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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189105064
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910506
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910506
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1891
- Monat1891-05
- Tag1891-05-06
- Monat1891-05
- Jahr1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.05.1891
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Nröartio» und Lrpkdition IohanneSgasse 8. Lprrchst»»dr» drl Nrdariio» Avriniltags 10-12 III,r. lüachinittag- 5—6 Uhr. tzUl»» SIuck,,ade »>»>>,i-neler M.,n»Icr>eie ma-l sich d,c RckacUon »Ich! veiduuiiä,. Annahme Ver für die nächstfolgende Nummer bestimmte» Inserate an Wochentagen bis 8 Ubr Nncknilttags, an Tann- und Fcsttagru früh bis > .0 U hr. In -rn Filialen für Ins.-Auiialimr. Ott« Klemin'S Lortim. tAIsre» Hahn). UnjversitätSslrabe 1, LouiS Lüsche, Lathariurnslr. 14, pari, und Königsplatz 7, n»r bis '/,S Uhr. 126. MbonnementSprelS vierteljährlich 4>, Mk. ln ?lI>.Le>vzig. incl. Brinqerlvl»! 5>Mk., durh die Post bezoqea «> Mk. Einxelue Nr». 20 Pf. Belegexemplar 10 Pi. Gebühre» für Extrabeilagen lin Tageblalt-Forinat gefalOl ohne Pvsibesvrderung 00 Mk., mit Poslbeiordermig 70 Ntk. Iulrratr 6 gespaltene Petitzcile 20 Pf. Größere Tchriftcii laut unf. Preisverzeichnis. Tabellarischer uZissernsatz nach hüherm Tarif. Krrlamrn unter dem Redactionsstrich die 4gelvalt. ZeileSOPs .vorden Familiennachrichtea die Kgespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind stets an die Expedition zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumeranilo oder Lurch Post nachnahme. Mittwoch den 6. Mai 1891. 85. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Donnerstag, den V. Mai, Vormittags nur bis Uhr gcössnet. IXpotlitlon <1i>8 I.6li>xixoi' '?riToI>Iritte8. Amtliche Bekanntmachungen. Herzliche Bitte! WaS in allen kirchlich gesinnten Kreisen unserer Landeskirche längst schon lebhafter Wunsch gewesen, in diesen Tagen, mitten »wischen Oüern und Pfingsten, ist es ossciikundige Thalsache geworden: Lrtpzig-Polkinarsdorf, diahrr ThrU der »rohen Parochie Echönefeld, ist am 1. Mai a. e. zur selbstständigr» Kirch gemeinde erhoben. Eine der ersten und wichtigsten Vornahmen der Parochie L.-Bolkmarsdorf mit ihren 17 000 Seelen wird der Bau einer Kirche sein. In der Pfingstwochc unter dem Wehen des Geisles Gottes soll der -irchneuda» beginnen in lebendiger Hoffnung aus ferneres gesegnetes Gelingen. Bin unermüdlichem Eiser hat sich BolkmarSdors seit 7 Jahren aus kleinen Anfängen durch alle Schwierigkeiten hindurch gearbeitet. Hohr und höchste Behörden, Vereine, Fa»ii>ten, Einzelne sind in hochherzigster Weise für das Werk des Kirchenbaues helfend und fördernd eingetrrteu. Die Gemeinde selbst hat nach Ver- mögen in fast allen ihren Gliedern das Möglichste gethan. So sind wir mit Gotte- Hilfe zu dem so erfreulichen Ziel gekommen, daß uns außer dem Bauplatz etwa 100 000 für den Bau zur Verfügung stehen. Die Ausführung wird nun »war durchaus einfach gehalten werden, jedoch bei der durch die Seelenzahl bedingte» Große der Kirche ist eS immerhin noch nöthig. eine gleiche Summe als Anleihe aufzunehmen. Um aber jede Ueberschrettung und Unzufriedenheit erregende Belastung unseres als arm bekannte» StadttheilS zu vermeiden, »enden wir uns besonders unter Hinweis aus Beschaffung der inner» AuSstattnng der Kirche bittend an unsere Brüder und Schwestern der Altstadt: Sehet an die kirchliche Roth, in der unsere große Gemeinde nnr zu lange schon gestanden: Habt ein warme» Herz, eine offene Hand für die ne« an- geschlossenen Glieder im kirchenlosen Osten! Erbarmet euch und helfet in rechter Ebriftenlicbc Altar und Sanzel, Taufstein und Orgel, »locken und Fenster mit anschaffen! So bitten wir in sestem Gottvertrauen im Angesicht des Sonntag- „Rogate". O, möchte unsere dringende Bitte Aller Herzen ersoffen! Möchte Alt-Leipzig in gewohnter Hochherzigkeit auch gegen »INS, die angenommenen Kinder, trene Mutterliebe Üben zu Gottes Ehre und zum Segen des ganzen Gemein wesens ! Unser Bote wird in diesen Tagen in Gottes Namen an die Thüren und Herzen klopfen, möge er freundliche Auf nahme finden. Für jede Gabe ein aufrichtiges „Bergelt'S Gott"". Leipzig-Bolkmarsdors, den 1. Mai 1891. Ter Kirchcnvorstand. Ter Kirchenbauveretn. ?. vie. Weichsel. Oberlehrer Recht. Bekanntmachung. Tie Leuchtkraft des städtischen Leuchtgases betrug in der Zeit vom 27. April bis 3. Mai d. I. im Argandbrenner bei 2,ö Milli meter Druck und ISO Litern stündlichem Consum das 18,4sache der Leuchtkraft der deutschen Normalkerze von SO Millimeter Flainmcnhöhe. Das specifische Gewicht stellt sich im Mittel auf 0,480. Leipzig, am ö. Mai 1891. TeS Raths Deputation zu den Gasanstalten. Bekanntmachung. Wegen vorzunehmender Einlegung von Wasserröhren wird die , ^ «haussrestratze zu Leipzig-Rendnitz aus deren Strecke von der Kirche bis zur „Grünen Schenke" von Mittwoch, den V. -ss. MtS. ab aus die Tauer der Arbeiten für de» durchgehende»» Fährverkehr gesperrt und letzterer durch die Eapcllenstraße verwiesen. Leipzig, den 4. Mai 1891. Ter Rath der Stadt Leipzig. Ir. 5146. vr. Georgi. Leistner. In dem Zeiträume vom 10. Mai bis zum 18. Oktober wird die Sammlung der Hönigl. geologischen Landesuntersuchuiig iThalstraße 35, 2. Etage) an jedem Sonntage von '/,!! bis '/,l Uhr dem Publicum geöffnet sein. I» einem neben dem Sammlungssaale gelegenen Studienzimmer sind sämmtliche bisher erschienene Blätter der geologischen Special, karte von Sachsen nebst den zugehörigen Erläuterungen, sowie sonstige aus dcn geologischen Ban des Königreichs Sachsen bezügliche Werke behufs ihrer Benutzung vou Seiten des Publikums auSgelcgt. Leipzig, dcn 4. Mai 1891. Ter Tireetor drr Königs, geologische» LandrSuntersuchung. vr. Herm. Credner. Pauline Emilie Zinschkv auS Dietendorf hat erstatteter Anzeige zufolge das ihr unterm 2. Januar 1883 vom Gemcindevorstand zu Böhlitz bei Schkölen ausgestellte Dienstbuch ain 8. März d. I. in hiesiger Stadt verloren. Das Buch ist im Ausfindungssalle ouher abzulicsern. Leipzig, dcn 1. Mai 1891. Tas Polizriamt der Stadt Leipzig. In Stellvertretung: IV. 2432. l)r. Schmid. M. Zitllderinig der Tlirnsiiht. Von zuständiger Seite ist eine erhebliche AenLcrung (meist wesentliche Herabsetzung) der für die Verzollung vo» Perlmutter- Knöpfe» und Stücken, von Honig, Kaffee, Käse, llacao, Mehl und Getreide, »»bcarhelleten Tabakblättern »nd Tabaksiengeln, Ccnidi». und Rohzucker, sowie Papier geltenden Tarasätze in Aussicht ge- nommen Diejenigen Kanflenie »nd Fabrikanten, welche dadurch betroffen werden, tonne» behusö etwaiger Gegenvorstellungen an unserer Kanlei, Nene Bör'e. Treppe i, Näheres »rsahren. Leipzig, den I. Mai I8'9l. Tie Handelskammer. Ja Stellv.: Sch aoor. vr. Grusel, S. Gcwerbekammer Leipzig. Freitag, de» IS. d. M.. Nachm. 5 Uhr öffentliche Plenarsitzung im Kammerlocalr. Tagesordnung: Bericht des Berkehrs-Ausschusses über die Minislerial-Borloge, die Auswüchse des börsenmäßigen Termin- Handels in Nahrungs- und unentbehrlichen Genußmitteln betreffend. Leipzig, den 6. Mai 1891. v. 4. Oedler, Vors. Herzog, S. Fürst Bismarck an seine Wähler. * Heute liegt eine bedeutsame Kundgebung deS Fürsten Bismarck an seine Wähler vor. Nachdem daS Resultat der Stichwahl zwischen dem Fürsten von Bismarck und dem Socialdcmokraten feststand, begab sich am Sonnabend, den 2. Mai, nach vorheriger Anmeldung, eine Deputation deö 19. hannoverschen Wahlkreises nach FriedrichSruh, um die officielle Einwilligung zur Uebernahme des Mandats ür den Reichstag von deiner Durchlaucht zu erbitten. Ter Fürst, dessen frisches lebenskräftiges Aussehen überraschte, und der in letzter Zeit an Rüstigkeit nur zugcnommen zu haben scheint, empfing, soeben vom Morgenspaziergang zurück- gekehrt, siebend mit dem Schlappbut und Stock in der Hand, die Deputation. Herr Senator Schmidt auS Geestemünde hielt eine längere Ansprache, die in der Bitte gipfelte, Fürst BiSmarck möge dem l9. hannoverschen Wahlkreise die Ehre erzeichen, das Mandat für denselben im Reichstage an- guichmen. Seine Durchlaucht erwiderten in langer Rete, die, da der Fürst bekanntlich langsam und mit Betonung spricht, von einem Herrn der Deputation im Allgemeinen ziemlich treu wiedcrgegebcu sein dürste. Die Rebe halte etwa folgenden Inhalt: „Die Ehre, welche Sie mir durch Ihre Wahl erwiesen haben, schätze ich doppelt hoch, nicht allein als Ihr deutscher Landsmann, sondern auch als Ihr plattdeutscher Nachbar, ich bin im plattdeutschen Lande geboren und erzogen, und freue mich, durch die stattgehabte Wahl einen Beweis des Ver trauens meiner engere» Landsleute zu erfahren. Ich bin im 77. Jahre und nicht »phr Lustig genug, um der Aufgabe als RcickstagSabgeordnetii: so zu entsprechen, wie ich glaube, daß sie erfüllt werten sollte. DaS ist der Grund, der mich abgehaltcn hat und abhaltcn wird, mich um ein Mandat zu bewerbe», so schwer cS mir auch wird, auf jede Bctheiligung an Geschäften, Lenen 40 Jahre lang meine Thätigkcit gehörte, gänzlich zu verzichten. Als Eandidat zur Wahl konnte ich mithin nicht austreten, da ich nicht in der Lage bin, mein Mandat regelrecht auszuüben. Deshalb habe ich in meiner ersten Antwort erklärt, daß ich zur Zeit außer Stande sei. Mickten zu übernehmen, mit deren Ausübung der Aufenthalt in Berlin verbunden wäre: einmal wegen meiner Gesundheit. DaS Gastboflcben ist meinem Befinden weniger zuträglich, wie das Wohnen ii» eigenen Hause; ich hatte mir lange gewünscht, einmal ein Zimmer zu bewohnen, daS ich nur im Sarge zu verlassen genölbigt sein würde. Eine kündbare Ministerwohnuiig bietet diese Sicherheit nicht. Ich habe kein Mandat gesucht, bin aber stets der Meinung gewesen, daß ich ylich der Ausgabe,, meinem Baterlande zu dienen, nicht cn^ehen dürfe, wenn der Ruf dazu ohne mein Zuthun von competcnter Seite an mich herantriit. Ich habe mich nie i» die Politik eingedrängt. Meinem Privatleben als Landwirtb, Teichhauptmann »nd >>n Provinzial landtage bin ich vom Könige Friedrich Wilhelm IV. entzogen worden, indem der hohe Herr mich zu einem wichtigen GcsandtschastSposten unerwartet berief. Demnächst bin ich vom Könige Wilhelm in einer sebr schwierigen Lage der Krone und ihrer Regierung an die Spitze deö Ministeriums berufen worden, um 1862 sehr angenehme amtliche Beist,fij,. nisse mit der dornenvollen Stellung eines ConflictSministcrS zu vertauschen. Ich bin solchen ungesuchten Berufungen gegenüber, wenn sie von berechtigter Stelle anSgchc», zwar nicht Fatalist in dem Maße wie ein Türke mit seinem Kismet, aber ich hätte eine Gewissennnruhe, wenn ich mich lediglich auS Rulicbedürfniß dem Rufe entzöge, den Sic an mich richten; ich kalte mich nicht für berechtigt, dem Vaterlande den Dienst der geringen Kräfte, die niir bleiben, vorzn- cnthalten, wenn er nicht über das Maß meiner LeistungS fähigkeit gefordert wird. Wenn ick Ihnen sagte: Ich kann jetzt nicht nach Berlin, so will ich hinzusügc», daß für meine Anwesenheit dort im Augenblick kaum ein Bedürsniß vorliegt. Ter Reichstag wird nur noch kurze Zeit tagen und eS stebt, so viel ich weiß, keine Frage zur Debatte, auf die Ein fluß zu nehmen im jetzigen Stadium derselben »bunlich wäre oder die unseren Wahlkreis im Bcsondern intercssirte. Sollten solche in Folge neuer Vorlagen »och zur Beraihung komme», so werte ich mich daran nach Möglichkeit meiner Gesundheit belhciligen. Abgesehen davon aber bitte ich Sie, als Ibr Abgeordneter, einstweilen um Urlaub. Nicht bloö die Un bequemlichkeit, außerhalb der eigene» HäuSlichicit zu wohnen und zu schlafe», hält mich augenblicklich von Berlin zurück, sonder» auch die Aussicht ans peinliche Begegnungen mit früheren Freunden, die solche zu sein seit meinem Ab gänge ausgchört haben. Ich hoffe, von Ihnen hat Niemand die schlimme Erfahrung selbst gemacht, mit seiner geschiedenen Frau »iiversvhnt unter einem Tacke zu wohnen Aelmlich ist daS Wiedersehen mit geschiedenen Freunden. Sie werden sich vorstclle» können, daß ich in Berlin Begegnungen haben werke, die meinen frühere» Freunden vielleicht ebenso und mehr wie mir unerwünscht sein würden. DaS ist ein Imponderabiic niiv die eonvcntionellcii Formen decken die inneren Eindrücke solchen Wiedersehens Aber ich mag sie mir nicht früher a»f- crlegcn, als eS pflichtmäßig »otbwcndia wird. DaS Mandat dauert ja aber auch länger und bei der Schnelligleit, mit der wir leben, tonnen sich die Umstände unddieEindrückebiS dahin andern. Natürlich kan» ich nach meiner Vergangenheit nicht einer Partei angeboren: wenn ick, in gewissem Sinne auch Parlcimann bin, so bin ich cS für das alte Eartcl, vasür, daß die staalSerhaltendcn Parteien sich soweit verständigen, wie cS ihnen möglich ist »nd die Dornen ihrer Programme nicht gegen einander kcbrcii Die- war eS stekS, was ich i» meiner letzten Zeit als Minister erstrebt habe. Ich bin mit de» Nationalliberale» ja weit gegangen »nd von ihnen oft gestützt worden. Es ist mir eine der widerlichsten Lüge», das, ich raS Won gesprochen haben soll, „ich wollte die Naiionallibtralcn an die Want drücken, bis sie quietschten" De, letzte,e Ausdruck ist so ekelhaft geschmacklos, das, ick ist: a» sich schon nie gebraucht haben würde. Weshalb ich »o den Nationalliberalen auseinander kam, das lag hauptsächlich daran, daß ihre Führer mit einigen meiner Eollcgen im Ministerium ohne mich und gegen mich enge Fühlung ge wonnen batten. Ick befand mich dabei in der Defensive, nicht im Angriffe. Sollte eine der staatScrhaltenden Pzncicn rir sich allein oder mit andern zusammen die Majorität er lange», so würde dies ein großes Glück sein. Mir stiebt e» jeteSmal einen Stich in daS politische Herz, wenn ich sehe, daß die Fractionen, die gleich ehrlich bemüht sind um die Erhaltung deS Reiches, in Feindseligkeiten gegen ein ander bis zu giftigen Invectivcn gehen. Da möchte ich gern als sriedenstistrndcr Gemeindcdirnrr dazwischen pringen und Jedem beweisen, daß der tertiär gauckvu» drr chlimmere Feind ist DaS ist die Linie, i» der auch meine .'arlamentarische Dichtigkeit, wenn es zu einer solchen kommt, ich bewegen wird. Der Gedanke einer principiellen Opposition gegen meinen Amtsnachfolger und die Negierung liegt mir außerordentlich fern; ebenso fern aber liegt cS mir, still u sein gegenüber von Vorlagen, die ick für schädlich halte. VaS in aller Welt soll ein Grund für mich sein, bei solcher Gelegenheit zu schweigen? Etwa der, daß ich größere Er- abrüng besitze als die meisten Anderen? Die Pflicht, zu reden, welche sich gerade auS meiner Sachkcnntniß dann ergiebl, zielt in meinem Gewissen wie mit einer Pistole aus mich. Tie Herren, welche mich deswegen angreisen, haben davon keine Vorstellung. Wenn ich glaube, daß da» Vater land mit seiner Politik vor einem Sumpse steht, der besser vermieden wird, und ich kenne den Sumpf, und die Änderen irren sich über die Änderen, irren sich über die Besckaffenbeit des Terrain», so ist eS Verratb, wenn ick schweige. WaS sollte ick für andere Zwecke haben, als dem Lande zu diene»? Ehrgeizige etwa? DaS wäre doch tböricht anzunehmen. WaS sollte ich denn werden? Mein Avancemcnt ist abge schlossen. Ich batte da» Bedürsniß, den Sinn, in welchem ich Ihr Mandat annehme. darzulegen. In meiner ersten telegraphischen Antwort auf Ihren MandatSantrag leknte ich ab, weil ich zur Zeit nicht nach Berlin geben könne. Daraufhin darf ich annehmcn, daß der Wahlkreis, wenn er meine Eandidatur dennoch ausrecht erhalten und durckgesührt bat, mir für die Dauer dieser NeichStagSsession Urlaub giebl ür de» Fall, daß nicht noch etwas Neues von Wichtigkeit vorgelcgt wird. Ich danke Ihnen nochmals für die Auszeichnung, welche Sie mir in der Vertretung Ihres für mich seit lange historisch interessanten Wahlkreises erzeigt haben. Wie die Dithmarscn, so haben auch Sie von Alters her die Verfassung freier Bauernschaften gehabt, und WaS beiden Stämmen die besonderen Sympathien jedes Deutschen gewonnen hat, daS ist ihre Tapferkeit. Die Stedinger haben im Kampfe kein Glück lehabt, sie sind vom Bischof von Bremen im damaligen ircuzzug arg in die Pfanne gehauen worden, aber nach waS für c:»em heldciimüthigen Widerstande, nach einem Kampfe von Mann und Weib. Jetzt, meine Herren, glaube ich, kommen wir mehr in ein Privalgcspräch, das wir besser beim Frühstück svrlsetzcn, zu dem ich Sic hiermit cinladen möchte." Nachdem die Deputation, (so schreibt das „Ltterndorser KrciSblatt", dem wir die vorstehenden Darlegungen ent nehmen, weiter), auch nvch von der erlauchten Tocktcr deS Fürsten, der Gräfin Rantzau, empfangen war, welche die leider durch Krankbeit verhinderte Fürstin vertrat, setzte man sich zum Frühstück nieder. Wer bereits die Ehre batte, vom Fürste» bcwirlbcl zu werden, weiß, in welch' herzlich gcmütb sicher Weise Seine Durchlaucht die Gäste in gute Stimmung n versetzen versteht. So war eö auch an diesem, sür jedes Nitgsied der Deputation »»vergeßlich bleibenden Tage, wo bald die sämmtlichcn Anwesenden die ebrfnrchtSvolle Scheu ablegten und in die herzlichste Unterhaltung mit der erlauchten Familie kamen. Als Kaffee und Cigarre» gereicht wurden, erschien auch die lange Pfeife, welche stets ein trcner Be gleiter deö Fürsten zu sein pflegt, gar mächtige Rauchwolken entquollen derselben, wenn der Fürst sich vo» der Unter haltung etwas lebhafter berührt fand. Fürst Bismarck erkundigte sich unter Anderin in liebenswürdigster Weise nach den ländlichen Verhältnissen und der Vobcnbeschaffcnhcit der einzelnen Kreise. Um l Ubr verabschiedete sich, nachdem sämmtliche Herren ibren Namen in daS für Fremdcnbesnch eingerichtete Buch eingetragen batten, die Deputation von dem Fürsten »nd der Gräfin Rantzau, da der Zug nach Hamburg bereits signalisirt war. Oie Borgänge in Bom. Wenn die Behörden in irgend einem Staate langmüthig sind den socialistische» und monarchistischen Ausschreitungen gegenüber, so sind sie cS in Italic». Die Regierung wackt pcmsick darüber, daß die versaffnngSmäßigcn Rechte der Staatsbürger in ibrem vollen Umfange geachtet werden. Aber wen» die GesetzeSveräckter )u Tbaten übergeben, tan» schreitet die Polizei »nd im Notbsallc auch das Militair ein, wie da« überall geschieht. Die Anarchistenvcrsammlung in Rom, welche am I. Mai statts'ank, batte von Anfang an einen sv ausgesprochen rcvolnlivnaiien Cbaraktcr, daß, wie der Minister deS Innern richtig bemerkt, die Polizciinannschaften dcn fortgesetzten Aufreizungen der Brandredner gegenüber die höchste Geduld »nd Selbstverleugnung bewiesen haben. Erst nachdem ein Polizist erschossen und die übrigen Mannschastcn mit einem Steinhagel überschüttet waren, machte sie von ihre» Waffen Gebrauch, und zwar einen so mäßigen, daß die Zahl der Verwundeten aus Seiten der Polizei und des Mili- tairS ber Weitem gbößcr ist als unter den Angreifern. Trotz dem wurde der Regierung ein schwerer Verwurs daraus gemacht, daß der Abgeordnete Barzilai durch einen Säbelhieb verwundet wurde, mit daß ein Lssicicr ii» Eiser deS Gefechts gesagt haben solle: „Schießt die Canaille über dcn Hansen." Die Lage war ernst genug, denn einer der sremdcn Hetzer, die eigen» an» Paris gekommen waren, um einen Ausruhr zu erzeugen, ein gewisser Landi, erließ die Aufforderung, die Stadt anziizünden. Daß da viele Kanslcnte ibrc Läden schloffen, ist sebr natürlich; die Zcisiingen machen ibncn das Iheilwcise zum Vorwnis und legen es als Mangel a» Tlat- kraft oder als Feigheit ans. So lange die Regierung noch daS Heft in Händen hat, ist der friedliche Bürger berechtigt, die Fürsorge sür Anfrcchtkallung von Ruhe »nd Ordnung der Polizei und dem Militair z» überlassen; einer ansgereglcn Volksmenge gegenüber würde eS auch wenig helfe», wen» der Einzcliic sein Hab »nd Gut vcrlhcidigcu wollte. Man würde ibn cinfacy Niederschlagen und sei» Eigentbum zerstören. .UeberdieS war der Aufruhr so plötzlich entstanden, daß an ein geschlossenes Vorgehen der Bürgerschaft zur Verteidigung ihres Eigentums nicht zu denken war. Wenn „Popolo Romano" unter solchen Umständen daS Schließe» der Häuser und Läden Gefühlsduselei nennt, so wäre dem Verfasser deS betreffenden Artikels anzuempsehlen, daß er durch mutiges Entgegentrelen gegen die Ruhestörer den in „Gesitlsdnsclei" befangenen friedlichen Bürgern ein Beispiel gegeben hätte. Nicht viel bester als solche Helte» der Feder sind Abgeordnete zu beurteilen, welche die Wächter der öffent lichen Sicherheit, welche im Augeiiblick der Gefahr ihre Pflicht thun, drr Maßlosigkeit beschuldigen und gar keine Notiz davon nebmcn, daß eine größere Anzahl Polizisten und Soldaten bei diesem Anlaß gclödtet oder verwundet worden ist. Die Weisheit deS Herrn Bvnghi bestand darin, daß er von der Regierung das Verbot der gefährliche» Versammlung verlangt. Es ist aber mit Sicherheit anzunebmen, daß die Regierung im Parla ment auch deswegen Tadel erfahren hätte, ja Herr Bongki würde dann vielleicht auch an dem Tadel teilgenommen baden. Mit solchen Volksvertretern kan» die Regierung überhaupt nicht rechnen, sie muß nach bestem Wissen und Gewissen ihre Maßregeln treffen, gleichviel ob ie nachträglich von der Mehrheit de» Parlaments sür gut befunden werden oder nicht, und im letzteren Falle urücklrercn. Auf diesen Standpunct hat sich da» Ministerium Rudini gestellt und damit offenbar das Richtige getroffen. Das Eabinet verlangte ein Vertrauensvotum und erhielt cS, reilick gegen eine verhältnißmäßig sehr große Minderheit; N3 Abgeordnete stimmten gegen die Tagesordnung Campo- realc'S, welche die Haltung der Regierung am I.Mai billigt, und nur der Nachsatz, welcher dem Verwalten deö Militairs und der Polizei die vollste Anerkennung ansspricht, wurde >ast einstimmig angenommen. Der Unterschied, welcher wischen dem Befehl und der Ausführung gemacht wird, ist >emcrkenSwcrth; über 100 Abgeordnete waren der Meinung, daß der Zusammenstoß vermieden werde» konnte, wenn die Regierung bessere Maßregeln gclrvssen hätte. Mau kann daraus ersehe», wie schwer die Italiener zu regieren sind; daS Ministerium, waS eS Allen recht machen sollte, müßte allwissend sein. Der Durchschnitts-Italiener verlangt von der Negierung, daß sie allen Staatsbürgern die unumschränkte politische Freibeit gewähren soll, jeder soll reden und tbn» dürfen, was ibm beliebt, gleichviel ob der Regierung und der Gcsammt- heit dadurch Schwierigkeiten und Gesanrcn erwachsen oder nicht, wenn nur leine directe Verletzung der Straf gesetze vorsiegt. Besonders groß sind die Anforderungen, welche bezüglich der Handhabung des Vereins und Versamm- lungSrcchtS an die Regierung gestellt werden. Man macht cö ihr zum Vorwurf, wenn sie Vereine auslöst, welche das Land in die Gefahr eines Kriege» bringen, wie die Oberdank- und Barsanti Vereine, oder wie die sogenannten FricdcnS- vercine, welche die Frankreich gegenüber cinzuschlagende Politik bestimme» wollen. Italien wacht »lit Reckt darüber, daß die italienischen Staatsbürger im AuSlande nickt in ihrer persön liche» Sicherheit gefährdet werden, wie der Schriftwechsel zwischen der italienische» und »ordamerilanischcn Regierung wegen der Vorgänge i» New-Orlcanü beweist; ein Thcil der Volksvertreter ichcint aber ans die Sicherheit der italienischen Staatsbürger in der Heiinath weniger Gcwickt zu legen als aus diese Sicherheit im AuSlande, sonst würde» sic eine Regierung nickt tadeln, welche Schutz gegen socialistische und anarchistische Ausschreitungen gewährt. Man erkennt auch bei diesem Anlaß wieder, daß die Radi kalen von der Regierung IlninögsicheS verlangen und daß sie ihre eigentliche Ausgabe darin erblicken, der Regierung Ver legenheiten zu bereiten. ES ist Manche» geschehen, waS zu schweren Bedenken Grnnd gicbt, wie die Aiieschrcitungen in Massanab: dafür ist die Regierung aber nickt verantwortlich, sie bat nickt mcbr thun können, als sofort, nachdem die Dinge zu ihrer Kenntnis! gekommen waren, eine strenge llntersuckniig anzuortncn. Das Ergebnis; dieser Untersuchung bleibt abzu- warlen, erst dann lässt sick ei» Unheil fällen. Auch das Verhältnis! znm NeguS von Abessinien, Menclik, fordert die Kritik heraus; aber Diejenigen sind sicher im Unrecht, welche CriSpi für diesen Ucbclstand verant wortlich macken wollen. Schließlich ist dock ein Minister aus diejenige» Personen angewiesen, welche sich im Lande befinden, »nt erst wen» sie sich de» ans sic gesetzten Vertrauens unwürdig erwiesen haben, kann er gegen sie Vor gehen. Nkan macht nicht bloö in Italien die Minister immer für DaS verantwortlich, was Andere Ibun, gleichviel ob sie im Stande waren, aus diese Handlungen cinzuwirkc» oder nicht. Ferrn musste für die nngeschicktc Führung der militairischcn Befehlshaber in Tonkin büßen, Crispi wird sür den Vcrrath Mcnelil's und für die Verbreche» Livragbi's vcraiilworlsich gemacht, Rndini und Nicotcra endlich trage» die Schuld an den anarchistische» Ausschreitungen vom I. Mai — nach der Meinung von 113 Abgeordneten. Diesem Urtbcil muß sich die Regierung unterwerfen und das wird ihr nicht allzu schwer fallen. * Leipzig, 6. Mai. * Der Kaiser bat am Montag Nacbniittag bei Gelegen heit des ibm von den Provinzialständc» in Tüsseldors ge gebene» Festmahle- eine hoch patriotische Rete gehalten. Nach einem Telegramm des „Wolff scke» Bureaus" gedachte Er der iu Bonn zugebrachten Studienjahre und Seiner Bc zickunq zur Nhrinprovinz. Vor 12 Iabrcn sei Er gerate in Düsseldorf im Anstrage Seines erhabene» Großvaters znm erste» Male bei Enthüllung des Cornelius DenfmalS öffentlich ausgetreten. Auch Sei» Vater habe mit großer Liebe an der Provinz gchanac». Seine FricrciiSbciiiühnngcn seien Seine Pflicht, welche Seine StcUnng iiiit sick, dringe. Er werde sich freue», wenn Er, von Himmels Gnaden iiiilcrsllltzl, den europäischen Frieden in der Hand halten löniic. Jedenfalls werde er dafür sorge», daß der Friede nicht mehr gestört werde (lebhafter Beijalty und nichts >i»vers»«hl lasse», daß die Segnungen der Friedens erhallen blieben. (Wiederholter Beifall.) Auch im Innern ringe ma» sich zu festen Verhältnissen durch. Die Gesetz vorlage» seien Ihcilö mit überwältigender Mehrheit von der Vertretung deS ganzen Volke» durchgesührt, thcil» gingen sie de», Abschlüsse eiilgege». Daran» sei zn crsckc», daß die Wege, die Er cingeschlagen. richtig seien. iBravo.) Man könne überzeugt sein, daß leine Mubc zu greß sei, um dafür zu sorge», daß die Industrie zu ihrem Rechte komme, sowohl die Arbeitgeber, wie die Arbeitnehmer. (Beifall.) Um daS
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