Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189007185
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18900718
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18900718
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1890
- Monat1890-07
- Tag1890-07-18
- Monat1890-07
- Jahr1890
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1890
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1. KÄM W lchM >«> AltjM Nr. M. ZMß kll 18. z«li 18R». Die Noggeumuhme. Bon Franz Woenig. . (Nachdruck verdoten.» „Laß steh » die Blume, geh' nicht inS Korn, , Die Rogaeninuhme ziehet um da vorn, Bald duckt sie nieder, bald guckt sie wieder, . ' " Bald guckt sie wieder, bald duckt sie nieder. Sie wird die bösen Kinder fangen, ! Die nach den bunten Blumen langen." - A. Koptsch. ' Ein jede» Dorfkind weiß von ihr und dämpft die Stimme »um Flüsterton herab, wenn eS mit geheimem Schauern ihren Hamen nennt, und die Alten glauben so fest an sie, wie an ihr selige- Ende, aber gesehen bat sie noch Niemand, die gespenstige Frau im Korne, obgleich Dieser oder Jener fest daraus schwören möchte, daß sie ihm begegnet sei und zur Bekräftigung seiner Behauptung eine Beschreibung von ihrer Gestalt entwirft, so phantasiereich und plastisch, daß den auf merksam Lauschenden ein Gruseln über den Rücken geht und sie da- gefürchtete Kornweib leibhaftig vor sich zu sehen meinen. Wir Dorfjungen waren eine schlimme Sorte. Kein Baum war unS zu hoch, kein Wasser zu tief. Da- Gruseln hatten wir gründlich verlernt. Die Erbsenfeldrr der heimi schen und fremden Feldmarken besuchten wir ohne sonderliche Gewissensbisse, füllten mit wahrhaft erstaunlicher Geschwindig keit Hosen- und Iackentaschen mit grünen, saftigen Hülsen und plapperten dabei da- Diebeswünschlein: „Bor mir Tag, hinter mir Nacht, Daß mich Niemand sehen mag", her, bi- unS plötzlich der Bauer beim Kragen hatte und unseren Rücken mit einem Knüttel oder Karrengurt dermaßen walkte, daß wir unter seinen Händen schier die Seele aushauchten. Die Stimmen des nächtlichen Naturlebens waren unS allen bekannt. Wir fürchteten unS weder vor einem einsamen Gang durch den stockfinsteren, meilenlangen Wald, noch vor einer Wanderung durch Haide und Ried. Die „Haidefrau", welche viele im Dorf oft gesehen haben wollten, war den Kindern hold, und wer sich auf schmalen versandeten oder überwucherten Pfaden verlor, brauchte sie nur zu rufen, dann erschien die freundliche blaffe Frau und führte ihn wieder auf den rechten Weg Aber eS gab auch Spukgeister, denen der Beherzteste unter unS nicht Stand hielt und an deren Existenz wir glaubten, Weil wir da- unheilvolle Treiben dieser Dämonen sicher zu erkennen meinten, das waren die „Lüchtemännekens" oder „Irrwische" und das „Kornwif" oder die „Roggenmubmc". War Jemand zur Nachtzeit in einen der vielen Sünipse der Niederung hincingeratben und ertrunken, dann bicß eS Morgens im Dorfe: „Den bebben de LüchtemännckenS 'blendet", — und als zwei Mägde vom Amtgute eines Sommertags ein fremdes verirrtes Kind halb tobt in einem Wcizenplane aufgefunden hatte», schrieen die Arbeitswille: „Dat hett dat Kornwif dhan!" Die Leuchtemännchen und das Kornweih hielten unS gründ sich in Respect. Ui» See und Sumpf machte ich Abends stets einen weiten Bogen, und beim KamiUenpflücken blieb ich hübsch am Rande der Kornfelder. DaS Nietertreten der Achren hätte die Roggcnmuhme streng geahndet, das wußten wir, denn Großmutter und Mutter hörte» nicht auf, unS zu warnen; auch die Knechte und Mägde verstanden es, u»S fortwährend an diese- Getreidegespenst zu erinnern. Wandcrten wir bei Windigem Wetter mit ihnen hinaus auss Feld, nm beim Aus- Häufeln und Jäten der Kartoffel und Nübenzciten zu Helsen, dann deutete die Großmagd wokl hinüber ans die fiull,enden arüngrau schimmernden AehrenwcUen der Getreidcplänc und sagte: „De Roggentruden Haschen sich im Korn". Und kamen wir an einzelnen Stellen vorüber, wo im Getreide daS Wild Rast gehalten oder der Sturm die schwankend dünnen Halme „ins Lager" geworfen hatte, dann hörten Wir: „Hie hat dat Kornwif slapen". Niemals aber versäumte ich. den Arbeitsleuten der Großmutter Mittagbrod oder Vesper aufs Feld hinaus zu tragen, wenn die Mutter Sixtorp mit im „Tagelohn" war. Die Alte stand mit allen Wasser , Dorf, Wald und Fcldacister» auf dem besten Fuße, und von ihr konnte man mehr erfahren, als von allen Ucbrigcn zusammen, denn sic war, wie ein Jeder im Dorfe wußte, mit einem zweiten Gefickt begabt. Ihr Leben Ward dadurch für sic zu einer endlosen Kette seelischer Leiden. Was sie in ihren somnambulistischeu Anwandlungen über entfernt lebende oder ansässige Personen prophezeite, ging merkwürdiger Weise so oft in Erfüllung, daß die graue, kränkelnde Alte mit dem todtblassen Gesicht und den rätselhaften tiesschwarzen Augen als unheimlicher Gast von Bielen gemieden wurde, aber sie War trotz ihres Aberglaubens eine gute Christin und unS Kindern die liebste Person im Dorfe: sie sang unS Lieder, die wir sonst nirgends hörten, und erzählte Märchen und Sagen, die in keinem Buche standen, und weil sic mehr sah, als andere gewöhnliche Sterbliche, war ihr auch die Roggen muhme nicht fremd. Wie sie als Kind ihre Bekanntschaft gemacht hat, hat sie unS einst während der MittagSrast im ffeldc unter schattigem Erlen und Wcidengebüsch geplaudert: „War ein klein drall' Ding, flink wie die Ecks, und im Kamillen pflücken hat mir'- Keine nachgetban. So pflückt' ick einst in den Feldern am Drehling See. Der Tag war heiß, mein Säckchen voll Und dieweil ick mud' geworden, leg' ich mich am Rand de- Kornfeldes nieder, schieb' das Säckchen als Pfühl unter den Kopf und denk' ein- zu schlafen. Dic Kamillenblütbcn dufte» so süß und stark Ich dehne mich behaglich und will eben „eindröseln", da höre ich nicht fern von mir ein Kichern . . das Korn rauscht . . . und neben mir steht die Kornalte: grauschwarz wie eine Fledermaus, eine graue Kapuze auf dem wackligen Kopfe, ein Gesäß wie ein Butterfaß aus dem Rücken und eine derbe Rutbc in der Hand! Ihre Augen brennen wie feurige Kohlen in dem runzlichen schwarzen Ge sicht. Sie grinst mich an. Ich will schreien, aufspringcn, aber ich bin wie gelähmt. . . Scho» streckt sic ihre schwarze» bekrallten Finger nach mir aus. . . Ich fühle einen Ruck in alle» Gliedern, werde emporgefchleudert, und als ich recht »ur Besinnung komme, liege ich im Kornseldc . . . meine Leinenschürze, die ich fest uni den Leib gebunden getragen, patte.t zwischen den Halmen. DaS Sckürzenband war zcr rissen. Wäre eS nicht gerissen, als mick das Kornweih daran in die Höhe hob, dann hätte sic mich erwürgt und in ihrem Buttersaffe zu Brei zerstampft. Seit der Zeit aber bin ich nie wieder allein in die Kamillen gegangen." Die Erzählung der Alten batte so nachhaltig auf meine Einbildungskraft eingcwirkt, daß ich mich von Stunde an nur »och in die Kornfelder wagte, welche unmittelbar hinter den Dorsaärtcn lagen. Bei weiteren Gängen aber wußte ick, mich stet- eines Genossen zu vergewissern. Ost aber geschah eS auch, daß nnS eine Vogelscheuche, die im wallenden Korne aus und nicdrrtauchte, oder ein plötzliches Ausrauschen der Nehren, durch aufgeschrcckte Hasen oder Hamster verursacht, in schmähliche Flucht jagte. Die Roggenmnbnic ist als Gctreidegeist in Norddeutschland und allen nördlichen Ländern Europa- bekannt. Nur führt sie verschiedene Namen. Außer Kornweih, Rogzentrude beißt sie auch Weizenmutter, Flach-mutter^ Erbsenmukme, wilde Frau, Kornmubmc u. s. w. Die Slawen nennen sie die Maba, d. h. Großmutter, die Zvtniamatka, d b Kornmutter, »der die^ytniababa, d. h. Kornalle. Im Dänischen beißt sie nach W Mannhardt Byltjaelling (Gcrstenalte) und Ruk jaellina (Roggenalte). Uevrr ihre Gestalt und ihr AeußcreS geben die Sagen Age weit auseinander. Hier erscheint sie schwarz, dort Slnidrnd weiß In einigen Länderstrichen Norddeutschland bockt sie im Korne und lauert aus die Kinder, in anderen sieht sie die Phantasie de- Volke- aus einem schwarzen Rosse durch die Kornfelder jagen. Sie erscheint selten allein, kleine Hündchen oder große Doggen begleiten sie und treiben die Bluuiktz pflückenden Kinder für sie zusammen. Die Alte püstet den gefangenen Kindern die Augen aus und zerstampft die jammernden Kleinen in einem eifernen Buttersaffe, oder — Wie die russische Sage über die Baba Iaga eS will — in einem eisernen Mörser. Als vollkommener Geist vermag die Alte verschiedene Tbiergestalte» anzunchmen. Gern ver wandelt sie sich in einen Wolf, eine Wachtel, in eine Schild kröte, Schlange, in eine Libelle oder einen Maikäfer. Ihre Thätiakeit ist eine Fluch oder Segen bringende. Will sie dem Bauer wohl, dem schützt sic die Aecker gegen Ungeziefer und Unkraut und gegen die Kinder, welche das Korn zertreten. Sie macht auf ihren Gängen seine Felder fruchtbar und befördert das gleichmäßige Wachsthum und Reifen der Achren. „Er schtäst die Lust, e§ webt kein Wind, Und dennoch beugen tausend Aehreu Bald leise sich und bald geschwind, AlS ob sie freien Willens wären. Rings liegt die Flur so seltsam stumm, Gleich einem weiten Heiligthume — DaS macht, unsichtbar schreitet um Im Erntefeld die Roggenmuhme. Mit schwielenharter brauner Hand Ertkeitet sie dem Korn den Segen, Wenn sich im heißen Sonnenbrand Beginnt der Blüthe Frucht zu regen ..." Hat aber der Bauer ihren Zorn heraufbeschworen, dann schlägt sie seine Aecker mit Dürre und Unfruchtbarkeit und johnt seinen Fleiß durch taube Achren. Um sich die Gunst der Roggentrute zu erhalten oder zu erwerben, wirft man wobl drei Achren in das Saatfeld. Wenn von den Sensen der Schnitter die Halme fallen, flieht die Roggenmubme immer tiefer in daS Kornfeld hinein und verbirgt sich schließlich in der letzten Garbe. Nun schlagen Schnitter, Knechte und Mägde mit Knütteln auf den Segcnörest, um sie aus ihrem letzten Zufluchtsort zu vertreiben. „Da ist sie, da ist sie", rufen sie einander neckend zu, „ucbmt euch in Acht, daß sie euch nicht packt." Derjenige Schnitter, welcher in Lithauen die letzte Garbe fällt, heißt ein Iabr lang der „Roggenweibchentödtcr". Vielfach aber gilt der Brauch, für die Kornmutter ein Häuschen Achren als Dankgabc steken zu lassen Man weiht eS der Beschützerin der Felder mit folgenden Worten: „Wir gebeu's der Alten, Sie soll eS behalten, Sie fei uns im nächsten Jahr So gut, wie sie es diesmal war." Die. letzte Garbe beißt im Volksmunde überall die Korn mutter, Großmutter, Roggenmuttcr, Erbsenmutter, Roggen alte, oder kumwcg „die Alte." Man sucht ihr auch äußer sich die Gestalt der Alten zu geben, indem mau sie mit einem Fraucnanzng bekleidet. In manchen Gegenden bindet man auch die Magd in die Garbe hinein und trägt sic unter lautem Jubel durchs Dorf. Doch nicht allein die Magd, auck die Haussrau muß eS sich gefalle» lasse», zur Roggen muhme erwählt zu werten. Die Schnitter verfolgen sic, sobald die letzte Garbe gefalle» ist. Sie sucht ihnen zu ent kommen, versteckt sich. Wird sie gefunden, dann kämmen ihr die Schnitter mit einem Recken das Haar, welches hier das Getreide der Roggentrute symbolisirt. Daß die Holzfräuiein, Waldfräulein, Mooswcibä»en und Lobjungferu, für welche mau aus den Acckcru Gelreidercste stehen läßt, mit der Roggenmuhme identisch sind, ist längst klar erwiese» Die Gctrcidegeister: der Roggcnwols, Roggenbund, der Roggen Alte und die Roggenmiihme tragen in Gestalt »nd Wesen so viel koSinologischc Züge, daß eö leicht wird, sie sofort als Personisieirungcn derjenigen elementaren Mächte zu erkennen, welche den Fleiß des Laudmanues in Fluch oder Legen wandeln, nämlich Wind und Wetterwolken und Sonnen glnil» Die Kornwciber, die sich im Ackrenmcere jagen, sind die Windtromben und die Roggenmuhme selbst, von schwarzer Gestalt, mit langen glühende» Krallen gedacht, versiunbild licht die auSdvrrcnkc und sengende Sommersonne, unter deren Strahlen die im Kornselke verirrten Kinder verschmachten. Ilud eben, weil die Sagengestalt der Roggentrute der Pkantasiewclt unseres Volkes aus ethischen und praktischen Motiven entsprungen ist, mag man auch der kindlichen Phau tasie diesen Getreidegeist erhalten und fortfahren, die Kinder zu warnen: „Mein Kind, Hab' du des Kornes Acht, >lerlritt es nicht, ob einer Blume — Mit ihren große» Augen wacht Im Feld die strenge Roggenmuhme." „Fürst Lismarck und die Arbeiterfrage. * Unter dem Titel „Fürst Bismarck und die Arbe iter fragen" bringen die „Hamburger Nachrichten" an ihrer Spitze eine Darlegung, welche Wohl nicht mit Unrecht auf Friedrich Sruher Informationen zurückgcfükrt werden dürste. Dieselbe ist bestimmt, die Acußerungen des Fürsten Bismarck bei dem letzten Interview über die Bcrusuug des StaatSraths und der Arbcitcrschutzconfcrenz vor Mißdeutungen zu schützen und allerdings vielfach rein dcuuuciatorisch ge haltencn hämischen Angriffen in der dcutschfrcisinuigcn und klerikalen Presse gegenüoer in daS rechte Licht zu stellen. Die Ausführungen der „Hamburger Nachrichten" lauten: Dem Fürsten BiSmarck wird vorgeworie», er habe an die kaiier lichen Erlasse vom 4. Februar den Vorschlag der Berufung einer internationalen Conserenz geknüpft, obwohl er der Ansicht gewesen fei, daß es aus Illusion beruhe, den Arbeilerschutz international machen zu wollen: es könne nicht gerechtfertigt werden, daß ei» Minister, wenn er seinen Monarchen von einem Plane nicht ab zubringen vermöge, einen Rath ertheile, dessen Durchführung vor aeblich jenen Plan begünstige, nach der wirklichen Ueberzeugung des Ministers aber vielmehr vereitele. Das sei nicht ein treuer Diener seines Herrn, der so handle. Diese Darstellung ist eine Verzerrung des Sachverhaltes Wenn ein leitender Minister glaubt, daß die allerhöchste» Entschließungen den Landesinteresse» nicht entspreche», so ist er seinerseits verpflichtet, de» ihm verfassungsmäßig zustcheuden Einfluß auf die Krone dahin geltend zu machen, baß die Aussührung der Entschließungen unterbleibe. Der Minister handelt pslichnvidrig, wen» er anders versähet: er leistet dem Monarchen und dem Lande de» treueste,, Dienst dadurch, daß er seine Meinung mit Nachdruck und Entschiedenheit vertritt. Wen» der Minister meint, daß die Wege, die sei» Herr zu gehen entschlossen ist, gefährliche Wege seien, so ist er amtlich »nd vor seinem Gewusen gehalten, dies offen auszuiprechen. Man dient seinem Herrn am besten, indem man ihn warnt, sich in Gefahr zu begeben Gelingt es dem Minister nicht, den Monarchen von der Bedenklichkeit der geplanten Maßregeln zu überzeugen, weil der Minister in Folge seiner Antecedentien oder aus vorgefaßter Meinung als parteiisch angesehen wird, so ist er noch nicht ohne Weiteres berechtigt, die Dinge ihren Laus nehmen zu lassen und eventuell um seinen Ab schied zu bitten. Er hat dann den Versuch zu machen, seine ab weichende Ueberzeugung durch andere Personen »nd Instanzen, die das Vertrauen des Monarchen in der fragliche» Angelegenheit viel- leicht mehr besitzen als der leitende, verantwortliche Minister, der Krone gegenüber vertreten zu lassen. Tie Rächslberusenen hierzu sind die übrigen Minister. Hat er auch hiermü keinen Erkolg und rechtfertigt es die Sach», so handelt der Minister im Landesinteresse, wenn er dem Monarchen anräth, vor der Ausführung seiner Ent schließunaen eine gutachtliche Beurtheilung derselben durch iachver ständige Autoritäten, dir nicht feine Minister sind, herbeizuiudrcn. In dieser Lag, dürste sich Fürst Bismarck dem Kaiser gegenüber in Sachen der aus dir Arbeiterfragen bezüglichen Erlasse »nd weiteren Maßnahmen befunden haben Die Meinung des Monarchen war eine andere, wie die seines Kanzler-; dir übrigen Minister aber, dir noch wenige Jahre zuvor mit dem leitende» Staatsmanne eines Sinnes waren, mochten ihre Ansicht geändert, oder sie aus Gründen, deren Erörterung uns hier nicht obliegt, zurückgebrungl habe». So btieb als letzter Rath zur Wahrung desse'n, was der Kanzler in diesem Falle als die »ulu-i public» erkannte, nur der Vorschlag zur Berufung des Staatsraths, resp. der internationale» Conserenz übrig. Wenn diese Beralhungskürperschafte» den auf sie gesetzte» .Hoffnungen nicht entsprochen haben, so beweist das höchsten», daß der frühere Reichskanzler in seinen bezüglichen Voraussetzungen eine Enttäuschung erfuhr, die ihn als Menschenkenner irre machen konnte: keinesfalls war das Ergebniß der Staalsraths- und Eonserenz-Beralhungen vorauszusehen. Tie Berufung dieser Berathungs-Jnslaiize» war vollständig berechtigt, auch wenn sie schließlich nicht dem Zwecke entsprach. Nachdem die Ansicht des leitenden Staatsmannes nicht durch- gedrungen war, sondern die des Monarchen, mußte erstcrer ent lassen werden, da von ihm die Uebernahme der Verantwortung für die Aussührung der zu fassenden Beschlüsse nicht zu gewärtigen war. So fand die Trennung statt; von einer Untreue dabei zu reden ist sinnlos. Thatsächlich ist Fürst Bismarck wegen Meinungsverschiedenheit zwischen dem Kaiser und ihm ent lassen worden; aber das ist weder ein Geheimniß, noch ist daraus irgend ein Vorwurf gegen ihn zu conslruircn. Wer die Reden, die Fürst Bismarck im Jahre 1885 im Reichs tage zur Frage des Arbeiterschutzes gehalten hat, mit Ausmerksam- kcit liest und sie mit de» entsprechenden Vorlagen der letzigen Regierung vergleicht, dem kann die Unvereinbarkeit beider An schauungen nicht entgehen. Ter ehemalige Kanzler ist arbeiter- freundlich im Sinne der durch ihn ins Leben gerufene» kniserliche» Botschaft vom 17. November 1881, der Basis der deutschen Tocial- resorm; er will die Arbeiter gegen die Gefahren der Krankheit, des Unfalls, des Alters und der Invalidität sichern, aber er glaubt nicht, durch Eingreifen in die Autonomie des Arbeiters diese», oder dem Staate wahrhafte» Nutzen bringen zu könne». Das schöne Ziel der Beschränkung der Sonntags-, der Fvuen- und Kinderarbeit schwebt auch ihm als erstrebenswerth vor; aber so lange nicht nach- gewiesen ist, wie die vielen Millionen, die dem Arbeiterstande durch diese Beschränkung an Arbeitslohn entzogen werde», anderweitig beschafft werden können, ohne daß die Eoneurrenzsähigkeit der In dustrie und der Staat darunter leide», glaubt er aus diesem Wege nur so weit vorgeben zu dürfen, als durch die allcrdringendfle Nolhwendigkeit erheischt wird. Der ehemalige Kanzler meint auch wahrtcheinlich nicht, daß durch Pactiren mit der Begehrlichkeit der Arbeiter zur Sicherung des socialen Friedens zu gelange» ist. Wenn Forst Bismarck, als der älteste und erfadrenste Politiker, in diesen Dingen solche Ansichten gewonnen hatte, sie aber nicht durchsetzen konnte und in Folge dessen aus dem Dienste scheide» mußte, so ist cs unbillig, von ihn: zu erwarten, daß er „nunmehr" ;u der Ueberzeugung von der Unrichtigkeit seiner Ansicht gelangt ei» und schweigen müsse. Man kann ein sehr guter Royalist sein und dennoch die jeweilige Polilik der Krone niäii für richtig und heilsam ballen. Tan» erheische» es Recht und Pflicht, es offen aus- zulprechen. Fürst Bismarck hat, so tauge er in seiner ininisteriellen Stellung war, seine Ansicht stets mit aller Offenheit vertreten; kein selbstständig deiikender Man» kann ihm zmiiiiibeii, sie jetzt zu ver schweige», nur weil er aus dem Amte geschieden ist. Der Privat mann ist freier ats der Minister »nd wen» der letztere zufällig Fürst Bismarck ist, hat er dem Lande gegenüber vielleicht nicht einmal das Recht, zu schweigen, selbst wen» er wollte. Außerdem sind wir der Ansicht, daß ein Politiker, der einen Ruf zu verlieren hat, Ueberzeugiingsireue für die von ihm vertretenen Gedanken zu bewahren und einen Werth daraus zu lege» hat, daß er mil Maß regel», von denen er Gefahren besürchlei, wenigstens nicht von der Nachwelt consundirl wird. Er ninß daraus bedacht sein, seinen Ruf als Staatsmann von Dinge» rein zu halten, die seiner Ueberzeugnng widersprechen. Diese Ausführungen werden in der deulschfreisinuigcu und klerikale» Presse zweifelsohne wieder einen gewaltige» Sturm Hervorrufen. Es muß aber hervorgehobcu werden, daß gerade diese Presse, welche über jede Aeußcrung des Fürste» Bismarck mit so großer moralischer Entrüstung bcrsällt, es ist, welche solche geflissentlich und barlnäckig provocirt. Sic bat ihn vom Tage seines Rücktritts an zu Kundgebungen und zur Abwehr derausgesorkcrt, sic dcstet stets neue Heraussordcrungcn an jede Auslassung dcssclheu, und ihr also steht am wenigsten daS Rcck'I zu, jede solche als etwas Unerhörtes zu beklagen, zu vcrnrkhcilcii und — zu dcnuucncii. * Wir lese» ebeusallS i» de» „H ainhurgcr N achrichten": Die Blätter beschäftigen sich vietjach mil dem Vorwürfe der Feigheit, den Fürst Bismarck der ihm früher ergebe» gewesene» deutschen Presse gemacht baden soll. Wir habe» auch ab und zu Gelegenheit, uns über die Ansichten des Fürsten zu insvriniren, haben aber dabei den Vorwurs der Feigheit gegen diese Presse nicht gerade im Vordergründe seines Unheils gefunden, sonder» sind nur der Anssassung begegnet, daß Furchtsamkeit, u»d zwar als Zubehör eines gewissen politischen SirebeNhums, vbznwalte» scheine, wie sie im Ganze» nicht zu »»seren nationalen Eigenschasle» ge höre, aber doch gewissen Leiter» der Presse und Fractious- politikern eigcnthümlich sei. Die Furcht, irgend wo anznsivßen, wo man Unterstützung gebrauchen könne, etwa für Partei- oder andere Zwecke, sei bas snmptomatische Kriterium jener Presse. Jede einzelne politische Richtung fühle sich z» schwach, ui» allein etwas dnrchznietzen, brauche daher die .Hilse der andere» und lebe in der steten Furcht, sich durch irgend welche Aenßerung ein Patronat zu entfremde». Dieser Zustand und das charakterisirie, übrigens mehr auf die „Spitzen" der in Betracht kominendeu Jnteressentengruppen beschränkte Streberlhum seien mit einer überzeuguugsirenen und selbstständigen Kundgebung der eignen Meinung nicht immer ver träglich. Wir vermuiken, daß Fürst Bismarck in dieser Richtung das Element gesucht hat, was in einem Zeitnngsberichi als „Feig heit" bezeichnet worden ist. Weiter schreibt das Hamburger Blatt: Der „Wests. Merk." fragt in einem Artikel über die Stellung des Fürsten Bismarck z» Kaiser und Reich, ob der Fürst eS den» nicht gewesen sei, der i» feierlicher Weise habe erkläre» lassen, daß in Preuße» die Politik nicht von einem Minister, sondern von der Krone gemacht werde. Allerdings ist die Politik der Regierung die des Königs; aber bevor sie ausgesiihrt wird, ist es die amtliche, politische und moralische Pflicht des Ministers, daraus dinzuwirke», daß sie eine Gestalt annedme, wie sie »ach der Ueberzeugnng des Ministers dein Interesse des Landes am »leisten entspricht. Wenn der Minister mit seiner abweichende» Ansicht nicht durchgediungen und ans seiner Siellnng geschieden ist, besteht für ihn kein Anlaß, seine Ansicht z» wechseln öder sie zu verhehlen. Der Vorwurs, de» der „Wests. Merk." an den obigen Satz knüpft, daß Fürst Bismarck „nun selbst die Politik des Monarchen bekämpfe", ist deshalb inner lich gänzlich unberechtigt und ein Widerspruch mit der früheren Auffassung nicht vorhanden. Unsere »euliche Notiz, betreffend die Uebersührung .Helgolands in den deutsche» Msitz, Hai in der Presse Coinmentare erfahren, die beweisen, daß die Sucht, „keinen Anstoß zu erregen", sede unbe fangene Ueberleguiig bindert. Für verständige Leser bedursie es nichl erst der Hervorhebung, daß der Zweck unserer Veröffentlichung lediglich darin bestand, die richtigste Form des Abwariens für die ,irit z» bezeichne», welche zwischen der liebe» gäbe der Insel und ihrer Einverleibung in das deutsche Gebiet verstreichen muß, und barans lstnzuweise». daß besondere Eile nicht erforderlich sei, daß man Zeit habe, Uber die beste Art der Anglieberuiig Helgolands a» bas Reich in Ruhe und nach Maßgabe inzwischen gewonnener prak tischer Erfahrungen zu entscheide». Fiir die meinen Blatter hat indes, die Vermulhung, daß untere Aussnhrnng vielleicht vom Fürsten Bismarck stamme» könne, hingereicht, sie ats gänzlich verfehlt, un praktisch, ja gegen die nationale Winde versloyeiid hinzilslelle». Aus die geschichiticheii »nd staatsrechtlichen Jrrlhümer einzugehen, denen die Preise bei Erörterung unseres Helgolandariikel- anhcim- gesallen ist, haben wir keinen Anlaß. Was nach unserer Kenntniß die Ansicht des Fürsten Bismarck über die ihm früher ergebene Presse sei, baden wir im heutige» Morgenblatle angedeutet, unsere eigene verschweigen wir, weil wir dazu Ausdrücke gebrauche» müßten, die wir vrincipiell vermeiden Nächstens werden wir es vielleicht erleben, daß der Schöpfer des Deutschen Reiches, weil er glaubt, daß er seine Meinung auch nach Entlassung aus dem Amte noch äußern dürfe, von der nationalen deutschen Presse als „Reichsseind" behandelt wird Aber wir wundern uns über nichts mehr bei einer Presse, welche im stete» Drange, es ^cr Gegenwart recht zu mache», sogar Kaiser Wilhelm I und di« große Zeit unter ihm eigentlich schon ganz vergessen Kat und sich höchstens bei äußeren Anlässen. Denkmalsberathungen oder dergleichen, daran erinnert Uebrigen« sollten schon rein geschäftlich« Er Wägungen di« für andere, höhere Empfindungen den, Fürsten Bismarck gegenüber abgestorbenen deutschen Zeitungen abhalten, dem letzt«:«« Stillschweigen zu gebieten Von was Wille dies» Presse wohl, namentlich in der jetzigen todlen Jahreszeit reden, wenn dt« Friedrichsruher Kundgebungen nicht waren? Die bösartigste Mattes ist immer die des Schicksals! Jur Lage. Berlin, 16. Juli. (Der preußische StaatshauS- alt.) Tein zur Zeit ii» Druck befindlichen Bericht über die ver- tossene Landtagssessio», welcher demnächst voin Central- bureau der nationalliberalen Partei herausgegeben wird, ist in diesem Jahr eine besonders eingehende Darstellung de« Staatshaushalts beigegeben. Zunächst wird aus den abge- chlossen vorliegende» Rechiiungsergcbiiissen für IKK? 66 und 1666 69 ermittelt, daß im ersten Jahre rund 50, im anderen rund iB'/, Millionen Mark Ueberschuß erzielt worden sind. Hierunter sind diejenigen Mehrüberschüsse der Eiseiibalinverwaltung mit inbegriffen, welche »och aus Rechnung des betreffende» Jahres selbst zur Schulden tilgung verwendet werde» konnten. Das Ergebnis, für 1669 90 ist zwar inzwischen durch die Generalsiaalseasse ebenfalls sestgeslcllt, bisher aber nur theilweise öffentlich bekannt gegeben. Indessen hat die in dem eingangs erwähnten Bericht vorgenonlinene Schätzung des Ueber- schusies mit 66 - 90 Millionen Mark jüngsthin von halbamtlicher Seite bereits ihre Bestätigung erfahre». Das Jahr 1887 68 hatte, wie bemerkt, einen wirklichen Ueberschuß von 50 Millionen ergeben; davon konnten 85,9 Millionen aus das Jahr 1669 90 gutgeschrieben, bezw dort als Einnahme verrechnet werden. Tie übrige Summe wurde noch für das erstere Jahr selbst zur Schuldenlitgung rc. nutzbar gemacht. Im Jahr 1666 69 wurde zu diesem Zweck ei» weitaus größerer Betrag noch nachträglich in Anspruch genommen und auf Rechnung I69i> 9l „ur ein Ueberfchilß von rund 4,67 Millionen uberschrieben. Von der Rechnung des Jahres 1669 90 wird aus das nächstfolgende Jahr überhaupt kein Theit des Ucberschusses verfügbar bleibe», denn in wische» ist in Ergänzung des Eisenbahiigaraiiliegesetze-s der Gr»»d- atz sestgestelll worden, daß ein etwaiger Ueberschnß bis zur Höhe von 96'Millionen Mark noch vor den. Final Abschluß aus be willigte Anteibe» zu verrechnen, bezw. zur Schuldentilgung z» ver wenden ist. Praktisch bedeutet dieser Beschluß, daß in Zukimst der preußische Staalshaiiskattspla» ohne Nutzung älterer Ueberichüsse entworfen und durchgeführt werde» muß, denn ein Wirtlischasts- ergebniß, wie das letzt,ädrige, gebörl ohnebin zu den setteiislc», in- vfer» es die seit 1666 langsam gereiste Periode großgewerblichen Aufschwunges zur höchsten Linie beförderte, aus der sich die Gegen wart bereits nicht mehr befindet. Aber selbst in dieser büchsien Bliiihezeit erzielte die Staalseasse nicht einen Ueberschuß in der oben bezeichnelen Höhe, obwolfl die Beklitfaiiikeit in der Ver anschlagung des Etats überbaupl und des Eisenbahnetats ii» Ve- ondere» dem Erscheinen großer Ueberichüsse sehr dienlich war Mit dem voraussichtlich iepimals vcriügbarcu Verwaltung» Ueberschuß au» 1666 69 war nun der Staatshausbatt für das jetzt tausende Iabr 169«» 91 in Einnahme und Ausgabe veranschlagt worden aus rund l,59 Milliarden. Durch drei NachttagsetalS »11b geringsügige Abstriche und Zusätze wübrend der Elaiberalhung gestattete sich die definitive Ziffer um etwas hüdcr und zwar genau 1598 098 518 .« Weitaus den größten Antheil an dieser Hohe» Suinine Hai der Etat der Eisenbahnvenvaltung. In den Einnahmen bringt er mehr als die Hälfte der ganzen Haushattsumiiie, nämlich 207,9 Millionen aus dein Personen-, 599,6 Millionen aus dem Güterverkehr und 46,16 Millionen aus sonstige» Einnahiiie- guellen, zuianimen rund 658 Millionen. Die aiidere» großen Ve- iriebsveiwattuiige» des Staates ertragen weitere 280 Millionen, »nd zwar die laiidwirthschastlichen Betriebe (Domänen, Forsten ». s. w.) 92,Ri, die Bergwerke 76,65, die Hülteinverke 25,96, Salzwerke 7,8l, onslige Einnahme» der Berg-, Hütten- und Saiinenverwattiing I, I I Millionen: die übrigen Verwaltungen zusammen (Van-, Gestüt-, Münz , Lotlelieverwattiing, Leehandlniig 11. A. in.> 2t,«!l Millionen Mark. Zn diesem Gesaniniterlrag von >068 Millionen ans de» eigenen Betriebe» des Staates gesellen sich deiniiächst 215,71 Millionen, die aus der Reichseasse zur Staatskasse fließen, und zwar in Vergütung der Kosten der Erhebung von Zöllen, Reichssteinpelsteuern u. s w. 85,22 n»d als Antheil an diesen Reichseinnahmen 160,49 Millionen. Staatliche Betriebsverwaltungen und die Ueberweisungen vom Reiche ergebe» zusammen bereits 1296,7t Millionen, dazu 44,5 Millionen als Erlrag der Gericht-Kosten und -Strafen »»d 57,16 Millionen aus verschiedenen Einnahmequellen (darunter „durchlaufende Posten" von ca 80 Millionen, der Penvallungsüberschuß von 1666 6!» u. s. w.), so kommt »lau der Gesammlhöhe des Etats bis aus rund 200 Mil lionen nahe. Dieser Betrag, also der sechste Theit des ganzen Jabre-sbedarss, wird im Wesentlichen durch dirccte Steuer», zu einem geringeren Theile durch Siempclstcuer», Gefälle u. s. w. befriedigt, und a» dieser Stelle des Etats läßt sich auch mit einer größeren Stetigkeit der Ziffern rechnen. Insbesondere bildet die Grundsteuer mil rund 40 Millionen einen säst uiibeivegtiche» festen Punct t» der Etatsgeslattung, ebenso die Gebändesläuer mit 82,87 »nd die Gewerbesteuer mit 2l,I2 Millionen. I» einein stetigen, aber taug- saiiie», anscheinend zu langsame» Wachsen ist die classisicirte Einkommensteuer begriffe», sie bat im Jahre 1666 69 de» Vor anschlag ui» 1,17, >1» letzten Jahre »in nahezu 1,65 Millionen über- chrilleii und ist siir dieses Jahr i»tt 44,86 Millionen veranschlagt. Die Classeusteuer erbringt nach Abtragung der untersten und durch gängigen Erleichterung tu de» übrigen Sinsen »och 24,<>6 Millionen, und auch hier ist in den letzte» beide» Jahren ein leises Wachsthum bemerkt worbe», — ei» Beweis, daß Tbeile der wirthschastlich schwächeren Elassen allinälig in eine steuerpflichtige Einkommeushöhe einporrückien. Im Uebrigen koninien in Betracht die Erbschafts steuer mit 6,9, die Landesstcmpelsleuern »lit 20,6, Kaiaster- gebühren mit 2,8, Bergwerks- und Eisenbahnabgabe» 4,6, Gesälle 2,75 Millionen Mark. Lolonialpolilischeg. * Zur Ausbildung von ForschungSr eisenden schreibt l>r. L Ambronn in der „Kölnischen Zeitung": Zu einem wesentlichen Factor in de» nationalen Bestrebungen des Deutschen Reiches sind gegenwärtig unsere colonialen Interessen herangeivachscn, und eine nicht »»bedeutende Anzatfl Personen aller Stände sind schon jetzt dazu berufen, ihre Thätigkett diese» In teressen »ach de» verschiedenen Richtungen hi» zu widineu. Wenn es »Mi auch gelingen mag, aus den einzelnen Berusszweige» die leweilig geeigneten Kräfte mit Auswendnng großer Umsicht »nd nicht ohne niannigsache Mißerfolge hcrauszuffnde», so ist eine solche Wahl doch immer sehr a>n eine» günstige» Zufall ange wiesen Es handelt sich heutzutage nicht mehr um Reise», welche kühne Forscher ig „»bekannte Wetttbeile mit mehr oder weniger festen Reisezielen nnterilehnien, sondern in den weitaus meiste» Falle» liege» ganz bestimmte Ausgaben vor, die zu ihrer glücklichen Lösung eine gründliche, besonders den zu erreichende» Zwecke» an gepaßte Ausbildung nach jeder Richtung bin erfordern. Wenn auch schon früher deutsche Reisende ei» gut Theit Verdienst sich um die Kenntniß unserer Erde erworben ballen, so ist doch i» Verbindung mit der inachtigen Erstarkung des Mutterlandes durch unsere neuen Eoloiiialbriirebuiige» der Forscher und Reisetrieb der Deiilschen angesacht worden. Sollen aber diejenigen, welche sich be ruseil fühle», sremde Länder und unbekannte Himmelsstriche zu durch streife» und zu erforsche», auch für die Erweiterung unserer Kennt nisse in geographischer, klimatologiicher und »lerkantiler Richtung etwas Ersprießliches bieten, so ist heute nicht mehr dasselbe Maß von Ausbildung »nd wissenschaftlicher Befähigung genügend, welches noch vor :iO bis 40 Jahre» ausreichle, um init bedeutende» Errunge»- schailen heiinzukehren. Die äußere Configuratio» der Coiitinenie und Jnsetn, soweit es sich um bewohnbare Theile der Erde handelt, ist iin Großen und Ganzen sestaestellt. Die großen Züge der klimatischen Verhältnisse sind im Allgemeinen bekannt Zu alledem gehörte ein freier Blick, persönliche Gewandtheit und in de» meisten Fällen ein gewisses Glück Was heuiigen DagS unsere Reisenden zu leisten haben, ist die Lösung einer wett inühe- vollcre» Ausgabe. Es ist die Durchführung benimmler Einzel- sorschungen, welche sich zumeist aus bestimmt begrenzte Gebiete er strecken sollen, die nach eine,» festen, vorher wohl zu erwägenden Plan eingerichlet »nd durchgesührt werden nuiiie» Alle Mittel und Methoden der neuern Wissenschaft sind in das Feld z» sichren, wenn ein brauchbares Material von Beobachtungen und Samm lungen erlangt werde» soll, das uns in den Stand setzt, ein Land »ach seinem richtigen Werthe für colonisatorische Bestrebungen oder wissenschasttiche Ausbeute kennen zu lernen. Wie schwierig eS aber für den Reisenden ist, allen diesen Anforderungen gerecht zu werden, weiß nur Derjenige zu beurtbeilen, der selbst aus dem Wege der Praxis Erfahrungen gesammelt bat Es ist gewiß ein großer Bor theil. gut», zur Ausbildung von Reisenden und zum Raidgeber uiKenvegs besonders verfaßte Bücher zu schreiben, wie «S in neuester Zeit erst in der vortrefflichsten Weise durch da« Zusammenwirken bedeutender Hochgelehrten geschehen ist. Es ist aber unser» Ansicht, daß dadurch nocj, lange nicht ersetzt werden kann eine Busdtlduna der Reisenden, wie sie durch geeignete Lehrkräfte an einer besonder- zu diesem Zweck zu gründenden Anstalt durch Wort und Thal »» gewinnen sein würden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder