Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.09.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189009033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900903
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900903
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-09
- Tag1890-09-03
- Monat1890-09
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.09.1890
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
H n- »n y DU W LtiMl TWM «»> A«Ml Ar. M. MMch dm 3. Äplmdtl 18R ea «st !U- lt- nd »e vr icht 14. ,on an 19. hilft r» )en. nte, oer- chen iür- D>. nS. xut lU«- r». il: ition > per ndtr, a Gest. o»e irrn» llung. jalt-« r, erin, >a«n- flehalt esucht. ler. che «n anche >ug. Rung. .63» I«r, oelchcS ünscht. kittagS atze 4. isaren- ellung. Hl«. wbrtcn. t wird ten-Ce- ltd nnt. «, ndzl .ch« ich m-Ve- chriften anA-. V»tz in. die erst, »den. ß. findet nv« und ! Photo« Ichen an tr. 14, l- Wir müssen eine Gesellschaft geben. Novelkett« von B. Herwt. NachdrMk »erdeteil. .Siehst Du, Männchen, der Frühling kommt uns richtig wieder über den Hal«; ehe man sich dessen versieht, ist die Saisoo vorüber und wir befinden uns abermals im Nach trab, eS hilft nicht». Lieber, wir müssen unS beeilen, wir müssen noch eine Gesellschaft geben." Der Ober-RegierungSrath, der die Heilung laS, verzog das Gesicht, als habe er einen heftigen, körperlichen Schmerz zu verbeißen. .DaS seh' ich nicht ein, Frau", antwortete er nach einer kleine« Pause, nachdem die Gattin schon auf die Wirkung der Explosion vergeblich gewartet hatte. .Natürlich, wie wirst Du denn das rinsehen?" warf sie in gereutem Tone ein, „habe ichS Dir nicht gleich gesagt, Sophiechen, der Batcr wird rebclliren, ja, ich kenne das schon, aber diesmal, mein Herr Gemahl, kommen Sic mir so leichten Kaufes nicht davon." .Nennst Du da» vielleicht Rebellion, Frauchen, wenn ich hier ganz still bei der Zeitung und der Cigarre sitzen bleib« und Dir ruhig meinen Zweifel an der Nothwcndig- kcil Deiner Ideen ausspreche? Du kannst doch »icht ver langen, daß ich mit freudigem Enthusiasmus ausspringe und Dir um den Hals falle, weil Du plötzlich die herrliche Idee bekommen." .Plötzlich?" meinte die Räthin ironisch. Die Frau hatte ein großartiges Talent, au- den Wider reden ihrer Umgebung sich gerade das Wort herauSzusuchen, daS ihr am passendsten zur Wetterführung der Unterhaltung und zur Motiv,rung ihrer Wünsche erschien. „Plötzlich, sagst Du? Seit zwei Jahren mindestens be gehen wir drese grenzenlose Unterlassungssünde, die unS, das kannst Du mir glauben, gerade in de» Skreisen, denen wir doch mal Gottlob angehören, ganz gewaltig angcrcchnet werden wird. Nicht umsonst habe ich neulich bei ÄppcllationSgcrichtS- rathS mit de», alten Junggesellen, dem mürrischen Oberst IunghaS, zu Tisch gesessen, während sie mir sonst immer eine Capacität gaben, eine» der Liebenswürdigsten. Nicht ohne Grund haben Geheimraths jetzt unsere Sophie bei der Auf forderung zu der Quadrille übergangen, die beim Polter abend ihrer Ella getanzt werden soll. Natürlich, die Leute haben keine Verpflichtungen uns gegenüber, wir sind inzwischen zwei Mal eingeladcn. Daß wir nicht gegangen, ist nicht ihre Schuld." .Aber Mamachen", fiel Sophie, die einzige bildhübsche Tochter des Ehepaare», bescheiden ein, „ich bin ja gar nicht so sehr befreundet mit Ella von Fabcrn, daß ich Ansprüche machen könnte, mitrulanzcn." .DaS verstehst Du nicht, Kind, so etwa» liegt im Ge fühl, das Brautpaar haben wir auch noch nicht ausgenommen, vor SuperintendeutS schäme ich mir die Auge» auö dem Kopf, kurz und gut, wir müssen absolut noch eine Gesell schaft geben." „Aber die Damen waren doch neulich erst zu dem ge waltigen Kaffee bei Dir, Rickchcn", erlaubte sich der Gatte zu bemerken. „Neulich? Du irrst, lieber Waldemar, das war am An fang des Winters, inzwischen liegen die Einladungen stoßweise rn der Schaale." „Alle», nur Abfütterungen, die auch recht gut hätten unter bleiben können, ich kann Dir sagen, Frauchen, da ist Mancher darunter, der mit Ach und Web an die Gesellschaften denkt, an diese gräßlichen, gesellschaftlichen Ucbclstände, die sich so eingenistet haben, und die oft Wohlstand und Behaglichkeit untergraben. — Kann man den» nicht einmal freundschaft lich zu einander kommen, zu einem GlaS Bier oder einer Tasse Thce, zum Plauderstündchen oder Musicircn? .. Gott bewahre! das ist Alles aus den Fugen gegangen bei diesen modernen Abfütterungen." Sophiechen sah den Vater ganz erstaunt an, eine so lauge Rede hatte er lange nicht gehalten. N starken Hügcn seinen Verdruß aus Nun passte er in doppelt .Abfütterungen oder nicht", bcharrte die Hausfrau bei ihrer Meinung, „man muß doch seinen Gästen etwas An ständiges zu essen geben. Mit Heringssalat und Butter- brodcn lassen sich Prasidentö nicht abspccsen." „Sage mal, Rickchcn", begann der Rath mit einem neuen Anlauf, „sage mal, glaubst Du denn, daß sich die Menschen so nach den Gesellschaften reißen? Hast Du mir nicht neulich erst selbst gestanden, als wir bei Majors drüben waren, wie langweilig eS war, und wie Du Dich ge ärgert hast?" „Ja, Männchen, daS ist ganz richtig, man langweilt sich fürchterlich, man kommt müde, geärgert, mit begossenen Klei dern nach Hau», aber man lebt mit der Welt, und kurz und gut, anSschließcn und blamiren dürfen wir unS nicht, — wir müssen eine Gesellschaft geben." „Da liegt eben der Hase im Pfeffer", brummte der Rath, „eS will Niemand mit dem „Vcrnünfligwcrdcn" ansangeu." „Und noch eins, lieber Mann, was zu bedenken ist", fuhr die Frau unerbittlich fort, dabei aus die Tochter blickend, die mit ihrer Malerei am Fenster saß und kleine reizende Gruppen auf seidene Dcckchcn malte. „Ach, Sophiechen", unterbrach sich die Mutter, „bitte, geh' doch und hole mir ein GlaS Sodawasser, mir ist so warm geworden." Sophie verstand den Wink, spritzte den Pinsel aus und verschwand lächelnd. „Siehst Du, guter Mann" — Frau Riekchcn war auf gestanden und legte dem Aushorchenden die fleischige, hübsche Hand auf die Achsel — „ich wollte schon längst mit Dir reden, man muß doch an das Kind, an die Zukunft denken Es ist nicht klug von unS, wenn wir unS so zurückzich man braucht ja nicht offenes Haus für junge Leute zu haben, aber die Menschen müssen doch sehen, daß man seinen fttnen Umgang hat, daß man etwas auf sich hält. Die Motten fliegen ins Licht, daS ist ein wahre- Wort, na und wer bei unserer Sophie anfliegt und sich die Flügel versengt an de» braunen, glänzenden Augen, der macht ein Glück, daS sage ich als Mutter." „Sag' mal, Frau, haben wir unS denn auch auf einem so großen Trara kennen gelernt, bin ich auch solche Motte gewesen, oder hat eine gewisse Friederike runde acht Jahre auf de» arme» Candidaten gewartet, länger noch als Rahel auf Jacob? Hätten Deine Eltern auch solche Gesellschaften geben müssen, um ihre vier Töchter anzubringen?" „Ach nein, Männchen, das hätten sic wohl nicht gekonnt . sagte die Räthin und küßte liebevoll die stark nach hinten verlängerte Stirn des Gatten. „Aber wir können eS doch Gottlob, wenn wir auch gerade nicht reich sind." „Es kostet immer ein paar Hundert Thaler", wandte der Hausherr ein, „denke nur, welche Annehmlichkeiten wir uns im Sommer dafür schaffen könnten." „Ein paar Hundert Thaler", fuhr die Frau gekränkt auf, „wie Du so etwas nur sagen kannst, da unterschätzest Du Deine'Frau doch gewaltig, ich erkläre Dir, daß ich eS mit so viel hundert Mark brillant Herrichten will." „Na, dann wollen wir doch 'mal eine Liste machen", er widerte der Rath refignirt und nahm die silberne Bleifeder an- der Westentasche. „Hier, liebe Mama, ist das Sodawasser", sagte » »tretende Sophie und reichte schelmisch lächelnd der Akutter das GlaS. Dann malte sie fleißig weiter an den kleinen Engelein DaS eine hatte Flügel am Rücken und in den Händchen einen Bogen mit dem Pfeil.' DaS war Amor, wie er leibte und lebte. Sir hatte sich daS hübsche Motiv selbst auS- gedacht, der Götterknabe kam gerade vom blauen Himmel geflogen, und unter dem Dlumengebllsch, da stand ein junges, liebendes Paar und schaute einander iuS Auge. „Ella von Fabrrn wird sich gewiß mit den Deckchen freuen", dachte sie bei sich. Der junge Mann war ihr wirklich gut gelungen, mit dem blonden Bärtchen und den blauen Augen hatte er merkwürdigerweise sogar etwa« Aehnlichkeit mit ihm .... mit . . . mit dem Provisor Ernst Albrecht. Der Rath hatte einen Briefbogen genommen und schrieb, it RegierungsprLsidentS Halle eö angefangen, darauf kamen )erstaatSanwaltS fünf Personen, „MazorS" auS dem Hause ißlen da» hohe Militair vertreten, an einigen Ofsicieren chlte eS natürlich nicht. Referendare waren in Hülle und Alle, aber nur die nöthigsten wurden herauSgesucht. Alle einzuladen, wäre eben unmöglich gewesen. „Da ist auch die Karte von dem jungen Albrecht, dem Apotheker", sagte der Ratk. Sophiechen horchte hoch auf. .Es geht nicht mehr, lieber Mann, eS wird zu viel." Sie warf die Karte in den Kasten der Zurückgewiesenen. „ES ist sogar rin netter Mensch", meinte sie bedauernd, und War immer sehr höflich zu Sophiechen, auf dem Ei» und auf Bällen, er sieht aus wie ein Attachü" „Und ist überdies noch ein entfernter Verwandter von u»S, den unS die gute, alte Tante Malchen, dereu Großneffe er ist, sehr warm empfohlen hat." Na, vielleicht sagen Einige ab, daß wir'» un» dann noch überlegen können", entschied die Frau vom Pause. Sophie unterdrückte nur schwer die Thranen. WaS machte sie sich aus der ganzen Gesellschaft, wenn er nicht dabei war, er, der Beste, der Hübscheste, der Liebens würdigste, der ihr so gut war, und dem ihr junges Herz längst gehörte. Abends wurde wenig über daS GcsellschaftSthema ge brochen. ES war nun abgemachte Sache, aber dir Räthin wußte, daß ihr „guter Mann" eS nicht liebte, lange vorher viel von einer Sache zu reden. Sie entwarf mit Bleistift nach berühmten Mustern die Einladungskarten, sie suchte unter alten Recepten nach einem Pnnschcröme, von dem sie einmal so entzückt gewesen, und sie schrieb in immer neuen Variationen daS Menu auf, daS einfach und doch nobel ein sollte. „So selten, wie wir eine Gesellschaft geben", sagte sie mit Nachdruck, „müssen wir eben doppelt aufmerksam sein." ES klang nicht ganz logisch, aber ihr Waldemar wollte nicht weiter mäkeln. Im Ucbrigen befand sie sich in so guter Zaune, daß Sopbicchen wohl Lust verspürte, noch ein ernstes Wort zu Ernst Albrecht'ö Gunsten zu reden. Spat erst gehen sie zur Ruh. Mit aller ihr zu Gebote stehenden Energie beschließt sie chon im Halbschlaf, diesmal doch die beste Kochsrau zu nehmen und entschieden noch Champignon» mit Rührei iuS Menu cinzuschieben. Sie ißt eS zwar nicht und Viele mit ibr gewiß auch nicht; aber cö ist etwa- sehr Feine- und die Eier sind überdies jetzt täglich seltener . . . Bei einem Ucber- der Kosten der Gesellschaft schläft sie rin er Gatte schnarcht längst. Auch Sophiechen liegt noch lange mit offenen Augen und zefaltetcn Händen in ihrem blüthenweißen Bett. Nicht um- 'o zierlich skizzirt hat, — eS ist lebendig geworden; eS ist licht mehr Ella von Fabern und Verlobter, nein, sie ist eS, ic selbst, Sophie Bertram, de» OberrcgierungSraths Tochter, und sie liegt, ganz ohne mütterliche Erlaubniß, in ihre» ge liebten Ernst Albrccht's Armen. Er erzählt ihr von seinen Zukunftshoffnungen, von der Güte der alten Tante, deren Liebling er sei, und daß noch Alles gut werden müsse. In dieser Hoffnung fallen ihr endlich die müden, braunen Augen zu und bald ist bei OberregierungSrathS tu' ' ' Stille. An, andern Vormittag, eS war ein Sonntag, ging der Herr Rath auS, die Karten zu bestellen und sich die Musik gi sicher». Dann wollte er den Wein und die Cigarren aufen; alles Uebrige hatte Frau Riekchcn auf ihre übrigens recht breiten Schultern genommen. Als der Mann fort ist, huscht sie hinüber zur Frau Majorin, denn eS hat ibr schon gestern den ganzen Abend daS Herz abgcdrückt, der Nachbarin nicht sofort Mitthcilung von ihren Absichten machen zu können. Nach den üblichen Wetterbeobachtungen bittet sie denn auch die überraschte Majorin, „sich zum künftigen Donnerstage ja nicht zu ver sagen, da sie einen kleinen Kreis sehr lieber Freunde um sich sehen wollen." „Wollen Sie sich wirklich noch in dieser Saison die Last machen?" fragt die erschreckte Frau, die im Stillen darüber nachdcnkt, ob denn das Dunkclkornblauseidene wirklich noch einmal aufgearbcitct werden kann. „Meine beste Majorin", antwortet die Räthin vornehm, „bkoblesso oblige, das wissen Sie ja, wir haben ohnehin schon sehr gezögert, weil in unscrm Kreise so sehr viel Leben war, aber mein guter Mann wünscht durchaus, eS nicht langer auszuschieben, und ich bin natürlich gern dabei!" Die Äajorin bat sich noch gerade zur Zeit der rothen Mohnblumen erinnert, die sie zu Weihnachten bekommen und mit denen sie diesmal die Robe schmücken will, — sie ist nun weit mehr bei der Sache und bittet die verehrte Nachbarin, zum Fest ganz über sie und ihre Wirthschrft zu verfügen. Die Räthin mustert die wackligen Stühle: die braunaelben Petroleumlampen mit den Fettflecken auf den Glocken flößen ihr wenig Vertrauen ein. So sind »un die Präliminarien eröffnet. Mit Sophie wurde am Nachmittag „daS junge Volk" »och einmal gründlich durchgenommen, erst die Freundinnen, die stark zusammcn- gestrichcn wurden, dann die unverheirrtheten Herren. DaS war eine wichtige Stunde. „Wozu den Baumcistcr, Mama? Der ist langweilig und macht sich nichts auS dem Tanzen." „Laß ihn nur, Ficchcn, cs ist ein sehr gediegener Mensch und — übrigen», das verstehst D» nicht." „Ebenso würde ich den jungen Rechtsanwalt streichen." „Kind, bist Du kurzsichtig! Ein prächtiger, junger Mann, grade einer von denen . . ." „Ja, Mamachen, gewiß hast Du Recht, er ist sehr nett, aber dann mußt Du auch seine Braut einladen." „Seine Braut? Ja, seit wann ist er denn verlobt?" ries die Mutter erschreckt. „Ach, ich hätte eS eigentlich nicht sagen sollen." Sophie wurde blutroth. „Es ist noch ein Geheimnis bitte, liebe Mama, spricht nicht darüber, aber er ist ja mit Ernsten» ... ich wollte sagen, mit Herrn Albrecht'- S verlobt." „So so", machte die Räthin und zog einen dicken Strich durch den Rechtsanwalt. Lieutenant von Roscner von den Kürassieren, der Sophie chen auf dem letzten WohlthätigkeitSbazar ein Gläschen unechten Chartreuse für 10 ^ adgekaufl und dann Visite gemacht hatte, blieb natürlich stehen, ebenso der junge Doetor Lederer, der gute Aussicht auf die Stelle am Krankenhause hatte. ^ „Goldene Mama, wie ist'» mit Herrn Albrecht", wagte Sophie noch einmal zu bitten, „vielleicht für den Rechts anwalt, den Du gestrichen, . . . bitte, nimm doch den Provisor.» „Sophiechen, Sophiechen, an dem scheint Dir viel zu liegen. DaS ist eine aussichtslose Sache, — den schlag Dir aus dem Sinn. Wirst Dich auch ohne ikn amüsiren", ägte sie beruhigend und strich dem Töchterchen die Zöckchen glatt. Sophie wendete sich ab, damit die Mutter die dummen Thräncn nicht sehen sollte. Die neue Woche, die daS große Ereigniß brachte, fing ehr bewegt an. Beim Thee entwickelte Frau Räthin ihren ganzen Feldzugsplan. „Wirst Du viel auSräumen, Riekchen?" fragte der Gatte bescheiden. „Gott bewahre, nein, nur die drei Lorderzimmer. Deine Schlafstube bleibt unberührt, ich werde Dich doch nicht um Deine Bequemlichkeit bringen." Der gute Man» dankte gerührt mit Wort und Hand. Dann kamen die Einladungskarten vom Lithographen. „Herr und Frau OberregierungSrath Bertram geben sich die Ehre re. re." Es machte sich sehr gut. Ein Schreioer auS dem Bureau sollte sogleich die Adressen chrciben. Darauf kam dir Post für den Herrn Rath. Ein 'eingeschriebener Brief mit schwarzem Trauerrande »efand sich dabei. Der Rath öffnete ihn hastig und ließ alsbald die Hand mit dem Schreiben auf den Tisch fallen. „Riekchen", rief er, „denke nur, die alte, gute Tante Malchen ist todt, ganz plötzlich im 78. Lebensjahre gestorben. Ihr Sachwalter thcilt es mir mit, auch daß sie im Testa mente meiner gedacht habe. Am Donnerstag wird die Be erdigung sein, da muß ich unbedingt hinfahrcn." „Nächsten Donnerstag", rief Frau Riekchen und fiel aus allen Himmeln. Sie war gewiß nicht herzlos, die Frau Räthin, aber sie satte die alte reiche Tante nie gekannt, sondern nur immer von ihren Wunderlichkeiten gehört, und nun mußte sic ihr noch so ungelegen sterben! Sie weinte fast vor Aerger über diese Rücksichtslosigkeit. „Riekchcn", rief der Rath plötzlich ganz glückselig, „da können wir ja unsere Gesellschaft nicht geben, daS thut mir aber wirklich" — setzte er ein wenig heuchlerisch hinzu — „entsetzlich leid." Ein heftiges Klingeln an der Thür unterbrach die Scene. Der junge Apotheker Ernst Albrecht wurde gemeldet und äst gleichzeitig stürzte er voller Erregung ins Zimmer. „Verzeihen Sie, meine Hochverehrten", begann er, „aber meine Aufregung, mein Schreck, meine Freude ich kann noch gar keinen ruhigen Gedanken fassen, Sie wissen doch Wohl schon ... die gute, alte Tante, — ich, ich bin ihr Universalerbe ... ach, mein Glück ist ohne Maßen, nun kann ich mir die Schwancnapolheke kaufen, ... nun kann ich um das Mädchen freien, das ich liebe, ach, Herr Rath, ach, gnädige Frau ... Sie wissen ja nicht, wie glücklich Sie mich machen können, ... aber Sic sehen so verstört auS ... ent- chuldigcn Sie nur mein eiliges Kommen ..." „Ja, der plötzliche Heimgang dieser edlen Dame . . ." Der Rath bemühte sich bei diesen Worten, eine sehr betrübte Haltung anznnehmen. „Und denken Sie nur, Herr Albrecht", fiel die Rätbin ein, „eben waren wir in, Begriff . . . wir hatten den Plan zu einer großen Gesellschaft entworfen, zu der wir unS auch natürlich die Ehre geben wollten, Sie einzuladcn...." „So liegt im Unglück schon der Keim des Guten", rccitirte der Rath, und leise brachte er ein Dankopscr der braven Frau, die eS noch im Tode gut mit ihm ge meint hatte. „Aber mit mir ist eS noch besser", rief der junge Mann. „Darf ich denn nun sagen, wie eS mir umS Herz ist, wie ick Ihre Tochter liebe, seitdem ich sie zum ersten Male zesehen, und wie sie mich wieder liebt, nicht wahr, meine üße Sophie?" „Ach, Mama weiß eS ja", sagte Sophie unter Thränen und barg daS Köpfchen in den Händen. „Aber jetzt, Kinder, in der Trauerstimmung, da» geht doch nicht", erinnerte der Vater. „Nur heimlich, hochverehrter Herr Rath, ganz heimlich", bat der junge Mann, „jetzt geben wir der guten, alten Tante die letzte Ehre, nicht wahr? und dann, wenn wir wieder kommen . . ." „Dann müssen wir unsere Gesellschaft geben", rief eifrig die glückliche Schwicgermama, die sich mit einem Male aus dem Gipfel ihrer Hoffnungen sah. „Nein, Frauchen", entschied der Hausherr, „damit warten wir noch eine gute Weile, bis zum nächsten Herbste etwa, — dann geben wir, so Gott will, ein großes Fest, dann beißt es so: — gravitätisch stellte er sich hin — »Herr und Frau OberregierungSrath Bertram geben sich die Ehre. Sie zur Hochzeilsfeier ihrer Tochter Sophie mit dem Apotyckenbesitzer Herrn Ernst Albrecht ergebenst einzuladen." Na, Kinder, was sagt Ihr dazu? Da wissen wir doch wenigstens, wofür wir unsere Gesellschaft geben." Socilllpolitischcs. " Berlin, 2. September. Wenn in der Presse erwähnt wird, daß nicht nur der GeschästSkreis der Fabrikinspectoren er weitert, sondern auch die Zahl der JnspectivnSbezirke vermehrt werden soll, so ist letztere» die uothwendige Folge der elfteren Maß regel. Allein die Reform wird sich daraus nicht beschränken, sondern nimmt ein« zweistufige Organisation nach dem Muster der Medteinal« und Bauverwaltung in Aussicht. Im klebrigen schweben über die Einzelheiten die Erörterungen noch. Insulaner-Riege. * Leipzig, i. September. Lai Die Insulaner-Riege beging am gestrigen Tage eine Festlichkeit eianer Art. Ter mit der Riege in freundschaftlicher Perbindung stehende und gleiche Ziele verfolgende Münncr-Turn-Gesang - Verein zu Crimmitschau hatte diesen Tag zu einem Besuch« unserer Stadt und der Gesinnung-- genossen gewählt. Den Leitern der Riege war hierdurch die Ausgabe erwachsen, den Gästen die Schönheiten und Sehen-Würdigkeiten Leipzigs vorzusühren und den Beweis zu liefern, daß unsere Stadt nach jeder Richtung hin berechtigt ist, den stolzen Titel „Großstadt" zu führen. In welch glänzender Weise dies dem Turn- roch gelungen ist, mag au- nachfolgender kurzer Schilderung hcrvorgehen. Scho» in der frühen Morgenstunde hatten sich der Turnrath und eine Anzahl der Mitglieder der Riege aus dem Bayerischen Bahnhof zum Empfang und zur Begrüßung der um 7 Uhr 04 Min. rintreffenden Gäste aus Crimmitschau, die in einer Kovfzadl von «Nva 80 Personen erschienen, eingesunden. Die herzliche Begrüßung seitens des Turnrathes erwiderte» die Crimmitschaucr durch eine» harmonischen Gegcngruß. Ohne zu fragen, ob die Gäste nach der langen Fahrt einer Erfrischung bedürftig seien, dccretirtc der energische Leiter der Riege den sofortigen Beginn des Rnnd- gangs. DaS nächste Ziel war die prächtige Petrikirche, die einer eingehenden Besichtigung unterzogen wurde. Weiter wurdcn alSdann die Neubauten de« Reichsgerichts, der prächtigen Universität-.Bibliothek, der Kunstgewerbeschule, des ConservatortumS »nd dann da- Innere des neuen Concerthauses aus da- Eingehendste besichtigt. Für die Leipziger war er eine stolze Genugthuung, die anerkennenden Urtheilc der Gäste zu hören. Bon hier au- wandte man sich zu dem in der Wächtessttatze — km Bolk«munde „der neue Naschmarkt" genannt — gelegenen neuen Potizeigebäude, dann über den Könia-platz zu dem stattlichen Marktdallenban. Buch diese Gebäude riesen durch ihr« Dimensionen und Einrichtungen staunende Bewunderung hervor. Jetzt gelai die stattliche, über 100 Personen zählende Schaar in da- Panorama, wo nach einer kurzen Frühstückspause da- herrlich« Rundbild von Pergamon »nd dre nicht minder schönen Dioramen längere Zeit die Besiicher fesselten. Dem WeltcasS „Bauer" wurde rin kurzer Besuch gewidmet und von dem Balkon bei einem Glase „Pfungstädter" da« großstädtische Bild, da« unsere Promenade dort bietet, bewundert. Doch rustio« drstugte der Führer, denn eS hieß, da- von ihm ausaestelltr Programm durchzuführen. Der nächste Besuch galt dem Museum, von deßeu prächtigen Räumen und werthvollen Kunstschäprn sich die Gäste nur schwer zu trennen vermochten. E» folgte nun die Besichtigung de- MendebrunnenS, d«S Frische, des Rathhause« und oes Siege-denkmal«. Bom M au- ging eS durch die Strckner-Passage »och der Thomaskirche, deren Bau nur von außen besichtigt werden konnte. Der nah« ge legene „Thüringer Hof" wurde ebenfalls einer kurzen Besichtigung unterzogen, dann im Lorüdergchen die Loge „Minerva", di« „Bau- >i>tte , daS Kaufmännische LereinShauS und dl« Lrntrnlhall« be sichtigt. agere Zeit nahm die Besichtigung de- städtischen Aeurrwehr- depot» in Anspruch. In liebenswürdiger und zuvorkommendster Weis« übernahm hierHerrBranddirectorBanda» die Führung. Derselbe lichen Bewei-, daß vom Augenblicke der Feuermelduug bi« zum' rücke» eine- vollständigen LöschzugeS mit der großen RettnnwKetter nur 1'/, Minute Zeit erforderlich sind. Ritt herzlichem Danke ver abschiedeten sich die Besucher, um sich nun dem Zoologischen Garten uzuwendcn. Hier wurde eine länger« Ruhe- und Mittagspause ge- »alten, die zur Besichtigung der mannigfachen Lhierwelt und zur Stärkung de- Leibes benutzt wurde. Gegen 4 Uhr wurden die Be sucher durch da- Rosenlhal, Üintschy, Bonorand and daun bet der nenen Börse vorbei nach dem Kryslaklpalast geführt, wo »ine Beflchtignng der Säle, der Alberthuäc und der Dioramen stattsand. Bel der Rückkehr von hier wurden noch das Neue Theater, da» königliche Valais, die Ntcolalkirche und da- Innere der Thomakktrch« den Gästen gezeigt. Das Programm der Führung war hiernach völlig nach seiner Ausstellung durchgcführt worden. Die Besucher waren von den vielen Sehen-Würdigkeiten und Schönheiten Leipzigs im höchsten Grade entzückt und einmiithig in den Au-drücken des Lobe- und der Anerkennung. Wir müssen gestehen, daß wir dem ausgezeichneten führertalent de- Vorsitzenden der Riege ebenfalls bewundernde Aner- ennung zollen müssen, und dies um so mehr, als von seiner Sette mit einer staunenswerthen Geschicklichkeit etwaige Schattenseiten unserer Stadt vermieden wurden. Wo sich solche aber in den Weg drängten, wie z. B. die jetzt wasserte««, aber desto schlammvollere Vleiße, wußte Herr Reichert die Aufmerksamkeit der Gäste schnell auf etwas Anderes zu lenken. Dem genuß- und lehrreichen Rundgang folgt« am Abend ein FestcoinmcrS im neuhergerichteten Kaisersaale der Centralhalle. Etwa 300 Personen »ahmen an demselben theil. Der Verlauf d«S« eiben war durch die geistsprübenden Ansprachen und der gebotenen musikalischen und gesangliche» Darbietungen ein höchst besrievigender. Herr Reichert eröffne« den CommerS nach herzlicher Begrüßung der Gäste mit einer Ansprache, in welcher er unter Bezugnahme auf die am Tag« besichtigten Sehen-Würdigkeiten und Schönheiten der Stadt unseren Behörden und besonder» dem Stadtober. Haupte, Herrn Oberbürgermeister vr. Georgi, Dank und Anerkennung für La- Geschaffene au-sprach und dem Letzteren, der ein Wort, Leipzig zu einer gesunden und schönen Stadt zu ge- calten, wahr macht, ein dreifaches Hoch brachte, daS stürmischen Widerhall fand. Herr Crome-Schwtening brachte ein mit hober Begeisterung ausgenommen«- Hoch auf Kaiser Wilhelm und König Albert, während Herr 1>r. Wü»scher Fürst Bismarck als Begründer des Deutschen Reichs feierte und diesem ein Hoch brachte, ln da- die Festtheilnehmer stürmisch einstimmten. Eine fast rührende Stimm»»- bemächtigte sich der Festtheilnehmer, alS Herr Reichert in herz lichen Worten von unserem bekannten Maler Herrn Rudolph Kronau, der in diesen Tagen unsere Stadt verläßt, um »ach Amerika zu >ehcn, Abschied nahm „nd die besten Glückwünsche der Riege mit auf )e„ SYeg gab. Gleichzeitig wurden dem Scheidenden die Insignien der Riege in Gold und ein großes Gruppenbild der Mitglieder überreicht. Zur Hebung der Feststimmung trugen wesentlich bei die vorzüglichen GesangSvorträgc des Gesangverein- „Harmonie" und des Männcr-Turii-Gcsangvercins zu Crimmitschau, ebenso wie die ungemein ansprechenden Sologesänge de- Herrn Th. Salz- mann. Außerordentlich war aiich die Wirkung der nach Form und Inhalt recht wohlgelungenen Festlicder. ES soll nur noch hervorgehobc» werden, daß der Tag nLe der Abend sowohl für die Gäste wie die Gastgeber in höchst genußreicher und befriedigender Weise verlies und daß nicht nur die erste«», andern auch viele der Leipziger selbst die große Zahl SedenS- mürdtgkeiten und Schönheiten unserer Stadt keimen und würdigen lernten. vermischtes. „Das CommerS buch des deutschen Studenten", unter dieser Ueberschrift schreibt die „Social-Corrrspondenz": „Eine ganz hervorragende Schmutzwassersammlung, in dereu giftigem Dunst dieses und jenes edle goldene Lied zittert"; so nennt ein „alter, aber jung gebliebener Philister" in einer bei Andrea- Deichert in Erlangen jüngst erschienenen Schrift daS Lieder buch, welches die „Blüthe der deutschen Jugend, dt« Hoffnung der Zukunft" so Werth hält und so überaus fleißig benutzt. Das Urtheil erscheint auf den ersten Blick hart »nd ungerecht; aber wenn man da- ganze Büchlein durchlieft, die Proben näher bettachtet und de» BersasserS Bemerkungen erwägt, so ist eS doch nicht so unbillig. Selbst Derjenige, der die üblichen CommerSbücher sehr wohl kennt und auch liebt, wird bedenklich werden, wenn er die fünf Seiten lange Liste von Liedern prüft, die wegen irgend einer unsittlichen Eigenschajt nach unsereSBersassersAnsicht in ein deii tschesCommerSbuch nickt gehören. Da sind zunächst die Sauslicder. Wir sagen nicht- gegen dir Trink lieder, in denen der Wein oder daS Bier und fröhliche Gelage »er- ««licht werden; solche Verse der Genußsucht sind nicht gerade etwas dies, aber auch nicht- BöseS, wa- man überschäumendcn junge» Männern besonders verargen müßte. Aber daS Sause» bi- zum Erbrechen »nd die Betrunkenheit: sind da« Gegenstönd« für daS vielgepriesene „deutsche Lied?'' ,Ln die Kneipen laufen und sein Geld versaufen ist ein hoher, herrlicher Berus", so lesen wir im Commcrsbuch und weiter: Der Trunkene und sein stierer Blick, Sie sind gefürchtete Gäste, Es fliehen die Mädchen scheu zurück, Wenn er kommt vom nächtlichen Feste u. s. w. Und Wetter: „Wir haben genossen den Herbst, Getrunken, gespielet, «tanzt und gcbaudert, Und oft hieß eS sogar: Ei. et, Herr Bruder, u gerbst!" Ist das der deutsche Student, der sich so gern rühmt, und sollen wir ihn der „verrohten Arbeiterjugend" al- Ideal hin- stellen? Zweiten- gelangen wir zu den nnzuchtigen Liedern; wir wollen hier keine Proben millheilcn. müssen aber bervorheben, daß sie ungemein zahlreich sind, und daß sie oft nicht blo- „gemeine otcn" sind, sondern Lobpreisen ehrloser Handlungen. Auch andere nchrlichkeiten werden gelegentlich verherrlicht, z. B. daS Prellen Der jenigen, au- denen man vorher unter Flehen und Versprechen Geld und GeideSwerth hcrauSgelockt hat. Endlich seien hervorgehoben die nicht wenigen Lieder, welche va- alte und neue Testament und das Christen- thum überhaupt verspotten. Früher ergoß sich der derbe Witz de- Bolk-UedeS wohl auch über Piaffen, Mönche und Päpste; jetzt ist aber keine Gestalt der Bibel mehr davor sicher, selbst die Gleichnisse Christi, z. B. die Geschichte vom verlorenen Sohne, werden von dieser besoffenen Muse verhöhnt. Und die Studenten nennen sich doch Christen, und wenn sie nach wenigen Jahren einflußnick doch Christen, und wenn sie noch wenigen Jahren einflußreiche, »um TheU beherrschende Stellen in, Lande innehaben, so vertreten sie doch die christliche Kirche gern gegenüber den Freigeistern. Wie ist dann diese Verhöhnung des Heiligen zu erklären? Der Verfasser de» vor liegenden Heftchens deutet an, daß unsere findigen deutschen Social« demokraten im Commer-bnch der Studenten und derer, die e- gewesen sind, ein« vorzügliche Waffe finden können, um den gebildeten Classea böse Wahrheiten zu sagen. Wollen wir warten, bis uns diese auf den übelriechende» Morast Hinweisen, oder wollen wir ihn selbst beseitigen? Wie denken u. a. die deutschen Universttätslchrcr darüber? )( Dank ihren alten deutschen Colonien, die ihre Nationalität fast rein erhalten haben, germanisiren Stadt und Kreis Lodz, TomaSzow, Zyierz und andere durch den Zustrom »euer Einwanderer noch schneller und dauernder, als vielleicht der Bendiner Kreis. Hierbei darf nicht außer Acht gelassen werden, daß die Landbevölkerung ausländischer beinahe schon der zehnte Theil de» Grund und Bode»« im ganzen Gebiete gehört — 9,K4 Procent — in einzelnen Gegenden sogar mehr — im Lodz» Kresse 28^3 Proeent, im Czcnstochower Kresse 21,30 Proeent, im Bendiner Kreise 12,20 Proeent und im Sluzecer Kresse de« Gouvernement« Kalisch sogar 44,60 Proeent.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder