Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-09-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189009068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900906
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900906
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-09
- Tag1890-09-06
- Monat1890-09
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.09.1890
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
» U.»,« uslu. k' 1«.7llür L l-SSM» «78. lät.V eoxro »»t. »«». »NEU. 'TiHöIso 4 lkr >. 4 i. r. k. 4 i- rsr«rr»il. » s. ». b A ». »I.L II. 8. 8. " 6.P.I/U» 8- 8. 2. -A«r 1A8. 8. <1. L a. 8. 8. 8. 8. 8. t». v. 8. r. I'rlor. p« »U«SÜI>. t. n. ü^. r. tt-Nch h s»s, Uhr. Lrt«ti«l und Lrpkditiou Johanaesgasse 8. Sprechstunden -er Nrdarlion: LormtttogS 10—12 Uhr. Nachmittag« 0—6 Uhr. VE» K« Mi«,«»« ««»«8«««» »»ch« ßch «»«ahme »er für »te «Ichftfsl^nbe Nummer »efttmmte« Laterale a« W«chenta,ea bt» 8 llhr NachmMa,«. an Sauu-««» Keftta,e» früh bis'/,» Uhr. 3n den /ilüüen für 2l>f.-Lnnahmr: Ott« Klr»»'« G*rA«. (Alfreb Hah»), Universitütrstraß« 1, Laut« Losch«, Kathariuenstr. 14 pari, und KSulgSplatz7, nur bi« '/.S Uhr. NMM.TWMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- »nd Geschäftsverkehr. vierteljährlich «>/, Mk. tack. Bringerlohn 5 Mk., horch dt« Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Ps. Belegeremplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilage» (iu Tageblatt-,Format gefalzt. Ohne Posldesördernag 60 Mk. uül Postbeföcheruog 70 Mk. Snfernte Sgrspaltme Prtitzcile L0 Pf. Größe» Lchastrn laut uns. Prettverzeichniß. LabeNaatscher». Ztssernfas »ach höherm Tarif. Uec kamen »aber dem«evactioo«Krtch dt« «gepalt. 8^lea0Ps.,vordeaFamtltr»»achr«chte» die kaespaltrn« geile 40 Pf. AUmate sind stet« aa die ExPeditta» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben., Zahlung prummmenuuio oder durch Post» Nachnahme. 2^9. Sonnabend den 6. September 1890. 8t. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Erpedition ist morgen Sonntag, den 7. September, Bormittags nur bis Vs9 Uhr Lcvfsnet. Lxpeältivn äes I l'nxedlLtte». Bekanntmachung. Bon dem Unterzeichneten Armcnamte sollen im Stadt» !>ause allhier DteaStag, de« S. SepteMber «». Vormittags von 8 Uhr an eine Partie getragene Kleidungsstücke, Möbel, HanS- und Küchengerathe, Betten, einige Kistche« Cigarren, ein größerer Handwagen und dergl. mehr meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 4. September 1890. DaS Armeaamt. Hentschcl. Iunghähnel. Amtliche Bekamtmachungen. Bekanntmachung. Der officielle Anfang der diesjährigen MichaeliSmeffe fällt auf den 2S September und e< eudigt dieselbe mit dem 18. Oktober. Während dieser 3 Wochen können alle in« und auS- lffadischea Handelsleute, Fabrikanten und Gewerbtreibende ihre Maaren hier öffentlich feilbictcn. Doch kann der Großhandel in der bisher üblichen Weise bereits in der zum AuSpackcn bestimmte» Borwoche, vom 22. September an, betrieben werden. DaS AuSpacken der Maaren ist den Inhabern der Meß- locale in den Häusern ebenso wie den in Buden und ans Ständen feilhaltenden Berkaufern in der Woche vor der Böttcherwoche gestattet. Zum Einpaeken ist das Offrnhaltcn der Meßlocale iu den Häusern auch in der Woche nach der Aahlwoche erlaubt. Jede frühere Eröffnung, sowie jedes längere Offenbalten eines solchen Verkausslocals, ebenso das vorzeitige 4luS- paeken an den Ständen und in den Buden wird, außer der sofortigen Schließung, jedesmal, selbst bei der ersten Zuwiderhandlung, mit einer Geldstrafe bis zu 75 Mark oder entsprechender Haft geahndet werden. Auswärtigen Spediteuren ist von der hauptzollamtlichen Lösung deS Waarenverschluffcs an bis mit Ende der Woche f nach der Zahlwoche das Speditionsgeschäft hier gestattet. 1 Leipzig, den 12. August 1890. f Der Narb der Stabt Leipzig. 1 vr. Tröndlin. Hennig. Bekanntmachung. Die Meßbörse für die Lederindustrie in nächster MichaeliSmeffe wird Dienstag, den 2». September dsS. IS., Nachmittags von 2 biS L vhr, im Saale der „Neuen Börse" hier abgehalten werden. Leipzig, den 12. August 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Trö ndli n.Herwig. Wohuungs-Vermiethung. Im l. Stockwerk des Hintergebäudes deS der Stadt gemeinde Leipzig gehörigen HauSgrnndstücks UnivrrsitätSstraße Nr. 22 ist eine kleine Wohnung sofort oder drn 1. October dieses Jahres gegen vierteljährliche Kündigung anderweit zu vermiethrn. Miethgesuche werden auf dem Nachhause, I. Stockwerk, Zimmer Nr. 8, entgegengenommen. Leipzig, den 3. September 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. I». 6270.vr. Georgi.Pücker. Bekanntmachung. Am 22. August d. I. ist aus einem hiesigen GeschäftSrontor 1) et» von der Firma tzübbe-Schleiden iu Reuhausen b. München für die Firma Berth. Sigismund in Leipzig ausgestellter LH eck «»er SKI Mart 25 Pf«, auf die Bayerisch« Vereinsbank zu Müucheu, äe ä»to Reuhausen, 19. August 1890, und 2) ein mit der aufgedruckten Firma „Berth. Sigismund-Leipzig-Berlin 81V, Fabrtk»Papierlager" und dem Namen deS Bezogenen, nicht aber des Ausstellers oder eines etwaigen Accep tonten versehenes Wechsel- form»l«r ü»er 332 Mark lautend, auf welcher A Ausstellung», lag der 22. August u, e. und als Fälligkeitstag der "3. Septbr. d, I. angegeben sind, gestohlen worden. Indem wir vor Mißbrauch dieser Papiere warnen, ersuchen wir von etwaigen Wahrnehmungen, die zur Wiedererlangung derselben und zur Ermittelung des Diebe» führen könnten, unverzüglich unsere Criminalabtheilung — Naschmarkt Nr. 2, Erdgeschoß — tu «runtniß zu setzen. Leipzig, am 4. September 1890. Da» Polt,eiamt »er Stadt Leipzig. Brrtschurider. W Produtlenbörfe zu Leipzig. Die den Mitgliedern der ProductenbSrfe zustehend« Wahl »o« 3 Mitgliedern des SchätzuiigS-AuSschufie« für L8S« findet Dienstag, Vn« st. September ». A. unmittelbar nach Börfenschluß im BorstandSzimmer statt. Nähere ist aus dem Börsen-Rnschlag zu ersehen. Leipzig, 30. August 1890. Tie Abgeordneten der 2. «bthetlnng de» B-rfenvorftanbeS F. Schmidt. Georg Schroeder. LoutS Steinbrecht. Bleql, Börsensecretatr. Erledigte Biirgermeisterstelle. Die erledigte Stelle eines Bürgermeisters für hiesige Stadt soll möglichst sofort aus die Dauer von 6 Jahren mit -inem Juristen, welcher die in 8. 84 Abs. 2 der Revidirten Städteordnung zur An» nähme eines selbstständigen RichteramteS bez. zur Ausubuna der Advocatur vorgeschriebene Besähigung besitzen muß, neu besetzt werden. DaS Einkommen dieser Stelle beträgt einschließlich des Fixums für Verwaltung des Standesamtes, die Uebertraaung der letzteren auf den zu Wählenden vorausgesetzt, jährlich 4SvO », wobei be» werft wird, daß derselbe als Vorsitzender hiesiger Sparkasse eine Caution von 1000 .Sl za hinterlegen hat. Bewerber wollen ihre Gesuche nebst Zeugnissen und Lebenslau, sowie mit der Angabe, zu welcher Zeit spätesten- ihr Amtsantritt erfolgen kann, bis zum 2». September 18SS Lüüer LLlMlaen lLslen. Mmchmtstädt, de» Lb. August 1890. Der Staptraltz. I. v.: Nonniger. ZUM Andenken an Minister v. Lutz. Die Bedeutung des Ministers v. Lutz liegt in der Stellung, welche er dem Deutschen Reiche einerseits und der Kirche andererseits gegenüber einnahm. Er ist eS gewesen, welcher im vollen Verständniß der Zeitlage den ersten Anstoß dazu gegeben hat, daß in Bayern ein anderer Geist lebendig ge^ worden ist, daß man auch dort angefangen hat, sich von den lähmenden Fesseln einer Alles beherrschenden Geistlichkeit loS su machen. Er war cS, welcher den Mißbrauch der Kanzel zu politischen Agitationen in seiner ganzen Verderblichkeit erkannte und welcher die Zustimmung Bayerns zu dem Reichsgesetz über die Ausweisung der Jesuiten veranlagte. Es ist bekannt, welche Wirkung die Verkündigung des Unfehlbar» kcilsdogmas in Bayern hervorrief. Der StiftSprobst v. Döllinger stellte sich an die Spitze einer Bewegung, welche die Aufrechtcrhaltung der katholischen Dogmen in ihrer bisherigen Gestalt bezweckt. Die Anhänger dieser Richtung nannten sich Altkatbvtiken und den Boden für diese Bestrebungen bildete die Münchener Universität und die gebildeten Kreise der Münchener Bevölkerung. Anfangs chicn die Bewegung sich über ganz Bayern verbreiten zu wollen, aber bald erstanden der Kirche streitbare Vertheidiger, welche alle Hebel in Bewegung setzten, um den drohenden Sturm zu besckwören. In den vordersten Reihen kämpften die Bischöfe von Eichstätt und Regcnsdurg, v. Leonard und Senestrey, für das Unfehlbarkeitödogma und ihnen standen auS Laienkreisen kräftig zur Seite der Bibliothekar von liandShut Jörg und der Münchener Rechtsanwalt Freytag. Aber auch auf der Gegenseite waren redemächtige Kämpfer, vor allen Rechtsanwalt Völk und Professor Sepp. Weit hervorragend über die streitbaren Abgeordneten zeigte sich aber der Minister v. Lutz, welcher mit seiner zündenden Beredtsamkeit stets drn Nagel auf den Kopf traf und wenigstens den moralischen Sieg stets aus seiner Seite harte. Es wird uns unvergeßlich bleiben, mit welcher Energie und welcher Schlagfcrtigkeit er in den Jahren 1874 und 1875 drn Angriffen der sogenannten Patrioten auf seine Politik und seine Person in der bayerischen Kammer gegenüber trat, o daß er schließlich als Sieger auS dem schweren Kampfe bcrvorging und mit Genuglhuung fcststellen konnte, daß die Positionen des CultusbudgetS in der Hauptsache genehmigt worden waren. Damals hatten die Angriffe der Patrioten noch eine Nebenbedeutung, welche später in Wegfall gekommen ist, sie gelten indirect zugleich dem Deutschen Reiche »nd dem an der Spitze stehenden Preußen. Patrioten und Preußenfcinde waren in der öffentlichen Meinung gleichbedeutend, und der Redacteur des „Bayerischen Vaterland" I)r. Sigl sorgte durch tägliche Hetzartikel dafür, daß diese Auffassung die landläufige war und blieb. Die bayerischen Patrioten bildeten sich da mals noch ein, daß sie die Einheit des Reiches in Frage stellen könnten und daß es nur eines durchschlagenden parla mentarischen Erfolges bedürfe, um das Ministerium Lutz zu stürzen und ein ultramontanes Ministerium an dessen Sie ju setzen. DaS war die allgemein verbreitete Ansicht, aber re hatte zur Voraussetzung, daß Lutz seinen Gegnern nicht gewachsen sei. Darin haben sich die Patrioten allerdings gründlich getäuscht, denn die Reden des Ministers wirkten wie reinigende Gewitter, und von der öffentlichen Meinung -tragen und mit Beifall begrüßt, fand er die Kraft, alle «griffe siegreich abzuwchren. Fühlte doch Jörg eine Zeit lang daS Zeug in sich, als ReichStagSabgeordncler mit Bismarck in die Schranken zu treten und chm Lehren über die Handhabung der aus wärtigen Politik zu geben. DaS war die Frucht des Ueber- muths, an welchem die Vertreter der römisch-katholischen Kircke im politiscken Leben stets gelitten haben, wenn sie glaubten, daß ein Triumph der Kirche über den Staat zu erringen sei. Gegen die Umtriebe eines Jörg und seiner an'«» Sippe, den Pfarrer Rußwurm und den unfähigen 1. D. er, welche auf Seiten der Patrioten das große Wort führten, trat Lutz mit überlegener Sicherheit aus und kämpfte mit den Waffen des Geistes gegen Fanatismus und eitle Selbstüberschätzung. Lutz hatte das wirksamste Mittel zur Herbeiführung besserer Zustände in der Anstellung von Bischöfen gesunden, welche sich zu gemäßigten Grundsätzen be kennen und das Heil in der Versöhnung zwischen StaatS- und Kirchengewalt, nicht in der Herrschaft der Kirche über den Staat erblicken. In Bayern werden die Candidatrn für die erledigten Bischofsstühle nicht vom Domcapitcl in Vorschlag gebracht, wie in Preußen, dort ernennt der König den Bischof und der Papst bestätigt ibn. Gerade zu der Zeit, als ver Culturkampf am heftigste» tobte, wurde der Bischofssitz in Bamberg frei, welchen bisher ein streitbares Mitglied der Kirche innegchabt hatte. Die Hoffnung der Patrioten war darauf gerichtet, daß er einen gleichartigen Nachfolger erhalten werde, aber Lutz be- zeichnete als Inhaber de» Bamberger BischosstublS einen Mann von versöhnlicher Gesinnung, Schreiber, welcher seine Aufgabe bis vor Kurzein in der dankcnSwertheslcn Weise gelöst hat, indem er für den kirchlichen Frieden wirkte und ihn auch erzielt hat. Der gleiche ^all war eS mit dem bald darauf freigewordrncn Bischofssitz in Passau, auf welchen Luy Meckert berief, ebenso wie nach Würzburg den Bischof Stein. Dadurch wurde der so überaus verderblichen Thätigkcit der Hctzcapläne der Boden entzogen, und in der Kammer traten allmalig dir kirchenpclitischen Fragen mehr in den Hinter grund, bi« sie in den letzten Jahren wieder brennend ge worden find, weil die Herren Daller und Genossen davon Wind bekommen hatten, daß an maßgebendtr Stelle der AltkatholiciSmuS nicht mehr als zeitgemäß befunden werde. Als Lutz bereit» ein todtkranker Mann war, wurden die Altkatholiken vom Parlament al» besondere ReligionSaesell schast anerkannt, eine Anerkennung, welch« ihn sicherlich schwer betroffen hat und die da« Zugestandniß enthält, daß nur solche l Katholiken Anspruch auf Dwldung haben, welche da» Unsehl- darkeilSdogma zu den Lehren der katholischen Kirche rechnen. Man hat heule kaum noch Verständniß für diesen Unterschied, aber im Anfang der siebziger Jahre war er entscheidend, und die altkatholische Bewegung wurde für diejenige gehalten, welcher die Zukunft gehört. Die Zeiten haben sich geändert, die römische Curie hat Schritt für Schritt da- Terrain wiedergewonnen, welche» sie während de» CnlturkampfeS ver- oren hatte, aber der Lutz'sche Karuelparagraph und da- )erbot de« Jesuitenordens im Deutschen Reiche, zu dessen irlaß Lutz nicht unwesentlich mitgewirkt hat, bestehen eute noch. Die Katholikenversammluna in Koblenz hat Alle» auf- geboten, um die Rückkehr der Jesuiten in da» Deutsche Reich zu ermöglichen. Dieses Zugestandniß wird die RcichSregierung und daS Parlament aber nicht machen, ebenso wenig wie das der Ueberantwortung der Schule an die Kirche. Deutschland bat an Lutz einen gewaltigen Vorkämpfer für die unantast baren Rechte des Staat- gegenüber den Anmaßungen der Kirche verloren. Er hat in der Zeit deS Kampfe- die Fahne der Aufklärung und des Fortschritts auf geistigem Gebiete "och gehalten, er stand an einer sehr cxvonirlen Stelle und ,at sie mit Erfolg behauptet. Ehre sei seinem Andenken al» einem der einsichtsvollsten Anhänger de« deutschen EinheitS- gedankenS und der davon untrennbaren Rechte deS Staate» gegenüber der Kirche. * Leipzig, 6. September. * Uebereinstimmend wird gemeldet, daß KaiserWilhelm in ganz ausgezeichnetem Gesundheitszustände und bester Stim mung aus Rußland heimgekehrt ist. In militairischen Kreisen, in deren Mitte der Kaiser sich in Lötzen bewegte, wird die geradezu überraschende Widerstandskraft desielbeu gegen körperliche und geistige Anstrengungen hrrvorgehobeu. Der Kaiser ist beispielsweise in Lötzen über 24 Stunden in fort gesetzter Anspannung gewesen und dabei frischer geblieben als die allermeisten Herren seiner Umgebung. Auch den An- trengungen der setzt in Schleswig-Holstein stattfindenden ?and- und Seemanover ist der Kaiser vollkommen gewachsen und alle Berichte von dort heben daS Wohlbefinden Seiner Majestät hervor. * Ueber da- preußische Herrenhaus schreibt man den „Hamburger Nachrichten" aus Berlin: DaS preußische Herrenhaus ist heute entfernt nicht mehr eine gleichmäßige Vertretung der geistigen und wirthschaftlichen Potenzen des Staates. In ihm überwiegt der stammgesessene Meinadk! der alten preußischen Ostprovinzen in «inem wett über eine wirthschaftliche oder sociale Bedeutung htnansyeheuden Maße. Die Weslprovinzen, die neu erworbenen Landes,heile, weise» ein« ungleich geringere Vertretung auf; die Zahl der katholischen Herren, hausinitglieder ist vergleichsweise gering und Großhandel und Groß, induslric entbehren, abgesehen von der regelmäßig den Bürgermeistern zufallenden Vertretung der Großstädte, jeder eigenen Repräsentation. Das Recht der Krone, Mitglieder in das Herrenhaus au» besonderem Vertrauen zu berufen, hat diesen Fehler der Zusammensetzung einigermaßen gemildert, aber nicht entfernt ganz beseitigt. Gleich wohl wird dies der Regierung keinen Anlaß geben, die Reform des Herrenhauses in Angriff zu nehmen. Ein Fall freilich ist denkbar, in welchem trotzdem eine Reform deS Herrenhauses wahrscheinlich wäre. Wenn nämlich in dem Herrenhaus« eine grundsätzliche Oppo- iition gegen die Reformpläne der Negierung und der Volksvertretung sich entwickelte, so würde dies voraussichtlich daS Signal zu einer Reform dieses Gliedes der gesetzgebenden Gcivalt sein. Zwar bietet das Ernennungsrecht der Krone ein einfaches Mittel, eine tendenziöse Opposition der Pairskammer zu überwinden. Wie bereits erwähnt, ist davon auch gegenüber dem Widerstande aegrn die Kreisordnung in Form eines großen PairSschubs wirksam Gebrauch gemacht worden. Allein derselbe stellt doch einen überaus bedenklichen Nothbehelf dar und kann, ohne die Autorität eines der formell gleich berechtigten Factoren der Gesetzgebung gänzlich zu ruiniren, nicht öfter angewandt werden. Ls kommt hinzu, daß Regierung und Wahlkanimer, sofern sie grundsätzlich über den Resorinplan einig sind, sich eine planmäßige Opposition von einer so einseitig zusammen gesetzten und der geistigen und wirthschaftlichen Entwickelung des Lan deS so wenig mehr entsprechenden Körperschaft kaum würben bieten lasten, sondern daraus Anlaß nehmen müßten, durch eine Reform der Wiederkehr derartiger Zustände vorzubeugen. In dieser Hinsicht wird ein Zweifel schließlich kaum bestehen können. Aber vorerst liegt kein ausreichender Anlaß vor, an ein solches Verhalten des Herrenhauses zu glauben. An der Neigung, gegenüber de» Reform- Gesetzen zu frondiren, wird es allerdings sicher nicht fehlen. Aber iese Neigung erscheint meist nicht unüberwindlich. Tie preußische Regierung scheint wenigstens von dieser Ansicht geleitet zu sein. Daraus deutet die Berufung zweier Führer der confervativen Partei von staatSmännischem Blick und Verständniß für die Forderungen der Zeit, der Herren ö. Helldorsf-Bedra und des Reichstagspräsi deuten v. Levetzow, in- Herrenhaus. Man erwartet von ihrer Ein sicht und ihrer Autorität in der conscrvativen Partei augenscheinlich eine günstige Einwirkung auf die Mehrheit des Herrenhauses. Es kommt aber noch weiter hinzu, daß innerhalb des letzteren auch in den Kreisen Derjenigen, welche an sich der Reformgesctzgebung ab. geneigt sind, die Ueberzeugung obwaltet, daß eine planmäßige Oppo. sition nur zu leicht den Anstoß zu einer Reform des Herrenhauses und damit zugleich zu einer Schwächung der Stellung der hoch- conservativen Richtung in dem preußischen StaalsorganiSmuS führen müßte. Ohne Zweifel wird versucht werden, die Preisgabe einer grundsätzlichen Opposition zur Erreichung möglichst weitgehender Concessionen im Einzelnen zu verwrrthen. Aber man wird die Grenz« einzuhalten suchen, innerhalb deren man noch auf die Zu stimmung der Regierung hoffen darf. * Bei dem iu Temir-Chan^Schara am Ka-pischen Meer stehenden dayhtstanschen irregulairen Reiterregi ment sind nesige Unterschleife aufgedeckt worden. Es liegen Fälle vor, in welchen die Mannschaften über ein halbes Jahr nicht die volle oder gar keine Löhnung ausgezahlt er hielten; die Sotniencommandeure hielten sie zurück. Vor etlichen Monaten fand dort eine Besichtigung statt Bei solchen sind die Mannschaften verpflichtet, dem besichtigenden General zu melden, ob sie Forderungen haben; nur mit Mühe waren sie dazu zu bringen, den Bitten ihrer Vorgesetzten nachru- gcben und ihre gerechten Forderungen zu vrrbcimlichen. Der RegimentScommandeur Fürst T soll persönlich nicht an diesen Untcrschleisen betheiliat sein, desto mehr der frühere Cassenche i de« Regiment», ein Officier, der jetzt in Tifli» eine gute Stellung bekleidet. Ausfallend ist, daß gerade jetzt da« Regiment als besonder» GnadenbrweiS die Bilder des Kaisers und de» Großsürsten-Throufolger» erhalten bat. Wie übertrieben nach russischen Sitten derartige zarisch« Gnadenbeweise aufge »ommrn werben, zeigte sich auch in diesem Falle. Da« Regi ment stand iu Parade-Aufstellung, und als die Bilder herbei gebracht wurden, präsent,rlrn die Truppen. Dann fand rin Dankgottesdienst statt, den für die christlichen Ofsicrere und Mannschaften eia Pop«, für di« museluummscheo ein Mullah leitete. Diese übertriebene Huldigung ist mn so bemerkenS- werther, als da» Regiment in den Augen der russischen Militairverwaltuug so wenig zuverlässig ist, daß man sich bisher noch nicht hat dazu entschließen können, eS zu einem regnlären Cavallerie-Regünent in der Art der Kvsaken-Rcgi- meuter umzubilden. * Es wurde bereits darauf hiuaewiesen, daß der wirkliche Grund der Abwesenheit de» König» Humbert beim Stapellauf de» Panzerschiffs .Sardegna" in der würdelosen Haltung der Pariser Presse gefunden werden muß, die gegen die Absendung eine« französischen Geschwader« nach Spezia heftig ankämpfte. Durchaus verfehlt wäre edoch die Annahme, daß die Beziehungen der italienischen Regierung zur franrosischcn gespannt wären, vielmehr geschieht eS gerade mit Rücksicht auf die französische Regierung, wenn König Humbert die Reise nach Spezia unterläßt. Die Franzosen werden sich unter diesen Verhältnissen selbst nicht verhehlen können, wie taktlos da- Vorgehen derjenigen ist, die die Höflichkeit der italienischen Regierung bei Gelegenheit der Reise Carnot'S »ach Corsica mit Grobheit und Verleum dungen erwidern. DaS „Journal deS DSbatS" veröffentlicht denn auch folgende Note, durch welche die französische Regierung anscheinend vollständig „degagirt" werden soll: „Mehrere italienische Blätter, insbesondere die „Perseveranza" in Mailand, haben eine Nachricht gebracht und commeatirt, nach welcher die französische Regierung beschlossen hätte, die französische Flotte nicht zur Begrüßung deS Königs von Italien nach Spezia zu chicken. Sie folgern daraus, daß dieser Entschließung der franzö- ischen Regierung die vom Könige von Italien getroffene E»t- cheidung, dem Stapellaufe der „Sardegna" nicht beizuwohnen, nigeschrieben werden müßte. Diese Meldung ist durchaus unrichtig. Die französische Regierung hat nicht einen einzigen Augenblick ge- chwankt, das Mitteimeergeschwader nach den Gewässern von Spezia zu senden. Der Vertreter des König- von Italien in Paris hat aus diesem Anlasse eine Mittheilung unseres Ministers der aus wärtigen Angelegenheiten erhalten, aus Grund deren es unmöglich ist, die höflichen Absichten der französischen Regierung in Zweifel zu ziehen." Inzwischen gestaltet sich die Mythcnbildung in der Pariser Presse über diesen Zwischenfall immer phantastischer; so meldet die „Nationalreitung" aus Pari»: Die Nachricht, daß der König von Italien die Absicht auf- iegeben hat, sich anläßlich deS StapellauseS der „Sardegna" nach Spezia zu begeben, wird hier als ein Erelgniß von großer politischer Wichtigkeit behandelt. Die französische Regierung hatte die Absicht zu erkennen gegeben, eine Flotte zur Begrüßung des Königs »ach Spezia zu entsenden und trotzdem will König Humbert nicht hin kommen. DaS ist geradezu unerhört. Die Journale, welche die Entsendung der Flotte nach Spezia am heftigste» bekämpft haben, chrrien am meiste». Man sucht nach der Ursache der angeblichen Sinnesänderung de- Königs. Die Linen erklären dieselbe einfach dadurch, daß der Kaiser Wilhelm den König ersucht habe (?1, seine Reise anfzugebeu, um dadurch die französische Flolten-Demoiistralion zu verhinvern, die Anderen versichern: der König komme deshalb nicht, weil er erfahren habe, daß „die Italiener" geplant halten, in Spezia eine kolossale Manifestation zu Gunsten der französischen Flotte (?), d. h. zu Gunsten Frankreichs, d. h. gegen die Tripel» Illiai» zu organisireu (?). * Sowohl die liberale „Daily News" wie der conservative „Standard" erörtern bei Gelegenheit der Reise des Kaisers nach Kiel in Leitartikeln die Lage Europas. „Daily News" bejammert dabei drn nimmer endenden Wettstreit der Nationen, einander im Bau von Kriegsschiffen zu überbicten. „Der Kaiser kann die Armee nur verbessern; die Flotte kann er zusagcn gründen, und darum Wohl wendet er ibr soviel ufmerksamkeit zu." Der „Standard" vergleicht die Lage vor der Schlacht von Sedan mit der heutigen. Sedan, entwickelt er, rief das Kaiserreich in- Leben, welches jetzt der Angelpunkt ist, um welchen sick die europäische Politik dreht. So lange wie der Franzose seine Rachegelüste nicht vergessen kann und Rußland seine Armee jährlich vergrößert, ist der politische Horizont nimmer wolkenlos. Heute blicken wir auf zwanzig seit der Schlacht von Sedan verflossene Jahre zurück. „Wird, ebe zwanzig weitere Jahre vorüber sind, Sedan durch einen größeren epochemachenden Sieg verdunkelt werden?" fragt der „Standard" am Schluffe mit trübem Blick in die Zukunft. * AuS BuenoS-AyreS, 4. September, wird gemeldet: Die politische Lage ist ruhiger. Der Marschbefehl der Truppen für Tucuman ist zurückgenommen worden. * Ein Telegramm des „New-Dork Herald" aus Guate mala meldet, daß sich am Mttwoch vor dem dortigen amerikanischen Gesandtschaftsgebäudc Pöbelhauscn zusammcnrotteten, die eine drohende Haltung zeigten. Das GesandtschaftSgcbäude ist von Polizei bewacht. Die Sym pathie Kundgebungen für Christine Barrundia, die sich in strengster Haft befindet, dauern fort. Zur Lage. ** Berlin, 4. September. Eine sehr rege Thätigkeit herrscht zur Zeit in den Reichsämtern und in den preu ßischen Ministerien, denn «n allen ReffortS ist man eifrig damit beschäftigt, neue Vorlagen für die Parlamente vorrn bereiten. Es handelt sich nicht nur um den Etat, welcher für daS Reich bis Ende dieses Monats zum Abschluß ge bracht sein muß, und auch für Preußen von den einzelnen Ministerien dem Finanzminister zu überreichen ist, sondern auch ganz besonders um die Gesetzentwürfe, welche Ansang October, so bald da- Gesammtministerium wieder vollzählig in Berlin versammelt ist, diesem von den einzelnen Ministern unterbreitet werden solle». Organische Gesetze von einschneidender Bedeutung werden von, neuen Finanzminister und vom Minister de« Innern vorgelegt werden, denn die Herren vr. Miguel und Herrfurth bringen kem Flickwerk in die Gesetzgebung, vielmehr wird die Reform deS aesammten Steuerwesens planmäßig eingelcitet, und die Denk schrift, welche dem Landtage zugeben soll, dürfte ein auch räumlich ziemlich au-gcdehnteS socialpolitisch und finanz technisch werthvolles Werk sein. Ebenso wird voni Minister veö Innern zugleich mit der Landgcmeindcordnung eine Dar stellung der Entwickelung der preußischen Verwaltung seit drn Stein-Hardenbera'schen Reformen erwartet. Wenn wir ferner auf dir in Aussicht genommenen Vorlagen des CultuSministerS von Goßler Hinweisen und daran erinnern, daß kleinere Vor lagen (Lecundairbahnen und weitere Verstaatlichungen) auch von, Eisenbahuminlster, ebenso vom LandwicthschaftSminister wieder neben den wiederholt verunglückten Entwürfen über den Wildschaden, da» Halten der Bienen und so weiter, deren Ausarbeitung man nicht ferner der Initiative einzelner Abgeordneter überlassen will, auch neue Vorschläge zu er warten sind, so wird man zuaeben, daß wir einer der arbeits reichsten Tagungen entgrgengehen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite