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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189103124
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910312
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910312
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-03
- Tag1891-03-12
- Monat1891-03
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1891
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I K>lU !M §NMN WM md Alilchcr Nr. 71, N»kls>iis dt« 12. Mn Ml. sind wieder die neuesten und .schdnslcn Mnslcr uns Arbeit gekommen. Glciciizeitist empfehle meine außerordentlich große Austvahl von sämmtllchen L ^ als: 2chuhe, Kiffe«, Teppiche, Decken, Tapisserie-Stoffe re. re. V nrötztk «nSwahl. OD^O keter88ir»886 Vit UltiMin. tzumarelk« von Gustav Kleinert. -t-SdroS »nteten. Die Familie Bullersticbel halte viel Geld und einen einzigen Sohn. Das kam so. Die Frau Bullersticbel, ge borene Goldlack, batte viel (^eld gehabt, Herr Bullersticbel hatte viel Geld gehabt und balle iu seiner glücklichen Ehe »och viel Geld dazu verdient. Sie hätten also ganz gut auch noch einige Töchter habe» können, die Söhne der bcfrcnndclcn Familien batten nicht» dagegen gehabt, aber sie Hallen nur einen Sobn und der dies, Heinerich. Ich wein nicht, wie die Leser darüber denken, aber »>:r gcsällt der Name Hcincrich nicht. Indessen, Heinerich war eine sehr gute Partie, denn er erbte nicht nur viel Geld, sondern hatte auch einen guten Ebarakter. Heinerich halte auch Bildung. Er war ans keiner Elasse des Gymnasium» sitzen geblieben, batte nie eine häusliche Arbeit abgeschrieben, war sogar ohne „Mogclzctkcl" in das Abiturientencrainen gegangen und batte dasselbe mit „gut" be standen. Das Mündua e war ihm nicht geschenkt worden, denn reiche Leute lasten tick nichts schenken. Dann bcsncble er drei Jahre mit Eriolg da- Polytechnikum und erwies in seinen Mußc- stundcn manchem hübschen Mädchen kleine Artigkeiten, den» Heinerich hatte auch einige» Verständnis; für einen kleinen Fug, ein große» btancS dinge, sinnige Formen und Seelen gute. Hieraus war ec von seinem Bater, der gediegene Kcnnt- uisse, einen gute» Ebarakter und gesellschaftliche Gewandtheit zu schätzen tvnßlc, ziim Dircclor seines großen Walzwerkes ernannt worden, wel l e Stellung er unter Anerkennung seiner sämmtlichen Untere, ' encn, wie sein Bater sich austrückle, „voll und ganz" an.wüte. Und in derTbat, man hat seither noch niemals Klagen gehört, daß da- Blech unter seiner Leitung schlechter geworden wäre. Hcincrich war a> o setzt in Amt und Würden, und eS fehlte ihm nach der Meinung seiner Mutter zu seinem völlige» Glucke nur noch eine Frau. Dieselbe mußte natürlich nach der Meinung seiner Mutier nickt nur eine reiche, schöne, gebildete Frau sei», sondern auch aus sei, ee Familie. Frau Bullersticbel batte immer eine Schwäche ,'nr «eine Familien gehabt, denn ihr Gros; vaier war als AzpeliaiionsgerichlSeastcnrentanl gestorben und ibr Bater batte als viclbcgebrtcr Rechtsanwalt die Tochter eines sehr vermögeiiden Eichoricnsabrilaulen gebeirathct, der nnr eine sehr seine Waare geliefert batte. Es gab in der Stadt zwar einige keine Familien, aber entweder batten sie über haupt keine beiratbssäbigcu Töchter, oder dieselben waren nicht hübsch oder nicht cnisvrechcnd vermögend, oder sie standen mit der Familie Bnllcrstiebcl nicht in Verkehr, kurzum, Frau Bullersticbel war der Ansicht, daß ihr Sohn nnr durch eine Frau von answäns glücklich werden könnte, und hoffte, auf ihrer diesjährigen Badereise schon etwas Passendes zu finden. Außer dem großen Bullerstiebcl'schen Walzwerke gab cs in der Stad! auch noch einige kleine Putzgcschäste. Denn auch Hcincrich batte seine Schwäche, er balle sic icbon als Student gehabt, ohne daß seine Mutier davon etwas wußte. Während also, wie gesagt, Frau Vullcrsiiebcl ihre Schwäche für feine Familien besaß, batte der juiigc Herr Blillerskiebcl die scinige für hübsche Modistinnen. DaS Glück für Heinerich und daS Unglück für seine Mutter wollten nun. daß sich seit einem Vierteljahr in dcni Putzgeschäste von Rosalic Grünebaum eine Dircclrice befand, die auf den jungen Tircctcr, als er ibr eines Sonn tags Nachmittags auf der Promenade begegnete, einen gerade zu verblüffenden Eindruck machte. Sbwohl er bei den Ver treterinnen dieser Branche als Student einige Erfahrungen gesammelt batte und über ein gereistes Unheil verfügte, so war ihm doch eine so liebliche Erscheinung in den größten Modcgcschäfw» Hannovers und Münchens »och nicht entgegen getreten. Ich kann nun nicht umhin, obwohl ich im All gemeinen für Modistinnen nicht schwärme, weil sie meistens so etwas llngenirt EmancipirlcS an sich haben, zuzugcbcn, daß das verliebte Erstaunen Heincrich's in diesem Falle wokl am Platze war Tenn do.S junge Mädchen war allen jungen Leuten von Geschmack sofort ausgefallen, batte aber, trotzdem cS in seiner freien Zeit viel spazieren ging, etwas so Vornehm Unnahbares, Laß man selbst in der Stammkneipe der jungen Herren auS der besten Gesell schaft nach einem ganzen Vierteljahr ihm noch nicht daS Geringste nachsagcn konnte. Sie hatte ein IlcincS süßes Gefschtchcu mit großen blauen Augen, eine geschmeidig vcr sührerische Figur und zwei so tadellos vornehme Händchen, daß selbst physiologisch ästhetische Kenner dieser weiblichen Specialität sie als s.'llenc Ercmplare bezeichnet haben würden. Wenn ich nun dem Leser mittbeile, was ich weiß, was aber außer uns Beiden bisher noch Niemand weiß, falls er cS nicht sofort weiter erzählt, so wird er sich hierüber nicht mehr in den, Maße wundern wie Heinerich Bullersticbel: daS junge Mädchen war nämlich aus — feiner Familie, wenn auch Frau Bullersticbel leine Ahnung davon balle. Tic Sache ist sehr einfach und traurig. Grctchen Lenne war nämlich die jüngste von den fünf Töchtern des Gcbeimrathö im CultuSniinisterinm I)r. Albert Lenne. Ihr Papa war gestorben, als sie noch keine vierzehn Jahre alt war, Pcrmögcu war nicht vorhanden, von der Feinheit der Familie konnte man nicht leben, und so Hallen sich denn die Töchter selbstständig gemacht, so gut cS eben gehe» wollte. Grctchc» war aber zu stolz, um ihrer Umgebung clwaS von ihren Familienverhältnissen zu vcr» ratheu, und so wußte nian — daS beißt die paar Lcute, die sich für sie iutcrcssirtcn — von ibr nur, daß sic eine hübsche Putzmacherin mit ausnahmsweise schönen Händen war. Grctchen war aber nicht nur ei» hübsches, sondern auch ein NugcS Mädchen und machte sich keinerlei Illusionen darüber, femalS eine gute Partie zu machen, aber ebensowenig hatte sic Neigung zu jenen kleinen Verhältnissen, wie sie allein stehende junge Mädchen meistens aus Langeweile und weil ihre Eollcginnen daS auch so macken, so leicht cingchen Als Lader Heinerich sie eines Abends auf der Straße — sie kam von einer geschäftlichen Besorgung — anredete nach den; Molto; Plein schönes Fräulein, darf ich» wagen, wurde er ebenso biovi nmn» abgcscrligt. Ta cs Heinerich jedoch in der Einsäkcluug solcher kleinen Assairen weder an Erfahrung noch au Unverfrorenheit fcbllc und Grctchen sich durch sein sicheres Austreten, wenn auch nur einen Augenblick, einschnchlein ließ, so balle er in besagtem Augenblick doch bereits ihr Händchen i» der seinen gehabt und dachte tan» zwei Tage lang über dieses Händchen nach. Am nächste» Soniilag rannte er auf sänimt- lickien Promenaden umher und ruhte nicht eher, bis er ihr begegnete, i» galanlcsser Weise grüßte und einen bewundernden Blick auf ihre Hände warf, die leider i» langen braunen schwedischen Glaeöhanesch»hcn sieckle». Eie hatte ibm eine» erstaunten, wenig criiiuthizcndc» Blick zugeworsc», ibn kaum wieder gegrüßt, aber durch eine gewisse nervöse Bewegung ihrer Schulter» verratben, daß sic ilm sofort wiedcrcrlanntc. Vergebens bemübte sich Heinerich Abends, sie wieder zu treffen, vergebens suchte er sie am nächsten Sonntag ans den Prome naden, vergebens machte er sich selbst Vorwürfe über den Eifer, den er dabei an den Tag legte. Am nächsten Sonntag — eS war ein herrlicher Frühlings tag, die Vögel — rock daS hat nichts »ist der Geschichte zu tbun — traf er sie am „Dannendaum", dem beliebtesten vLomniervcrgiiüguiigölocal, in Gesellschaft der Familie Grüne- baum. Sie sah aanz reizend ans — ich gebrauche hier Heincrich's eigene tDorte, dieses viel gebrauchte Eigenschafts wort hat also in diesem Falle eine liefere Bedeutung wie gewöhnlich — i» ihrem einfachen, aber elegant sitzenden schwarzen Kleide, und ihre großen blauen Augen schweiften mit naiver Freute über daS zahlreiche Publicum; ja, die Familie schic» sogar ihrethalben zum Tanzkränzchcn bleiben zu wollen, daS sich an das Fcskcoiicert anschloß. Heinerich batte sie die ganze Zeit über beobachtet und constatirle diese Tbaisache mit großer Geniigkhuung. Es war zwar verpönt, daß ScuieSglciche» auf derartige» Volkodällen — wie sie von der Easinogcsellschast genannt wurden — tanzte; indessen, was batte er danach zu fragen. Das versprach doch einmal einen Genuß in dem langweiligen Allerlei des kleinstädtischen Lebens, »ist einem solchen Mädchen im Arm durch den Saal zu stiegen. Als daher der erste Walzer gespielt wurde, drängle er sich durch das Publicum an ihren Tisch, machte ein ver gnügtes Gesicht und eine leichte Verbeugung, nannte aber losort seinen Namen, nachdem sic ihn einen Augenblick groß angesehen, denn das hatte er eigentlich für überflüssig ge basten. Während sich die Familie Grünebaum von ihrer Ucbcrraschung noch nicht wieder erholt batte, war er bereits mit ihr mitten im Gedränge des Tanzes. Sie tanzte graziös »nd spielte auch nicht die Prüde, als er sie etwas fester an sich zog, wie das wohl aus den Casinobällen üblich war, sonst aber blieb sie ziemlich einsilbig, wenn Hcincrich auch sebr wollt an illrem beweglichen Mienenspiel und dem Schalk »i ihren Augen merkte, daß cS weder Beschränktheit noch Verlegenheit war, waS sie schweigsam machte. Das Mädchen gefiel ihm immer mehr, und wenn es keine Putz macherin gewesen wäre, hätte er sich sogar frank und frei cingestanke», daß er jetzt schon vollständig in sic verliebt war. Beim zweiten Tanze — so un gefähr eine Stunde später — wußte sie natürlich schon ganz genau, wieviel Vermögen die Familic Buller sticbel so ungefähr besaß. Frau Grünebaum hatte ibr daS lang und breit au-einandergesetzl und auch noch hinzu- gesügl, daß ei» Mädchen ihres Stande- sich nur in Unge- Icgcnheitcn brächte, wenn sie mit derartige» Herren iuS Gerede käme. So etwas AclmlichcS sagte sie ihm denn auch, als er sie bat, ihm dock zuweilen Gelegenheit zu geben, sie sehen und sprechen zu können. Sb er es nun geschickt angefangen, ob sie bei ihm die Hcrzciisiöiic einer echten Lcitcnschatt berauShörte, kurzum, sic trafen sich, sie hatte ihn gern, sic liebte ihn, sic lag a» seiner Brust, sie küßten sich, und Frau Bullcrstiebcl Hörle von der ganzen Geschichte. Tie arme Frau. Während sie sich den Kopf darüber zerbrach, wo sic für ihn eine in jeder Beziehung passende und ebenbürtige Frau bernelmien möchte, während sic sich bereit- völlig^darüber klar geworden war, daß kein einziges Mädchen der Stadt würdig sei, ihre Schwiegertochter zu werken, bändelte ihr Sohn ein Verbältniß mit einer Putz macherin an, worüber die ganze Stadt bereit- sprach. ES war wirklich ein Skandal. Sie wußte zwar ganz genau, denn soweit glaubte sic denn doch ibrey Sob» zu kenne», daß das nur so eine Marotte, so eine Idee, so ein Zeitvertreib von ihm war, aber so etwas macht man eben in einer kleinen Stadt, wo die Augen de- ganzen PublicumS auf einen in hervorragender Stellung besiiiklichen jungen Man» gerichtet sind, nicht. Mein Gott, eS tonnte ,hm ja bei seiner Hcirath weiter nicht schaden, welcher reiche junge Mann hätte denn nicht vorher mal so eine kleine Liaison gehabt; und dann rcflectirte sic ja auch, wie gesagt, gar nicht auf die Töchter der Stadt, aber eS war doch immer ärger lich, daß inan ihren Sobn mit einer solchen Person in Be ziehung brachte. Ein schöne-, reiche-, gebildetes Mädchen aus seiner Familie und dann eine Putzmacherin! Der Gegensatz war zu komisch. Hübsch sollte sie allerdings sein, aber man kennt da- Hübsche bei solchen Mädchen, ilnd reich und ge bildet war iie gewiß auch, denn sic war ja eine Putzmacherin. Und an- seiner Familie: hier konnte Frau Bullersticbel bei ihrer ärgerlichen Selbstbetrachtung denn doch nicht umhin, in ein höhnisches Gelächter auszuhrechcn. Als Heinerich sich in das hübsche Grctchen verliebte, da dachte er allerdings ähnlich so wie seine Mama; vier Wochen glanblc er sich wohl für sie intcrcssiren zu können, dann machte man ihr ein mehr oder weniger werthvollcs Geschenk »»d dazu einige schon häufiger zu diesem Zwecke verwendete Redensarten und ließ die vsacke im Sande verlausen. Aber schon nach vierzehn Tagen hatte eS ihm das böse Grctchen derartig angclbaii, daß er mit Schrecken daran dachte, seiner Mama vo» dem lieben Mädchen erzäblen zu müsse», und nach vier Wochen, wo eigentlich die AbschiedciiSredciisarten halten fallen müssen, gestand er sich und ihr, daß er eher mit seiner ganzen Familie zerfallen würde, che er von ibr ließe. Und dabei wußte er iinincr »och nickst einmal, daß sie die Tochter eines Gchciniralhö im Eullusministerium war. * * . „Sag' mal, Heinerich, ich bähe mir erzählen lassen, Tu unterhieltest seit einiger Zeit ein, wie soll ich sagen, soge nannte- Verbältniß mit — den Namen habe ich wieder ver gessen, das thut aber auch nicht- zur Sacke — mit einer Piltzinachcri». Ich schäme mich ordentlich, vo» der Ange legenheit zu sprechen, aber das Gerücht tritt mit einer solche» Sicherheit auf, und ick bin noch gestern auf Ouasselkopp'ö Kränzchen danach gefragt worden, daß ich denn doch einmal ernstlich . Ma» sind daS denn eigentlich für Dummheiten, ich hätte Dich wirklich für vernünsligcr gehalten." „DaS junge Mädchen heißt Grctchen Leime, Mama, ist Dircctrice bei Grünebaums und " „Und Du hast Deine Beziehungen zu diesem Grctchen längst wieder aufgegebcn, wolltest Du sagen. Nun, daS ver steht sich ja von selbst. Aber ich würde doch hier am Orte so etwas nicht macken, Heinerich. Ich kann Dir diesen Vor wurf nickt ersparen. Wenn Dein Papa davon hörte, er würde ernstlich böse werden. Einem Studenten in einer fremden Stadt wird so etwas sckon nachgcsebe», aber Du bist doch jetzt sechsundzwanzig Jahre alt; das junge Mäkckcn muß wirklich hübsch sei», sonst könnte ich diese Thorhcit nicht begreifen ." „Sehr hübsch, Mama, und " „Nun ja, ich wußte wohl, daß Du keinen schlechten Ge schmack batiest. klebrigen« kenne ich die junge Perio», wie mir jetzt cinjällt Sie bat mir bei der Wahl meines letzten Hute« sebr verständige Rathschläge gegeben, sic Kat i» der Tbat so etwa« Apartes, und eS tknl mir eigentlich leid, daß ich i» Zukunft, wenigstens so lange die junge Person bei GrllncbaumS thätig ist. dort nicht mehr arbeiten lassen kann; denn Du wirst doch zugebc», daß cs mir peinlich sei» muß * „Tu läßt mich gar nicht zu Worte kommen, Mama, und deshalb will ich mich jetzt ganz kurz fassen: ich gedenke allen Ernste-, Gretcke» Lenne zu becralken " Wenn in diesem Augenblick das HanS eingefallen wäre, oder ihr Mann einen Scklaganfall bekommen hätte, die Be stürzung von Frau Bullersticbel hätte nickt größer sein können. ,DaS werde ich niemals zugcbcn, niemals", brachte sic endlich mühsam heraus. „Das erste beste hergelauscuc Mädchen meine Schwiegertochter, niemals!" Und sie warf sich aus ein Fauteuil und weinte. DaS schöne Grctchen schluchzt« auch, als ibr am andern Tage, einem reizenden Scnntagnackmiilagc. i» dem reizenden Staktwäldcheii Heinerich diese böse Scene erzählte. Sie legte ihr liebliches Köpfchen an feine Schulter, und er legte seine» verliebten Arm um ihre seine Taille und dann ickwor er ibr, ewig der Ihre zu bleibe». „Das erste bene hergelaufene Mädchen", das werde er seiner Mama niemals vergeben. „DaS bin ich auch nicht, Heiucrich", versicherte sie ihrem Geliebten, indem sie ihre schönen Arme um seinen Nacken legte, „ich " „Du brauchst Dich nickt zu vertbeidigen; ich weiß, wer Du bist und was Du bist und daß Du mein Engel bist." „So, Du weißt Alles ?" fragte sic sanft errölhcnd, „wer hat Dir denn gesagt ?" „Niemand hat mir etwas gesagt, ich lese alles au- Deinen süße» Auge». Und wenn Du die Tochter der ärmsten Wasch frau und Dein Vater " „Ach, mein Vater, er war sehr gut. Was würde er fick gefreut haben, wenn er Dich gekannt hätte. Ader meine Mutter, die wirst Tu scllcu und sie wird Dir gefallen." Heinerich war »> heroischer Stimmung und fragte leise, fast ängstlich, den» er fürchtete sich vor diesen Enthüllungen: „Deine Eltern waren wobt arm?" „Wir hatten kein Vermögen und die drei-oder viertausend Thatcr, die mein Vater als Gehalt bezog, reichten bei seiner Stellung und den Ansprüchen, die die Gesellschaft an uns stellte, so eben hin, um " „Drei- biS viertausend Dhalcr, Ansprüche, Stellung, Ge sellschaft. Aber, lieber Schatz, waö war denn Dein Vater?" „Ich teiile, Du hättest eS gewußt, Liebster? Vater war vor- vorlraaeiidcr Rath im Eultusminlsteriui» und wäre jetzt viel leicht Ministe rialdircclor, wenn er noch lebte." „So?" sagte Heinrich nachdenklich nach einer längeren Pause. „Warum hast Du mir das renn nicht ebcr erzählt?" Er wurde schweigsam grüblerisch, und als sic sich vcrab- schiedelcn, war er lange nicht so zärtlich wie sonst. Grctchen wunderte sich sehr darüber, denn sic hatte eher daö Gcgcn- thcil erwartet. Sie war daher recht traurig. „Du bist mißgestimmt", sagte Frau Bullersticbel am an dern Tage zu ihrem Sohne, als sic ibn, i» Gedanke» ver sunken, in der Dämmerung im Erkerzimmer sitzen sab. „Ja, aber Kind, Du kannst eS mir doch nicht verdenken, wenn ich nicht gerade sehr erbaut von dem jungen Mädchen sein kann, da- Du mir da >nS HauS bringen willst. Ich habe mit Deinem Vater darüber gesprochen, er war natürlich auch zu erst wie aus den Wolken gefalle». AIS ich ihm aber sagte, daß mit Dir darüber kein vernünftige- Wort zu reden sei, daß Du fest entschlossen schienest. Deine» Willen durchzusetzen, da meinte er, wir müssen uns in daS Unabänderliche füge», wenn Du Dich nicht selbst im Laufe der Zeit eines Bessere» bedächtest. So schwer cö mir daher auch wird, aber melan cholisch brauchst Du nicht zu werten; wen» das Mädchen nur einigermaßen auö anständiger Familie wäre!" „Sic ist die Tochter de- verstorbenen MinisterialratbS Or. Albert Lenne", erwiderte Heinerich mit gleichgiltiger Stimme. Frau Bullersticbel wurde blaß und sah ihren Sobn ängstlich forschend in« Auge, ob nicht der Helle Wahnsinn darin schon auSgcdrückt läge: „Kind, WaS redest Tu nur, was sagst Du, Du sprichst im Fieber." „Wie so, Mama? Wie kommst Du dazu?" „ES war also nur ein Scherz inil dem Gebcimrath", meinte Fran Bullerstiebcl einigermaßen wieder beruhigt. „Mein voller Ernst. Ihr Vater ist früh gestorben: kein Vermögen, zablreichc Familie » s. w.; da mußten die Kinder trotz des GebcimrathS eben selbst für sich sorgen " „Ja, aber wenn dem wirklich so ist — man kann ja bald Erkundigungen darüber cinzieben —, da stände ja Deiner Heiratk eigentlich kein Hi»derniß mehr entgegen, wenn man von dem Verniögcn absabc Und in diesem Falle " „Nein, Mama, Du hast ganz recht gehabt, sic ist keine Partie für mich; ich werde die Beziehungen wieder abbrcchcn, und eben jetzt dachte ick darüber nach." „Aber WaS heißt denn da«, neulich noch Feuer und Flamme und jetzt so abgekühlt. Hast Du etwas NachthciliacS über sie erfahren oder willst Du etwa meinetwegen — ? Ich verstehe Dich gar nickt!" „NachtbciligeS? Ich habe eben erfahren, was ich Dir berichtet habe, daß sie die Tochter eine- MinisterialratbS ist. Weiler nichts!" „Ja, aber da- kann Dich doch unmöglich verstimmen", meinte die Mama lächelnd. „Dock, Mama, gerade daS!" Wieder warf ihm Frau Bullersiicbel jenen bckümmcri- hasligcn Blick z», ob cS wirklich niit ihrem einzigen Sohne noch ganz richtig sei. „Ack finde cS nicht hübsch, Dir mit mir in so ernster Angelegenheit allerhand Scherze zu erlauben", rief sic endlich erzürnt. „Ick mache gar keine Sckerze, bin wenigstens gar nickt in der Stimmung dazu. Nein, ick mag sic nickt medr: ne hat mich hintcrgangcn. Warum bat sie mir nickt 'le:ck gesagt, daß sic aus vornehm-verariiitcr Familie sei Ick w ll die Tochter eines GebcimrathS nicht zur Fra» laben, wenn ich sie nicht als solche kenne» und lieben gelernt bade E- ist kein Kunststück, daß Gcheimrathsiöchter kleine Hände, schöne Figuren, vornehmes Wesen, mit einem Werre sympathische Erscheinungen sind Ich aber bewunderte in meiner Braut das schöne Mädchen aus niederem Stande, die Ausnahme, die Seltenheit, das Aparte: ,ct> hielt ihre Vornehm- beit für Natur, und es ist gewöhnliche FamiUeritrmur, ick hielt ihre kleinen, seinen, weiße» Hände sur eiiva« Absonderliches, Ungewöhnliches, unk es sind die üblichen Geibcimrall'Ssamilien- bändc; ick hielt ihre Sprache, ihre AiiSdrncksweii'c, ihre» Gang ihren Aiigciiausschlag, ibr ganze» Sichgeben für ein Wunder, wie eS iii der Natur so sclrcii, in Eullurkrcisc» alle Tage vorkommt, und cö ist alles Drcff'ur, vornehmc Dressur. Und deshalb mag ich nickt- mcbr von ibr hören und werde noch morgen aus Reisen geben, um alle» wieder zu vergessen und Gra» darüber wachsen zu lassen." » » Und er reiste andern Tages ab, nachdem er seinem »»glück lichen Gretckcn einen unharniberrig-barockk» Brief geschrieben. Maina Bullersticbel, die da« Naturell ihre- Sohnes besser kannte als er selber, »ahm sich jedoch de- armen Mädchens an, zog sie als Gesellschafterin in ihc HauS, tröstete sie und verliebte fick ebenfalls in sie Die Geheimratbsgeschichlc war bald in der ganzen Stadt bekannt, und man sab die Sacke jetzt mit ganz anderen Augen an; nur konnte man sich ans die plötzliche Abreise Heincrich's so reckt keinen Verü machcil. Als Heinerick nach einem halben Jahre wieder ins Vater haus zurückkchrle unk seine Mama ibm mit ihrer Tvchler Grelckeu fröhlich entgegencilte, da siel er erst seiner Mama und dann „ihrer Tochter" um den Hals. Und sie wrintcu vor Freude, waren und wurden glücklich. Zur parlamentarischen Lage. * Berlin, Ist. März. Trotz de- umsanqreicken, sowohl dcni NcickStaz al« dem preußischen Landtag noch obliegenden ArdclisstosseS bcssl man doch, beide Parlamente vor Pkiiigsten schließen zn können. Größere neue E-eietz- eniwnrje ss»v jetzl in beiden Häusern nickt mebr zu erwarte». Auch die Vorlegung des deu ts ch > österreicd i sch enHandels vertrags, der ledenfalls noch sehr lebhafte Kämpfe herrvr- rusen würde, in der gegenwärtigen Reichstagssessio», wird mit jede». Tag unwahrscheinlicher^ aus den verschiedenste» Anzeichen ist z» entnehme», daß die Verhandlungen gegen wärtig wieder ganz seslgesabre» sind, und bei dem wacktenden Widerstand, der sich i» beiden Reichen sowohl ln industrielle» als i» landwirrhschastliche» .Kreisen gegen die beab sichtigten Zollcrmäßignnge» richtet, ist eine Ucberwindung der Schwierigkeiten, wenn überhaupt, so doch jedenfalls nickt >:> allerkürzester Zeit zu erwarten. Wen» diese Frage für die gegenwärtige ReichStag-session anssckeitel, so kann »nt dem sonst noch vorliegenden Ardeitsstoss, soweit er überhaupt zur Erledigung gelangt, wohl bi« Pfingsten ansgeiännil werten, lind »och sicherer ist dies im Landtag zu erwarten, nament lich wenn, wie cs in der Absicht liegt, die Landacmcindc- ordiilliig in zweiter Lesung »och vor Estern durch- beratben werten kann. Das Abgeordnetenhaus hat in der Förderung seiner umsangreiche» Arbeiten eine höchst anerketinenöwerlhe Leistung vollbracht; es ist nie so rasch »nd erfolgreich gearbeitet worden, und dabei rede» doch nur Diejenige», die daS Znsanimcakommcn der Rcsormgesetzc nicht wünschen, vo» Ueberbastuiig, während dock nur eine zielbewusste, uunützer Abschweifungen und Ver schleppungen sich enthaltende Arbeitsleistung vertag. Ans daS Vollsschulgcsctz wird freilich z» nuscrcm Bedauern vor aussichtlich siir jetzt Verzicht geleistet werde». Es ist auf conservalivcr und klerikaler Seite zn viel Widerwille oder doch zu wciii-z Eifer vorhanden, als das; im gegenwärtigen Augenblick ans eine Vereinbarung über daS Gesetz z», hoffen wäre. Hoffentlich bedeutet der Aufschub aber keinen cnt- giiliigen Verzicht Auch so wird diese Session mit der wiener- und Landgeineinderefornl eine der ergcbnißreichstcn und bcdeiiluugsvcllstcn bilden, die seit langen Jahren da- gewcsen sind. * Berlin, >t). März. Der Reichstag mußte heute abermals wegen Beschlußunsäbigkcit seine Sitzung tinlcr- brecken. Diese andauernde Unmöglichkeit, de» Reichstag in geregeltem Gang zu ballen, erregt nachgerade wachsende Verstimmung und Besorgniß in parlamentarischen und anßer- parlaniciilariscken -kreisen. Vielfach werden die Möglichkciwn erörtert, diesem Uedclstand ahznhclfcn (Herabsetzung der Be- scklnßsähigleitszisscr, Gewährung vo» Diäten u. AI. Der jetzige Zustand ist jedciisalls unwürdig und schädigt aus dir Dauer das ganze parlamentarische Wesen. Wir constatiren aber ausdrücklich, daß es der sogenannte Anii-Eartel- Reichst a g ist, welcher seine Pflicht in solcher unverant- licher Weise verabsäumt. Dresdner Verein )ur Hebung der Sittlichkeit. h Dresden, Ist. März. Unter Vorsitz dec> Perrn Med-Rath vr. Aiedncr fand gestern Abend hier die dieoiätirige lUenerai- vcrsammlung des vor zwei Iabre» gegründeten Vereins zur .Hebung der Sittlichkeit statt Derselben ivcchnte» viele Mitglieder, sowie die Herren tbercoiisistorialraihe k'r Ieiitlch und I>r Acker mann, stlras Vitztlmi» v. Ecksladt, tNeh.-Aalh v. Bosse und andere bvchangesehtiie Persönlichkeiten bei. Eröffnet wurde die Versammlung durch Herrn hvsprediaer Klemm mit «Nebel, woraus der Vorsitzende Herr Med.-Rath l>r. Niedner die Anwesenden mit einer kurzen Ansprache begrüßte. Der VereinSsecrelair hosprediger Klemm erstattete hieraus den Bericht über die Thütigkeit de» Dresdner Vereins und schickte demselben -uni ersten Male e>» übersichtliches und allgemein interessante» Bild der ganze» bisherige» Ent- Wickelung de» Verbandes der deutsche» Sittlichkeits- vereine voran». Al» die ersten Schritte zur Organisation eine» entschiedene» KampseS gegen die öffentliche Unsilllichkeit ln unserem deutschen Vaterland niiternvmme» wurde», war man sich klar bewußt, wie schwierig das Unternehmen, aber auch wie nothwendig vieler Kampf sei, sollte nicht unser Volk in seinem innersten Mark au>. c-ehrt werden. Ehre daher den treuen Männern, welche ihres tvlteS Sterben nicht mit ansehe» konnte», welche da» schlaseute VolkSgewisscn ouirültelte». Vor !) Iabre» trat der Ebrist licke Verein zur Hebung der öffentlichen Sittlichkeit, der urtpriinglich für ganz Deuticktand geplant war, ins Leben. Männer wie Weber, heinerSdors, Stursberg, Dammann haben i» Wort und Schrot nucriiiüdet und lapff-r, aus dem rechten Grunde des Evangeliums süßend, am Werke gestanden. Vor Jahre» ivurde ei» weiterer Sckriti von-.arr» gcrdan Tie Gründung des Berliner Mannerdn:-,des balle nicht nur ihre Bedeutung für die Reichs- Hauptstadt, denn die!c und das westliche Deutschland reichten sich zu gemeinsamem Vorgehen die Hände, und der andaiiernde» zielbewussten Arbeit pan Weber und Philipps ist es zn danken, daß es in dem Kamx-'e aegen die öffentliche Unsitllichkeit zu einer Lrgani- iaston wr ganz Deutschland gekommen ist. AI- der Berliner Manncrdund offen und ungeschcnt da» Kind beim reckten Aanie» nannte und keine Kreise scheute, auch die Krc: e der Kunst und Literatur nicht, welche gewohnt waren, siir sich und ihre Kornpbäen eine beiandere Moral in Anspruch zu nehmen, erhob sich ein Sturm der Entrüstung, und offen trat m zahlreiche» TageSdlälter» der naturalistische Standpunct hervor. Man sab, wie weit da» sittliche Ilrtheil getrübt war, und es war höchste Ieit, de» KonipseSrus erklingen z» lassen und die Bataillone ziiiii Angriff zu svrmire». Tie dereilS bestehenden Bereine in Düssel dorf, Berlin, Dresden, Kiel, Stuttgart schloffen sich zu einer Eon- serenz zusammen. Der ersten Versammlung i» Lasset isoo.» solgle noch in demselben Jahre eine solche t» Hannover, und bereit, im Mai IblKO konnte in Halle eine große, zahlreich besuchte Eonseren z der deutschen Sitilichkeitsvereine abgehaltcn werden nno diese letzte legte beredte« Ieiigmß dafür ab, welche Hortichrilte »ickt nur die Lrgoiiisatio» des Kammes, sondern auch der Gedanke der Bekämpfung de» öffentlichen Volksschadens gemacht Halle. Die meiste» anständigen Blatter haben sich zn den Verhandlungen dirier Eonserenz sehr zuslimmend geäußert und letztere wird zweiselto» bald den Platz in der Reihe der großen evangelischen Iahresversamin- lungen einnehme». Ans der halleschen Evnscrciiz wurde denn die feste Lrganisalwn der Vereine unter einem Vorstande (!'. Weber- AI.-Gladbach und I'. Philipps-Vcrliii , der die Beschlüsse auszuscihren, die Herausgabe eines vertraulichen sZachorgans zu besorg-» und die Jahresversammlungen vorzubereilen hat, sowie die Anstellung eine» Generalsecreiairs sl'. Keller-Berlin- beschlossen, der die ganze Be wegung in Fluß zn erhallen hat. Ferner ivurde Vercinhnrung ge troffen über kräftige Einwirkung in, Sinne der Eitttichkeits- beslrebiingen ans die Gesetzgebung durch enisprechende Petitionen an de» Reichstag: zwei liegen deinselben bereit« vor, die erste »nr Verschänuiig des <i. IKS des R.-Slr.-cv -B , die zweite zur Ver- scharsung de» - in Bezug aus da« Pubällerwele». Die nächste Conferenz wird in dies,,,, herbst zu Frankfurt a M. ffattsiiiden. Wesentlich bat sich inzwischen die Iaht der Vereine vermehrt tauf L.'st: ebenlo sehr ist die Literatur aus dem Gebiete der VereinS- vesirrbungen gewachsen. Die treffliche» Vortrage von Philipp«
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