Suche löschen...
Typographische Mitteilungen
- Bandzählung
- 28.1931
- Erscheinungsdatum
- 1931
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. 4. 6055-28.1931
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id51204371X-193100003
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id51204371X-19310000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-51204371X-19310000
- Sammlungen
- Gebrauchsgraphik
- Kunst
- Saxonica
- LDP: SLUB
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Ausgabebezeichnung
- 1, Januar
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- Titel
- Typographische Mitteilungen
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Man soll auch nicht mit solchen Gründen kommen, daß dann jeder Arbeiter sich eine Schreibmaschine kaufen könne. Was soll nun bloß der Arbeiter, der alle paar Monate einen Brief schreibt, mit einer Schreibmaschine anfangen 4 ? Aus diesem falschen Gedankengange folgt der zweite Denkfehler. Die Schrift ist nämlich zunächst nicht da, um geschrieben, sondern um gelesen zu werden. Das soll heißen, es ist viel wichtiger, daß eine Mitteilung leicht gelesen wird, als daß sie leicht geschrieben wird. Die deutsche Sprache ist grundsätzlich ver schieden von der englischen 5 . Während die englische Sprache kurze Wörter hat, besitzt die deutsche eine Fülle von langen Wörtern. Die Leichtigkeit, mit der im Deutschen Wortzusammensetzungen möglich sind,fehlt dem Englischen, wo die Wörter unverbunden nebeneinander gesetzt werden. Dadurch werden die Wortbilder im Deutschen aber noch länger. Es ist bewiesen, daß die Sätze im Deutschen leichter gelesen werden, wenn sie Großbuchstaben haben. Das Auge liest nicht jeden einzelnen Buchstaben, sondern es geht ruckweise weiter. Eine Zeile wird in drei bis vier Rucken des Auges gelesen. Das Auge fixiert einen Punkt, erfaßt dann den Sinn der Wörter, die in der Umgebung dieses Haltepunktes stehen, und geht dann weiter. Es ist klar, daß wir um so leichter lesen, je auffälliger und verschiedener die Buchstaben sind; deshalb ist die Fraktur auch leichter lesbar als die Antiqua, und deshalb ist Satz mit Groß buchstaben auch leichter lesbar als solcher nur mit Kleinbuchstaben 6 . Wenn wir sprechen, so betonen wir einzelne Wörter; dadurch gewinnt das Gesprochene Leben. Ich weiß sehr wohl, daß meistens nicht das Hauptwort betont wird, sondern die Beifügung. Wird aber kein Wort betont, so ist die Rede ausdruckslos; sie ist schwerer verständlich. Auch beim gedruckten Wort ist es so; das großgeschriebene Wort belebt den Satz, es macht ihn leichter lesbar. Man stelle sich einmal geschriebene Sätze ohne Großschreibung vor, da tritt die Schwierigkeit des Lesens noch mehr hervor 7 . Nicht die Gewohnheit macht es also, daß wir Drucksachen mit Großbuchstaben leichter lesen, son dern es sind andere Gründe hierfür maßgebend. Daß mittelhochdeutsche und mittelniederdeutsche Bücher heute so schwer zu lesen sind, kommt auch da her, daß die Großbuchstaben fehlen; man muß den Satz erst zergliedern, wenn man den Sinn erfassen will 8 . Ein Beweis hierfür ist, daß man selbst Mund arten viel leichter lesen kann, auch wenn einem die Mundart fremd ist; denn die Großbuchstaben helfen dem Verständnis nach. Mundarten in Kleinschrift sind genau so unverständlich wie Mittelhochdeutsch 9 . Es stimmt auch nicht, daß die Großschreibung erst von den »Schulmeistern« (gemeint ist wohl Adelung) eingeführt ist. Schon in der Zeit der Gotik taucht sie auf 10 , so bei Dürer.T obias Stimmer gibt als Unterschriften zuseinen »Lebens altern« um 1550 folgendes: »X Jar Kindischer art, XXJar ein Jungfrau zart, XXX Jar im Hauß die frau, XL Jar ein Matron genau, L Jar eine Großmuter, LX Jar des Alters schuder, LXX Jar alt Vngestalt, LXXX Jar wüst und kalt, XC Jar ein Marterbildt, C Jar das Grab ausfült.« Man sieht also, daß die Groß schreibung schon früh eingeführt wurde 11 . Ich könnte noch viele Beispiele 4 was fangt die hausfrau mit der näh- maschine an, die sie alle jahre nur ein paarmal braucht? aber es ist auch nicht in jedem haushalt eine nähmaschine. 5 der denkfehler liegt beim Verfasser des aufsatzes; denn die schrift ist von anfang an des Schreibens wegen dagewesen, erst in zweiter linie des lesens wegen, das beweist die kurzschrift. es wird auch heute weit mehr geschrieben als früher, und das ge- sdiriebene wird gedruckt! und schließlich ist alles nur eine Sache der gewöhnung. 6 zunächst ist es ansichtssache, ob man es für vorteilhaft halten will, daß die deutsche spräche so lange wortbilder hat; andere halten das für den großen fehler unserer spräche, genau so wie die band- wurmsätze, in denen die juristen ganz be sondere meister sind, der »beweis« für bessere lesbarkeit der schrift, wenn groß- buchstaben verwendet werden, ist ein seitig. die andere Seite behauptet das ge- genteil und beweist genau so gut die leichtere lesbarkeit der kleinschrift. wir meinen, es beruhe nur auf gewöhnung. man gewöhne die jugend an kleinschrift, und schon in der nächsten generation wird man die großen buchstaben vergessen haben, und kein hahn wird mehr danach krähen, kann jemand diese anmerkungen vielleicht nicht lesen, weil die großbuch- staben fehlen? 7 wir können nicht mit großen buchstaben sprechen; das ist ein fundamentaler be- weissatz der kleinschreiber. die betonung muß audi beim lesen, vorlesen, hinein gelegt werden; dabei hilft kein großbuch- stabe, sondern nur der sinn des satzes. wo der sinn fehlt, da hilft auch der großbuch- stabe nicht, das trifft auch auf geschriebene sätze zu. wir erhalten viele handgeschrie bene briefe in kleinschrift und lesen sie ohne hemmungen, weil wir uns von dem gedanken an großbuchstaben befreiten. 8 mittelhochdeutsch und mittelnieder deutsch ist gegenüber unserem heutigen deutsch eine fremde spräche, der vergleich hinkt also, bitte unter 21 weiteres nach zulesen und zu vergleichen. 9 diese behauptung ist durch nichts be wiesen, wer die mundart nicht kennt, wird sound auch so Schwierigkeiten haben man nehme kölner platt in groß- oder klein schrift, wenn man hannoversches hoch deutsch gewöhnt ist; man wird in jedem falle sein blaues wunder erleben! 10 es stimmt wohl, daß die »heutige« groß- schreibung daher stammt; aber großbuch staben gibt es seit »uralten« Zeiten, nicht aber großschreibung! das ist ein großer unterschied mit kleinem anfangsbuch- staben! 11 die ersten budidrucker verwendeten großbuchstaben als schmuck der seiten, das hat mit großschreibung nichts zu tun. 12 im barock wurde aller schmuck über trieben, also auch dieser »buchschmuck« mit großbuchstaben. 13 die rechtschreibung wurde •»festgelegt* durch akademiker, ohne rücksicht aufs volk; das nennt man »geistige entwick- lung«, wenn man dem volk das schreiben erschwert, anstatt es zu erleichtern! 14 schon zu jakob grimms Zeiten gab es menschen, die eine gute Sache: eine ver nünftige rechtschreibung, dem volke nicht bescheren wollten; so mußte sie in einer weise kompliziert werden, die keine grenzen kennt; raffiniert erdacht für das »dumme volk«.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder