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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189103225
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910322
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910322
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-03
- Tag1891-03-22
- Monat1891-03
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1891
- Autor
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eint täglich h S'/. Uhr. Nrdnttlou »nd LnedMrn Al^ANXDDM^O v» -Prrch»nndrn her Ned«tt«u Vormltta»» 10—I» Uhr. Nachmttta,, ä— « Uhr. *»lttL8L?2z,ULA!' ^ »«r für «r uüchstf«l»r,v« hestt»«te« Inserate a» e«ea »t» t Uhr Nach«ttta,». »na« «a» -iftta«e« früh dt»'/,» Uhr. 3n den Filialen für 2nf.-An»ah«e. Ltt« Ule»« » E«rtt«. «Alfred Hatz,). rivMtr.TagMlltt NbonnementSprris vierteljährlich 4*/, Mk. ln Mt-Lelpzig, iiicl. Briaaerlohn S Mk-, durch die Post bezogen 6 Mk Einzeln« Nr». L) Pf. Beleqerrmplae 18 Pf. Gebühren für Eptrabeilaai» ltn Laaeblatt-Forma« gefalzt) ahne Postbesörbrrung SO Mt-, mit Postbesördrrung 70 Mk. Anzeiger. Nerlamen unter dem Redacttonßstrlch di« 4 Zelle SOPs., vor den Familieanachr di« Kgejpallenr Zeile 40 " stet» au di« Erp t. tra s-»t» Lüsche. Katharinenstr. 14, pari, und KSittgSplutz 7. m»r bt« '/^ Uhr. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. senden. — Rabatt wird nicht »«-eben. Zahlung peaavuwenulcko oder duöch Post« Nachnahme. ^ 81. Sonntag den 22. März 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Geffentliche Sitzung der Stadtverordneten «ttt»»ch. den rs. «iir» 18»1, «dend» «V. «tzr. t« Tttz««»»faal, a» Naschmmette. Tagesorduuna: I. Bericht de» Finanzausschüsse» über: Gewährung eine-Kosten- dcilragt» für di« Ausstellung von Gesellenstücken und Lehr- lingSarbeiten. II. Bericht de» bestellten Referenten bez. de« Vas«, Ökonomie- und „Gasanstalt I und II" de- HauShalt-lane- für 18S1. HI. Bericht de» StistungS- bez. Bau« und OekonomieausschusseS über da- Specialbudget: .LohanniShoSpital" sammt Anhängen des 1891er Haushaltplanes. IV. Bericht des BauauSschufle» über Conto 31 „Gebäude" Conto 32 „Schausplelhäusn:" Pos. 1b und 24, sowie Special« budaet „Städtische Volksschulen" Fortbildungsschule für Mädchen Pos. 3« und Volksschulen Pos. 317—348 de-, Haushaltplanes auf das Jahr 1891. V. Bericht des Bau-, Lekonomie« und Finanzausschusses über Ankauf der beiden in der Flur Leipzig-Vvlkinarsdors ge legeaen BanplLtze Rr. IbO und 1b1 de» Nr. 4963. rcellirungSplaneS Lekanntmachung. der Wüblbarkeit und e oder Halbfabrikate rbetter wählbar und I. Zufolge de« Reich-gesepe-, betreffend die Gewerbegerichte, vom 29. Juli 1890 und de» dazu gehörigen OrtSstatut» vom 4. März 1891 sind für da» an Stell« d«S bisherigen GewerbeschiedSgerichts tretende Getverdrgertcht »er Stadt Leipzig aus die Dauer von 3 Jahren 90 Beisitzer zu wählen. Eie müssen zur Hälfte au» den Arbeitgebern, zur Hälft« au- den Arbeitern ent« nommen werden. Die Erster«» werden mittelst Wahl der Arbeit« qeber, die Letzteren mittelst Wahl der Arbeiter bestimmt. Die Wahl ist unmittelbar und geheim. Di« Stimmzettel sollen je 4L Nameo enthalten. II. l) Al» Arteiter gelte» hier diejenigen Gesellen, Gehilfen, Fabrikarbeiter und Lehrlinge, auf welch» der VN. Titel der Ge« werbeordnung Anwendung finoet. ingletchen Betrieb»beamte, Werk« meister und mit höheren technischen Dienstleistung« betrantr An gestellte, der« gahreSarbeitSverdienst an Loh» oder Gehalt 2000 nicht übersteigt. 2) Den ArtzritgeRern steh« hinsichtlich der Wählbarkeit und Wahlberechtigung di« mit der Leitung eine» Gewerbebetrieb» oder eines b^timinteu Zweige« desselben betraut« Stellvertreter der selbst, ständigen Gewerbetreibenden gleich, sofern sie nicht »ach dem Bor« stehenven als Arbeiter gelt«. 3) Hau-getnerhktretvende sind bezih Wahlberechtigung, dafern sie sich die s selbst beschaffen, al» Arbeitgeber, sonst al- wahlbercchtigt. III. 1) Zum Mitglied« eines vewerbegertcht» soll nur be« rufen werden, wer das 30. Lebensjahr vollendet, in dem der Wahl vorangegangenen Jahre für sich oder seine Familie Brmenunterstützung au« öffentlichen Mitteln nicht empfangen oder die empfangene Armenunterstützung erstattet hat und in dem Bezirke des Gerichts seit mindestens 2 Jahren wohnt oder beschäftigt ist. 2) Unsähig zu dem Amt« eine« GewerbeaerichtSbeisitzerS, welcher nur von einen, Deutschen versehen werden kann, sind ». Personen, welche die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter infolge straftgerichtlicher Lrrurtheilung verloren haben, d. Personen, gegen welche da» Hauptverfahren wegen eine» Verbrech«« oder Vergehen- eröffnet ist, da« die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Be« kleidung öffentlicher Armter zur Folg« haben kann, o. Personen, welch« infolge gerichtlicher Anordnung in der ver« füaung über ihr Vermögen beschränkt sind. IV Zur Thetlnahme an »eu Wahlen ist nur berechtigt, wer dos 2S. Lebensjahr vollendet und seit mindesten« einem Jahre in dem Bezirke de- GewerbegerichtS Wohnung oder Beschäftigung bat. Die vorstehend unter III. 2) bezeichnet« Personen sind nicht wahlberechtigt. V. Die Wähler haben sich vor dem Wahlausschuss«, soweit diesem dir Wahlberechtigung nicht bekannt ist, über dieselbe auszu weisen. Zeugnisse, durch welch« die Wahlberechtigung unter IV.) daraethan wird, werden auf Ansuchen durch da» Poiizetamt Leipzig ausgestellt. Arbeiter, welche nicht bereit- seit dem l. April 1890 iu dem jetzigen Leipziger Stadtbezirke wohnhaft, wohl aber seit dieser Zeit daselbst beschästigt waren, haben letztere- durch ein Zeugniß ihre« Arbeitgeber« nachzuweisen. VI. Die Wahl der Beisitzer au« den Arbeitgebern soll am 1. April 1891 von 10 Uhr Vormittags bis 6 Uhr Nachmittag», diejenige der Beisitzer au» den Arbeiter« am 2. April 1891 von 7 Uhr früh bi» 8 Uhr Abend- stattfinden und zwar an beiden Tagen im Krystallpolast zu Leipzig, WtntergartkNstratze. Leipzig, am 14. Mär» 1891 Stadtrath vüttner. Vorsitzender de- GewerbeschiedSgerichts VIc. 440. nässest, Ger.-Schr. (zu vergl. oben von heute ab Lönigl. Vaugewerkrnschule. Zur Ausstellung der Echnlerarbeitrn und iisfentltchrn vntlaffnng »er Schüler werden hierdurch Altern und Vor münder, sowie Gönner und Freunde der Anstalt im Namen des Lehrerkollegiums ergebenst eingelade». Dienstag, de« S4. März, »—S Uhr und Mittwoch, de« SS. Mürz, » II «nd 1S-1 Uhr ' findet die Ausstellung, Mittwoch, de« SS. «iirz, »on 11-1S Uhr dte Entlass»«» statt. Leipzig, den 21. März I8SI. Dir Direktion der Rünigl. vaugewcrtenschnle. HVIib. Ue,. Verkauf eines Schulgebäudes. Infolge der Errichtung eine» CentralschulgebäudeS wird da« der Grafe'schen Sttftuna gehörige Schulgebäude spatesten« den I. Oktober d. I. verfügbar Das Gebäude eignet sich infolge seiner guten Loge zu ,»d«m Geschäftsbetriebe, insbesondere auch für Fabrikzweae Der Unterzeichnete Stadtraltz Hot beschlossen, dieses Gebäude nebst Hos und Garten, wen» ein annehmbare» Gebot erfolgt, zu verkaufen, ur Annahme der Gebote, resp. Steigernnq derselben wird biermil «rmin auf Mittwoch, Pen SS. März h. I., Vorwitt«,« I I Uhr an hiesiger Rathsftell« «»beraumt. Angebote werde» l«doch auch schon vorher «ntgegengenommen Et«htr,rh Aofzwet«. den >0. Februar 1891. Bürgermeister Rüder. Herr Herr " >err Vilbel« Aeinholh stlerberg uad der Klempner Gruft O«tl Mtdmg, tu Firma Uleeberg 4d Müdtug, L-Anger^Irottendorf, Zweinaundorfrr Straß« Nr. 22, zur Uebernahin« solcher Arbeiten bet uns sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiefe» habe». Leipzig, am 20. März 1891. Der Aath der Stadt Letpztl vr. Georgi. Wol X. 1269. Stockhohanclioil. Montag, den SS. Mürz ». I»., sollen von Nachmittag» S Uhr an auf dem Kahlschlagr in Abth. Sä de» Tonnewitzer Reviers ca. SS» Haufen Nein »««achte» harte» StoShalz unter den auf dem Schlag« aushängenden Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: Auf dem Holzschlage im WolfSwiakel am Flostgraben, oberhalb der weißen Brück«. Leipzig, am 14. März 1891. De» Aath» Forstdeputatton. Aufforderung, die Beseitigung der An-wüchfe de» Terminhandei» betreffend. Unter Bezugnahme auf die beim Reichstag zahlreich eingegangenen, wie auch neucrbing- an den BundeSrath gerichteten Petitionen, deren Schlußgesiich dahin geht: es möchten geeignete Maßnahmen gegen die Auswüchse de» Terwtnhanvel» zunächst in der Richtung angeordnet werden, daß zwischen Liefeningshandel und böcsenmäßigem Terminhandel — soweit «in solcher in Nahrungsmitteln und sonstigen «nentbehrltchen Gebrauch-gegenstände« betrieben wird — im Wege der Gesetzgebung di« erforder lichen Grenzen gezogen werden, ist der unterzeichnet«« Kammer vom kgl. Ministerium de» Innern aufgegeben, ihre Wahrnehmungen über den Einfluß de» Termin- Handel- und der WaarcnliquidattonScaffen auf den Preitstaud uad den Handel der betheiligten Waarengattongen «inzuberlchtrn, bez. Vorschläge über Beseitigung d« in den Petitionen angeführten Dte »ewerbekammer. D.«. Orhler, vors. Herzog, Geer. Veue Skandale in Paris. Die Folgen der Kundaebnnaen, welche Deroüled« während der Anwesenheit der Kaiserin Friedrich in Pari» veranstaltet hatte, haben seinen Eifer nicht abgekiihlt; seit dem 17. d. M. ,st die Action der „Patrioten" wieder im vollen Zuge. Die Vorgänge im Ambigu-Theater, die Hochrufe ans Boulanger, Deroulede, Frankreich und die Revanche haben vie Aufmerk samkeit der Behörden auf da- Treiben Deroulede'S und seiner Genossen gerichtet und die Meinung verbreitet, daß die verbotene Patriotenliga dem Bcrbote zum Trotz heimlich fortbestcbt. Auch eine Geacnkundaebnng auS Anlaß des BankclS der republikanischen Vereinigung zu Ehren Ferry'S auf dem Montmartre war für den Sonnabend beabsichtigt, und diese Zeichen de» Streben-, Unruhe zu stiften, veranlaßten die Staatsanwaltschaft, Haus suchungen bei einer Anzahl Personen vornehmen zu lassen, deren Erfolg den bestehenden Verdacht als begründet er wiesen hat. ES hat sich eine Verflechtung de- nationalen RachegedankenS mit revolutionairen Bestrebungen heraus gestellt, welch« die Befürchtungen der Regierung durchaus rechtfertigt. E« sind bei den Haussuchungen aufreizende Placatr gefunden worden, welche die Revolutionair« aller Gattungen zu einer Kundgebung für den 1. Mai aufrufen. Besonder» bloßgestellt erscheinen der Anarchist Morphy, Secretair der alten Patriotenliga, die Abgeordneten Roche und Granger. welche ungeachtet der halbamtlichen Versicherung, daß keine Verhaftungen stattgefundcn haben, festgenommen sein sollen. Deroulede hat trotz de- Erfolges der Haus suchungen die Stirn, die Regierung wegen dieser Maß nahmen zu interpellirrn und den Fortbestand der Patrioten ll.za in Abrede zn stellen. Au« dieser Sachlage geht hervor, daß die Regierung e» an Ernst i» ihrem Vorgehen gegen die Führer der Palrioten- liga hat fehlen lasten, sonst könnte Deroulede nicht mit so großer Sicherheit eine Tbätigkeil entfalten, die ganz unzweifel haft den Zweck hat, die kriegerischen Leidenschaften der Fran zosen zu entstammen. In den Aeußerungen der Absichten Deroulede'« ist derselbe Geist lebendig, welcher die Schritte Boulanger'S leitet und seine Wahl im Januar 1889 im Bezirk Montmartre ermöglicht bat. Es ist auf die Zu sammcnsassung aller Bestandtheilr der französischen B« völkerung abgesehen, welche der ruhigen und friedlichen Ent Wickelung abgeneigt sind und von einer Veränderung der Lage Vortbcilc erwarten. Bei den Kundgebungen gegen die Kaiserin Friedrich war die ganze französische Nation der Gegenstand der von Deroulede ansgchcnden Aufreizungen, und wie man gesellen hat, leider nicht ohne einen augenblick lichen Erfolg. Bei dem Lärm im Ambigu-Theater wurde schon der Name Boulanger genannt, und bei der Kund gebung gegen das JahreSbankct der republikanischen Ver einigung auf dem Montmartre ist eS die Perlon Ferry's, gegen welchen, al« den Hauptvertreter der gemäßigten Re publikaner, der Haß der Rachepolitiker angefacbt werden sollte. Im Hintergründe sind die Anarchisten und die An hänger der Commune al« HilfStruppen in Bereitschaft gehalten, um da- Volk zu terrorisiren und e» zu Entschlüssen zu treiben, welche jeder ruhigen, besonnenen und ordnung- gemäßen Fortentwickelung Hohn sprechen. Man hat den Versuch gemacht, Deroulede al» einen über spannten, lächerlichen Menschen darzustellen, welcher auf seine Landsleute niemals einen bestimmten Einfluß gewinnen könne, die Tbatsachcn baden aber bewiesen, daß diese Annahme aänzlick» unbegründet ist. Da» Treiben von Fanatikern, wie Deroulede, wirtl aus die Franzosen nickt im komischen Sinne, sondern erregt die leidenschaftliche Seite ibres Wesens Man bat genau denselben Vorgang beim Auftreten Boulangrr'S beobachtet. In Deutschlank würde ein solcher Held über all mit Hohn unk Verachtung abgrfertigt worden sein, i» Frankreich wurde er zum Brennpuuct der auf Wiederherstellung der Monarchie gerichteten Bester düngen rrwäblt» und „Patrioten", Socialisten und Anarchisten spannten sich an seinen Triumphwagen. Und diese Bewegung wirkt selbst heute noch fort, nachdem Bcu anger die schwersten materiellen und moralischen Niederlagen erlitten hat. Vermochte es doch sogar der von jeder ver- .. . «ine- Manifeste« benutzte, al» rin politische» Errigniß gefeiert wurde. Derou- lede'S Anstrengungen, die Aufmerksamkeit seiner Landsleute >u erregen, sind keineswegs leicht zu nehmen, wir dürfen an seiner Pandluna-weisr nicht den deutschen Maßstab legrn, sondern müssen sie im Sinne der französischen Rachepolitiker beurtheilen, deren Zahl je nach der Stimmung de» Angen- blick» schwankt. Auch zur Zeit der großen Revolution wandt« sich die auf Veränderung ihrer Lage bedachte Bevölkerung Frankreich» gegen da» Ausland und fand in ihrem dunkeln Drangt, der m ihr tobenden Aufregung Befriedigung zu verschaffen, einen Mann, welcher die französische Thatenlnst benutzte, um sich zum Wcltbeherrscher ausziischwingen. Wir haben e» bei den Aufführungen de» Sardou'schcn Drama- „Thermidor" gesehen, daß die Sorte Franzosen, welche die Schreckensherrschaft au»- übten, noch nicht auSgcstorbcn ist, und wir müssen uns mit ganger. Zum Lerständniß dessen, wa» jetzt in Frankreich vorgeht. ist e« nöthig, darüber zur Klarheit z» gelangen, welcher Grad von Rachedurst in einem Volke schlummern muß, da nach der tiefen Erniedrigung, welche Boulanger durch seine Flucht und seine Berurthrilung und noch mehr durch die Art, wir er sich nach der Berurthrilung benommen hat, noch Neigung hat, ihm öffentlich Sympathie zu bezeugen» wie e« von den Patrioten im Ambigu-Theater geschehen ist. E« fehlt nur, daß es Boulanger gelänge, unter irgend einer Ver kleidung nach Frankreich zu kommen und sich an die Spitze der durch Deroulede veranlaßten Bewegung zu stellen» um einen Erfolg zu erzielen, vor welchem die Negierung e» gerathen hielt, die Segel zu streichru. Boulanger ist nicht au« dem Stoff gemacht, welcher Helden hervorbrinat, sonst wäre er in Paris geblieben, al- sich das Unwetter über ihm zusammcnzog, statt feig nach Brüssel zu entfliehen; aber da» Vertrauen aus seinen Berus al- Führer im Rachefeldzug ist auch heute noch nicht vollständig erschüttert; r» giedt Leute in Frankreich, die e» al» eine erlösend« That begrüßen würden, wenn stch Boulanger entschließen könnte, plötzlich als Retter Frankreichs in Pan« zu erscheinen, Wa» Boulanger nicht wagt, Dann aber ein Anderer wagen, und e» fehlt nicht an jungen Leuten, welche die Rolle des Abenteurer gern über nehmen würden, wenn sie Aussicht auf Erfolg rrössneten. Prinz Bictor brennt nicht weniger daraus, sich an die Spitze Frankreichs zu stellen, wie der Herzog Ludwig Philipp von Orleans. * Leipzig, 22. März. * Nach den Erknndigmige», welche die „Kölnische Zeitung in der Angelegenheit de« SlaalSsecrctairS v. Bötticher rin- gezogen hat, ist der wirkliche Sachverhalt folgender: Herr v. Bötticher war an de» Geldverlegenheiten seines Schwieger- Vater» weder direct noch indirekt, durch Bürgschaftsleistung u. s. w betheiligt, hat iedoch beträchtliche Opfer gebracht, um dieselben be- seitigen zu helfen; er setzte jedoch dem Fürsten Bismarck den peinlichen Thaibestond auseinander und bat um seine Entlastung. Fürst Bismarck wollte jedoch auf die Mitarbeit einer so be währten Kraft nicht verzichten. Indeffen wirkt« dt« Angelegen« heit auf di« Stimmung de« Or. von Bötticher ntederdrückend, lähmte seinen SchaffenSmuth und schaffte so einen ans dte Dauer unhaltbaren Zustand. Nach einer erneuten Besprechung der Sach« machte Fürst Bismarck Ende 1887 dem Kaiser Wilhelm I. Mit- thrilung von der Sachlage; auch Kaiser Wilhelm I. trat in warmer Weise für da« Verbleiben des Vr. v. Bötticher im Amt ein. Line« Tage« übermittelte Fürst Bismarck dem vr. v. Bötticher eine Summe, welch« genügte, um das Tarlehn abzuzahlrn, welche« Freunde des Herrn v. Bötticher seinem Schwiegervater gemacht hatten, vr. v. Bötticher erfuhr nicht, woher dies« Summe stamme, insbesondere war ihm gegenüber von dem Welsrufonds oder von dem allerhöchsten Dispositionsfonds niemals die Rede; er betrachtete die Summe als eine Gabe de- Kaisers und somit al» einen ehren- vollen Beweis dafür, wie hoch der Monarch fein« Dienst« schätze Diese Austastung konnte ihm um so näher liegen, als er wußte, daß der Kaiser auch sonst in ähnlichen Fällen mit seiner Privat- schatulle eingegrtffen habe. Es ist eine ganz bekannte Thai- fach», daß der verstorbene Kaiser Wilhelm in der freigebigsten Weise jeder Zeit bereit gewesen ist, unverschuldete Geldverlegenheiten tüchtiger Officiere und Beamten, sei es au« eigenen Mitteln, sei »S aus dem allerhöchsten Dispositionsfonds zu beseitigen. Ter Kaiser hat in dieser Hinsicht im Stillen eine außerordentlich segens reiche, großartig« Wohlthätigteit grübt. Nur in den seltensten Fällen ist seine Htls« an di« Oefsentlichkett gekommen. Am meisten bekannt geworden ist sein wiederholtes Dazwiichentreten zu Gunsten cines berühmten, vor einigen Jahren verstorbenen General». Heren v. Bötticher gehen, wie wir hören, au» Anlaß des Zwischenfalls von allen Seiten Beweist lebhaftester Sympathie zu. Wie bereit» gemeldet, hat der Kaiser, nachdem vr. v. Bötticher seinen Rücktritt angeboten, sich über die Anacleaenhett Borlraa holten lassen und sich dann entschieden für das Verbleiben des Minister« im Amt a»S- aesprochen. Der Zwischenfall dürfte dte Stellung de« vr. v. Bötticher soaar noch befestigt haben, da man von der Auffassung ausging, die bekannten Gerücht» seien gerade zu dem Zwecke verbreitet worden, um dir Stellung de» StoatSiecretoirs zu erschüttern. Diese Darstellung stimmt mit den Angaben der „National- ung" überein. * AuS Gera wird un- unterm 29. März geschrieben: In der heutigen Sitzung de» Landtages für Reust jün- ercr Linie nahmen an den Verhandlungen Staat-minister Vr. von Beulwitz, Geh. Staotsratd vr. Bollert und Staatsrath Engelhardt theil. Nach dem mündlichen Berichle de- Finanz-AuS- schuise« über di« Kasten für Herstellung der Ehrendecoratione» wird »in Betrag von 100 bewilligt. Aul eine Interpellation des Ab- geordneten Reibestein «heilt Staat-minister vr. von Beulwitz mit, daß vom fürstlichen Landrathsamte ein Logeplan ausgestellt worden ist. der für die Bebauung der Elsteruser zwilchen Debschwitz und Gera Richtschnur sein soll. Bevor derselbe aber nicht Rechts- kraft erlangt Hab«, könnte die Negierung keine Vorlage über die Regulirung der Elster an den Landtag gelangen taffen. Die beiden Gemeinden Debschwitz und Gera baden lOOlsO und 30 00» .4l zu selbigem Zwecke al» Veibilke bnvilliqt. Eine Anfrage de» Abgeord neten Oberländer über die mangelhafte Beschaffenheit der Flurkarten beantwortet Staotsratd Engeldardt und stellt Abhilfe in Au-sickt. Der Verlaut einer staotSfisealiichen GrundslücksparceUe an den Zü-geleil-esitzer G Gerhard, zum Prelle von 3 für den Quadratmeter findet Zuiiimiuuiig Die Regierungsvorlage über de» Ankauf des Geraer Bankgebäude« zn», Preise von 390 900 .« wird einstimmig an- genommen. Mit der Annahme dieser wichtigen und günstige» Vor- läge wird es voraussichtlich möglich sein, entweder das gemeinschast- licht Landgericht nebst der Staatsanwaltschaft oder da» Amtsgericht im Bankgebäude unlerzudrinoen. DaS jetzt dem Land tag vorliegend« Projekt, betreffend de» Bau eine- JusttzgebäudeS ür 800000 wird dadurch hinfällig, und r< wird »un durch Sauversläadige erwogen werden müssen, welch« baulich« Verände rungen im jetzigen Justiz- «nd tm Bankgebäude vorznnehinen wären. Zernrr aber müßte von Boaversländigen festgrstrllt werden, in welcher Weise dir vorhandenen Bedürfnisse wegen de« Baue» eine» neuen Befangrnbause« und der für da« Schwurgericht erforderlichen Räume gedeckt werden sollen. Auch wird eS möglich sein, da- Land rathsamt mit auszunehmen. Die für diese Vorarbeiten uothwrndigen Mittel werden dem Ministerium zur Verfügung gestellt. Der Antrag des Abgeordneten Fisahn und Genossen: „Der Landtag wolle de« schließen, da- fürstliche Ministerium um Vorlegung «ine- Gesetz« enlwurs- zu ersuchen, durchweichen eine Abänderung deSLand- tagtwahlgefetzeS in der Richtung herbeiaesührt wird, daß da- Sonderwahlrecht der Höchstbesleuerten fortfällt und der Grundsatz deS allgemeinen gleichen Wahlrechts zur vollen Durchführung gelangt" wird von der Majorität d«S JusttzauSschuffeS zur Annahme nicht empfohlen. Nach längerer Debatte, a» welcher sich die Abgeordneten Graesel, Fiiah», Ve. Jäger, Kalb, vr. Sturm. Löblich, Froeb, Reibestein, Reuichel und Lautcnschlägcr betheiligen, wird der Antrag mit 8 gegen 7 Stimme» abgelehnt. Tie Mtnisterial-Bekanutmachung über die den Bezirksausschüsse» zugewirsenen Wahlbefugnisse in Bezug aus das Invalidität-, und Altersversicherungsgesetz erhält nachträgliche Zustimmung. Hierauf wird vom Staat-minister vr. von Beulwitz die Beringung des Landtage« ausgesprochen. * Aus Weimar, 20. März, wird uns beschrieben: Der wrimarische Landtag hat in seiner heutigen Sitzung den selbstständigen, von sieben Abgeordneten eingcvrachten Antrag in Betreff der Ermäßigung der Beiträge zur LandeSbrand- casse tabin erledigt, daß nach vorher erklärter Zustimmung der Regierung beschlossen wurde, „dir Regierung zu ersuchen und zu ermächtigen, durch Gesetz eS herbeizusühren, daß für l89l und ferner biS aus Weitere» der in jedem Kalrnder- »äß'gt . . , .. . . Erwägung der in jenem selbstständigen Anträge niedergelrgtcn Grundsätze dem nächsten ordentlichen Landtage anderweite Vorlage zu machen". — Ferner genehmigte da» Hau» die beantragten Mittel für die Erbauung eine» Beamtrn-Wohn- hause» >n Auma, da« aber nicht den Charakter einer Dienst- ondern den einer Mietwohnung tragen soll, und bedürftige» Eandidaten da« Hooorar für dir Vorlesungen am Seminar au» Staatsmitteln erstattet werden soll. Die außerordentliche LandtagSsession wird morgen geschloffen. * Der kaiserliche Statthalter Fürst v. Hohenlohe hatte am Mittwoch Abend in s«»em Palaste die Mitglieder de» Lande»auSschussrS und desStaatSrathe» von Elsaß- Lothringen, die Regierungscommisiarc beim Landesausschuß, die Spitzen und zahlreiche Mitglieder der geistlichen, bürger lichen und militairischen Behörden deS Landes, die Vertreter der RcichSbehörden, der Universität, die KrciSdirectoren, die Bürgermeister der großen Städte und zahlreiche Angehörige der hiesigen Gesellschaft zu einer jener parlamentarischen Abendgesellschaften um sich versammelt, welche sich, wie die „Straßburger Post" betont, in der NcichSlandShanplstadt derselben weitgehenden Beliebtheit erfreuen, wie seinerzeit die berühmten parlamentarischen Abende beim Fürsten BlSmarck in der Reich-Hauptstadt. Nirgendwo stndcn die so verschiedenartig zusammengesetzten Element«, welche an der Gestaltung unseres öffentlichen Leben- mit- zuardeiten berufen sind, eine gleich günstige Gelegenheit, auf breitester Grundlage zur gegenseitige» Aussprache ihrer Ansichten und Ueberzeugungen zu gelangen, als gead« aus diesen Abend- aesellschaften, deren kennzeichnende Eigenschaften Zwanglosigkeit und Offenheit sind. „ES wird gebeten, im Ucbcrrock zu erscheinen", steht auf den Einladungskarten, und dies äußerliche Moment giebt dem ganzen Verkehr den Charakter einer freien, ungezwungenen Bereinigung. An kleinen Tischen vertheilt sich die Gesell« schast in bunter Reihe nach beliebiger Wahl; Jeder holt sich vom reich besetzten Buffet, was ihm zuträglich oder angenehm schrillt; stinke Mundichcnkrn dielen Bier, Wein, Champagner, Punsch, The«, Kaffee, kurz, eine Auswahl der verschiedensten Stärkungen herum. Bald hat sich in der Rund« die lebhafteste Unterhaltung entwickelt, die auch noch Stunven lang sortdaurrt, nachdem die Tafel aufgedvben ist und die Gäste sich bei der Cigarre in den weiten Gesellschastsräumen plaudernd ergehe». Ter Fürst bewegt stch mit der sriiliM Rüstigkeit, welche den Beobachter an seine Jahre nicht glauben läßt, inmitten der einzelnen Gruppen, deren Beslandlheile sich im Wechsel de- Gespräch» fortwährend vcr- schieben. Ueberall bildet er den Mittelpunkt der Unterhaltung, und keiner seiner Gäste bleibt ohne ein freundliches Wort de- Bertretcrs Sr. Majestät im Reichslande Elsaß-Lothringen. Ein Photograph, dein eS gestattet würde, dort Augenblick-ausnahmen zu machen, würde die reichste Ausbeute davontragen. Hier stehen Universität-« Professoren und Abgeordnete in angeregtem Gespräch; dort tauschen einige KreiSdirectoren, die an einander entgegengesetzten Punkten des Lande« angcstellt, sich seit der letzten parlamentarischen Soirse de- vergangenen Jahre» nicht mehr gesehen haben, ihre Erlebnisse aus; da begrüßt ein Abgeordneter gar herzlich den Regiments kommandeur, der einmal in, Manöver bet ihn, tn Quartier gelegen: dort plaudert der protestantische Divisionspfarrer freundlichst mit seinem katholischen „Stiefbruder". Und dort gar sehen wir eines der Häupter unterer „Opposition" tn lebhaftester Unterhaltung mit einigen hohen iniiitairische» Würdenträgern; das augeregte Gespräch dauert lange fort, und am Schluss« sagt Jeder vom Andern: „Ra, diele Leute sind ja im Grimdc gar nicht so übel". Hier liegt der Schwerpunkt der Bedeutung, welche diese parlamentarischen Abend« haben I Sie bilden einen gemeinsamen Boden für Elemente, die sonst gar keine Gelegenheit haben, einander näher zu treten. Wie will man aber zu einem Vcrständniß, zu einer Verschmelzung ge- lange», wen» man keine Gelegenheit hat, überhaupt einmal zu ^ " uungen und die bewerl- .... . Boden der Geselligkeit, al» bei dienstlichen Veranlassungen und geschäftlichen Beziehungen. einer offenen Aussprache der gegenseitigen Anschauu Forderungen zu kommen? Und eine solch« Aussprache, l Itelligt sich viel leichter »nd besser aus dem neutralen * Um die Russisicirung der Eisenbahnen zu be schleunigen und dieselben mehr als bisher für die Zwecke der Militairverwaltung nutzbar zu machen, sollen all? Betriebs posten (Stalionsrorstcher und Assistenten, HaitrsteUenvorsteber und Eontreleiltc) mit verabschiedeten Lkffirieren oder solchen der Reserve l e'ctzk werten. Zu Oberschassnern »nd Scvaffncrn sollen Unterosliclerc und Gemeine gemacht werden. Es wird zur Verschleierung des eigentlichen Zweckes dieser Neuerung in Petersburg daraus bingcwieie». daß in Preußen sich bei der Eisenbabnverwaltnng das Svstem der Militairanwärtcr gut bewährt habe Man vergißt dabei, daß die preußischen Sfficicre und Unterossicicvc eine bessere Bildung besitzen als ibre russischen College» Tc-balb ist cs auch nicht verständlich.
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