeister Otto Brüdkwald, ÄmtSgerichtSrath Wilhelm Krantchfeld, Privatmann Aranz Leutbier. Eommerzienralh Julius Metff«er, Schuldirektor Traugott Reimer, Kaufmann Ferdinand Bruno Telle und Baumeister Daniel Gottlob Vogel. Die ausscheidenden Herren sind inSgesammt wieder wäbldar. Die Wahl von 7 Mitgliedern in den Kirchenvorstand für die St. Pctrigemeinde findet stall: Mtttwvcb, den I». November b. 3-, von früh tt Ubr bi» Nachmittag» 3 vbr in dem nordöstlichen Bcichtdause der PeterSkirche (Eingang der höheren Schule für Mädchen gegenüber). Wahlberechtigt sind nur diejenigen Gemeindeglieder der PeterSkirchenparochie, welche zufolge unserer Bekanntmachung vom 18. Oktober c. sich zu dieser Wahl angemeldet haben und in die Wählerliste eingetragen worden sind. Wählbar sind alle stimmberechtigten Mitglieder der PcterSkirchcn- gemeinde (nicht bloS die in die Wahlliste Eingetragenen), welche daS 30. Lebensjahr vollendet haben. Die Wähler haben ihr Auaenmerk auf Männer von gutem Ruf«, bewährtem christlichen Sinne, kirchlicher Einsicht und Erfahrung zu richten. Die Abgabe deS Stimmzettels für die Wahl von 7 Personen hat persönlich «m IS. No vember in dem odengedachten Beichthause der PeterSkirche zu erfolgen. Wir bitten herrlich «nd dringend, daß alle diejenigen Ge meindeglieder, welch« sich in die Wahlliste haben eintragen lassen, von ihrem Wahlrechte am Wahltage Gebrauch mache» wollen. Leipzig, den 8. November 1800. Der Kircheiivoestand r« Tt. Petri. v. Hartung, Pfarrer. Bekanntmachung, die Aufnahme schulpflichtiger Kinder ta die vereinigte Freischule betr. Diejenigen Eltern, welche um Aufnahme ihrer Ostern 1891 schulpflichtig werdendrn Kinder in die Freischule nachzusuchen gesonnen sind, haben ihre Gesuche von jrtzt ab bis spä- testrn» den 13. diese» Monat» in der Schulexpedttion, Alte Waage, Katharinrnstraße 1, 1. Etage, Zimmer Nr. 4, Bormittags von 9 bis 12 Uhr und Nachmittag« von 3 bis 6 Uhr persönlich anzubringen und die ihnen vorzulegenden Fragen vollständig und der Wahrheit gemäß zu beantworten, auch gleichzeitig ein Zeugniß über daS Alter des anzumeldendcn Kindes und den Impfschein vorzulegen. Leipzig, den 1. November 1890. Der LchulauSsckuß der Stadt Leipzig. Walter. - Lehnert. Bekanntmachung. Die Lieferung von 100 gußeisernen, zur Verwendung in aSphaltirten Straßen kommenden Tchleuffendrckeln soll an einen Unternehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen und eine Zeichnung für diese Lieferung liegen in unserer Tiefbau-Berwaltung, Rathbau«, 2. Stock werk, Zimmer Nr. 14, aus und können daselbst eingesehcn oder gegen Entrichtung der Gebühren im Betrage von 1 welche eventuell in Briefmarken einzuseuden sind, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift „Lieferung von Ittv zur Ausfüllung mit Asphalt eingerichteten Tchlen-eadeckeln" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 24. November 1890 Nachmittags 5 Uhr einzureichen. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, den 4. November 1890. Id. 6155. De» Rath» der Stadt Leipzig Straßenbau-Deputation. Wohnungs-Rermiethung. Im I. Ttvckwer» de» Hintergebäude» des der Stadtgcmcinde Leipzig gehörigen Hausgrundstück« Uni» versitätSstraße Nr. 33 ist eine kleine Wobnung sofort oder den I. Januar künftige« Jahre» gegen vierteljährliche Kündigung anderweit zu vermiethcn. Miethgesuche werden auf dem Rathhause, I. Stockwerk, Nr. 8, eutgegengrnommen. November 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Wagner Zimmer Leipzig, den 4. la. 6270. vr Georgi. Bekanntmachung. Bon dem Unterzeichneten Armenamte sollen DienStag, den LL. November I8SV, Dormlttag» von v Uhr an in» Stadthanse hier verschiedene Möbel, Bette», Wäsche, Kleidung»» ffücke. Hau»- und Küchengeräth« ,e. öffentlich vrr steigert werde». Leipzig, am b. November 1890. Da» Mrmenamt. Hrntschrl. Art»«. Anctions-Lekauntmachuna. Donnerstag, de« LS. d». Ml»., Vormittag» von S Uhr an solle» im Stadthause, Eingang Mühlgasse Nr. 1» verschiedene WirthschaftSaegenstande, Kleidungsstück«, Taschenuhren, Ringe, 3 Schraubstocke, I Nähmaschine und verschiedene ander« Gegenstände an den Meistbietenden gegen sofortige haar« Be zahlung öffentlich versteigert werden. Leipzig, am 7. November 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Ick. N. 1322 u. s. w. vr. Georgi. Hüdschmann. 8it2UNK 668 ärrtl. L62irk8V6rein8 I^eipnF-Ltaät I». IVoe«i»>»«e, » lUöe, lw 8»»l« »er l. VIlrUerivkuIv. D»8«,oräounx; Lurrer Xdrim über cka, 25Mrßre Learsdeo Le» Verein» ckurob Herrn UotraU» krof. vr » luter. Seriekt Uder <iis Ivtrte Lit-unx Loa Lrei«rer«m»-4,ii»ed ilurok cks» Vorsitrenclen Scheiben, Uerr» vr. Uelndurck. kerickt über Lis ru retldleucko Vertrauenaoonunümion. Verein»- unck Ltauäesaoxeleg^ndelten. vr. weck. 8«ortet. Gesucht wird der Brunnenbauer Friedrich Herma«« Staub von hier, geboren am 16. Juli 1852 zu Liebertwolkwitz, welcher zur Fürsorge für seine Familie anzuhalten ist. Liebertwolkwitz, ain 7. November 1890. Der vrtSarmknberbanb. Dyck, Gem--Borst. Die Reise des Reichskanzlers. Der Reichskanzler v Caprivi gewinnt überall, wo er sich ^eigt, die Herzen durch die Liebenswürdigkeit und die An- pruchslosigkcit seines Wesens, die trotzdem nicht der Würde entbehrt. In München hat er den angenehmsten Eindruck hinterlassen und in Mailand begegnet man ihm gleichfalls in der ehrerbietigsten Weise, obwohl der Mailänder „Secolo- die Tactlosigkeit begangen hat, am Tage der Ankunft deS Reich» kanzlerS einen Artikel zu veröffentlichen, welcher dem angeb lichcn festen Willen aller Italiener Ausdruck giebt, den Bann deS Dreibundes zu brechen und die politische Unabhängigkeit Italiens zum Segen de« europäischen Frieden« wieder zu erlange». Di« italieuikchru Radikalen treten Wohl nur des halb mit so groß» Rücksichtslosigkeit auf, weil sic wissen, daß ihren Worten die Thateu doch nicht entsprechen können. Ware Aussicht vorhanden, daß sie mit ihren lärmenden Kundgebungen durckdrängen, dann würden sie wahrscheinlich verstummen. Unter den obwaltenden Umständen wollen sie sich aber die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Aussehen zu erregen und sich dadurch interessant zu machen. Wir haben uns niemals deS Gedankens erwehren können, daß die Brandreden der Cavollotti und Imdriani nicht ernst zu nehmen sind, daß sie vielmehr lediglich den Zweck haben, die beiden Männer der öffentlichen Aufmerksamkeit zu empfehlen und ihrem Streberthum als Grundlage zu dienen. Es ist daS eine Praxis, die auch anderwärts geübt wird, wenn auch der gehoffte Erfolg auSbleibt. Es findet sich immer eine beträchtliche Anzahl von Leuten, welchen es Vergnügen macht, den Anstrengungen zu folgen, welche die Opposition aus Grundsatz macht, um sich Geltung zu verschaffe», und wenn die Opposition auch noch so unvernünftig ist und sich nur durch künstliche Mittel erklären und rechtfertigen läßt. Die italienischen Radicalen sind Muster ihrer Gattung, sie schrecken vor Nichts zurück, wa« geeignet ist, die Namen der Führer bekannt zu machen, wenn die Träger dieser Namen dadurch auch nicht berühmt, sondern nur berüchtigt werden. Die italienischen Radicalen haben den Dreibund oft als ein Hinderniß für den Frieden bezeichnet» sie haben aber noch niemals versucht, diese Behauptung zu beweisen, weil sie wissen, daß der Beweis nicht erbracht werden kann. Niemals war aber die Gegnerschaft gegen den Dreibund übler ange bracht, als am Tage der Ankunft des deutschen Reichskanzler« in Mailand. Als ein Gegenstück der Feindseligkeit des „Srcolo" gegen den Dreibund verdient eine Veröffentlichung der „Opimonc- erwähnt zu werden, welche in dem Satze gipfelt: Ohne den Dreibund wäre Italien heute in Blut und Thronen gebadet und wirthschaftlich zu Grunde gerichtet. Der Gcdansengang deS Verfassers mag dabei etwa der gewesen sein, daß Italien dann die Freiheit gehabt hätte, den Lockungen Frankreichs Folge zu leisten und daß der daraus sich entwickelnde Krieg mit einer Niederlage der verbündeten romanischen Völker geendet hätte. Derartige Ergebnisse der Einbildungskraft haben immer die mißliche Seite, daß ihre Richtigkeit nicht bewiesen werden kann, aber jedenfalls hat e« die Wahrschein lichkeit für sich, daß Diejenigen auf dem falschen Wege sind, welche die Auflösung des Dreibundes al» dem Frieden Europa« günstig auSgeben. Bo» den Theilnehmern deS Dreibünde« hat Italien offen bar die ungünstigste Stellung, denn e« hat mit Wider wärtigkeiten und mit Schwierigkeiten im Innern zu kämpfen, die in keinem anderen Großstaate Europas angetroffcn werden. Papstthum, IrredentiSmuS, Hinneigung zu Frank, reich, finanzielle Schwierigkeiten, SocialiSmuS und Republi. kaniSmu- machen sich nirgend« sonst in Europa so breit wie in Italien. Dazu kommt das Räuberunwesen in der Romagne und auf Sicilien, die Unbildung und politische Unreife de« größeren TheileS der Bevölkerung, so daß die Regierung kaum weiß, wohin sie ihre Aufmerksamkeit zuerst richten soll. Daß unter solchen Verhältnissen auch Fehler gemacht werdrn, dir selbst bei vollem Ber- ständniß der Regierung von ihrer Aufgabe nicht immer zu vermeiden sind, ist sehr erklärlich, und deshalb sind die Bemühungen Deutschland«, dem italienischen Ver kündeten seine Aufgabe in jeder möglichen Weise zu crleick- tern, mit Freuden zu begrüßen. Deutschland und Oesterreich- Ungarn sind darüber einig, daß in dieser Beziehung kaum genug aethan werden kann, und Deutschland ist in der glück lichen Lage, al« Dritter im Bunde nach beiden Seiten hin beruhigend zu wirken. Ein leiser Vorwurf gegen die führende Macht in Deutschland klingt au» der Stelle der Florentiner Rede EriSpi'S heran«, welche die Wiederber stellung der preußischen Gesandtschaft am päpstlichen Hofe betrifft. EriHi bezeichnet diese Maßregel, al» rin Zeichen der Annäherung Preußen« an den Vatikan, macht aber zleichzeilig die falsche Politik Italien« dafür verant wortlich. Der italienische Minister legt sich diesen Schritt vom italienischen Standpuncte au» zurecht; in Preußen sind sicher andere Gründe dafür maßgebend gewesen, und auch ein rechtzeitiges Entgegenkommen Italien« würde die Sendung de« Herrn von Sclilözer nach Rom nicht verbindcrt baden. ES ist überhaupt ein verfehltes Beginnen, dem Worte „wenn" in der Politik eine Bedeutung zuzugestekcn. Was geschehen ist, gehört allein in den Kreis der politischen Erwägung, und daraus nur können Schlüffe für die zukünftigen Ereignisse ge- ogen werden, nicht a»S Dem, waS möglicherweise hätte ge schehen können, wenn DaS oder IrncS so oder so gewesen wäre. Der Vatikan ist ein Factor, mit welchem gerechnet werden muß, weil er großen politischen Einfluß in der ganzen Welt hat. Wäre da« nicht der Fall, dann gäbe cS im deutschen Reichstage und im preußischen Landtage keine Ccutrumspartei, dann beständen nur sechs Großmächte, die siebente, das Papstthum, wird nicht als solche bezeichnet, sic ist e« aber in vollem Umfange trotz der mangelnden welt lichen Herrschaft, auf deren Wiederherstellung sie angeblich 'o großen Werth legt, obwohl die Agitation dafür mehr Nittel als Zweck ist. DaS Bcrbältniß Deutschlands zu Italien ist und wird stets beeinflußt sein durch daS Berbältniß, in welchem Deutschland zum Papste steht. Der Papst ist für Jtaiien der Feind, wäbrend er für Deutschland ein Machtsactor ist, der unabhängig von dem Königreich Italien berück sichtigt werden must. Der Papst ist ein Feind deS Drei bundes, weil dieser Bund die Macht Italiens erhöht und seine Unadbängigkeit vom Vatikan sichert, aber dieser kirchliche Machthaber verliert in dem Maße au Einfluß aus die Entträckclnng Italiens, als sich Italien von diesem Einflüsse nnadbängig macht, indem eS zeigt, daß der Papst in Italien nicht mcdr zu bedeuten bat, als sonst in der Welt. Diese» Ziel ist noch nickt erreicht, da» Papsttbum wird von einem großen Tdeil der Italiener immer noch als italienische Einrichtung aufgcfaßt, und diese Auf fassung ermöglicht die Agitation für Wiederherstellung ver weltlichen Macht deS Papstlhumö. Tic katholische Kirche ist aber, politisch betrachtet, eine internationale Macht, welche ihre politische Ausgabe stets darin erblickt hat, einen be stimmenden Einfluß auf die Entwickelung deS WcltgctriedeS zu äußern. Diesen Einfluß auf daS erreichbare Maß einzu- schränkcn, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Staatsmänner der Gegenwart. * Leipzig, 9. November. * Die öffentliche Aufmerksamkeit in Berlin wendet sich in erhöhtem Maße dem mit der zeitweiligen Wahrnehmung der Geschäfte des Schloßpfarrers und de» Seelsorgers bei der kaiserlichen Familie betrauten Consistorial- rath» Dryander zu, seit Herr Hofprcdiger Stöcker diese Anordnung zum äußeren Anlasse für die Einreichung seines EntlassungSgcsucheS genommen hat. Dryander, der erste Prediger der DreifattigkcitSkirchc, hat, wie die „Bosstschc Zeitung" ausführt, die Kanzel zur Verfügung, auf wclcker einst Schleier »racher wirkte. Zu seinen Predigten drängt sich Hoch und Gering, und die Kirche kann die Masten nicht alle aufiichmcn, die sich an Drvander'S eindringlichen Worten erbauen und erheben wollen. Ein Theologe, der die Eigen art der Berliner Kanzelredner aufmerksam und verständniß voll studirt hat, rühmt als den Grund der großen Erfolge Dryander'S dessen Realismus, die nüchterne Beleuchtung der Wirklichkeit. In Allem, was das Leben angcht, zeige er hohe Einsicht und fast divinatorischen Scharf sinn. Er nehme gleichsam jeden Zuhörer besonders und biete ihm nickt abstracte Allgemeinheiten, sondern das, waS seinen besonderen Bedürfnissen entspricht. Ohne die Kirchcnlehre gering zu achten, mache er sie nicht zum Mittelpunkte feiner Ausführungen: den Inhalt seiner Ge danken bilden weniger übersinnliche Probleme, al» praktische Erfordernisse der Gemeinde, die Noth der Gegenwart, das Verlangen und Hoffen de« Einzelnen. Seine Predigt, schein bar das unmittelbare Erzeugniß augenblicklicher Eingebung, kommt von Herzen und dringt zu Herzen. Seine Sätze sind kurz, knapp, bündig. Dabei weiß er, ohne den Werth der Form zu übertreiben, auch den gebildeten Hörer ästhetisch zu befriedigen und sein Gefühl anzuregen und zu erwärmen. Die Schwärmerei, welche von der hohen, ehrwürdigen Gestalt Dryander'S auSgeht, ist nicht die des strafenden BußvredigcrS, sondern des milden, versöhnenden Mannes der Licve. De» kirchlichen Kämpfen bat sich Dryander zumeist fern gehalten. Der Sohn eines liberalen Theologen, neigt er selbst einer mehr vermittelnden, als hcrrschsüchtige» Rich tung zu. Dryander war ein beliebter Prediger in Bonn, als Prinz Wilhelm dort die Hochschule besuchte. Aus jener Zeit mag die Vorliebe stammen, welche der heutige Kaiser für den Pfarrer der DrcifaltigkeitSkirche durch den wieder holten Besuch seiner Predigten und seine nunmehrige Be rufung zum Stellvertreter deS OberhofpredigcrS Kögel de wiesen hat. * Dem Vernehmen nach ist der Plan für den Fortbau de« ReichStagSgebäudeS dahinscstgestellt, daß im Iadre I89l die Werksteinarbeiten an den äußeren Fronten und im Innern de« Gebäude- fcrtiggcstellt werden sollen. Außerdem sollen die nöthigcn Maurer-, Putz- und Stückarbeiten fort gesetzt, sowie der Kuppelaufbau, die Wasserleitung»- und Entwässerungsanlagen gefördert werden. * Entgegen anderen Nachrichten einzelner Blätter wird von unterrichteter Seite bestätigt, daß der Rücktritt des LandwirthschaftSminister« I)r. v. Lucius wahrscheinlich ist. * Der amerikanische Recht-gelehrte Mr. Charles Gibson, welcher mit seiner Gattin zuletzt Gast beim Fürsten BiSmarck war, hat Europa wieder verlassen. Unter den Amerikanern, welche in diesem Jahre Deutschland besuchten, wurde keiner seitens der hoben und höchsten Gesellschaftskreise so ausgezeichnet wie Gibson. In Berlin wurde Gibson alsbald nach seiner Ankunft vom Reichskanzler v. Caprivi und später wiederholt vom StaatSsecretair de« Auswärtigen Amte«, Frhr. von Marschall, empfangen. Kaiser Wilhelm welcher am 16. Oktober von seiner Wiener Reise wieder rm- traf, lud Mr. Gibson bereit« zum l7. zum Frühstück nach dem Neuen Palais in Potsdam. An dem Frühstück nahmen da« Kaiserpaar, die kleinen Prinzen und nur wenige Persön lichkeiten Theil, und Gibson wurde im kaiserlichen Hofwagen von der Eisenbahnstation nach dem Neuen Palai« und wieder zurück befördert. Der Kaffer uahm wiederholt Gelegenheit, sich angelegentlich mit dem Amerikaner zu unterhalten, welcher letztere übrigen«, ohne von seinem heimathlichen Gesandten voraestellt zu werden, hier bei Hose sowohl wie in RegierungS- krcisen der größten Zuvorkommenheit sich zu erfreuen hatte. * Bei der Landtagswahl in Eleve hat der agrarisch- reaktionäre Flügel deS CentrumS in der Person de« Herrn von Loö wieder einmal einen Sieg über den demokratischen iflügcl davongetragen. Die demokratisch gefärbten ultramon tanen Wahlmänner hatten einen Gymnasialdirector a. D. Kodier wählen wollen; dieser Richtung hatte auch der ver storbene Vertreter des Wahlkreises, vr. Virnich, angchört. ES schien eine Zersplitterung der ultramontancn Stimmen und ein Kampf zwischen den beiden Richtungen devorzustehen. In letzter Stunde ist eS aber gelungen, auch die demokrati schen CentrumSwäbler für Herrn von Lo8 zu gewinnen oder zur Wahlcnthaltung ru bewegen, so daß der hochreactionäre Agrarier ohne Widerspruch durchkam. ' In der letzten Sitzung deS Meiningenschen Landtags wurde über die BerSnderungen in der Organisation deS Forstwesens verhandelt. Dabei betonte der Staatsrath Ziller, wenn gerechten Ansprüchen bezüglich der Gehälter entsprochen werden solle, so dürfe man sich keinen Luxus in der Zahl der Stellen er- landen. Die Aushebung der ForsldepartementS und die Einziehung mehrerer Lbcrsdrstcreien sei deshalb erforderlich gewefen, weil »ach de» jetzigen Verhältnissen der Schwerpnnet des niederen Forsldienstes 1» de» Oberforstcreien liege, die Forstinspection bei den letzigen Ver kehrsmitteln sich vom Sitze der Negierung auS bandhaben lasse, die Lberförsterbezirtc zum Theil zu klein gewesen seien. Wenn geklagt werde, daß die neue Einrichtung das Ausriicken der jüngeren Forst- beamten hemme, so sei doch gerade in den letzten Jahren das Avancement ein gutes gewesen, und werde die Negierung auch in Zukunft bemüht sein, durch Ausbesserung der Gehalte eine Aus gleichung zn schassen. — Nachdem »och einige Abgeordnete iin Interesse der jüngeren Forstbeamlcn Las Wort ergriffen und der Staat-ratb von Butler hervorgchobcn hatte, daß die neuere Forst- vrgamsalivtt auch einer besseren Verwaltung der Geincindesorsten günslig sei, da sie die Gemeinden nöthigen werde, besondere Forst- beamte anznslkllcn, wurde die Negicrungsvorlage genehmigt. Auf die Interpellation des Abg. Schüler-Meiningen betreffs Ruhe- gehalwberechtigmig der städtischen Beamten und Diener erklärte der Claawrnlh v. Vuller, daß die Herzog!. Staatsregierung die Frage, ob de» städtischen Beamten und Diener» Nuhegehait z» gewähren sei, für eine dringliche halte, sie werde einen Gesetzentwurf hierüber, wahrscheinlich zugleich mit einem Gemeindegesttzentwurf, demnächst dem Landtage vorlegen. — Nachdem noch ein geforderter Zuschuß für die Volksschule von ll 500 -/ü für Unterstützung von Lehrern in Krankheitsfälle», sowie eine Vorlage, nach welcher die Ausseher des Zuchthauses zu Maßfeld während Ausübung des Nachtdienstes mit geladenen Revolvern bewaffnet werde» sollen, genehmigt worden war, wurde der Landtag durch höchstes Nescript vertagt. * lieber den Gegenstand de» »ach Jahrhunderte langer Dauer jetzt endlich entschiedenen Rechtsstreites zwischen der freien Hansestadt Lübeck und Mecklenburg dringen die „Mecklenburgischen Nachrichten- folgende interefsantc Einzel heiten : Auf der Insel „Ploenswerder" im Daffower Binnensee lag in alter Vorzeit das berüchtigte lind gefürchtete „Raub schloß Dassow", dessen Inhaber der Schrecken der Handeltreibenden aus der lübeck-wismarschen Landstraße waren. Ten verbündeten Lübecker und meckleiibnrgiscken Kämpfern gelang eS im Jahre 1201 das alte Naubschloß zn zerstören, der Hauptmann desselben, Nilter Sckeele von Nnnneiidors, wurde gehängt. AIS aber in den nachfolgenden Zeiten die erst jetzt durch Schiedsspruch des Neichsgerichis beendeten Streitigkeiten über die Landeshoheit ans diesem Gewässer entstanden und sich verschärften, sollte dieselbe Insel für beide Parteien Bedeulung gewinnen. Die Lübecker betrachteten den Werder als ihr Eigcn- thum und haben seit langen Jahren die Nachmahd desselben an zivei Dassower Ackerbürger verpachtet. Diese beiden Bürger zahlten nur eine ganz geringe Pacht, hatten aber von de» Zeiten ihrer » Voreltern her die Verpflichtung, die Schlutupcr und Gothmunder Fischer auf ihren Gehüsten anszunehinen, wenn dieselben im Monat Mai in festlichem Schmuck und mit Musik mit ihren Kähnen bet Dassow landeten. Tics Fest hatte die Bedeutung, daß jene Fischer gegen eine ihnen vom Lübecker Senat gezahlte Vergütung die Vor- inahd aus dem sogenannten Ploenswerder abmähen sollten, um durch solche symbolische Handlung da» Lübecker Hvheitörecht am Dassower Binnensee z»m Ausdruck zu bringen. Allein die Bor mahd jenes Werders war, wenn die Lübecker Fischer kamen, fast regelmäßig schon von Daffower Einwohnern in Anspruch genommen, da man der Stadt Lübeck jenes Hoheitsrecht bestritt. So mußten denn beim Bollenfest die von Lübeck her ansahrenden Fischer sich begnügen, ein Minimum Gras auf jener Insel zu mühen und dann »och ein Stück Weges unter der Dassower Brücke durch die Stcpcnitz entlang »ach Lütgenhof zu fahren. Dort wurde Kehrt gemacht, bei der Brücke ans Land gestiegen und mit Musik und wehenden Fahnen durch den Ort gezogen, wo vor dem Polizeigcbände ein siegesbewußtes Fabnenschwenkrn stattsand. Ein bis znm nächsten Morgen dauerndes Tanzsest in zwei Gasthäust-rn beschloß die Feier. Schon seit Jahrzehnten batten die Aussichten ans guten Verdienst die in früheren Zeiten selbstverständliche patrio tische Weigerung, die fremden unbeliebten Gäste aufzunehmen, überwunden. Jene beiden Baucrngehvste (Ploen »nd Klaten) haben schon lange nicht mehr die Lübecker Fischer beherbergt, nur noch den Lohn ihrer früheren Gastwilligkeit durch die Sßerbung der Nachmahd auf dem Ploenswerder genossen. Der Schiedsspruch des deutschcn Reichsgerichts, durch welchen der Stadt Lübeck die Oberhoheit über den Binnensee zngesprochcn ist, hat dieser aus dem Mittelalter stammenden symbolischen Handlung ein Ende gemacht. Dieser Tage waren Depulirte des Lübecker Senats in Dassow, um nun den allen historischen „Ploenswerder" mit Vormahd und Nachmahd gegen klingende Münze zu verpachten. * Die gestrige NeichStagSwahl in Würzburg zum Ersatz für den verstorbenen, dem Ecntrum angehorigcn vr. Stöhr bat wieder ru einem Sieg des CentrumS, gleich im ersten Mahlgang, geführt. Der ischlächtermcister Nccker- mann, der als würdigster Bertretcr dieser Universitätsstadt auSerseben worden, erhielt 5755, der Socialdcmokrat Sagitz 2792, der Demokrat Kröder 1605 und der dentschsreisinnige Voigt 1157 Stimmen. Bei der Wahl im Februar hatte vr. Stöhr 6107, der socialdemokratiscke Eandidat 4615 und der demokratische 2542 Stimmen erhalten, in der Stichwahl siegte der ultramvntane Candidat mit 7930 gegen 6720 soclaldrmokratische Stimmen. ES hat sonach bei allen Parteien ein Rückgang der Stimmen stattgesunden, am stärksten aber bei den Socialdcmokratcn (von 4615 aus 2792). Allgemeine Schlußfolgerungen darf man aber au» solchen ver einzelten Stichwahlen nicht ziehen. * Ueber die sibirischen Eisenbahnen wird der „Politischen Correspondenz" au- St. Petersburg ge schrieben : i In der russischen Geschäfts- und Eisenbahnwelt erwartet man mit Ungeduld die Entscheidung, weiche betreff» der sibirischen Eisen bahn durch die im Finanzministerium zu dem Zwecke eingesetzte Special-Commission getroffen werden wird, um die Höhe der Summen zu bestimmen, welche im Jahre 1891 zur Aussübning der ersten Arbeiten auf dieser Eisenbahnlinie angewiesen werden sollen. Diese Loauoissioa wird auch di« »och sehr streitige Frag« entscheid«», od
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